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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 7 U 14/01
Rechtsgebiete: AUB (61)


Vorschriften:

AUB (61) § 10 Abs. 1
1.) § 10 Abs. 1 AU B 61 ist enger als § 8 AUB 88 gefaßt.

2.)

a) Die Leistungspflicht des Unfallversicherers ist nach § 10 AUB 61 nur dann eingeschränkt, wenn Krankheiten oder Gebrechen des Versicherten sich bei der unfallbedingten Invalidität des Versicherten auswirken.

b) Haben Vorerkrankungen nur bei der unmittelbar unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung (hier Bandscheibenvorfall) mitgewirkt, bleibt dies außer Betracht; anders nach § 8 AUB 88.


Oberlandesgericht Stuttgart - 7. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 7 U 14/01 4 O 27/00 LG Tübingen

Verkündet am: 28.06.2001

In Sachen

wegen: Forderung

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21.06.2001 unter Mitwirkung

des Vors. Richters am OLG Gramlich, des Richters am OLG Uebe, des Richters am LG Haberstroh

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichtes Tübingen vom 21.12.2000, wird dieses abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 15.375 DM zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 9. Februar 2000 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte 55 %, der Kläger 45 %

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 27.675,00 DM

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in Höhe von 12.300,-- DM Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus der bereits 1982 abgeschlossenen Unfallversicherung aufgrund des Unfalles vom 9.6.1996 und der daraus entstandenen Folgen. Diese haben zur einer Invaliditätsquote von 30 % geführt. Die vereinbarte Versicherungssumme beträgt im Falle des Eintritts von 100 % Invalidität 123.000,- DM, bei 30 % somit 36.900,-- DM.

Streitig ist zwischen den Parteien nur, ob gemäß der dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AUB 61, nach § 10 dieser Bedingungen die Leistungspflicht der Beklagten eingeschränkt ist.

Das Landgericht hat keine Kürzung vorgenommen. Hiergegen wendet sich die beklagte Versicherung mit der Berufung. Sie geht aufgrund eines von ihr vorprozessual eingeholten Gutachtens von einem Mitwirkungsanteil von 75 % aus.

II.

1.

Die Leistungspflicht der Beklagten war entgegen der Auffassung des Landgerichtes gemäß § 10 Abs. 1 AUB um ein Drittel und somit um 12.300,-- DM zu kürzen.

§ 10 Abs. 1 AUB (61) lautet:

Haben bei den Unfallfolgen Krankheiten oder Gebrechen mitgewirkt, so ist die Leistung entsprechend dem Anteil der Krankheit oder des Gebrechens zu kürzen, sofern dieser Anteil mindestens 25 Prozent beträgt.

Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen bei der durch das Unfallereignis selbst hervorgerufenen Gesundheitsschädigung (Bandscheibenvorfall) hat danach außer Betracht zu bleiben. Entscheidend ist somit allein, ob bei der die Leistungspflicht der Beklagten auslösenden Invalidität die Vorschädigung des Klägers mitgewirkt hat.

Dies folgt für den Senat aus dem eindeutigen Wortlaut, der nur auf die Unfallfolgen und nicht wie die Neufassung in § 8 AUB 88 auf die durch das Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen abstellt. Die Gesundheitsbeschädigung ist Bestandteil des Unfallbegriffes und kann daher nicht Unfallfolge sein (siehe hierzu ausführlich Grimm Unfallversicherung 3. Auflage § 8 RZ 5, vgl. auch BGH NJW RR 1989, 1049 f und BGH NJW-RR 1991, 539, 540 zur Frage der Mitwirkung von Vorerkrankungen beim Unfallereignis selbst). Im übrigen ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von Versicherungsbedingungen die leistungseinschränkende Vorschrift des § 10 AUB 61 eng auszulegen.

2.

Hier hat die durch ein sogenanntes "Wirbelgleiten" vorgeschädigte Bandscheibe des Klägers an der nunmehr als Unfallfolge dem Kläger verbliebenen Invalidität von 30 % mit einem Drittel mitgewirkt. Dies hat der Sachverständige Privatdozent Dr. überzeugend dargelegt, dem folgt der Senat. Zweifelsfrei ist die Frage der Einschätzung, von welcher exakten Mitwirkungsquote auszugehen ist, schlußendlich eine Bewertungsfrage (vgl. § 8, Rn. 4, Grimm a.a.O.).

Der Sachverständige hat dargetan, dass der Grad der zu erwartenden Invalidität bei der hier vorliegenden Gesundheitsschädigung durch ein traumatisches Ereignis variiert. Er hat ferner dargelegt, wie er zu der Einschätzung eines Mitwirkungsgrades von einem Drittel gelangt. Er hat sich auch mit den Feststellungen im von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. und den weiteren Einwänden gegen sein Gutachten auseinandergesetzt und ausgeführt, dass die vom Sachverständigen Prof. Dr. angenommene Mitwirkungsquote von 75 % für ihn nicht nachvollziehbar sei. Er hat darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen bei einer ebenso wie beim Kläger vorgeschädigten Wirbelsäule durch sogenanntes "Wirbelgleiten" auch bei altersbedingter Bandscheibendegeneration keine Beschwerden auftreten (siehe Gutachten vom 5.9.2000, S. 8).

Der Senat folgt daher der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen. Prof. Dr. hat sich in seinem von der Beklagten veranlaßten Gutachten vom 31.3.1999 im übrigen jedenfalls nicht eindeutig zu der hier allein relevanten Frage erklärt, mit welchem Mitwirkungsanteil die Vorschädigung bei der Bewertung der Unfallfolgen, d.h. der Invalidität des Klägers anzusetzen ist.

3.

Die Beklagte wurde hier nicht gem. § 17 AUB (61) von ihrer Leistung frei. Ein Verstoß gegen die in § 15 Nr. 6 c AUB 61 geregelte Obliegenheit, sachdienlichen Anordnungen von Ärzten zur Förderung der Heilung nachzukommen, ist nicht substantiiert vorgetragen.

Der Kläger hat daher an die Beklagte aus der abgeschlossenen Unfallversicherung gemäß §§ 1, 8, 10 Abs. 1 AUB (61) eine Forderung in Höhe von jetzt noch 15.375 DM. Aus der vereinbarten Versicherungssumme von 123.000,-DM folgt gemäß § 8 II AUB (61) bei einer Invalidität von 30 % eine Invaliditätsentschädigung von 36.900,- DM. Diese ist gemäß § 10 Abs. 1 AUB (61) um ein Drittel, somit um 12.300,-- DM zu kürzen. Dem Kläger stehen daher 24.600,- DM zu. 9.225,-- DM hat die Beklagte bereits bezahlt, so dass sie noch zur Zahlung von 15.375,-- DM zu verurteilen war. Das Urteil des Landgerichtes war daher entsprechend abzuändern. Die weitergehende Berufung hatte keinen Erfolg.

III.

Die Nebenentscheidungen zu den Zinsen, Kosten und zur Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 288, 291 BGB, 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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