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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 8 W 19/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 42 ff
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 103 Abs. 1
ZPO § 406
Richter- und Sachverständigenablehnungsverfahren verlieren in der Beschwerdeinstanz nicht ihren Charakter als Nebenverfahren.

Bei einem erfolglosen Rechtsmittel ergeht eine Kostengrundentscheidung durch das Beschwerdegericht gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu Lasten des Rechtsmittelführers.

Bei einer erfolgreichen Beschwerde sind die für das zweitinstanzliche Verfahren aufzuwendenden außergerichtlichen Kosten der Parteien Teil der Kosten des Hauptverfahrens und werden von der dort getroffenen Kostengrundentscheidung umfasst.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 19/09

27. Januar 2009

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung; hier: Kostenfestsetzung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin am Oberlandesgericht Tschersich als Einzelrichterin gem. § 568 S. 1 ZPO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Ravensburg vom 12. November 2008 - berichtigt durch Beschluss vom 11. Dezember 2008 -, Az. 1 O 62/05, abgeändert:

Auf Grund des rechtswirksamen Beschluss-Vergleichs des Landgerichts Ravensburg vom 17. Juli 2008 sind von dem Kläger an die Beklagte zu erstatten:

weitere 226,86 Euro,

damit insgesamt 4.524,60 Euro

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 24. September 2008.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 226,86 Euro

Gründe:

1.

Im Hauptsacheverfahren beantragte der Kläger die Ablehnung des Sachverständigen .... wegen Besorgnis der Befangenheit. Sein Gesuch wurde durch das Landgericht Ravensburg mit Beschluss vom 13. Juli 2006 zurückgewiesen. Hiergegen legte er sofortige Beschwerde ein, auf die durch den 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart am 27. September 2006, Az. 7 W 52/06, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt wurde. Eine Kostenentscheidung erging nicht. In den Gründen des Beschlusses führte der 7. Zivilsenat aus, dass eine solche nicht veranlasst sei. Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels fielen Gerichtsgebühren nicht an. Außergerichtliche Kosten würden nicht erstattet, da es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handle. Vielmehr seien die Kosten des Ablehnungsverfahrens - auch hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens - Kosten des Rechtsstreits, über die zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache zu befinden sei.

Der Rechtsstreit wurde beendet durch gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO, festgestellt durch Beschluss vom 17. Juli 2008, in dem die Parteien sich u. a. dahin einigten, dass von den Kosten des Rechtsstreits der Kläger 13/14 und die Beklagte 1/14 tragen.

In der Kostenfestsetzung wurden die von der Beklagten geltend gemachten Kosten des Beschwerdeverfahrens in dem Beschluss des Rechtspflegers vom 12. November 2008 - berichtigt am 11. Dezember 2008 - nicht in Ansatz gebracht. Hierdurch ist die Beklagte im Kostenausgleich unter Berücksichtigung der vereinbarten Quote mit 226,86 Euro beschwert. Sie hat deshalb gegen die am 19. November 2008 zugestellte Entscheidung durch ihren Prozessbevollmächtigten am 26. November 2008 sofortige Beschwerde eingelegt, der der Rechtspfleger unter Hinweis auf eine fehlende Kostengrundentscheidung nicht abgeholfen hat.

Mit Vorlagebeschluss vom 15. Januar 2009 hat er die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Rechtspflegers ist die Kostenfestsetzung auch bezüglich des erfolgreichen Rechtsmittels des Klägers im Ablehnungsverfahren auf Grund der von den Parteien getroffenen Kostenregelung in dem Vergleich vom 17. Juli 2008 vorzunehmen, da diese die nach § 103 Abs. 1 ZPO erforderliche Kostengrundentscheidung darstellt.

Das Sachverständigenablehnungsverfahren (§ 406 ZPO) ist ebenso wie das Richterablehnungsverfahren (§§ 42 ff ZPO) ein nicht kontradiktorisches Neben- bzw. Zwischenverfahren, an dem jedoch im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs der Gegner der ablehnenden Partei zu beteiligen ist (BGH NJW 2005, 2233).

Es entspricht einhelliger Ansicht, dass die Entscheidung in Nebenverfahren in der Ausgangsinstanz nicht mit einer Kostengrundentscheidung zu versehen ist. In Folge des fehlenden kontradiktorischen Charakters gibt es keinen Obsiegenden und Unterliegenden. Unterliegen kann eine Partei nur im Hauptverfahren, weswegen die Kosten des Nebenverfahrens zu denen des Hauptverfahrens gehören (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 46 Rdnr. 4; Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rdnr. 8; Heinrich in Musielak, ZPO 5. Aufl. 2007, § 46 Rdnr. 12; Gehrlein in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 46 Rdnr. 1; Stollenwerk, NJW 2007, 3751 ff; je m. w. N.).

In der Beschwerdeinstanz verliert das Ablehnungsverfahren nicht seinen Charakter als Nebenverfahren, auch wenn das Beschwerdeverfahren nicht zum Rechtszug gehört (Heinrich, a. a. O., § 46 Rdnr. 12 m. w. N.).

Soweit der BGH (NJW 2005, 2233) im Ablehnungsverfahren bei Zurückweisung der Beschwerde auf die in der Rechtsmittelinstanz getroffene Kostengrundentscheidung abstellt, beruht dies auf der in § 97 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Kostentrennung, während die ZPO im übrigen stillschweigend davon ausgeht, dass die Kosten erfolgreicher Rechtsmittel solche desjenigen Rechtsstreits sind, in dem das Rechtsmittel eingelegt wurde. Die Rechtsmittelkosten unterliegen in diesem Fall ohne besonderen Ausspruch der Entscheidung, die über die Kosten des Rechtsstreits ergeht (Hüßtege, a. a. O., § 97 Rdnr. 8 m. w. N.).

Danach ist zu unterscheiden zwischen einer erfolglosen und einer erfolgreichen Beschwerde.

Die Kosten eines endgültig erfolglosen Rechtsmittels trägt gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Rechtsmittelführer entsprechend der in dieser Instanz zu treffenden Kostengrundentscheidung. Dies gilt auch für nicht kontradiktorische Nebenverfahren.

Bei einer erfolgreichen Beschwerde im Ablehnungsverfahren bleibt es dagegen beim Grundsatz der Kosteneinheit mit der Folge, dass die für das zweitinstanzliche Verfahren aufzuwendenden außergerichtlichen Kosten der Parteien Teil der Kosten des Hauptverfahrens sind und von der dort getroffenen Kostengrundentscheidung umfasst werden (Hüßtege, a. a. O., § 47 Rdnr. 9; Vollkommer, a. a. O., § 46 Rdnr. 20; Gehrlein, a. a. O., § 46 Rdnr. 6; Stollenwerk, a. a. O.; OLG Frankfurt AGS 2007, 587; KG Berlin NJW-RR 2006, 1577; OLGR Köln 2004, 290; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 740 und MDR 1984, 408; je m. w. N.).

Damit liegt die für eine Kostenfestsetzung notwendige Kostengrundentscheidung (§ 103 Abs. 1 ZPO) auch bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Parteien in der Beschwerdeinstanz des Ablehnungsverfahrens in der im Vergleich getroffenen Kostenregelung.

Soweit das OLG Düsseldorf (AGS 2004, 306 mit Anm. N. Schneider) sich im Falle der Erfolglosigkeit der Beschwerde auf den Standpunkt gestellt hat, dass eine vergleichsweise Kostenregelung der Parteien die außergerichtlichen Kosten für eine Beschwerde im Richterablehnungsverfahren nur erfasst, wenn es besondere Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen der Parteien gibt, so wurde diese Entscheidung getroffen zu einem Zeitpunkt, als die Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren über eine Richterablehnung (Sachverständigenablehnung) noch höchst umstritten war. Dieser Streit wurde jedoch höchstrichterlich beendet durch den BGH am 6. April 2005 (NJW 2005, 2233).

Es gibt danach keine Rechtfertigung für eine differenzierende Beantwortung der Frage, ob die Kosten in der Beschwerdeinstanz eines Ablehnungsverfahrens bei erfolgreichem Rechtsmittel - und damit fehlender Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren (§ 97 Abs. 1 ZPO) - zu den Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache gehören - je nachdem, ob über diese eine gerichtliche Kostengrundentscheidung ergeht oder eine vergleichsweise Kostenregelung der Parteien. Diese Frage ist vielmehr einheitlich dahin zu beantworten, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu denen des Hauptverfahrens zählen und deshalb von der dort getroffenen Kostengrundentscheidung/-regelung erfasst werden.

Die geltend gemachte 0,5-Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren gem. Nr. 3500 RVG-VV von 243 €, die nicht unter § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG fällt, wie das Ablehnungsverfahren in der Ausgangsinstanz, und die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV von 20 € sind nicht nur angefallen durch die Übermittlung der sofortigen Beschwerde des Klägers an die Beklagte, die Aufforderung des 7. Zivilsenats zur Stellungnahme und deren Abgabe durch die Beklagte, sondern auch im Rahmen der vereinbarten Quote und des von der Beklagten richtig ausgerechneten Kostenausgleichs in Höhe von 226,86 € erstattungsfähig (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insoweit wird verwiesen auf die Grundsatzentscheidung des BGH (NJW 2005, 2233) und den dort im Einzelnen abgehandelten Meinungsstreit.

Damit war dem Rechtsmittel der Beklagten in vollem Umfang stattzugeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abzuändern, dass weitere 226,86 €, insgesamt 4.524,60 € an Kosten vom Kläger an die Beklagte zu erstatten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Gerichtsgebühr ist nach Nr. 1812 GKG-KV nicht angefallen.

Ende der Entscheidung

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