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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 8 W 151/2000
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 325
HGB § 335
1. Das Zwangsgeldverfahren zur Erzwingung der Offenlegung des Jahresabschlusses einer GmbH richtet sich gegen den Geschäftsführer und nicht gegen die Gesellschaft.

2. Das Verhalten, das durch (Androhung und) Verhängung von Zwangsgeld durchgesetzt werden soll, muss eindeutig bezeichnet sein. Der Ausspruch, der "Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses nachzukommen", genügt nicht.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 151/2000 1 KfH T 4/99 LG Heilbronn HRB 3219 AG Heilbronn - RegisterG -

vom 13. Juli 2000

In der Handelsregistersache

wegen Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses

hier: Verhängung eines Zwangsgeldes und Einspruch gegen Androhung eines Zwangsgeldes

Gründe:

Eine Gläubigerin einer GmbH beantragte beim Registergericht, deren Geschäftsführer zur Offenlegung des Jahresabschlusses anzuhalten und ihr die Abschrift einer "aktuellen Bilanz" zu übersenden. Nachdem der - alleinige - Geschäftsführer der GmbH der wiederholten gerichtlichen Aufforderung, "seiner Pflicht zur Aufstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses nachzukommmen", keine Folge geleistet hatte, drohte das Registergericht zunächst ein Zwangsgeld an. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das Registergericht zurück, setzte ein Zwangsgeld fest und drohte zugleich ein neues Zwangsgeld in doppelter Höhe an.

Die unter Bezugnahme auf eine vorgelegte (angebliche) "Bilanz zum 31.12.1993" umfassend eingelegte Beschwerde wies das Landgericht als Beschwerde der GmbH zurück. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde führte zur Aufhebung der Entscheidung beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.

war die Sache jedoch unter Aufhebung der ergangenen Entscheidungen an Amtsgericht - Registergericht - zur weiteren Behandlung zurückzuverweisen.

1. Die Beschwerde gegen die Verfügung des Amtsgerichts vom 10.11.1999, soweit darin gem. § 132 I FGG ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von DM 1000 angedroht wird, war unzulässig (§ 132 II FGG). Vielmehr hatte das Amtsgericht die Beschwerde" der Beschwerdeführerin vom 25.11. insoweit als Einspruch zu bescheiden. Erst gegen diese Entscheidung ist die sofortige Beschwerde eröffnet ( § 139 I FGG; vgl. auch OLG Karlsruhe Die Justiz 2000, 141).

Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt Gelegenheit, entsprechend zu verfahren.

2. Auch im übrigen erweisen sich die Entscheidungen sowohl des Landgerichts als auch des Amtsgerichts als rechtsfehlerhaft.

a) Formell fehlerhaft ist die Entscheidung des Erstbeschwerdegerichts insoweit, als von einer Beschwerde der GmbH ausgeht und dieser auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, obwohl die Beschwerde - zutreffend - vom Geschäftsführer der GmbH eingelegt ist (Bl. 1170). Sowohl die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 HGB) als auch die Pflicht zur Offenlegung (§ 325 HGB) richtet sich nicht an die Gesellschaft "als solche", sondern ausdrücklich an die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft. Desgleichen ist die (Androhung und) Festsetzung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung der Rechnungslegungs- und Offenlegungspflichten nur gegen die "Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft" (§ 335 S. 1 HGB) möglich. Für eine Vollstreckung ist die zutreffende Bezeichnung des Verpflichteten von entscheidender Bedeutung.

Daran hat auch die teilweise Neufassung der einschlägigen Vorschriften durch das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG)" vom 24.2.2000 (BGBl I, 154) nichts geändert. Dieses (gem. Art. 10) am 9.3.2000 - und damit kurz nach der landgerichtlichen Entscheidung - in Kraft getretene Gesetz ist grundsätzlich im Rechtsbeschwerdeverfahren als maßgebliches Recht zu beachten, soweit nicht spezielle Übergangsvorschriften bestehen.

b) Einen wesentlichen Mangel sämtlicher im Verfahren getroffenen Entscheidungen stellt es dar, dass das Verhalten, das mit der (Androhung und) Verhängung von Zwangsgeld durchgesetzt werden soll, nicht hinreichend eindeutig bezeichnet ist. Da die Vollstreckung des Zwangsgelds auch nach seiner Verhängung noch durch die Erfüllung der angeordneten Verpflichtung abgewendet werden darf, muss das zu erzwingende Verhalten genau - gleichsam in vollstreckungsfähiger Form - bezeichnet sein.

aa) Obgleich im Antrag der Gläubigerin vom 7.1.1999 um Überlassung einer Abschrift der "aktuellen Bilanz" gebeten worden war, enthalten die Verfügungen des Amtsgerichts vom 30.3 und vom 19.11.1999 keine nähere Zeitbestimmung. Auch das Landgericht hat angesichts der vorgelegten Seiten 21 bis 23 eines Jahresabschlusses zum 31.12.1993 keinen Anlass gesehen, das Geschäftsjahr des Jahresabschlusses zu benennen, auf den sich das verhängte Zwangsgeld beziehen soll. Die landgerichtliche Beanstandung, dass die Unterlagen für das Geschäftsjahr 1993 "keineswegs" "genügen", ist zwar uneingeschränkt zutreffend, aber ebenfalls unzureichend. Die Frage, ob der Beschwerdeführer etwa mit der Vorlage eines Jahresabschlusses 1996 oder 1997 ein Zwangsgeld abwenden könnte, bleibt offen.

Die Frage, für welches Geschäftsjahr die Vorlage eines Jahresabschlusses erzwungen werden soll, erhält zusätzliche Bedeutung durch das erwähnte KapCoRiLiG, weil nunmehr die Durchsetzung mittels Zwangsgeld auf die Aufstellung des Jahresabschlusses beschränkt ist (§ 335 Nr. 1 HGB nF), während die Verletzung der Offenlegungspflicht durch Verhängung von Ordnungsgeld sanktioniert wird (§ 335 a Nr. 1 HGB nF). Dafür enthält der neue § 140a FGG unterschiedliche und detaillierte Verfahrensvorschriften, die auch - über § 329 Abs. 2 HGB hinaus - näher festlegen, wie sich das Gericht zuverlässige Kenntnis darüber zu verschaffen hat, ob größenabhängige Erleichterungen in Anspruch genommen werden dürfen (§ 140 a Abs. 3 FGG nF).

Allerdings beschränkt der neue § 185 Abs. 3 FGG (Art. 4 Nr. 3 KapCoRiLiG) die Anwendbarkeit des neuen § 140 a FGG für die echten Kapitalgesellschaften auf Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr, das nach dem 31.12.1998 begonnen hat. Da nach § 15 des GmbH-Vertrages das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, gilt somit das neue Recht erst für den Jahresabschluss 1999; die Frist für dessen Aufstellung beträgt längstens 6 Monate (§ 264 Abs. 1 S. 3 HGB), ist also zwischenzeitlich verstrichen. Dagegen ist die neue Offenlegungsfrist von 12 Monaten (§ 325 Abs. 1 S. 1 HGB nF) noch nicht abgelaufen, so dass allenfalls die Einreichung des Jahresabschlusses 1998 nach bisherigem Recht erzwungen werden kann.

bb) Hinzu kommt, dass das Landgericht bei seiner Festellung, die eingereichten Unterlagen genügten den Anforderungen keineswegs, auch im übrigen nicht deutlich gemacht hat, welche Anforderungen der Beschwerdeführer zu erfüllen hat, um der Zwangsgeldvollstreckung zu entgehen. Dies durfte aber schon seitens des Amtsgerichts nicht unterbleiben, denn der in § 132 FGG sanktionierte § 335 HGB enthält (in der zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung maßgebenden Fassung) in Abs. 1 S. 1 sieben unterschiedliche Zwangsgeld-Tatbestände. Selbst wenn nur die Ziffern 1 und 6 als einschlägig angesehen werden, kann die Frage, weiches konkrete Verhalten durch das verhängte Zwangsgeld erzwungen werden soll, nicht unbeantwortet bleiben.

Diese Konkretisierung erhält besondere Bedeutung im Hinblick auf die Erleichterungen für mittelgroße und für kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 I, II HGB), die sowohl auf der Ebene der Erstellung des Jahresabschlusses (§§ 242, 264 HGB) als auch auf der Ebene der Offenlegung (§ 325 HGB) gesetzlich vorgesehen sind (vgl. §§ 264 13, 266 Abs. 1, 274a, 276, 288 HGB sowie §§ 326, 327 HGB). Wegen dieser differenzierten Anforderungen für die Aufstellung bzw. die Offenlegung des Jahresabschlusses ist es unentbehrlich, genau anzugeben, welche gesetzlichen Erfordernisse das Gericht als gegeben ansieht und inwiefern es deren Erfüllung vermisst und diese erzwingen will. Andernfalls fehlt es auch in dieser Beziehung an der Bestimmtheit des zu erzwingenden Verhaltens. Ist ungeklärt, ob die Gesellschaft Erleichterungen in Anspruch nehmen darf, steht dem Registergericht der Weg des § 329 HGB zur Verfügung, wobei auch insoweit Zwang ausgeübt werden kann.

Da sich ein Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft nach gesetzlicher Regelung aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 III HGB) samt Anhang (§§ 264 i 1, 284 ff HGB) zusammensetzt, folgt daraus, dass die Vorlage nur einer Bilanz niemals den gesetzlichen Anforderungen entspricht; ob darüber hinaus auch die Erstellung eines Lageberichts (§ 289 HGB) erzwungen werden kann, hängt davon ab, ob die betroffene Kapitalgesellschaft mindestens eine mittelgroße ist (§ 264 13 HGB).

c) Die landgerichtliche Entscheidung leidet weiter daran, dass sie sich mit dem Beschwerdevorbringen, insbesondere mit dem Vortrag, wegen Beschlagnahme der Akten sei eine Erstellung von Jahresabschlüssen ab 1994 möglich gewesen, auch nicht ansatzweise auseinandersetzt. Zwar lässt der geltend gemachte Einwand die erforderliche Konkretisierung vermissen, aber dies rechtfertigt nicht, ihn völlig unbeachtet zu lassen. Das Landgericht hätte mindestens darlegen müssen, warum es diesen Einwand als ungeeignet ansieht, einer Zwangsgeldverhängung gegen den Beschwerdeführer im Wege zu stehen.

d) Schließlich ist nicht in der gebotenen Eindeutigkeit ersichtlich, ob sich Amtsgericht und Landgericht hinreichend darüber im klaren gewesen sind, dass es sich hier - anders als im normalen registerrechtlichen Verfahren - um ein Verfahren mit mehr als einem Beteiligten handelt. Die Durchsetzung der in § 325 HGB normierten, seit Anfang 1986 geltenden Pflicht jeder Kapitalgesellschaft zur Offenlegung der Jahresabschlüsse bedarf - in ausdrücklicher Abweichung von § 14 HGB (§ 335 12 HGB) - eines Antrags. Auch daran hat das neue Recht - in Abweichung zum Regierungsentwurf - nichts geändert; allerdings genügt ein "Jedermann-Antrag". Ob dies den Anforderungen des EuGH (Slg 1997 16843 = NJW 1998, 129 = GmbHR 1997,.1150; Slg 1998 15449 = GmbHR 1998, 1087 = ZIP 1998, 1716; vgl. zum Ganzen Zimmer I Eckhold NJW 2000, 1361 m.w.N.) genügt, kann hier offen bleiben. Ist - wie hier - wirksam ein solcher Antrag gestellt, ist der Antragsteller auch formell Verfahrensbeteiligter, auch wenn ihm die Rücknahme des Antrags untersagt ist (S. 6), mit der Folge, dass er Anspruch auf rechtliches Gehör und auf Mitteilung der ergehenden Entscheidungen hat.

Ende der Entscheidung

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