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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 20 U 1/05
Rechtsgebiete: AktG, ZPO


Vorschriften:

AktG § 23 Abs. 3 Nr. 2
AktG § 76 Abs. 1
AktG § 93 Abs. 1
AktG § 119 Abs. 2
AktG § 122 Abs. 1
AktG § 179 a
AktG § 179 a Abs. 1
AktG § 246 Abs. 1
AktG § 246 Abs. 3
AktG § 248 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 256
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1

Entscheidung wurde am 08.08.2005 korrigiert: der Name Holzmüller im Zusammenhang mit dem entsprechenden BGH-Zitat war durch "H."-Entscheidung anonymisiert worden. In den zur Veröffentlichung freigegebenen Texten sollte der Name ausgeschrieben werden
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Stuttgart 20. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 20 U 1/05

Verkündet am 13. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2005 durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts Stilz als vorsitzenden Richter, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reder und die Richterin am Landgericht Werner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart 37 O 120/04 (Kammer für Handelssachen) wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

Die Parteien streiten um die Frage, ob eine Pflicht des Vorstands der Beklagten besteht, ein bestimmtes Vertragswerk der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen.

A.

I.

Die Klägerin ist Aktionärin der beklagten Aktiengesellschaft.

Die Beklagte (früher firmiert unter S.H. AG) ist ein ehemals traditionsreiches ... Brauereiunternehmen. Im Jahr 2003 übertrug sie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ihren gesamten Brauereibetrieb im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme mit allen Rechten und Pflichten auf die S.H. ... AG & Co. KG. Lediglich die Beteiligungen, Finanzanlagen und der dem Brauereibetrieb dienende Immobilienbestand verblieben bei der Beklagten. Seither ist die Beklagte nur noch als konzernleitende strategische Finanzholdinggesellschaft tätig, die damit kein eigenes operatives Geschäft mehr betreibt.

Die Beklagte passte den Unternehmensgegenstand diesen Konzernmaßnahmen an. § 2 der Satzung 2003 dokumentiert die geänderte Ausrichtung der Beklagten; er hat folgenden Wortlaut:

"1.

Die Gesellschaft hält - soweit hierfür eine Genehmigung nicht erforderlich ist - im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Anlage des Gesellschaftsvermögens und nicht als Dienstleistung für Dritte Anteile und Beteiligungen an Unternehmen und leitet und verwaltet Unternehmen bzw. Beteiligungen an Unternehmen, die in folgenden Geschäftsbereichen tätig sind:

a)

Betrieb der Bierbrauerei und Mälzerei sowie Betrieb von Gastwirtschaften,

b)

Herstellung und Vertrieb von alkoholfreien Getränken sowie von Nahrungs-, Genuss- und Futtermitteln jeder Art,

c)

Erwerb, Verwaltung, Verwertung und Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten einschließlich ihrer Bebauung im eigenen Namen und für eigene Rechnung sowie von sonstigen Vermögenswerten.

Die Gesellschaft ist weiterhin - soweit hierfür eine Genehmigung nicht erforderlich ist - im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Anlage des Gesellschaftsvermögens und nicht als Dienstleistung für Dritte zum Erwerb von sowie der Beteiligung an anderen Unternehmen berechtigt. Die Gesellschaft kann in den lit. a) bis c) genannten Geschäftsbereichen auch selbst tätig sein.

2.

Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die mit dem Gegenstand des Unternehmens im Zusammenhang stehen oder ihm unmittelbar oder mittelbar dienen oder ihn fördern. Die Gesellschaft ist ferner berechtigt, Zweigniederlassungen zu errichten sowie Interessengemeinschaften oder ähnliche Geschäftsverbindungen einzugehen".

Unter dem 10.12.2003 informierte eine Ad hoc-Mitteilung die Aktionäre darüber, dass die Beklagte mit der R.-G. AG einen Kooperations- und Partnerschaftsvertrag geschlossen hat, der eine zukünftige Beteiligung der R.-G. AG an der S. H. ... AG & Co. KG vorbereiten sollte. Die Vereinbarung sollte noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten stehen.

Am 07.04.2004 veräußerte die Beklagte ohne vorherige Zustimmung der Hauptversammlung mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.2004 an die R.-G. AG 50 % der von ihr gehaltenen Kommanditanteile an der S.H. ... AG & Co. KG sowie die hälftigen Miteigentumsanteile an den betriebsnotwendigen Brauereigrundstücken. Die Veräußerungsvereinbarung enthält eine Kaufoption der R.-G. AG und eine entsprechende Verkaufsoption der Beklagten über die weiteren 50 %-igen Kommanditanteile an der S.H. ... AG & Co. KG, der verbliebenen hälftigen Miteigentumsanteile an den betriebsnotwendigen Brauereigrundstücken sowie über sämtliche Aktien an der S. H. V. AG, die alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der S.H. ... AG & Co. KG ist.

Mit Beschluss der Hauptversammlung wurde die Firma S. H. AG später in die Firma S. S. F.- u. B. AG geändert.

Der Getränkebereich der Beklagten umfasst im Wesentlichen noch das auf die S. H. ... AG & Co. KG ausgegliederte Biergeschäft (aktuell bestehend aus einer hälftigen Beteiligung) sowie die fast 80 %-ige Beteiligung am Bier- und Handelswarengeschäft der Brauerei M.AG in K..

II.

Die Klägerin hat ausgeführt:

Für sie sei nach dem Geschäftsablauf der letzten Jahre offensichtlich, dass die S. H. ... AG & Co. KG innerhalb des R.-Konzerns "konsolidiert" werden soll. Faktisch kämen die Regelungen des in Rede stehenden Kaufvertrags einer Komplettübernahme des gesamten operativen Geschäfts der Beklagten durch die R.-G. AG gleich. Da diese Maßnahmen Unternehmensstruktur prägender Natur seien, sei nach den Grundsätzen der "Holzmüller/Gelatine" - Doktrin des Bundesgerichtshofes (BGHZ 83, 122 ff.; BGHZ 159, 30 ff) vor Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags im April 2004 eine entsprechende Beteiligung der Hauptversammlung obligatorisch gewesen.

Die Beteiligungsveräußerungen sowie die Veräußerung des zum Brauereigeschäft gehörenden Immobilienbesitzes hätten ein erhebliches Gewicht. Aufgrund ihrer Holding-Struktur verfüge die Beklagte über keine weiteren unternehmerischen Aktivitäten mehr. Die Beklagte gehe außerordentlicher regelmäßiger Beteiligungserträge verlustig. Dass dem so sei, werde unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kennzahlen deutlich: Der wirtschaftliche Wert des Vertragswerkes liege mit einem Transaktionswert von 120 Mio. Euro bei mindestens 80 % des Aktivvermögens und 129 % des Eigenkapitals der Beklagten. Der Umsatzanteil des zu veräußernden Vermögens bei der Beklagten habe im Geschäftsjahr 2002 ca. 75 % des Gesamtumsatzes ausgemacht. Das Veräußerungsgeschäft betreffe daher den Kernbereich der bisherigen Unternehmenstätigkeit.

Indem nur noch eine kapitalistische Verwaltung von unerheblichem Restvermögen ohne unternehmerische Einflussmöglichkeit verbleibe, habe die Veräußerung einer ausdrücklichen Satzungsänderung bedurft. Das Brauereigeschäft gehöre seit jeher zum Gesamtbild der Beklagten. Durch die Änderung des Unternehmensgegenstandes gehe die Veräußerung des Brauereigeschäfts mit einer faktischen Änderung der Satzung einher. Die Satzung verlange ausdrücklich den mittelbaren Betrieb der Bierbrauereien. Satzungsgegenstand sei nicht der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungsanteilen.

Nach ihrer Ad hoc-Mitteilung vom 10.12.2003 habe sich die Beklagte schließlich an die notwendige Zustimmung der Hauptversammlung gebunden.

III.

Die Beklagte ist hingegen der Auffassung, dass zu keinem Zeitpunkt die Verpflichtung bestanden habe, den streitgegenständlichen Veräußerungsvertrag der Hauptversammlung der Beklagten zur Entscheidung vorzulegen.

Die Veräußerung komme einer Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens nicht nahe. Die Hauptversammlung der Beklagten sei deshalb weder nach § 179 a Abs. 1 AktG noch aufgrund einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz mit dem streitgegenständlichen Vertrag zu befassen gewesen. In seiner "Gelatine"-Entscheidung habe der Bundesgerichtshof den gesetzlichen Regelfall der Alleinverantwortlichkeit der Unternehmensleitung bei der Durchführung von Geschäftsleitungsmaßnahmen stärker betont als bisher. Eine obligatorische Mitwirkung der Hauptversammlung komme deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich dann, wenn die Geschäftsführungsmaßnahmen an die Kernkompetenz der Hauptversammlung über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rührten. Diese Voraussetzungen lägen in dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall nicht vor. Der wirtschaftliche Stellenwert der S. H. ... AG & Co. KG reiche bei wertender Gesamtbetrachtung an die Vorgaben der "Holzmüller"- Entscheidung, die eine Vorlagepflicht an die Hauptversammlung erst bei einem Schwellenwert von 80 % annimmt, nicht annähernd heran.

So betrage der Umsatzanteil der S. H. ... AG & Co. KG am Gesamtumsatz des Teilkonzerns der Beklagten, jeweils nach Zahlen des Geschäftsjahrs 2003 gerechnet, rund 73 %, der Beitrag zum Jahresüberschuss rund 30 %, der Anteil des betroffenen Aktivvermögens rund 30 % und der anteilige Substanzwert auf der Grundlage des Börsenwerts der Beklagten zum 31. Dezember 2003 rund 31 %. Auch in Bezug auf weiter zurückliegende Geschäftsjahre ergäben sich keine grundsätzlich anderen Werte.

Das Brauereigeschäft dominiere den Geschäftsbereich der Beklagten schon seit Jahren nicht mehr; der von der Klägerin aufgeworfene Aspekt der faktischen Satzungsänderung verfange deshalb nicht. Die Umstrukturierung zu einer reinen Holding unter entsprechender Anpassung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes im Jahre 2003 habe den logischen Abschluss einer Entwicklung dargestellt, die der Konzern der Beklagten über einen längeren Zeitraum genommen habe, nämlich die Wandlung einer Bierbrauerei mit Gaststättengrundstücken zu der Muttergesellschaft eines Konzerns, der die Schwerpunkte Immobilien und Beteiligungen umfasse. Die umstrittene Veräußerung sei als eine Maßnahme der Beteiligungsverwaltung und der Finanzanlage zu sehen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

IV.

Die Klägerin hat in der Hauptsache beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Hauptversammlung das Vertragswerk mit der R.-G. AG zur Entscheidung vorzulegen, hilfsweise auf die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarungen zu erkennen.

Im Hinblick auf die konkreten Anträge der Parteien wird auf die Darstellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

V.

Das Landgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Die streitgegenständliche Beteiligungsübertragung auf die R.-G. AG stelle sich im Lichte der neuen "Gelatine"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs als reine Geschäftsführungsmaßnahme dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin berühre der Vertrag nicht die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen. Bereits im Jahre 2003 seien die Weichen für die Beteiligungsübertragung gestellt worden.

Es sei kein so wesentlicher Teil des Vermögens veräußert worden, dass damit der Unternehmenszweck tangiert worden wäre. Die Wesentlichkeitsgrenze von 80 % sei nicht erreicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

VI.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren wiederholen die Parteien im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Hinsichtlich des konkreten Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

B

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

I.

Verfahrensfehler erster Instanz liegen nicht vor.

1. Soweit die Klägerin rügt, das Landgericht habe das Verfahren nicht mit einer ebenfalls anhängigen Parallelsache verbunden, liegt darin kein Verstoß gegen § 246 Abs. 3 AktG.

§ 246 Abs. 3 AktG, der unmittelbar nur für die Anfechtungsklage gilt, schreibt die Verbindung mehrerer Anfechtungsprozesse zu gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung zwingend vor. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, widersprechende Entscheidungen über die Gültigkeit ein- und desselben Hauptversammlungsbeschlusses zu verhindern, was wegen der erweiterten Urteilswirkung nach § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG zwingend erscheint (so Hüffer in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 246 Rn. 69). Die erweiterte Rechtskraftwirkung des § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG kommt bei der "regulären" Feststellungsklage Dritter aber nicht zum Tragen. Die rechtliche Behandlung der Feststellungsklage folgt deshalb den allgemeinen Grundsätzen, sie unterliegt nicht den für den Anfechtungsprozess geltenden Vorschriften in unmittelbarer oder analoger Anwendung (s. Hüffer, a.a.O. § 249 Rn. 6).

Insoweit war auch eine Verbindung in der Berufungsinstanz nicht veranlasst.

2.

Es kann offen bleiben, ob der Richter am Landgericht, wie die Klägerin meint, befangen gewesen ist. Eine Aufhebung der Entscheidung und eine Zurückverweisung käme dewegen jedenfalls nicht in Betracht. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO schreibt vor, dass aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig sein muss. Diese Voraussetzung ist hier offensichtlich nicht gegeben.

II.

Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten zulässig.

1. Der Hauptantrag der Klägerin ist auf Vorlage des umstrittenen Kaufvertrags zur Entscheidung der Hauptversammlung gerichtet. Dieser Anspruch bedarf nicht notwendig der Anpassung des § 2 der Satzung, etwa weil die Hauptversammlung dem Veräußerungsgeschäft nur auf neuer Satzungsgrundlage satzungskonform zustimmen könnte.

Mit dem Klageanspruch wird ein konkretes Abstimmungsergebnis nicht vorgegeben. Sollte das Veräußerungsgeschäft die Zustimmung der Hauptversammlung finden, könnte gleichzeitig - soweit überhaupt erforderlich und gewünscht - eine Satzungsanpassung in einem einheitlichen Beschluss vorgenommen werden.

2. Die Klägerin muss sich nicht auf eine vorrangige Leistungsklage verweisen lassen.

§ 256 ZPO verlangt, dass die Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist, der Kläger ein rechtliches Interesse an seiner alsbaldigen Feststellung hat und, was hier dazu kommen muss, dass das Aktienrecht für die Austragung eines solchen Streits keine abschließende Regelung trifft (BGHZ 83, 122 f.). Unter keinem dieser Gesichtpunkte bestehen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage (vgl. dazu OLG Stuttgart DB 2003, 1944 ff.).

III.

Die zulässige Feststellungsklage ist aber unbegründet.

1. Die Klage ist nicht, wie die Beklagte meint, verspätet erhoben worden.

Die Regelung des § 246 Abs. 1 AktG ist auf die Feststellungsklage nicht anzuwenden. Es fehlt - mangels anfechtbarem Hauptversammlungsbeschluss - an einem zeitlichen Anknüpfungspunkt für den Fristenlauf. Dessen ungeachtet hat die Klägerin ihr Klagerecht bereits am 11.08.2004, also einen Monat nach Bekanntgabe der Vereinbarungen mit der R.-G. AG, ausgeübt.

2. Das Veräußerungsgeschäft der Beklagten mit der R.-G. AG stellt sich unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als eine nicht zustimmungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahme der Beklagten dar.

a) Eine Pflicht zur Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten lässt sich einzelnen Bestimmungen des Aktienrechts bei unmittelbarer Anwendung nicht entnehmen.

Gem. § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Aktiengesellschaft in eigener Verantwortung. Die Hauptversammlung hat deshalb in Fragen der Geschäftsführung grundsätzlich kein Zustimmungsrecht. Die Veräußerung einer Beteiligung der Kapitalgesellschaft ist in der Regel eine solche Geschäftsführungsmaßnahme, die nach dem Aktiengesetz in die Leitungsbefugnis und Leitungsverantwortung des Vorstands fällt. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Bestimmung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung die Veräußerung deckt. Es steht gewöhnlich im Ermessen des Vorstands, ob er die Hauptversammlung über die zu treffende Maßnahme entscheiden lassen möchte (vgl. § 119 Abs. 2 AktG). Davon ist hier keine Ausnahme zu machen.

aa) Eine Zustimmungspflicht ergibt sich nicht aus § 122 Abs. 1 AktG. Danach ist die Hauptversammlung einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteil zusammen den zwanzigsten Teil des Grundkapitals erreicht, die Einberufung schriftlich verlangen. Unstreitig hat die Klägerin das notwendige Quorum nicht erreicht.

bb) Ein Zustimmungserfordernis lässt sich auch nicht mit § 179 a AktG begründen.

Diese Vorschrift trifft aktionärsschützende Regelungen für den Fall, dass sich die Gesellschaft zur Übertragung ihres ganzen oder nahezu ganzen Vermögens verpflichtet, ohne dass dieser Vorgang vom Umwandlungsgesetz erfasst würde (s. Stein in MünchKomm AktG, 2. Aufl., § 179 a Rn. 1).

Es muss hier nicht geklärt werden, ob die Norm auf Veräußerungen von Unternehmensbeteiligungen überhaupt Anwendung findet (s. Stein, a.a.O., § 179 a Rn. 20). Denn die Vermögensübertragung an die R.-G. AG erfüllt die Anforderungen des § 179 a AktG in quantitativer Hinsicht offensichtlich nicht.

b) Eine Zustimmungspflichtigkeit kann ausnahmsweise und in engen Grenzen auch anzuerkennen sein, soweit dies gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt ist.

aa) Der Bundesgerichtshof hat die Notwendigkeit, die Hauptversammlung zu beteiligen, zunächst mit einer Reduzierung des Vorlageermessens des Vorstandes auf Null gemäß § 119 Abs. 2 AktG begründet (BGHZ 83, 122, 131 f. "Holzmüller"). Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, in dem ein Betriebsteil ausgegliedert wurde, der etwa 80 % des Betriebsvermögens erfasste.

Nach Ansicht des zuständigen Senats griff die Ausgliederung so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse ein, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen konnte, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung vornehmen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen (BGHZ 83, 122 <131>). Die eingetretene Änderung der Unternehmensstruktur, die den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit und den wertvollsten Betriebszweig betraf, habe die Aktionärsrechte erheblich geschwächt. Die Aktionäre hätten ihre Rechte hinsichtlich der in die Tochtergesellschaft ausgelagerten Unternehmenstätigkeit nur noch mittelbar, in mediatisierter Form ausüben können.

bb) Mit den Entscheidungen vom 26.4.2004 (Der Konzern 2004, 421 "Gelatine I" und BGHZ 159, 30 ff "Gelatine II") ist der Bundesgerichtshof einer Aufweichung der Erheblichkeitsanforderungen an die Einschaltung der Hauptversammlung entgegengetreten. Ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung müssten die Ausnahme sein und bleiben. Sie kommen allein dann in Betracht, wenn eine Umstrukturierung an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen, rührt.

Der Bundesgerichtshof beruft sich für die Anerkennung einer besonderen Zuständigkeit der Hauptversammlung nunmehr auf eine offene Rechtsfortbildung (vgl. BGHZ 159, 30 ff.).

Der Bundesgerichtshof bekräftigt, dass das Aktiengesetz die Rechte und Pflichten zur eigenverantwortlichen, an objektiven Sorgfaltsmaßstäben orientierten Geschäftsführung allein dem bei seinem Handeln der Überwachung durch den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat unterworfenen Vorstand zugewiesen hat. Der Hauptversammlung sei, von den gesetzlich geregelten und richterrechtlich etablierten Fällen abgesehen, die Mitwirkung an und die Einflussnahme auf Geschäftsführungsmaßnahmen versagt. Das sei die Folge des Organisationsrechts der Aktiengesellschaft, das auf einem Modell der Gewaltenteilung in Großunternehmen beruhe. Erst dann, wenn der Bereich, auf den sich die betreffende Maßnahme erstreckt, in seiner Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der "Holzmüller"-Entscheidung erreiche, könne von einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz ausgegangen werden.

cc) Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an. Die Anwendung der damit konkretisierten Grundsätze ergibt hier keine Pflicht zur Herbeiführung einer Entscheidung der Hauptversammlung.

(1) Es ist bereits zweifelhaft, ob die Veräußerung einer Beteiligung ihrer Art nach unter diese Grundsätze fällt.

Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs lässt sich keine allgemeine Aussage über den Kreis der einer Zustimmung durch die Hauptversammlung unterliegenden Geschäftsführungsmaßnahmen entnehmen. Sie betreffen jedenfalls bislang nur Fälle, in denen Kompetenzrechte der Aktionäre durch Mediatisierungseffekte wesentlich beeinträchtigt bzw. verkürzt wurden. Die Rechtfertigung und damit den Ansatz für die Festlegung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit sieht der Bundesgerichtshof nicht (kumulativ) zugleich im Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung.

Allerdings wird die Auffassung vertreten, ein Zustimmungserfordernis, das für die bloße Mediatisierung des Unternehmensbereichs gilt, müsse erst Recht für die vollständige Aufgabe im Wege der Beteiligungsveräußerung gelten (s. hierzu Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211, 230 f.; Hirte "Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung", 1986, S. 182 ff). Der Senat folgt dem - jedenfalls für die der Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung - nicht.

Bei der Veräußerung von Beteiligungen handelt es sich nicht um eine Maßnahme der Konzernbildung im eigentlichen Sinne. Sie erschöpft sich grundsätzlich nicht anders als die Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände in einer Veränderung des Bestands des Gesellschaftsvermögens (Habersack, AG 2005, 137 <145>).

Hier liegt darüber hinaus die Besonderheit vor, dass der durch die Ausgliederung der Tochtergesellschaft bereits aufgrund der Satzungsänderung im Jahr 2003 eingetretene Mediatisierungseffekt - d.h. die Verlagerung von ursprünglich der unmittelbaren Kontrolle der Aktionäre unterliegendem Vermögen in eine Tochtergesellschaft gegen Erwerb von durch den Vorstand zu verwaltenden Anteilsrechten an dieser Tochter - durch den Verkauf der Beteiligung strukturell gerade rückgängig gemacht wird. Die Gesellschaft erlangt für die Anteilsrechte einen Gegenwert, der vom Vorstand gewinnbringend einzusetzen ist und nach Maßgabe des Aktiengesetzes der unmittelbaren Kontrolle der Aktionäre untersteht (Reichert, AG 2005, 150 <155>).

Gegen die Anwendbarkeit der "Holzmüller- Gelatine"- Grundsätze auf den konkreten Fall spricht auch die gesetzliche Wertung des § 179 a AktG.

Die Vorschrift macht deutlich, dass ungeachtet dessen, ob darunter der Wert der in den Mitgliedschaftsrechten verkörperten Vermögenspositionen leidet, Veräußerungsvorgänge im Allgemeinen von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands gedeckt sind.

Dies spricht dafür, dass sich die Begründung weiterer Hauptversammlungskompetenzen nicht allein an quantitativen Kriterien orientieren kann, sondern qualitative, die Mitgliedschaft betreffende Umstände hinzu kommen müssen. Ein Rückgriff auf ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung verbietet sich deshalb in den Fällen, in denen die Veräußerungsvorgänge nicht zugleich eine Sicherung der in den Mitgliedschaftsrechten der Aktionäre wurzelnden Mitwirkungsrechte erforderlich machen. Die Aktionäre sind dadurch auch nicht schutzlos gestellt. Der Vorstand hat bei Veräußerungsvorgängen die Sorgfaltsanforderungen des § 93 Abs. 1 AktG zu beachten.

(2) Indes müssen diese Fragen nicht abschließend entschieden werden, weil hier auch in quantitativer Hinsicht die vom Bundesgerichtshof gezogenen Grenzen der Geschäftführungskompetenz des Vorstands nicht erreicht sind. Das gilt selbst dann, wenn man nicht nur die 50 %- Beteiligung berücksichtigt, die der R.-G. AG durch das Vertragswerk unmittelbar übertragen worden ist, sondern auch die Put und Call- Optionen und damit den Verlust sämtlicher Anteile an der S. H. ... AG & Co. KG ins Auge fasst.

Der Bundesgerichtshof hat zurecht deutlich gemacht, dass an die - im Sinne wirtschaftlicher Bedeutsamkeit - quantitativen Anforderungen, die neben den qualitativen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine Maßnahme der Geschäftsführung der Mitwirkung der Hauptversammlung zu unterwerfen, hohe Anforderungen zu stellen sind. Es geht bei der Bestimmung quantitativer Eingriffskriterien nicht etwa um Bagatellgrenzen, unterhalb derer der Vorstand ausnahmsweise ohne Zustimmung der Hauptversammlung agieren darf. Vielmehr ist daran festzuhalten, dass die fragliche Maßnahme in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung des "H-falls", also eine Größenordnung von 80 % erreicht.

Welche Kennziffern dabei maßgeblich sind, lässt sich nicht schematisch bestimmen. In Betracht kommen in erster Linie die Ertragskraft, der Umsatz, das Anlagevermögen, die Bilanzsumme und das Eigenkapital.

Nach der unwidersprochenen Darlegung der Beklagten hat ihre von der Veräußerung betroffene Tochtergesellschaft im Geschäftsjahr 2003 lediglich rund 73 % des Umsatzes, 30 % des Jahresüberschusses und 30 % des Aktivvermögens ihres

(Teil-) Konzernergebnisses erreicht.

Die Klägerin setzt dem Zahlen entgegen, die den Verkaufspreis der Beteiligung mit Bilanzpositionen der Beklagten ins Verhältnis setzen. Der Verkaufspreis der Beteiligung könnte aber nur von Relevanz sein, wenn er mit dem Gesamtwert bzw. Restwert der Beklagten ins Verhältnis gesetzt würde. Ein solches Werteverhältnis ist in dem Verfahren nicht diskutiert worden. Es muss auch nicht festgestellt werden, weil bereits die von der Klägerin genannten Zahlen deutlich machen, dass Verhältnisse, die eine Pflicht zur Vorlage begründen könnten, fern liegen. Keiner der vorgetragenen und relevanten Werte erreicht die nach dem Bundesgerichtshof entscheidende Größenordnung. Von Bedeutung ist insbesondere, dass die gesamte Beteiligung, die zunächst zu 50 % veräußert wurde, lediglich zu ca. 30 % zum Jahresüberschuss der Beklagten beitrug.

c) Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes begründet.

aa) Eine die Mitwirkung der Aktionäre gebietende Strukturänderung kann in der vollständigen Abgabe einer Beteiligung ausnahmsweise auch dann gesehen werden, wenn der Vorstand nach Abgabe der Beteiligung dauerhaft nicht mehr imstande ist, den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand auszufüllen und die Gegen-standsbestimmung in der Satzung zudem nicht lediglich eine Obergrenze für die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands regelt, sondern im Sinne einer in allen Punkten auszufüllenden Verpflichtung zu verstehen ist (vgl. hierzu Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 179 Rn. 9a und OLG Stuttgart DB 2003, 1944 ff.).

Satzungsbestimmungen über den Gegenstand des Unternehmens gehören nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG zum notwendigen Satzungsinhalt. Der in der Satzung verankerte Unternehmensgegenstand und die von der Gesellschaft tatsächlich ausgeübte Unternehmenstätigkeit können auseinanderfallen, wenn sich die unternehmerischen Betätigungsfelder verändert haben, ohne dass die Satzung angepasst wurde.

Ist der tatsächliche unternehmerische Tätigkeitsbereich der Gesellschaft von den Satzungsbestimmungen dauerhaft nicht mehr gedeckt, dann ist der Vorstand verpflichtet, diesen satzungswidrigen Zustand zu beenden. Hält der Vorstand es im Interesse der Gesellschaft allerdings für inopportun, den tatsächlichen Tätigkeitsbereich der Gesellschaft wieder an die Satzungsvorgaben anzupassen, etwa weil eine Neupositionierung am Markt wirtschaftlich notwendig erscheint oder sich die geänderte Unternehmensstrategie als erfolgreich erwiesen hat, so muss er jedenfalls die nächste Hauptversammlung darüber entscheiden lassen, ob die Satzung angepasst oder die Tätigkeit wieder an den ursprünglichen Unternehmensgegenstand angeglichen werden soll (Stein AktG, a.a.O., § 179 Rn. 105).

In einem solchen Fall folgt das Erfordernis der Mitwirkung der Aktionäre nicht aus einer Rechtsfortbildung, sondern aus der Satzungshoheit der Hauptversammlung.

bb) Eine Pflicht zur Beteiligung der Hauptversammlung ergibt sich aber auch daraus nicht.

Die Umstrukturierung der Beklagten in eine reine Beteiligungsgesellschaft erfolgte bereits im Jahr 2003. Die Ausgliederung des bis dahin noch operativ betriebenen Brauereigeschäfts wurde in einer ordentlichen Hauptversammlung beschlossen und nicht angefochten.

Die Beklagte ist nach der aktuellen, im Jahr 2003 angepassten Satzung, lediglich verpflichtet, Beteiligungen auf dem Gebiet des Brauereigewerbes zu halten. Dieser Verpflichtung kommt sie - zumindest heute noch - nach:

(1) Die Beklagte hält derzeit noch 50 % der Anteile an der S. H. ... AG & Co. KG. Es ist nicht vorgetragen worden, dass die insoweit bestehenden Put- und Call- Optionen bereits ausgeübt worden wären.

(2) Die Beklagte hält darüberhinaus 80 % der Beteiligungen an dem Bier- und Handelswarengeschäft der Brauerei M. AG K. und damit an einem substantiellen Brauereigeschäft.

Die Satzung gibt nicht vor, in welchem Umfang eine Beteiligung vorhanden sein muss. Soweit die verbliebene Beteiligung für das haltende Unternehmen nicht völlig marginal ist - und dies hat auch die Klägerin nicht behauptet -, wird damit dem Satzungsauftrag entsprochen.

d) Die Klage lässt sich auch nicht über einen allgemeinen Informationsanspruch der Aktionäre begründen. Was die Reichweite der Informationspflichten gegenüber der Hauptversammlung betrifft, so hatte der Bundesgerichtshof in den entschiedenen Fällen keinen Anlass, näher auf diese Frage einzugehen (zum Meinungsstand vgl. Hüffer, a.a.O., § 119, Rn. 19). Eine Analogie zu Vorschriften, die einen Vorstandsbericht und die Auslegung vollständiger Vertragsunterlagen fordern, ist aber wegen des schon angesprochenen Organgepräges der Aktiengesellschaft abzulehnen (s. hierzu auch BGHZ 146, 288 <295 f> - A./M.).

e) Eine Informations- oder Mitwirkungspflicht ergibt sich auch nicht aus einer von der Klägerin angesprochenen Selbstbindung der Beklagten durch die Ad Hoc-Mitteilung. Eine rechtsverbindliche Verpflichtung kann aus der bloßen Absichtserklärung nicht hergeleitet werden.

C.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 ZPO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

E.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat, soweit die Gründe das Urteil tragen, weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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