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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 11.07.2000
Aktenzeichen: 2 W 36/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Gratisangebot einer Damenuhr bei Bestellwert ab DM 75,- im Kosmetikaversandhandel

UWG § 1

Das Gratisangebot einer Damenuhr eines Kosmetikversandhandels ab einem Testanforderungswert von DM 75,-- ist weder als Vorspannangebot noch unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens oder des psychischen Kaufzwangs wettbewerbswidrig.

Das gleiche gilt für das Angebot dieser Uhr für DM 15,-- bei einem Testanforderungswert über DM 50,-- oder für DM 25,-- bei einem Testanforderungswert unter DM 50,--.


Oberlandesgericht Stuttgart - 2. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 36/00 17 O 195/00 LG Stuttgart

vom 11.7.2000

In Sachen

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung

des Vors. Richters am Oberlandesgericht Dr. Lütje,

des Richters am Oberlandesgericht Holzer und

des Richters am Oberlandesgericht Oechsner

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16.5.2000 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Beschwerdewert: bis 10.000,00 DM

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, der Sache nach ohne Erfolg.

A

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Beschluss gemäß § 91 a ZPO, durch welchen ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind.

Beanstandungsgegenstand des nach außergerichtlicher Einigung übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens war eine Werbung der Antragsgegnerin, in welcher vollseitig auf einer DIN-A-4-Seite eine Damenuhr mit goldenem Gehäuse, goldenen Zeigern und Stundenanzeigen abgebildet war unter der Überschrift "Zeitlose Eleganz" und einem deutlich hervorgehobenen, umrahmten Vermerk: "Gratis" und - kleiner - "ab einem Testanforderungswert von DM 75,-".

Der umseitige Bestellschein ließ erkennen, dass die Uhr beim Besteller verbleibt, wenn sein sog. Testanforderungswert mindestens 75,00 DM beträgt. Denn ein Sternchenvermerk führt u.a. an: "Ihre Geschenke dürfen Sie auf jeden Fall behalten, auch wenn Sie von Ihrem Rückgaberecht (innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Produkte) Gebrauch machen". Ohne einen solchen Vermerk war zudem aufgelistet, dass der Kunde die Uhr für 15,00 DM erhält, wenn der Testanforderungswert über 50,00 DM liegt, dass "nur 25,- DM" für die Uhr aufzuwenden sind bei einem Testanforderungswert unter 50,00 DM (vgl. Original Ag 1 = Bl. 15).

Das Landgericht legte dem Antragsteller die Kosten auf, da der Unterlassungsantrag zurückzuweisen gewesen wäre, denn sowohl rabatt- wie zugaberechtliche Verstöße seien nicht gegeben; ebensowenig seien die Tatbestände des psychischen Kaufzwanges oder des übertriebenen Anlockens erfüllt. Die letztgenannte Fallgruppe lehnte das Landgericht deshalb ab, da eine Testanforderung von 75,00 DM eine beachtliche Hürde für einen Bestellentschluss darstelle und neben den Mindestbestellschranken auch der Wert der Uhr nicht besonders herausgestellt sei. Anhaltspunkte für einen psychischen Kaufzwang überliefere der Vortrag zum Verfügungsbegehren nicht.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, welcher auch durch eine Senatsentscheidung die Fallgestaltungen des unzulässigen Vorspannangebotes und für alle Bestellvarianten die des übertriebenen Anlockens für gegeben erachtet.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.

B

1.

Rabatt- und zugaberechtliche Fragen stellt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht mehr zur Entscheidung.

2.

a) Ein unzulässiges Vorspannangebot besteht darin, dass als Lockmittel für einen Kauf einer zu marktüblichen Preisen angebotenen Hauptware eine andere - meist betriebs- oder branchenfremde - Ware zu einem besonders günstig erscheinenden Preis derart angeboten wird, dass die Nebenware nicht ohne die Hauptware abgegeben wird. Das Angebot muss so günstig sein, dass von ihm eine erhebliche Anlockwirkung ausgeht, die geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise in ihren wirtschaftlichen Entschließungen unsachlich zu beeinflussen, sodass sie ihre Einkaufsentscheidungen nicht in erster Linie nach Preiswürdigkeit und Qualität treffen, sondern vor allem danach, wie sie in den Genuss der Vergünstigung gelangen können (BGH WRP 99, 828, 830 - Altkleider-Wertgutscheine). Der Pfiff einer Vorspannwerbung besteht darin, dass man einerseits die Zuwendung der Vorspannware wie eine "Zugabe" vom Kauf der Hauptware abhängig macht, andererseits aber ein Entgelt für sie verlangt, da es zwar kein offenbares Scheinentgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 ZugabeVO, jedoch so niedrig ist, dass es den Kunden zum Kauf der Hauptware verlockt. Auch durch einen ungewöhnlich niedrigen Preis kann der Eindruck einer "Zuwendung" hervorgerufen werden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG, 132). Diese Verkaufsfördermaßnahme ist eine Erscheinungsform der Wertreklame (BGH a.a.O. 830 - Altkleider-Wertgutscheine; Baumbach/Hefermehl a.a.O. 132). Damit treffen sich im Kern die Tatbestandsmerkmale dieser Fallgestaltung mit denjenigen des übertriebenen Anlockens.

b) Keine dieser Fallgruppen ist bei einer Angebotsvariante erfüllt.

aa) Dem Landgericht ist für das Gratis-Angebot (Uhr gratis bei "Testanforderung" von mindestens 75,00 DM) darin beizutreten, dass eine Verlockung, Kosmetika bei der Antragsgegnerin zu diesem Mindestbestellaufkommen auf jeden Fall abzurufen, nur um in den Genuss der Gratis-Uhr zu kommen, nicht in nennenswertem Maße besteht. Denn diese Bestellsumme verkörpert einen beachtlichen Auftrag und beinhaltet angesichts der dem Senat aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bekannt gewordenen Preisstruktur der Antragsgegnerin zudem auch rein quantitativ eine große Artikelzahl. Diese der Erlangung der Uhr vorgeschaltete Kundenpflicht, viel Ware zu einer recht spürbaren Auftragssumme zu bestellen, stellt eine beachtliche psychologische Hemmschwelle dar und schützt davor, sich überwiegend mit Blick auf das Gratisangebot zu Bestellhandlungen hinreißen zu lassen. Dies umso mehr, als die kostenlose Ware zwar in der Werbung groß herausgestellt wird, aber schon nach Optik und auch Beschreibung sich nicht als sehr günstiges, weil sehr werthaltiges oder gar wertvolles Stück darstellt. Zudem wird der Lockeffekt auch dadurch weiter abgeschwächt, dass ein Angebot im Versandhandel vorliegt, was ein Mehr an Überlegungszeit eröffnet als würde der Kunde im Direkthandel mit der Ware konfrontiert und vor eine spontane Kaufentscheidung gestellt.

bb) Mit dieser Wertung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur eigenen Entscheidung (U. v. 30.7.1999 - 2 U 25/99 [Ast 2 = Bl. 7] BGH NAB v. 4.5.2000 - I ZR 222/99) oder dem vom Antragsteller vorgelegten Urteil des OLG Köln (Ast 7 = Bl. 46). In der Entscheidung des Senats waren die letztlich ohne Kaufzwang abgegebenen Geschenkgutscheine oder Überraschungsgeschenke nicht an einen Mindestbestellwert gekoppelt, der aber vorliegend die maßgebliche Hemmschwelle gegen einen nur auf Erhalt der Gratisgabe gerichteten Erlangungswillen bildet.

Zwar ist dieser Variante und im Übrigen auch den anderen Angebotsvarianten eigen, dass die Uhr letztlich immer kostenlos bezogen werden kann. Wer das Angebot der Antragsgegnerin auch nur einigermaßen aufmerksam zur Kenntnis nimmt, kann alle Bestellschranken unterlaufen, indem er allemal Ware für mindestens 75,00 DM ordert, im festen Vorsatz, sie in Ausübung des ihm eingeräumten Rückgaberechtes auf alle Fälle wieder zurückzuschicken. Wer aber so planvoll vorgeht, um die Uhr zu vereinnahmen, unterliegt keiner von der Verkäuferin gesetzten unterschwelligen Manipulation, sondern durchschaut die Angebotsstruktur und nutzt sie ungerührt aus.

Das OLG Köln hat seine Fallgestaltung, nämlich die Zugabe eines sehr werthaltigen Schales gegen eine Zuzahlung von 2,00 DM bei einem Mindestbestellwert von 50,00 DM für Kosmetika über die Fallgruppe psychischer Kaufzwang gelöst (siehe dazu unten Ziff. 3).

bb) Auch die anderen Verkaufsmodalitäten (Ansichtsware unter 70,00 DM bzw. unter 50,00 DM, Uhrenpreis 15,00 DM bzw. 25,00 DM) zeichnen sich dadurch aus, dass zum einen ebenfalls (50,00 bis 70,00 DM) eine nach Warenmenge wie Preis nicht unerhebliche Bestellung getätigt, zum andern - bei beiden Varianten - eine Zuzahlung geleistet werden muss, welche die Gesamtbestellung in eine Größenordnung hebt, die dem Angebot die gleichsam magnetische Wirkung nimmt, zumal auch, da sich auf diese Angebote der Sternchenvermerk nicht bezieht, aus der Sicht des Verkehrs die Bestellung von Uhr, aber auch von Ware verbindlich ist und bleibt und sich somit durch ein Rückgaberecht der Uhrenerwerb nicht im Nachhinein als günstiger Sondererwerb isolieren lässt.

3.

Auch der Gesichtspunkt des psychischen Kaufzwanges verfängt nicht.

a) Er greift schon nicht ein bei den Zuzahlungsmodalitäten, da nach der Darstellung der Werbung die angesprochenen Verkehrskreise hier von einem endgültigen Erwerb ausgehen müssen.

b) Anders liegt es vorliegend auch nicht im Falle der Gratisgabe der Uhr (Testanforderungswert über 75,00 DM).

Auch wenn ein Kunde gemessen an seinem Kosmetikbedarf und seinem wirtschaftlichen Leistungsvermögen mit Bedacht, einen (vorläufigen) Auftrag über diese Mindestsumme erteilt im Bewusstsein, gegebenenfalls die Bestellung durch fristgerechte Rücksendung der Ware wieder ungeschehen machen zu können, so mag der Anschein dafür sprechen, dass der eine oder andere Kunde, gefällt ihm das übersandte Warenangebot der Antragsgegnerin bei näherem Besicht doch nicht, geneigt sein könnte, von der Ausübung seines Rückgaberechtes Abstand zu nehmen, weil ihn im Verbund mit der Lästigkeit des damit verknüpften Aufwandes das Gefühl beschleichen könnte, eine solche Verhaltensweise sei angesichts der Großzügigkeit der Antragsgegnerin (Gratisuhr) unangemessen, peinlich und Ausdruck von Undankbarkeit (vgl. hierzu BGH NJW-RR 98, 401 Erstcoloration; ferner vorgelegtes Urteil des OLG Köln v. 14.1.2000 - 6 U 131/99). Ungeachtet der Frage der Darlegungs- und Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast ist vorliegend aber die aus vorangegangenen Verfahren gewonnene tatsächliche Feststellung des Landgerichtes vom Antragsteller unwidersprochen geblieben, "wonach die beanstandete Form der Werbung die üblichen Bestell- und Rückgabequoten nicht sichtbar beeinflußt habe" (Bl. 40).

Der unstreitige Gleichlauf im Kaufverhalten der Kunden macht jedenfalls nicht glaubhaft, die beigefügte Gratisware binde Besteller psychologisch und lasse so, psychischen Kaufzwang ausübend, Probebestellungen deshalb zu endgültigen Bestellungen werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Beschwerdewert war dem Interesse des Antragstellers zu entnehmen, gänzlich von Kosten und Gebühren befreit zu werden.

Ende der Entscheidung

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