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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 4 Ss 144/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1a
StGB § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Ein Einbruchswerkzeug (Schraubendreher) ist nur dann ein "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB, wenn es objektiv geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen. Insoweit muss sein Gebrauch drohen. Ob dies der Fall ist, ist unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich der inneren Haltung des Täters zur Verwendung des Werkzeuges festzustellen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Strafsenat - Urteil

Geschäftsnummer: 4 Ss 144/09

in der Strafsache gegen

Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat in der Hauptverhandlung vom 5. Mai 2009, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am OLG - als Vorsitzender -

Richter am OLG Richterin am LG - als beisitzende Richter -

Staatsanwältin - als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft -

Rechtsanwalt - als Verteidiger -

Justizsekretärin - als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle -

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 18. Dezember 2008

a.) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des Diebstahls und des versuchten Diebstahls in zwei Fällen schuldig ist, sowie

b.) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Reutlingen hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen (Fälle Nr. 1 und Nr. 3) sowie wegen versuchten Diebstahls mit Waffen (Fall Nr. 2) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Ferner wurde Führungsaufsicht für die Dauer von drei Jahren angeordnet.

II.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte wurde am 6. August 2008 aus der Strafhaft entlassen.

1. Zu einem genauer nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 25. und dem 31. Oktober (richtig August) 2008 hebelte der alkoholisierte Angeklagte mit einem mindestens 20 cm langen Schraubendreher die Eingangstüren der Gaststätte "B." in R., . auf und betrat diese sodann. Aus einer unverschlossenen Thekenschublade entnahm er einen Bedienungsgeldbeutel sowie ein Mäppchen mit diversen Berechtigungskarten im Gesamtwert von etwa 60,00 €. Als er vor dem Lokal feststellte, dass sich darin kein Geld befand, warf er beide Gegenstände in ein nahegelegenes Gebüsch.

2. Einen oder zwei Tage darauf hebelte er -wiederum- alkoholisiert die zur ...straße hin gelegene Eingangstüre der nicht mehr betriebenen Gaststätte "E." in R., und im Lokal selbst mit einem mindestens 20 cm langen Schraubendreher einen der Firma Knäuko gehörenden Geldspielautomaten der Marke " Kickbox" auf. Dieser war jedoch leer, sodass der Angeklagte die Gaststätte wieder verließ.

3. Am 8. September 2008 zwischen 0.10 Uhr und 7.00 Uhr hebelte der erneut alkoholisierte Angeklagte ein Fenster der Gaststätte "B." in R. auf und kletterte durch dieses in das Lokal. Dort brach er den neben dem Fenster angebrachten Geldspielautomaten der Firma ESM Gaststätten und Betriebs -GmbH auf und entnahm drei Röhren mit Wechselgeld im Wert von 246,00 €. Anschließend verließ er das Lokal mit dem Münzgeld, um es in den Folgetagen in Scheine zu wechseln und zu verbrauchen. Dabei führte er einen Schraubendreher bei sich.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Er beanstandet, dass die Feststellungen eine Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen bzw. versuchten Diebstahls mit Waffen nicht trügen, weil der Schraubendreher ausschließlich zum Einbruch genutzt worden sei und Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefährlichkeit nicht bestünden. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.

III.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

A. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen in zwei Fällen und versuchten Diebstahls mit Waffen nicht.

1. Das Amtsgericht hat in allen drei Fällen einen Diebstahl mit Waffen bzw. den Versuch hierzu bejaht, weil es den vom Angeklagten bei allen drei Taten mitgeführten Schraubendreher als "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs.1 Nr.1a StGB angesehen hat. Es hat dazu unter Verweis auf das Urteil des 3. Strafsenats des BGH vom 03. Juni 2008 - 3 StR 246/07 - (BGHSt 52, 257) ausgeführt:

"Ein solch großer, 20 cm langer Schraubendreher kann jederzeit gegen Personen gebraucht und im Falle seines Einsatzes dem Opfer erhebliche unter Umständen sogar tödliche Verletzungen zufügen. Es ist rechtlich ohne Bedeutung, dass der Schraubendreher auch praktisches Mittel zur Tatausführung ist. Der Täter führt ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich, wenn er es bewusst in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann."

2. Indes kann ein Einbruchswerkzeug, dessen Einsatz zur Annahme eines besonders schweren Falls i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB führt, nicht ausnahmslos, sondern nur dann als ein "anderes gefährliches Werkzeug" i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB angesehen werden, wenn es geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen und insoweit sein Gebrauch droht.

Die Auslegung des Merkmals "anderes gefährliches Werkzeug" im § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB ist umstritten.

Einigkeit herrscht bei Bestimmung der Gegenstände, die als Tatwerkzeug in Betracht kommen, nur insoweit, als sie mindestens objektiv gefährlich, d.h. aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit geeignet sein müssen, bei entsprechender Verwendung erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Dies ist, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, bei einem Schraubendreher von 20 cm, der zum Stoßen und Stechen eingesetzt werden kann, anzunehmen.

Verneint man wie das Amtsgericht die Notwendigkeit einschränkender Kriterien, sind kaum Fälle denkbar, in denen Einbruchswerkzeuge wie Schraubendreher oder Brecheisen nicht geeignet wären, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Dies hätte zur Folge, dass ein tatbildtypisches Verhalten im Sinne des § 243 Abs.1 Satz 2 Nr. 1 StGB regelmäßig die Tat nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB qualifizieren und zu einem höheren Strafrahmen führen würde. Dies kann nicht sinnvoll sein. Deshalb bedarf es zusätzlicher Kriterien, um § 244 Abs.1 Nr. 1 a StGB von § 243 Abs.1 Satz 2 Nr.1 StGB abzugrenzen.

(1) Obergerichtlich wurde die Frage, soweit ersichtlich, nicht entschieden. Auch das o.a. Urteil des BGH vom 3. Juni 2008 steht einer einschränkenden Auslegung des § 244 Abs. 1 Nr.1 a StGB nicht entgegen. Der BGH hatte einen Sachverhalt zu beurteilen, bei dem der Angeklagte ein klappbares Taschenmesser mit einer längeren Klinge bei sich geführt hatte. Er entfernte in einem Lebensmittelmarkt mit dem Messer die Sicherungsetiketten von Whiskyflaschen und verließ das Geschäft, ohne zu bezahlen. Das Messer wollte er auf keinen Fall gegen Menschen einsetzen. Der BGH bejahte einen Diebstahl mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB, weil ein Taschenmesser grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr.1 a StGB sei; dies gelte unabhängig davon, ob der Dieb es allgemein für den Einsatz von Menschen vorgesehen habe. Da der Widerspruch zwischen der Formulierung des § 244 Abs. 1 Nr.1 a StGB einerseits und dem Auslegungshinweis des Gesetzgebers (der Begriff des "gefährlichen Werkzeuges" sei § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu entnehmen, siehe nachfolgend) andererseits systematisch nicht auflösbar sei, habe er ausdrücklich davon abgesehen, über die Beantwortung der präzisierten, dem konkreten Sachverhalt angepassten Rechtsfrage hinaus den Versuch zu unternehmen, das Tatbestandsmerkmal "anderes gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs.1 Nr. 1a StGB allgemeingültig zu definieren. Der BGH gibt der Bestimmung des gefährlichen Werkzeuges allein anhand objektiver Kriterien zwar den Vorzug, weist aber gleichzeitig auf die dadurch schwierige Abgrenzung des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB) von dem Einbruchsdiebstahl (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) im Hinblick auf die bei letzterem regelmäßig verwendeten Einbruchswerkzeuge hin. Mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechnik sei eine umfassende sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle nicht zu erreichen. Bis zu der wünschenswerten gesetzlichen Neuregelung bedürfe es deshalb für besondere Sachverhaltsvarianten, soweit nach den anerkannten Auslegungskriterien möglich, weiterer Präzisierungen des Tatbestandes durch die Rechtsprechung.

(2) In der Literatur ist die Entscheidung des BGH überwiegend nicht auf Zustimmung gestoßen. Die Autoren gelangen zu dem Ergebnis, dass sich mit der Entscheidung der Streit um die Auslegung des "anderen gefährlichen Werkzeuges" nicht erledigt habe und de lege lata nicht zu befrieden sei (Jahn JuS 2008, 835; Krüger JA 2009, 190). Sie fordern vorrangig eine Neuregelung durch den Gesetzgeber, bis dahin wenigstens klare oder praktikable Leitlinien für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals durch den BGH (Kasiske HRRS 2008, Nr. 648; Mitsch NJW 2008, 2865; ähnlich Foth NStZ 2009, 93).

(3) Die Gesetzesmaterialien helfen nicht weiter. Der Gesetzgeber hat ausweislich des Berichts des Rechtsausschusses (BTDrucks. 13/9064, S.18) den Begriff des anderen gefährlichen Werkzeuges dem Straftatbestand der gefährlichen Köperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB entnommen und zur Auslegung auf die hierzu insbesondere von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verwiesen. Da bei § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges begangen werden muss, versteht die Rechtsprechung hierunter ein solches, welches nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art seiner Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Somit wird die Frage, ob ein Werkzeug gefährlich ist, nach Maßgabe der Verletzung beurteilt, die der Täter durch den Einsatz verursacht hat oder verursachen wollte. Auf die abstrakte Gefährlichkeit kommt es danach für § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht an (Fischer, StGB, 56. Aufl., § 224 Rdn. 9). Ob dies auch für § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB gilt, ist zweifelhaft, denn diese Bestimmung stellt nach ihrem Wortlaut das "Beisichführen" einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges unter Strafe. Die Art der Verwendung im Einzelfall, an der die Gefährlichkeit gemessen werden könnte, ist unerheblich.

(4) In der Vergangenheit wurde von einem Teil der Rechtsprechung für Werkzeuge, die als Gebrauchsgegenstand nicht allgemein zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit sozialadäquat von jedermann mit sich geführt werden können, ein subjektives Element gefordert, nach dem der Täter generell und unabhängig vom Einzelfall den Gegenstand zur Verwendung gegen Menschen bestimmt haben muss, ohne dass es der in § 244 Abs.1 Nr. 1 b StGB vorausgesetzten konkreten Verwendungsabsicht bedarf (OLG Braunschweig NJW 2002, 1735, OLG Celle, B.v.17. April 2007, 32 Ss 34/07 zitiert nach juris, OLG Frankfurt StV 2002, 145; StraFo 2006, 467).

In der Literatur wird zum Teil ein ähnlicher Ansatz gewählt. Eine subjektive Lösung sei erforderlich, weil eine rein objektive Bestimmung des Werkzeuges unmöglich sei. Diese wird darin gesehen, dass der Täter zumindest generell den Willen haben müsse, das Werkzeug auch zu Verletzungs- oder Bedrohungszwecken einzusetzen (Küper JZ 1999, 187). Andere Autoren fordern, dass der Täter das Werkzeug einer gegebenenfalls gefährlichen Verwendung gewidmet (Rengier, Strafrecht BT I., 9. Auflage § 4 Rdn. 25) oder einen inneren Verwendungsvorbehalt gefasst habe, bei dessen Umsetzung sich das Werkzeug als gefährlich erweise (Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, 31. Auflage § 4 Rdn. 262 b ff.).

(5) Der BGH hat in dem o.a. Urteil ausgeführt, die genannten Auffassungen, die sich weniger in der Sache als in den Begrifflichkeiten unterscheiden würden, seien mit dem Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht in Einklang zu bringen, weil diese Bestimmung gerade kein über den Vorsatz hinausgehendes subjektives Element enthalte. Insbesondere lasse sich weder eine generell gefasste noch eine konkrete Absicht, das Werkzeug als Nötigungsmittel einzusetzen, entnehmen. Eine derartige Gebrauchsabsicht lasse sich auch nicht in die Tathandlung des Beisichführens hineininterpretieren (so aber OLG Celle StV 2005, 336, OLG München NStZ - RR 2006, 342, OLG Schleswig NStZ 2004, 212). Vielmehr habe der Gesetzgeber Fallgestaltungen mit einer während der Tat erhöhten, abstrakt-objektiven Gefährlichkeit erfassen wollen, die sich aus dem Mitsichführen des Werkzeuges ableite, weil in diesen Fällen die latente Gefahr des Einsatzes als Nötigungsmittel bestehe.

Das überwiegende Schrifttum bemüht sich ebenfalls um objektive Kriterien, die mit dem Wortlaut des Gesetzes am ehesten vereinbar seien und dem Willen des Gesetzgebers, auf die abstrakte Gefährlichkeit mitgeführter Gegenstände abzustellen, entsprächen. Zum Teil wird gefordert, den Begriff auf solche Gegenstände zu begrenzen, deren "Beisichführen" wegen ihrer Gefährlichkeit erlaubnispflichtig sei (Lesch JA 1999, 34). Allerdings entspricht diese Auslegung weder dem gesetzgeberischen Willen, da er § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB im wesentlichen auf den Waffenbegriff des Waffengesetzes beschränkt, noch gibt der Wortlaut Anlass zu einer solchen Auslegung.

Die wohl überwiegende Meinung stellt auf eine waffenähnliche oder waffenersetzende abstrakte Gefährlichkeit ab, weil der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB die Waffe als herausgehobenes Beispiel für andere gefährliche Werkzeuge bezeichne. Diese sei anzunehmen, wenn ein Gegenstand seiner Art nach ein erhebliches Verletzungspotential aufweise, ohne im technischen Sinne zur Verletzung von Menschen bestimmt zu sein, wie bei Messern oder Knüppeln. Bei an sich neutralen Gegenständen komme es auf die Sicht eines objektiven Betrachters in der konkreten Tatsituation an. Unabhängig von der Verwendungsabsicht sei ein solcher Gegenstand gefährlich, wenn er aus dessen Blickwinkel (allein) waffenvertretende Funktion habe (Fischer a.a.O. § 244 Rdn. 23 m.w.N.).

Zur Frage der Abgrenzung von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB zu § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr.1 StGB werden in der Literatur von den Befürwortern der "Waffenersatztheorie" folgende Meinungen vertreten:

Die Einordnung als gefährliches Werkzeug dränge sich insbesondere dann auf, wenn der Gegenstand nach den Umständen der Tat keine dem Gewahrsamsbruch dienende Funktion habe (Fischer a.a.O. § 244 Rdn. 24). Einen ähnlichen Ansatz vertritt Schmitz (MK - StGB, § 244 Rn. 14-16). Danach ist ein Werkzeug gefährlich, wenn seine Mitnahme in der konkreten Situation nicht anders verstanden werden kann, als dass es als Waffenersatz dienen soll. Keine gefährlichen Werkzeuge seien solche, die der Täter zur Ausführung des Diebstahls einsetzen wolle. Sofern es sich bei den mitgeführten Gegenständen in der Regel um Tatwerkzeuge handele, müsse sich für die Annahme eines gefährlichen Werkzeuges aus den konkreten Umständen ergeben, dass es nicht ausschließlich um den Aufbruch gehen sollte. Stets tatbestandsmäßig sei die Mitnahme solcher Gegenstände, die entweder nicht sozialüblich oder in der konkreten Situation nicht zu erwarten sei (zust. Schönke/Schröder- Eser, StGB, 27. Auflage, § 244 Rdn. 5). Jäger (JuS 2000, 651) hebt darauf ab, dass sich die Bestimmung des betreffenden Werkzeuges als verletzungsgeeignetes Gewalt- und Drohmittel gewissermaßen aus sich selbst heraus ergeben müsse, wenn das gefährliche Werkzeug deliktstypisch mitgeführt werde. Kindhäuser (StGB, 2. Aufl., § 244 Rdn. 14 -16) stellt auf die konkreten Tatumstände ab und fordert, es müsse für einen objektiven Beobachter naheliegen, dass der Täter den waffenähnlichen Gegenstand als verletzungsgeeignetes Nötigungsmittel bei sich führe. Entscheidend sei, dass potentielle Opfer vor einer Situation geschützt werden sollten, in der die Ausstattung des Täters mit einem waffenähnlichen Gegenstand nicht nur die Sicherheit ihres Eigentums, sondern auch ihre körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen würde.

Der Senat hält es im Grundsatz für tragfähig, als objektiven Ausgangspunkt auf die konkrete Situation abzustellen. Jedoch ist unklar, wann einem solchen Gegenstand auch unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände und der genannten Kriterien aus Sicht des objektiven Beobachters eine waffenersetzende Funktion zukommt. Wenn ein deliktstypisch mitgeführter Gegenstand zu einem Ausschluss der Gefährlichkeitsvermutung führt und andere Umstände hinzukommen müssen, diese wieder zu begründen, wirft dies die Frage auf, welche zuverlässige Kriterien dieser Prüfung zugrunde gelegt werden können. Gegen diese Lösungsansätze wird deshalb zu Recht eingewandt, dass die objektive Eignung eines Gegenstandes das bei Waffen geltende Gefährlichkeitskriterium der Zweckbestimmung zur Verletzung auch dann nicht ersetzen kann, wenn begrenzend auf die "generelle", "typische", "erfahrungsgemäße" oder "evidente" Benutzung Bezug genommen wird (Hörnle Jura 1998, 169; Schlothauer/Sättle StV 1998, 505). Einen Maßstab dafür, welche dieser Gegenstände typischerweise in "Bedrängungssituationen" zweckentfremdet eingesetzt werden sollen und welche nicht, findet man schwerlich, weil eine solche Betrachtung zu vagen Vermutungen und diffusen Spekulationen mit der Gefahr gegenteiliger Ergebnisse bei gleichen Sachverhalten führt (Küper JZ 1999, 187).

Vergleicht man mit Blick auf das Kriterium der Waffenersatzfunktion den abstrakt objektiven Gefährlichkeitsgrad einer einsatzbereiten Waffe mit dem eines Schraubendrehers, so liegt bei letzterem eine Gleichwertigkeit aufgrund der fehlenden Verletzungsbestimmung nur dann vor, wenn sein Einsatz gegen das Tatopfer droht. Eine solche Äquivalenz besteht dagegen nicht, wenn mit dem Schraubendreher nur ein Fenster aufgebrochen oder er gar nicht benutzt werden soll. Damit erlangt die innere Haltung des Täters Bedeutung.

(6) Unter Berücksichtigung der vorrangig an objektiven Kriterien ausgerichteten Vorgaben des Gesetzgebers und des Bundesgerichtshofes sowie dem Erfordernis möglichst eindeutiger, restriktiver Abgrenzungskriterien ist der Senat der Auffassung, dass das Beisichführen eines Werkzeuges gefährlich ist, wenn es nach den konkreten Umständen geeignet ist, eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen. Insoweit muss sein Gebrauch drohen. Ob dies der Fall ist, ist anhand der jeweiligen Tatumstände, wozu die Art des Werkzeuges und des Beisichführens sowie die innere Haltung des Täters zur Verwendung des Werkzeugs zählen, festzustellen (vgl. Hardtung StV 2004, 399, Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. 2007, § 244 Rdn. 3).

Der Senat verkennt nicht, dass auf diese Weise über das (scheinbar) objektive Merkmal der konkreten Tatumstände mit dem Abstellen auf den drohenden Gebrauch in der konkreten Situation ein subjektives Gefährlichkeitskriterium maßgebliche Bedeutung erlangt. Die Ablehnung jeglicher subjektiver Einschränkung greift jedoch zumindest in den Fällen der vorliegenden Art zu kurz, denn die Einstufung als gefährlich enthält ein subjektives Element, wenn der Gegenstand an sich harmlos oder jedenfalls gefahrenneutral ist (vgl. Foth a.a.O.; Küper a.a.O; so wohl auch Lackner/Kühl a.a.O.).

(7) Da sich unter Zugrundelegung der genannten Kriterien in den vorliegenden drei Fällen weder Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte den Gegenstand wenigstens notfalls als Nötigungsmittel einsetzen wollte noch sich aus den Umständen des Diebstahls und der Art des Werkzeuges etwas anderes ergibt, ist eine waffenersetzende Funktion des Schraubendrehers nicht gegeben. Der Angeklagte hat daher in allen drei Fällen kein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich geführt.

(8) Soweit die Generalstaatsanwaltschaft auf BGH NJW 2004, 3437 hinweist, ist die dort erfolgte Einordnung eines Schraubendrehers als gefährliches Werkzeug nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB für den vorliegenden Fall nicht weiterführend, weil dieser nicht als Aufbruchswerkzeug eingesetzt wurde und sich damit die hier relevanten Abgrenzungsfragen nicht gestellt haben.

B. Die Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls wird bei der Tat Nr. 1 nicht von den Feststellungen getragen. Danach warf der Angeklagte die Gegen- stände, die er an sich genommen hatte, vor dem Lokal in ein Gebüsch. Hieraus ergibt sich, dass er sich nur das darin erhoffte Geld, nicht aber das für ihn wertlose Mäppchen und den Geldbeutel zueignen wollte. In einem solchen Fall liegt nur ein versuchter Diebstahl vor (BGH NJW 1990, 2569). Da die Feststellungen im übrigen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, ist der Schuldspruch entsprechend abzuändern. Angesichts des vom Angeklagten abgelegten Geständnisses kann ausgeschlossen werden, dass er sich in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätte.

Soweit bei der Tat Nr. 1 als Tatzeitraum der 25. bis 31. Oktober 2008 statt richtigerweise der 25. bis. 31. August 2008 angegeben wurde, handelt es sich um ein unerhebliches offensichtliches Schreibversehen. Da die abgeurteilteTat maßgeblich durch den Tatort und die Tatumstände bestimmt wird, ist die Identität zwischen angeklagter Tat und dem historischen Geschehen, das zur Urteilsgrundlage gemacht wurde, gewahrt.

Bei der Tat Nr. 3 ist nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe davon auszugehen, dass der Angeklagte den Schraubendreher verwendet und deshalb wie auch in den Fällen Nr. 1 und Nr. 2 das Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB verwirklicht hat.

Die Feststellungen ergeben hinsichtlich der Taten Nr. 1 und Nr. 2 einen Schuldspruch wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 242, 22 StGB und hinsichtlich der Tat Nr. 3 wegen vollendeten Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.

C. Infolge der Änderung des Schuldspruchs kann der Rechtsfolgenausspruch (Gesamtstrafe und Einzelstrafen) keinen Bestand haben, da nicht auszuschließen ist, dass aufgrund der Anwendung anderer Strafrahmen (§ 242 oder § 243 StGB) mildere Strafen zu verhängen sind.

D. Im Übrigen ist auf folgendes hinzuweisen:

1. Hinsichtlich der Tat Nr. 1 wird zu prüfen sein, ob von dem Strafrahmen des §§ 242, 243 Abs. 1 StGB auszugehen ist oder ob aufgrund des Versuchs die Indizwirkung des Regelbeispieles entfällt und der Normalstrafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen ist.

2. Bei der Beurteilung, ob eine Verschiebung des Strafrahmens nach § 23 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist, ist zwar eine Gesamtschau aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters vorzunehmen. Jedoch kommt den versuchsbezogenen Umständen wie der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der eingesetzten kriminelle Energie besonderes Gewicht zu (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4; BGH NStZ 2004, 620).

3. Für den Fall, dass eine Strafrahmenverschiebung ablehnt wird, ist jedenfalls der Umstand, dass die Taten im Versuchsstadium stecken geblieben sind, allgemein strafmildernd zu berücksichtigen (Fischer a.a.O. § 23 Rdn. 3 unter Hinweis auf OLG Köln StV 1997, 244).

4. Soweit die vielfachen Vorstrafen des Angeklagten strafschärfend gewichtet werden, sind diese einschließlich einer Zusammenfassung der jeweiligen Sachverhalte mitzuteilen (Fischer a.a.O. § 46 Rdn. 38).

5. Zur Frage der Strafaussetzung (§ 56 StGB) enthält das Urteil nur ansatzweise Ausführungen. Unabhängig von § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind Erwägungen immer dann geboten, wenn die Umstände dies als Grundlage für die revisionsrechtliche Nachprüfung gebieten. Die Urteilsgründe müssen in allen Zweifelsfällen erkennen lassen, dass sich das Gericht der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung bewusst war (KK-Engelhardt, StPO, 6. Auflage, § 267 Rdn. 33).

6. Zur Begründung der Gesamtstrafe führt das Urteil lediglich an: "eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, gebildet aus den Einzelfreiheitsstrafen von sieben Monaten (Tat Ziffer 1), sechs Monaten (Tat Ziffer 2) und neun Monaten (Tat Ziffer 3) sei tat- und schuldangemessen". Jedoch ist die Bildung der Gesamtstrafe keine bloße "Rechenaufgabe" (BGHSt 12,1), sondern ein gesonderter Strafzumessungsvorgang, bei dem die Person des Täters, das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander, ihr Zusammenhang und das gesamte in den Straftaten hervorgetretene Verschulden des Angeklagten zu berücksichtigen ist (siehe § 54 Abs.1 Satz 3 StGB und BGHSt 24, 268; Fischer a.a.O. § 54 Rdn. 6).

Ende der Entscheidung

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