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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 19 U 139/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 273
BGB § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich vom 23.10.2008 (Az. 19 U 139/08) erledigt ist.

2. Der Kläger hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe: I.

Der Kläger hatte die Feststellung begehrt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Sozietätsvertrag durch seine Kündigung vom 11.12.2007, erweitert in der Berufungsinstanz um seine Kündigung vom 30.05.2008, beendet sei. Außerdem hat er noch verschiedene Folgeansprüche aus den Kündigungen geltend gemacht. Wegen Einzelheiten wird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Stuttgart verwiesen.

Nachdem das Landgericht die Klage durch Urteil vom 13.08.2008 (Az. 10 O 419/07) abgewiesen hatte, hat er gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und die Berechtigung zur Kündigung des Sozietätsvertrags vor allem darauf gestützt, dass der Beklagte im Zeitraum ab 01.07.2007 bis 09.12.2007 zwar "süddeutsche Mandate" gewonnen habe, diese ihm aber bis zur Kündigung nicht angezeigt habe, um sich dadurch um die (anteilige) Beteiligung an den Kosten der Anwaltskanzlei (Ziff. III. des Sozietäts- und Kanzleiübergabevertrages vom 27.06.2007 [Anl. K 4 = Bl. 16-19 d. A.]) zu drücken.

Nachdem die Vorsitzende durch Verfügung vom 20.10.2008 dem Beklagten gem. § 273 ZPO aufgegeben hatte, zum Termin vom 23.10.2008 das Prozessregister seiner Hagener Kanzlei für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 09.12.2007 vorzulegen, wobei in jeden Fall der Wohnort des Mandanten und der Zeitpunkt der Mandatserteilung ersichtlich sein müsse (vgl. Bl. 170 d. A.), hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 Kopien seines Prozessregisters betreffend den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 09.12.2007 übergeben und dazu erklärt, "dass dies vollständig aus der EDV entnommen sei; das Prozessregister werde in seiner Kanzlei ausschließlich EDV-mäßig erfasst; Veränderungen daran seien jedenfalls von ihm und seinen Mitarbeitern nicht möglich".

Auf Vorschlag des Senats haben sich die Parteien durch Prozessvergleich auf eine Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses geeinigt. Wegen Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.10.2008 (Bl. 173-176 d. A.) verwiesen.

Durch Schriftsatz vom 22.4.2009, eingegangen am 23.4.2009, hat der Kläger den Vergleich wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Er trägt vor, dass die damalige Erklärung des Beklagten "Veränderungen am Prozessregister seien jedenfalls von ihm und seinen Mitarbeitern nicht möglich", "geradezu lächerlich falsch" sei, da, wie seine anschließenden Erkundigungen ergeben hätten, es eine Vielzahl von Möglichkeiten gebe, die Tabelle zu verändern, was dem Beklagten, im Gegensatz zu ihm, bekannt gewesen sei.

Der Kläger beantragt unter Bezugnahme auf die Anträge im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 29.08.2008,

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 13.08.2008 (Az. 10 O 419/07) abzuändern:

I. Es wird festgestellt, dass der von den Parteien geschlossene Sozietätsvertrag durch die Kündigungen des Klägers vom 11.12.2007 und vom 30.05.2008 beendet ist.

II. Es wird festgestellt, dass der bisherige Berufungsantrag Ziff. II. (der Beklagte hat es zu unterlassen, den Namen des Klägers, seine Büroadresse ... Straße 8, 0000 X... sowie seine Telefon- und Telefaxnummern auf seinem Briefbogen vor die Kanzlei ... Straße 66, 00000 Y..., anzugeben), erledigt ist.

III. Es wird festgestellt, dass der bisherige Klagantrag Ziff. III. (Rückgabe des Schlüssels für das Büro im 3. Obergeschoss des Gebäudes ... Straße 42, 0000 X...), erledigt ist.

IV. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.918,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.644,00 EUR seit Zustellung des klägerischen Schriftsatzes am 30.05.2008 und aus weiteren 1.274,00 EUR seit Zustellung dieser Berufungsbegründung zu bezahlen.

V. Es wird festgestellt, dass der bisherige Klagantrag Ziff. V. (Räumung des süd-östlichen Zimmers im 3. Obergeschoss des Gebäudes ... Straße 42, 0000 X...), erledigt ist.

Da von ihm vorsorglich der Sozietätsvertrag vom 27.06.2007 wegen arglistiger Täuschung durch den Beklagten vor Vertragsabschluss über die Anzahl seiner "süddeutschen Mandate" angefochten werde beantrage er hilfsweise:

I. Es wird festgestellt, dass der von den Parteien geschlossene Sozietätsvertrag vom 27.06.2007 nichtig ist.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.918,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.644,00 EUR seit Zustellung des klägerischen Schriftsatzes am 30.05.2008 und aus weiteren 1.274,00 EUR seit Zustellung der Berufungsbegründung vom 29.08.2008 zu bezahlen.

III. Es wird festgestellt, dass der Berufungsantrag Ziff. II. in der Hauptsache erledigt ist.

IV. Es wird festgestellt, dass die bisherigen Klageanträge Ziff. III. und V. in der Hauptsache erledigt sind.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, bzw. festzustellen, dass das Verfahren durch den geschlossenen Vergleich erledigt sei.

Er trägt vor, dass er die Software A... der Fa. A. GmbH benutze und weder er noch seine Mitarbeiter über EDV-Kenntnisse verfügten, wie diese Software manipuliert werden könne. Dass jeder schriftliche Ausdruck vor- bzw. nachher veränderbar sei, sei eine pure Selbstverständlichkeit.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Urkunden und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Der Antrag des Klägers auf Fortsetzung des Verfahrens wegen Unwirksamkeit des Prozessvergleichs infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist zulässig (BGH NJW 1958, 1970; Münch Komm/Habersack, BGB, 5. Aufl., § 779 Rdnr. 90 in Verbindung mit Rdnr. 89). Jedoch ist der Rechtsstreit, was durch Prozessurteil auszusprechen ist (BGH DB 1971, 2405; Münch Komm/Habersack, a.a.O., § 779 Rdnr. 94), durch den Prozessvergleich erledigt.

1. Ein Prozessvergleich ist wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB anfechtbar (Münch Komm/Habersack, a.a.O., § 779 Rdnr. 90 in Verbindung mit Rdnr. 61).

2. Es ist jedoch nicht feststellbar, dass der Beklagte den Kläger beim Vergleichsabschluss arglistig getäuscht hat.

a) Eine Täuschung setzt die Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen über objektiv nachprüfbare Umstände voraus (Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 123 Rdnr. 3), wobei der Handelnde die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten muss (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 123 Rdnr. 11).

b) Zwar ist die Erklärung des Beklagten laut Sitzungsprotokoll vom 23.10.2008, "Veränderungen daran (Prozessregister) seien jedenfalls von ihm und seinen Mitarbeitern nicht möglich" allein von seinem reinen Wortlaut her nicht zutreffend, da ansonsten niemals Schreibfehler im Register oder falsche Eingaben von Daten im Register korrigiert werden könnten. Die Möglichkeit solcher Korrekturen sind eine pure Selbstverständlichkeit und ist jedermann, selbst mit minimalsten EDV-Kenntnissen, von denen auch beim Kläger auszugehen ist, nachdem er ebenfalls mit einer Anwaltssoftware, nämlich derjenigen der Fa. R... arbeitet (vgl. Ziff. IV. des Sozietäts- und Kanzleiübergabevertrages vom 27.06.2007), bekannt. Außerdem sind natürlich auch "richtige" Ausdrucke aus der EDV mit anschließender Verfälschung/Veränderung möglich. Auch dies ist eine pure Selbstverständlichkeit.

Die Erklärung des Beklagten war deshalb so zu verstehen und konnte nur so verstanden werden, dass ihm und seinen Mitarbeitern eine Veränderung an dem EDV-System selbst, also der Software/Programmierung der Software nicht möglich sei. Solche tiefer gehenden Kenntnisse/Fähigkeiten bestreitet der Beklagte für sich und seine Mitarbeiter. Dass diese Angaben unrichtig sind, kann der Kläger nicht nachweisen und hat er noch nicht einmal substantiiert behauptet.

3. Die Anfechtung des Sozietäts- und Kanzleiübergabevertrags vom 27.06.2007 wegen arglistiger Täuschung war nicht Streitgegenstand des ursprünglichen Verfahren, nachdem sie erst im Wideranrufungsschriftsatz vom 22.04.2009 erklärt worden ist. Da der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich erledigt ist, kann dieser neue Streitgegenstand nicht in das Verfahren eingeführt werden (vgl. dazu auch Münch Komm/Habersack a.a.O., § 779 Rdnr. 93 und 96).

4. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 09.06.2009 konnte, soweit er neue Angriffsmittel enthält, nicht mehr berücksichtigt werden, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist (§ 296 a ZPO). Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand bei Ausübung pflichtgemäßen Ermessens kein Anlass (§ 156 ZPO).

Gleichwohl sind einige klarstellende Anmerkungen angezeigt:

Die Behauptung der "Nichtmanipulierbarkeit" (S. 3) findet keine Stütze im Protokoll vom 23.10.2008.

Wenn ferner in diesem Termin vom 23.10.2008 nur Laien anwesend waren, wie vom Kläger behauptet, ist auch dies ein Indiz für die vom Senat angenommene Auslegungsbedürftigkeit und -fähigkeit der vom Kläger für seine Anfechtung in Bezug genommenen Erklärung des Beklagten.

Zu dieser, nicht im Wortlaut protokollierten Erklärung haben beide Parteien unterschiedliche Interpretationen bezüglich der Bedeutung gegeben. Es ist die Aufgabe des Senats zu prüfen und zu entscheiden, ob die vom Kläger gewünschte Interpretation logisch möglich und tatsächlich gegeben ist und sein Prozessziel erreichen lässt.

Wenn der Kläger im Übrigen zum einen vorträgt, er habe geglaubt, der Beklagte könne "das vorgelegte Register" nicht verändern, und zum andern in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihm selbstverständlich bewusst sei, dass man in elektronischen Dokumenten "Wörter" und "selbst ganze Sätze" verändern könne, gelingt es ihm nicht, den darin liegenden Widerspruch zu erfassen. Zumal er bezüglich vermuteter "Fälschungshandlungen" seitens des Beklagten gerade keine Eingriffe in Datenbanken oder ähnliches, sondern einfache Auslassungen oder Löschungen von Text für möglich hält. Denkt man diese Einlassung konsequent zu Ende, läge noch nicht einmal ein Irrtum vor.

Die weiteren Ausführungen des Klägers zur Verhandlungsführung entsprechen nicht der Wahrheit. Die Sach- und Streitlage wurde ausweislich des Protokolls erörtert. Dies erstreckte sich über ca. 40 Minuten. Der Kläger hat alle Informationen aufgenommen und gibt diese in seinem Schriftsatz vom 08.06.2009 wieder.

Zurückgewiesen hat der Senat lediglich die Protokollierung eines einzelnen, vom Kläger gewünschten Satzes, weil dieser inhaltlich falsch war. Dies wurde dem Kläger auch so vom Vorsitzenden begründet. Allein in diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung des Berichterstatters zu verstehen.

Auch hat der Beklagte die Annahme des Vorsitzenden, er wolle einen abweisenden Antrag stellen, bejaht, bevor die Protokollierung erfolgte.

Richtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Argumentation des Klägers den Senat, der prozessordnungsgemäß vorbereitet war, nicht überzeugte.

5. Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).

6. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.

7. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Auch eine Abweichung von der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs liegt nicht vor. Der Senat hat lediglich eine individuelle Erklärung im Rahmen eines Vergleichsabschusses auszulegen.

Ende der Entscheidung

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