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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 13.03.2001
Aktenzeichen: 8 W 70/2000
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 13
WEG § 15
BGB § 892
BGB § 242
- Nicht genehmigte Dachwohnungen -

1. Ein Anspruch auf gemeinschaftliche Nutzung von im Gemeinschaftseigentum stehenden, ohne baurechtliche Genehmigung bereits in der Bauphase (1953) errichteten und an Erwerber verkaufte Dachgeschosswohnungen besteht dann nicht, wenn die Rechtsvorgänger der Antragsteller diesen Maßnahmen damals zugestimmt und sich notariell zur Anpassung der Teilungserklärung verpflichtet hatten.

2. Eine Berufung auf den guten Glauben an die Richtigkeit der Teilungserklärung greift dann nicht durch, wenn die Abweichung zwischen Grundbuch und Wirklichkeit für jedermann ersichtlich ist.

3. Der für Die Frage der Verwirkung maßgebliche Zeitraum beginnt nicht erst zum Zeitpunkt der nachträglichen Baugenehmigung (1994), sondern mit dem Bezug der Wohnanlage (hier: Anfang 1954).

4. Zum Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung.


Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 W 70/2000 10 T 267/99 LG Stuttgart 32 GR 2358/98 AG Stuttgart

vom 13. März 2001

In der Wohnungseigentumssache

Gründe:

Die Beteiligten sind unterschiedlicher Meinung darüber, wie zwei Dachgeschosswohnungen, die bei Errichtung des Gebäudes 1953 in Abweichung von der maßgeblichen Teilungserklärung eingebaut worden sind, nunmehr zu nutzen sind.

1. Auf der rechtlichen. Grundlage der Teilungserklärung vom 7.7.1953 haben die Beteiligten bzw. deren Rechtsvorgänger ein im Krieg zerstörtes Gebäude nach neuen Plänen wieder aufgebaut. Der dazugehörige, von der Baubehörde genehmigte Teilungsplan vom 30.4.1953 hat 95 Eigentumseinheiten, nämlich 3 Ladeneinheiten im Erdgeschoss und 12 Wohneinheiten auf 4 Obergeschossen (je 2 Dreizimmer-Wohnungen und 1 Zweizimmer-Wohnung) vorgesehen. Eine Dreizimmer-Wohnung hat 19 000 DM gekostet. Die Teil- bzw. Wohnungseigentumsgrundbücher sind im Herbst 1953 angelegt worden, wobei sofort die Erwerber als Ersteigentümer eingetragen wurden. Wegen Knappheit der finanziellen Mittel entschloss sich die Bauherrengemeinschaft, im Dachgeschoss auf der Grundlage eines geänderten Bauplans vom 20. B. 1953 zwei weitere Wohnungen (mit je 3 "Wohnkammern") mit den Nr. 16 und 17 einzubauen, die in der Folge für jeweils 17 000 DM verkauft wurden. Ab der Jahreswende 1953/54 wurde das Gebäude einschließlich der zwei zusätzlichen Wohnungen bezogen. Die Baubehörde lehnte jedoch die beantragte Nachtragsbaugenehmigung für die beiden Dachgeschosswohnungen ab; eine Beschwerde blieb ohne Erfolg. Daher blieb mangels Abgeschlossenheitsbescheinigung die Teilungserklärung vom 7. 7. 1953 samt altem Aufteilungsplan die Bezugsurkunde im Grundbuch.

In notarieller Urkunde vom 25. 1. 1954 wurde zunächst festgehalten, dass die zusätzlich errichteten Wohnungen "gemeinschaftliches Eigentum sämtlicher Miteigentümer" sind (II); unter III begründete die (damalige) Eigentümerin der Eigentumseinheit Nr. 2 an ihrem Sondereigentum eine Bruchteilseigentümergemeinschaft, in der sie sich auf 1/5 beschränkte und jedem der beiden Dachgeschoss-Erwerber gegen Bezahlung von 2 450 DM 2/5 ihres Sondereigentumsanteils veräußerte; dies wurde am 17. 10. 1955 im Wohnungsgrundbuch der Einheit Nr. 2 eingetragen. Unter IV dieser Urkunde ist eine "Vereinbarung zwischen sämtlichen Wohnungseigentümern" beurkundet, in der der 1/5-Eigentumsanteil an der Einheit Nr. 2 mit dem "Sondereigentum" an dieser Ladeneinheit verknüpft wird und je ein weiterer Bruchteil von 2/5 an der Einheit Nr. 2 mit dem "Sondereigentum" an jeweils einer Dachwohnung; es folgt eine Neuaufteilung der Nebenräume im Keller- und Untergeschoss und der Stimmrechte; die insoweit ebenfalls beantragte Eintragung im Grundbuch ist mangels genehmigtem Aufteilungsplan nicht erfolgt.

Durch Bescheid des Baurechtsamts von 1964 erfolgte die erneute Ablehnung einer Genehmigung des Dachausbaus 1966 wurde eine von allen Miteigentümern unterzeichnete, notariell beglaubigte "Vereinbarung" getroffen, in der die "bereits seit längerer Zeit" bestehende "Vereinbarung" bestätigt wird, dass die gemeinsamen Lasten von den beiden Benutzern der Dachwohungen je zu einem Anteil von 60/1120tel mitgetragen werden, und in der die Regelung getroffen wird, dass diese Bewohner "im Falle der Zerstörung des Wohnungseigentums" mit je 60/1120tel und der Nutzer der Ladeneinheit Nr. 2 mit 25/1120tel zu berücksichtigen sind, was auch für deren Rechtsnachfolger gelten soll. Auch diese Vereinbarung ist nicht nach § 10 Abs. 2 WEG im Grundbuch eingetragen worden.

Bei späteren Übertragungen der Rechte an den Wohnungen 16 bzw. 17 ist jeweils auf die unzureichende Grundbuchlage und auf die für den "hausinternen Gebrauch" bestehende Regelung über die Kostentragung auf der Grundlage eines Schlüssels von 1120/1120tel hingewiesen worden. Da die Teilungserklärung für den Fall der Veräußerung einer Eigentumseinheit einen Zustimmungsvorbehalt (§ 12 WEG - § 3 TE) - Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss sämtlicher Eigentümer - enthielt, wurde auch bei Veräußerung einer Dachwohnungen die Zustimmung zur Weiterveräußerung erwirkt.

Erst 1994 wurde das Nachtragsbaugesuch von 1953 genehmigt; die Bauabnahme des Dachgeschosses erfolgte 1993 und 1995 wurde eine entsprechende Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt. Der von den Antragsgegner vorgelegte Vorschlag einer Neuaufteilung fand jedoch - trotz Übernahme der anfallenden Kosten - nicht mehr die Zustimmung aller anderen Miteigentümer.

Auf der Eigentümerversammlung vom 3.7.1996 wurde der Beschlussantrag, von den derzeitigen Nutzern der Wohnungen Nr. 16 und 17 solle zugunsten der Instandhaltungsrücklage ein Mietzins erhoben werden, bei 16 Ja-Stimmen und 19 Nein-Stimmen (und 5 Enthaltungen) abgelehnt.

2. Die Antragsteller vertreten die Ansicht, dass die beiden grundbuchrechtlich im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachwohnungen zugunsten aller Eigentümer genützt werden müssen, und erstreben eine entsprechende Gebrauchsregelung; wenn auch eine Beseitigung oder Nutzungsuntersagung der Dachgeschosswohnungen wegen Verwirkung nicht durchgesetzt werden könne, entspreche es ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, über dessen Nutzung in Gestalt einer Vermietung zu marktüblichen Bedingungen zu beschließen.

Im Dezember 1998 haben die Antragsteller beim Amtsgericht mit differenziert formulierten Anträgen und Hilfsanträgen begehrt, die übrigen Eigentümer zur Zustimmung zur Vermietung der Dachwohnungen zu ortsüblichen Bedingungen zu verpflichten. Die Antragsgegner Ziff. 1 - 3 sind dem Antrag entgegengetreten. Die weiteren Antragsgegner haben ihre Neutralität erklärt, ebenso der Verwalter. Das Amtsgericht hat die Anträge wegen Verwirkung zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat ebenfalls die geltend gemachten Ansprüche als verwirkt angesehen. Zuvor waren auch hier Vergleichsversuche gescheitert.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Ziel, die rechtlich im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachwohnungen zum eigenen Vorteil zu nutzen, weiter. Sie rügen insbesondere, dass das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt sei; es komme nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes an, sondern auf den Zeitpunkt der Tatsächlichen baurechtlichen Genehmigung bzw. den Zeitpunkt des letzten rechtsgeschäftlichen Erwerbs einer Wohnung (1998).

II.

Das Rechtsmittel der Antragsteller ist statthaft und auch im übrigen in zulässiger Weise eingelegt, aber im Ergebnis ohne Erfolg. Die Beschwerdeentscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Zuständigkeit der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne weiteres angenommen. Da die Erwerber der Wohnungen Nr. 16 und 17 rechtlich nicht nur Nutzer eines dinglich nicht gesicherten Sondernutzungsrechts sind, sondern über ihre Bruchteilsberechtigung an der Einheit Nr. 2 Mitglieder der Eigentümergemeinschaft sind und weil über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten gestritten wird, sind die Voraussetzungen des § 43 Nr. 1 WEG erfüllt. Es liegt kein - in die Zuständigkeit der Streitgerichte fallender - Streit über den Bestand eines Sondernutzungsrechts (zB Senat OLGZ 1986, 35,36) oder - allgemeiner - über das sachenrechtliche Grundverhältnis (unten 5) vor.

2. Der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerdeführer kann rechtlich insoweit nicht in Zweifel gezogen werden, als sie sich darauf berufen, dass Sondereigentum an den beiden Dachgeschosswohnungen wirksam nicht begründet worden ist, folglich die durch den Einbau dieser 2 Wohnungen zusätzlich entstandenen Räume sachenrechtlich im Gemeinschaftseigentum stehen.

Gleichfalls rechtlich zutreffend ist die Ansicht der Antragsteller, dass Miteigentümer grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, dass gemeinschaftliches Eigentum ordnungsgemäß im Interesse der Gemeinschaft genützt wird und deshalb grundsätzlich eine Gebrauchsregelung verlangt werden kann (§§ 16 Abs. 1, 21 Abs. 1, 4 WEG). Eine solche gemeinsame Nutzung kann gegebenenfalls auch durch Vermietung durch die Gemeinschaft erfolgen, worüber grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden kann (BGH v. 29.6.2000, NJW 2000, 3211 = MDR 2000, 1182 = FGPrax 2000, 187). Der von der Rechtsbeschwerde (unter Bezugnahme auf OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1163) gerügten Formulierung des Landgerichts, es "vermag schon keine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragsteller zu erkennen", kann der Senat deshalb nicht beipflichten.

Rechtlich richtig ist auch die Auffassung der Antragsteller, dass weder Sondereigentum noch (dingliche) Sondernutzungsrechte durch Mehrheitsbeschluss begründet werden können. Darum geht es indessen im vorliegenden Fall nicht, weshalb auch die Problematik der sog. Zitterbeschlüsse - einschließlich der vom Antragstellervertreter vorgelegten Entscheidung des BGH vom 20.9.2000 (NJW 2000, 3500 ua) - hier nicht unmittelbar einschlägig ist. Das Landgericht hat weder aus dem Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung von 1965, noch aus der Niederschrift über die Eigentümerversammlung von 1994 entnommen, es handle sich um unangefochten gebliebene Eigentümerbeschlüsse, die ein Sondernutzungsrecht begründet hätten; vielmehr hat die Beschwerdekammer die einschlägigen Protokoll-Passagen dieser Versammlungen nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Kenntniszurechnung bei Prüfung der Verwirkung erwähnt. Diesem, dem Bereich von Treu und Glauben zuzuordnenden Gesichtspunkt kommt aber gerade nach den Ausführungen des BGH (aaO S. 3503) nunmehr gesteigerte Bedeutung zu. Zutreffend hat es das Landgericht auch offen gelassen, ob der Text unter TOP 6 der Eigentümerversammlung 1965 und unter TOP 5 der Versammlung von 1994 überhaupt die rechtliche Qualität eines Beschlusses hat oder nur einen Bericht des damaligen Verwalters darstellt; einer Beweiserhebung - wie die Rechtsbeschwerde rügt - bedurfte es insoweit nicht.

All diese - im Ausgangspunkt in sich jeweils zutreffenden - Darlegungen in der Rechtsmittelbegründungsschrift können der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die Entscheidung des Landgerichts und die von ihm bestätigte Entscheidung des Amtsgerichts sind rechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3. Entscheidend für die rechtliche Beurteilung ist, dass alle Miteigentümer 1953 I 54 sowohl dem zusätzlichen Einbau der Wohnungen im Dachgeschoss als auch der Einräumung eines (damals rechtlich noch gar nicht entwickelten) Sondernutzungsrechts an die Erwerber der Wohnungen Nr. 16 und 17 in Verbindung mit dem Erwerb eines Bruchteils an der Ladeneinheit zugestimmt haben. Diese Zustimmung ist erstmals in der notariellen Urkunde vom 25.1.1954 dokumentiert und wiederholt bestätigt worden, in notariell beglaubigter Form nochmals durch "Vereinbarung" von 1966.

Die Antragsteller, soweit sie später (letzter Erwerb vor Verfahrenseinleitung Mai 1998) Sondereigentum durch Erbfolge oder Rechtsgeschäft erworben haben, müssen sich diese Zustimmung ihrer Rechtsvorgänger entgegenhalten lassen. Dabei steht im Vordergrund die Tatsache, dass die Abweichung des tatsächlichen Bauzustands vom Zustand gemäß Teilungsplan, also die Existenz von 2 zusätzlichen Dachwohnungen, für jeden Erwerber offensichtlich war.

a) Es ist anerkannt - und vom Landgericht zutreffend dargelegt -, dass eine Zustimmung zu einer baulichen Änderung, auch soweit sie zu einer Abweichung des tatsächlichen Zustands der Eigentumsanlage vom grundbuchrechtlichen Soll-Zustand geführt hat, im Verhältnis zum Rechtsnachfolger des Zustimmenden ihre Wirksamkeit behält. Die Zustimmungen zur Vornahme von baulichen Änderungen ist grundsätzlich an keine Form gebunden und kann auch konkludent erteilt werden. Diese Zustimmung der Rechtsvorgänger steht nicht nur einem Anspruch der Antragsteller auf Beseitigung der baulichen Änderung bzw. Wiederherstellung es der (gültigen) Teilungserklärung entsprechenden Zustands entgegen - wie die Antragsteller selbst nicht verkennen -, sondern auch einem Anspruch auf Nutzungsunterlassung (deutlich zB OLG Hamm FGPrax 1996, 92 = WE 1996, 351; OLGZ 1991, 418 = NJW-RR 1991, 910; BayObLG NJW-RR 1993, 1165; ZMR 1995, 495; ZMR 1998, 359 (ebenfalls DG-Ausbau); OLG Köln WE 1998, 236; KG OLGZ 1989, 305 = NJWRR 1989, 976; ebenso zB Senatsbeschluss 8 W 188/98 v. 18.8.1998, ZMR 1998, 8021803 - ebenfalls DG-Ausbau - und 8 W 466/96 v. 6.3.1998 (unveröff); vgl. auch Staudinger/Bub, BGB 12. Bearb./WEG, Rn 53; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl., § 22 Rn 100a; Niedenführ/Schulze, WEG 5. Aufl., Rn 12, je zu § 22).

b) Dies gilt erst recht für vom Aufteilungsplan abweichende Baumaßnahmen, die im Zuge der Errichtung der Gemeinschaftsanlage - und vor dem rechtlichen Entstehen der Eigentümergemeinschaft - mit Zustimmung der Berechtigten durchgeführt wurden und deshalb nicht in die Kategorie der "baulichen Änderungen" iSd § 22 Abs. 1 WEG fallen (vgl. BayObLG NJW-RR.1995, 653; Weitnauer/Lüke, aaO, Rn 5; Staudinger/Bub Rn 39; Bärmann/Pick/Merle, Rn 21, je zu § 22 WEG). Diese Zustimmung zur Planabweichung hat die Eigentümergemeinschaft in die Lage versetzt, mit den dadurch zusätzlich erlangten Mitteln die Anlage fertigzustellen. Der Einbau und Verkauf der zusätzlichen Dachwohnungen hat es den übrigen Miteigentümern zugleich erspart, weitere Mittel zur Erstherstellung ihrer Anlage nachzuschießen.

Auf den Grundbuchbestand können sich die Antragsteller nicht berufen. Weicht der äußere, von allseitiger Zustimmung getragene und von jedem Rechtsnachfolger wahrnehmbare Bauzustand einer Eigentumsanlage zum Erwerbszeitpunkt (= Ist-Zustand) vom dem Zustand ab, wie er sich aus dem Grundbuch (samt Teilungserklärung und Aufteilungsplan) ergibt (Soll-Zustand), dann muss dies der Erwerber hinnehmen. Deutlich hat das Kammergericht (OLGZ 1989, 305 = NJW-RR 1989, 976) formuliert: "Eine der Teilungserklärung an sich widersprechende äußere Gestaltung der Wohnanlage (...) wirkt für den Neuerwerber wie eine Erstherstellung,..."

c) Zwar ist die in der Urkunde vom 25.1.1954 enthaltene Vereinbarung über eine geänderte Aufteilung - einschließlich Kostentragung - mangels Eintragung im Grundbuch gegenüber Rechtsnachfolgern nicht wirksam geworden und auch die Vereinbarung von 1966 anläßlich der ersten Veräußerung der "Wohneinheit Nr. 16" kann als solche Geltung gegenüber späteren Rechtsnachfolgern nicht beanspruchen (vgl. BayObLG NJW-RR 1992, 83). Jedoch beweisen diese Urkunden - neben weiteren Unterlagen mit sekundärer Bedeutung - die Zustimmung der Rechtsvorgänger der Antragsteller zur abweichenden Erstherstellung, so dass weitere tatsächliche Feststellungen zur allseitigen Zustimmung nicht erforderlich sind.

Für die Rechtsstellung der Antragsteller ist entscheidend, dass der Widerspruch zwischen tatsächlichem Bauzustand - 17 Wohneinheiten mit ausgebautem Dachgeschoss - und Teilungserklärung/Aufteilungsplan - 15 Wohneinheiten ohne Dachausbau - so offensichtlich ist, dass eine Berufung auf die Richtigkeit des Grundbuchinhalts nicht erfolgreich sein kann. Für einen "guten Glauben" ist kein Raum, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit kennt (§ 892 Abs. 1 S. 1. aE BGB). Für die Annahme, mit dem Erwerb einer Eigentumseinheit Nr. 1 bis Nr. 15 werde ein Mitbenutzungsrecht an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Wohnungen Nr. 16 und 17 erworben, gibt das Grundbuch keinen Anhalt, denn Teilungserklärung und Aufteilungsplan enthalten diese nicht. Keiner der Antragsteller - die teilweise die Anlage seit ihrer Entstehung kennen - konnte der begründeten Annahme sein, er habe als Miteigentümer ein Mitgebrauchsrecht an den unter dem Dach befindlichen Wohnungen.

Das Risiko der fehlenden Einbuchung im Grundbuch haben primär die Erwerber der Wohnungen 16 und 17 getragen, die sich auch um die nachträgliche Baugenehmigung und Abgeschlossenheitsbescheinigung - zuletzt mit Erfolg - bemüht haben.

4. Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung des Mitgebrauchsrechts der Antragsteller an den Räumlichkeiten unter dem Dach - die nur ergänzend zu den Erwägungen über die Gebundenheit der Antragsteller an Zustimmungen ihrer Rechtsvorgänger von Bedeutung sein können - haben die Vorinstanzen entgegen dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde nicht verkannt. Dass eingetretene Verwirkung auch gegenüber Rechtsnachfolgern wirkt, ist ebenfalls anerkannt (deutlich zB BayObLG NJW-RR 1991, 1041; WuM 1993, 558).

a) Verfehlt ist die Ansicht, für das Zeitmoment, das jede Verwirkung voraussetzt, komme es nicht auf den Zeitpunkt der Errichtung (1953/54) an, sondern auf den Zeitpunkt der nachträglichen Genehmigung des Dachausbaus (1992 / 1995). Der Zeitpunkt der baurechtlichen Genehmigung ist unerheblich für die Frage, ob den Antragsgegnern Ziff. 1 - 3 ihr bisheriges, über ca. 40 Jahre hinweg von allen übrigen Miteigentümern zugebilligtes "Sondernutzungrecht" an den Wohnungen Nr. 16 und 17 nunmehr zugunsten einer gemeinschaftlichen Nutzung entzogen werden kann. Die Nutzung dieser Räume als Wohnung entsprach seit ihrer Errichtung "ordnungsgemäßer Verwaltung" und setzte nicht erst mit deren Nachtragsgenehmigung ein. Solange die Baubehörde die Nutzung der baurechtswidrig errichteten Wohnungen nicht untersagt hat, stand deren tatsächlicher Nutzung nichts im Wege.

Die zahlreichen in der Rechtsprechung behandelten, im einzelnen jeweils unterschiedlichen Verwirkungsfälle setzen regelmäßig den Beginn des maßgebenden Zeitraums an dem Punkt an, an dem mit dem der Teilungserklärung widersprechenden Verhalten begonnen worden ist. Andererseits ist ein Zeitraum, der die Regelverjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB) überschreitet, eine seltene Ausnahme; in den entschiedenen Fällen lagen meist deutlich kürzere Zeiträume zugrunde (vgl. zB BayObLG NJW-RR 1993,1165; OLG Köln WuW 1997, 637; KG FGPrax 1997, 95).

b) Auch das für die Annahme von Verwirkung vorausgesetzte Umstandsmoment hält der Senat in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen für erfüllt und nimmt insoweit auf die Ausführungen des Landgerichts Bezug. Sind auch die jeweiligen Umstände fallbezogen sehr unterschiedlich, so waren Gesichtspunkte, die hier zu Lasten der Antragsgegner von Gewicht sein könnten (vgl. zB BayObLG WuW 1993, 558), nicht festzustellen.

Soweit die Rechtsbeschwerde darauf abstellt, dass die Ersterwerber der Einheiten 16 und 17 jeweils wissentlich den Kaufpreis ohne Absicherung im Grundbuch gezahlt und deshalb auf eigenes Risiko gehandelt haben und sich deshalb nicht mit Erfolg auf Treu und Glauben berufen könnten, greift dies nicht durch. Diese Argumentation verkennt insbesondere die Bedeutung der notariellen Urkunde vom 25. 1. 1954 und die mit Zustimmung aller damaligen Erwerber vereinbarte Aufnahme der beiden Erwerber der Dachgeschosswohnungen als Miteigentümer in Gestalt von Mit-Bruchteilseigentümern am Teileigentum Nr. 2. Diese sachenrechtliche "Behelfskonstruktion", die aus dem Grundbuchheft ... ersichtlich ist, ist ein wesentlicher "Umstand", der den vorliegenden Sachverhalt von den Sachverhalten, die der Antragstellervertreter anspricht, erheblich unterscheidet. Dass der beurkundende Notar 1954/55 noch nicht auf die Idee gekommen ist, den Erwerbern der Dachwohnungen ein Sondernutzungsrecht an den jeweiligen Dachräumen eintragen zu lassen, erklärt sich zwanglos daraus, dass damals die Dogmatik vom Sondernutzungsrecht noch nicht hinreichend entwickelt war - ebenfalls ein Umstand, der zugunsten der Antragsgegner wirkt. Warum schließlich die Tatsache, dass über Jahrzehnte hinweg die gemeinsamen Kosten unter Einbeziehung der Dachwohnungen auf der Basis von 1160 Miteigentumsanteilen berechnet wurden, ein für die Verwirkung unbeachtlicher Umstand sein soll, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

5. Die am Schluss der Begründung der Rechtsbeschwerde angesprochene - hier aber nicht zu entscheidende - Frage, ob den Antragsgegnern gegen die Antragsteller ein Anspruch auf Anpassung der Teilungserklärung an die Wirklichkeit zusteht, gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Hinweisen.

Dass außergewöhnliche Umstände es ausnahmsweise rechtfertigen, einen Miteigentümer zur Zustimmung zu einer Änderung der Teilungserklärung zu verpflichten, wenn ein Festhalten an einer alten Regelung als grob unbillig und damit gegen Treu und Glauben verstoßend erscheint - wobei ein strenger Maßstab anzuwenden ist - ist seit längerem in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (vgl. BGHZ 95, 137; BGHZ 130, 304 = NJW 1995, 2791, 2793 = MDR 1995, 1112 = FGPrax 1995, 194; BayObLGZ 1987,66,69; NJW-RR 1994, 145; OLG Hamburg MDR 1997, 816; Weitnauer, § 3 Rn 101 f, § 10 Rn 52 f; Staudinger / Kreuzer § 10 Rn 84 ff), Dies hat der BGH gerade auch für einen Fall des Gründungsmangels - ebenfalls Räume unter dem Dach betreffend - ausgesprochen (BGHZ 130, 159 = MDR 1996, 139 = NJW 1995, 2851, 2853f). Auch bei Anlegung strengster Maßstäbe ist hier nach Ansicht des Senats ein Musterfall für eine solche Ausnahme gegeben (ebenso LG Wuppertal NJW-RR 1987, 1074 bei ähnlichem Sachverhalt unter weniger krassen Umständen).

Die seit bald 50 Jahren bestehende Divergenz zwischen Grundbuch und Wirklichkeit ist mit dem Ziel des Wohnungseigentumsgesetzes, ein "geordnetes Zusammenleben" unter Miteigentümern sicherzustellen, nicht zu vereinbaren und belastet nicht nur die Antragsgegner 1 - 3 als unmittelbar Betroffene, sondern alle Miteigentümer. Die ersten 15 Erwerber kannten 1953 / 54 nur dadurch "ein Dach über den Kopf" bekommen, dass für 2 weitere ungenehmigte Wohneinheiten der volle Kaufpreis gezahlt wurde. Die daraus folgende Verpflichtung zur Anpassung der Teilungserklärung haben alle Miteigentümer von Anfang an anerkannt und wiederholt notariell beurkundet. Über 40 Jahre wurden die Erwerber der Dachwohnungen einvernehmlich wie Eigentümer behandelt. Nicht die Zurückweisung des Begehrens der Antragsteller stellt - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - eine entschädigungslose und deshalb grundgesetzwidrige "Enteignung" dar, sondern umgekehrt ein Erfolg ihres Bestrebens, eine längst bezahlte Sache sich nochmals bezahlen zu lassen.

Auch wenn die erforderliche Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum nicht im Wege einer Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 WEG "bewältigt" werden kann, weil das "sachenrechtliche Grundverhältnis" betroffen ist (vgl. BGHZ 130, 159 = NJW 1995,2851; BayObLGZ 1997, 233, 238 = WuM 1997, 512, 513; KG FGPrax 1998, 94 = NZM 1998, 581 = WuM 1998, 366 = ZMR 1998, 368), sondern eine Neufassung der Teilungserklärung unter Mitwirkung aller Miteigentümer erforderlich ist (§§ 3, 4 WEG), ist die Möglichkeit eines solchen Rechtsanspruchs auf eine derartige Mitwirkung keineswegs rechtlich ausgeschlossen, ... die zitierten Passagen aus der Entscheidung des KG beziehen sich allein auf den dortigen Fall. ...

Ende der Entscheidung

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