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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 8 WF 97/08
Rechtsgebiete: BGB, KostO


Vorschriften:

BGB § 1684 Abs. 3 Satz 1
KostO § 1
KostO § 2 Nr. 2
KostO § 94 Abs. 1 Nr. 4
KostO § 94 Abs. 3 Satz 2
In FG-Familiensachen erfasst § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO Gebühren und Auslagen (Definition der Kosten in § 1 KostO). Die Ermessensausübung und Bestimmungsbefugnis bezüglich des Zahlungspflichtigen oder des Absehens von der Erhebung von Kosten liegt beim Richter. Er hat insoweit eine Kostengrundentscheidung zusammen mit der abschließenden Hauptsacheentscheidung oder bei anderer Verfahrensbeendigung wie Antragsrücknahme und Erledigung der Hauptsache isoliert zu treffen. Eine Beschränkung dieser Befugnis auf die Fälle, in denen durch eine Vornahmeentscheidung eine Gebühr ausgelöst wird, entspricht nicht dem Gesetzeszweck. Im Anwendungsbereich des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist kein Raum für § 2 KostO gegeben. Dies ist auch der Fall, wenn beim Ruhen des Verfahrens derzeit eine Kostengrundentscheidung nicht möglich ist.
Oberlandesgericht Stuttgart 8. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 8 WF 97/08

07. Juli 2008

In der Familiensache

wegen Umgangsregelung mit dem Kind;

hier: Kostenansatz

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin am Oberlandesgericht Tschersich als Einzelrichterin gem. § 14 Abs. 3 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 KostO

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Familienrichterin des Amtsgerichts Besigheim - Familiengericht - vom 14. April 2008, Az. 4 F 367/06 (UG), abgeändert:

Auf die Erinnerung des Antragstellers wird der Kostenansatz der Kostenbeamtin des Amtsgerichts Besigheim vom 7. Januar 2008, Az. 4 F 367/06, in Höhe von 7.719,71 Euro aufgehoben.

2. Das Erinnerungsverfahren und das Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden in beiden Verfahren nicht erstattet.

Gründe:

1.

Mit dem Kostenansatz des Amtsgerichts Besigheim vom 7. Januar 2008 (Kostenrechnung der Landesoberkasse Baden-Württemberg vom 24. Januar 2008) wurden die in dem Verfahren wegen Regelung des Umgangs mit dem gemeinschaftlichen Kind bislang angefallenen Auslagen für Zustellungen nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 KostO (4,28 Euro), für an den Verfahrenspfleger gezahlte Beträge nach § 137 Abs. 1 Nr. 16 KostO (1.293,30 Euro) und für die Sachverständigenvergütung nach § 137 Abs. 1 Nr. 5 KostO (6.422,13 Euro), insgesamt 7.719,71 Euro, gegenüber dem Antragsteller zur Abrechnung gebracht.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 hatten die Eltern eine vorläufige Vereinbarung zur Umgangsregelung getroffen. Danach wurde antragsgemäß das Ruhen des Verfahrens zur langsamen Umsetzung des unbetreuten Umgangs des Antragstellers mit dem Kind angeordnet. Nach Wiederanruf des Verfahrens wurde erneut auf Antrag beider Eltern mit Beschluss vom 12. März 2008 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, das von diesen seither nicht weiterbetrieben wird.

Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenansatz wurde durch Beschluss der Familienrichterin vom 14. April 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Amtsrichterin ohne Abhilfe dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Vertreterin der Staatskasse wurde am Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren beteiligt.

2.

Die unbefristete Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 und 4, Abs. 7 Satz 1 KostO zulässig und in der Sache auch begründet.

Eine ausdrückliche Beschränkung der Rechtsbehelfe auf die Sachverständigenkosten wurde vom Antragsteller nicht vorgenommen, sodass über sämtliche in Ansatz gebrachten Auslagen entschieden wird. Zumal die nicht befristeten Rechtsbehelfe - sich ausdehnend auf die weiteren Auslagen - jederzeit nachgeholt werden könnten.

Die Familienrichterin stützt sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur die gerichtlichen Gebühren erfasse, nicht aber die Auslagen nach § 137 KostO und dass die Vorschrift einer erweiterten Anwendung nicht zugänglich sei, auf die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 15. Mai 2001, Az. 10 WF 958/01, veröffentlicht in FPR 2001, 396 = OLGR Nürnberg 2001, 370 = NJW-RR 2002, 77. Sie verkennt dabei, dass die bis 31. Dezember 2001 geltende Fassung der KostO in § 94 Abs. 3 Satz 2 das Wort "Gebühr" verwendete, während es ab 1. Januar 2002 heißt: "Kosten".

Die Rechtsprechung des OLG Nürnberg und weiterer Obergerichte zur alten Fassung der KostO, die überwiegend in § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO nur eine Rechtsgrundlage sah für eine Entscheidung über die Gerichtsgebühren, nicht aber über die gerichtlichen Auslagen, die nach § 2 Nr. 2 KostO beim Interesseschuldner zu erheben waren, ist damit überholt (Waldner in Rohs/Wedewer, Kostenordnung, 2. Auflage Dezember 2006, § 94 Rdnr. 26 mit Rechtsprechungsübersicht).

Seit das Gewaltschutzgesetz den Begriff "Gebühr" durch "Kosten" ersetzt hat, ist klargestellt, dass Gebühren und Auslagen (Definition der Kosten in § 1 KostO) erlassen werden können und von der Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO insgesamt erfasst werden.

Diese Auffassung wurde vom Senat im übrigen schon vor der Gesetzesänderung vertreten (JurBüro 1987, 1530 = Die Justiz 1987; JurBüro 1997, 606 = Die Justiz 1997, 341 = FamRZ 1998, 40) und nach dieser beibehalten (Beschluss vom 26. Februar 2004, Az. 8 WF 103/03).

Gem. § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist danach in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 6 (hier: Entscheidung gem. § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB i. S. v. § 94 Abs. 1 Nr. 4 KostO) nur der Beteiligte zahlungspflichtig, den das Gericht nach billigem Ermessen bestimmt. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist.

Nachdem die Vorschrift Gebühren und Auslagen i. S. v. § 1 KostO erfasst, ist es Aufgabe des Richters, im Rahmen einer Kostengrundentscheidung darüber zu befinden, welcher der Beteiligten nach billigem - pflichtgemäßem - Ermessen in welchem Umfang diese zu tragen hat (OLG Zweibrücken FamRZ 2005, 229; OLGR Düsseldorf 2003, 347; OLG Koblenz Rpfleger 2003, 693; OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 385; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 234).

Im Anwendungsbereich des § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO greift § 2 KostO nicht ein (OLG Nürnberg FamRZ 2004, 391 und FamRZ 2005, 1000; OLG München Rpfleger 2005, 488). Der Kostenbeamte kann nicht seine Beurteilung, wer als Interesseschuldner in Anspruch genommen wird (§ 2 Nr. 2 KostO), mangels einer Kostengrundentscheidung des Richters an dessen Ermessensausübung bezüglich der Zahlungspflicht eines Beteiligten oder des Absehens von der Erhebung der Kosten stellen.

Eine Einschränkung dieser richterlichen Bestimmungskompetenz auf die Fälle einer Vornahmeentscheidung, in denen eine Gebühr entsteht (OLG Zweibrücken - Beschluss vom 3. Februar 2004 - FamRZ 2007, 847; OLG Koblenz JurBüro 2007, 599 mit ablehnender Anmerkung von Mathias), entspricht nicht dem Zweck des Gesetzes, die Ermessensausübung und Entscheidungsbefugnis dem Richter zu übertragen.

Am Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO besteht auch dann ein rechtsschutzwürdiges Interesse, wenn zwar keine Gerichtsgebühr entstanden ist - die ohnehin im Vergleich zu den Auslagen für den Sachverständigen und den Verfahrenspfleger unbeachtlich ist -, für die Verfahrensbeteiligten aber bei Anwendung von § 2 KostO mit einer Belastung mit diesen gerichtlichen Auslagen in erheblichem Umfang zu rechnen ist. Über die Tragung gerichtlicher Auslagen ist deshalb nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO selbst dann zu entscheiden, wenn nach Rücknahme gestellter Anträge oder sonstiger Erledigung des Verfahrens eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergeht. Auch in diesen Fällen ist eine an der Billigkeit und dem Verfahrensausgang orientierte richterliche Aufteilung der gerichtlichen Auslagen auf die Verfahrensbeteiligten vorzunehmen oder von der Erhebung solcher Kosten abzusehen, d. h. eine Kostengrundentscheidung zu treffen, sodass kein Raum für § 2 KostO gegeben ist (OLG Stuttgart FamRZ 2006, 139; Motzer in FamRZ 2006, 73/82).

Vorliegend ist jedoch eine solche Kostengrundentscheidung weder zusammen mit einer abschließenden Hauptsacheentscheidung noch isoliert erfolgt, da eine Verfahrensbeendigung bislang nicht vorliegt, vielmehr das Ruhen des Verfahrens angeordnet ist. Es besteht in diesem "Schwebezustand" nicht die Möglichkeit, die von der Staatskasse verauslagten Kosten für Zustellungen, den Verfahrenspfleger und den Sachverständigen nach § 2 Nr. 2 KostO von den Beteiligten, hier vom Antragsteller allein, einzufordern (Senat, Die Justiz 1997, 341). Es bedarf hierfür vielmehr einer abschließenden Hauptsache- und Kostenentscheidung oder einer sonstigen Verfahrensbeendigung, die zu einer isolierten richterlichen Kostengrundentscheidung gem. § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO berechtigt, in dessen Anwendungsbereich § 2 KostO nicht eingreift.

Damit hat die Beschwerde des Antragstellers in vollem Umfang Erfolg und unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Familienrichterin vom 14. April 2008 war der Kostenansatz der Kostenbeamtin vom 7. Januar 2008 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 9 KostO.

Ende der Entscheidung

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