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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: 9 U 127/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 145
BGB § 147
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 781
1. Stellt eine Kommune über ein von ihr bei einem Kreditinstitut aufgenommenes sogenanntes "Schuldscheindarlehen" einen "Schuldschein" aus, so handelt es sich regelmäßig weder um ein abstraktes noch um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sondern um eine Beweisurkunde.

2. Einigen sich die Parteien eines Schuldscheindarlehens telefonisch auf die Essentialien sowie auf eine bestimmte Zinsbindungsfrist und konkretisiert eine Partei anschließend den Vertragsinhalt durch ein der Gegenseite zugesandtes Schreiben unter anderem hinsichtlich der Modalitäten einer nach deren Ablauf möglichen Zinsanpassung, so kommt der Darlehensvertrag nach dem präziseren Inhalt des Schreibens zustande, wenn er danach vollzogen wird. Dass von den Modalitäten der Ziinsanpassung bei dem Telefonat noch keine Rede war, steht dem nicht entgegen.


Oberlandesgericht Stuttgart 9. Zivilsenat Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 9 U 127/04

Verkündet am 20. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2004 unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Keihl Richter am Oberlandesgericht Böhm Richter am Oberlandesgericht Dr. Brinkmann

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20. April 2004 wird

zurückgewiesen.

2. Der Beklagten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 174.350,53 €

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. April 2004 wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 27.04.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.05.2004 schriftsätzlich Berufung eingelegt. Ihre Berufungsbegründung ist am 24.06.2004 beim Berufungsgericht eingegangen.

Sie ist der Auffassung, ab 10. Januar 2003 nicht mehr zu einer über 4,09 % pro Jahr liegenden Verzinsung des Schuldscheindarlehens verpflichtet zu sein und führt zur Begründung ihrer Berufung aus:

Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, der von der Beklagten unterzeichnete Schuldschein vom 26. Januar 1993 sei ein selbständiges Schuldversprechen/-anerkenntnis im Sinne der §§ 780, 781 BGB, gegen das die Beklagte keine Einwendungen aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag erheben könne. Vielmehr handle es sich um eine reine Beweisurkunde, durch die die Beklagte keine rechtliche Bindung eingegangen sei. Die Erklärung sei jederzeit widerrufbar, ohne dass eine Anfechtung wegen Irrtums oder eine Kondiktion erforderlich wäre.

Der Schuldschein sei von D... im Januar 1993 in der irrigen Annahme unterzeichnet worden, er entspreche den vorher tatsächlich getroffenen Vereinbarungen. Zu keinem Zeitpunkt sei beabsichtigt gewesen, die getroffene Darlehensvereinbarung durch die Regelungen des Schuldscheins nachträglich abzuändern. Der Darlehensvertrag sei aber bereits am 14.12.1992 telefonisch zwischen den Zeugen B... und S... abschließend verhandelt und abgeschlossen worden. Dabei sei ausschließlich von einer zehnjährigen Zinsbindung gesprochen worden. Von einer Kündigung zum Zwecke der Zinsanpassung sei dabei keine Rede gewesen. Wie es bei derartigen Kommunalkrediten meist üblich sei, sollte nach Ablauf der Zinsbindung am 09.01.2003 ein neuer Zinssatz verhandelt werden, der sich - wie ebenfalls üblich - an den dann vorliegenden kapitalmarktspezifischen Gegebenheiten ausrichten sollte. Zu keinem Zeitpunkt sei die Rede davon gewesen, dass mangels Kündigung für die gesamte 20-jährige Laufzeit der Zinssatz von 7,5 % weitergelten würde.

Im Übrigen entspreche der Schuldschein auch hinsichtlich der darin festgehaltenen Zinsbindung nicht der telefonisch getroffenen Vereinbarung. Gem. Ziff. 1 ende die Zinsbindung mit Ablauf des der vereinbarten Fälligkeit des Kapitals vorhergehenden Tages. Dies sei nach Ziff. 2 der 09.01.2004 und nicht der 09.01.2003. Der Schuldschein halte also die eigentlich getroffenen Absprachen nicht richtig fest.

Im Übrigen bestehe für die Beklagte noch heute ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Ziff. 1 BGB.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 20.04.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart - Az. 15 O 46/04 - das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis. Bei dem Schuldschein handle es sich um ein deklaratorisches Anerkenntnis. Er sei vier Wochen nach Auszahlung des Darlehens ausgestellt worden, um die Refinanzierung und die Handelbarkeit zu erleichtern. Das könne nur erreicht werden, wenn der Beklagten jedenfalls gegenüber einem Zessionar die Einwendung abgeschnitten werde, hinsichtlich der Verzinsung sei zwischen ihr und der Streitverkündeten fernmündlich etwas anderes vereinbart worden als im Schuldschein verbrieft.

Selbst wenn man den Schuldschein jedoch als reine Beweisurkunde betrachte, sei die Klage begründet. In dem Schuldschein seien nämlich die vertraglichen Vereinbarungen, die durch das kaufmännische Bestätigungsschreiben der Streitverkündeten vom 16.12.1992 fixiert worden seien, ohne dass die Beklagte dem widersprochen hätte, zutreffend wiedergegeben.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Sie muss den Zinssatz von 7,5 % bis zum Vertragsende weiterbezahlen.

1. Zu Recht kritisiert allerdings die Berufung die rechtliche Einordnung des Schuldscheins vom 26.01.1993 als selbständiges Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen. Die wichtigsten Argumente gegen die vom Landgericht vorgenommene Würdigung sind folgende:

a) Die herangezogenen Vorschriften der §§ 7 a bis 7 d KAGG, wonach Schuldscheindarlehen als Anlagemittel für Geldmarktfonds zugelassen sind, traten erst 1994 als neue Normen des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes in Kraft und sind daher bei Abschluss des vorliegenden Darlehensgeschäftes noch nicht geltendes Recht gewesen. Zudem gehören zu den dort aufgezählten Geldmarktinstrumenten nach § 7 a Abs. 2 KAGG nur solche Schuldscheindarlehen, die eine Restlaufzeit von weniger als 12 Monaten haben.

b) Aus dem Umstand, dass bestimmte Darlehen in ein Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft aufgenommen werden können, lässt sich kein sicherer Schluss auf die Abstraktheit einer über das Darlehen ausgestellten Schuldurkunde ziehen. Auch die vom Landgericht herangezogene Handelbarkeit ist bei dem vorliegenden Schuldscheindarlehen gerade nicht unbegrenzt gegeben, sondern durch die auf nur drei Vorgänge begrenzte Abtretbarkeit (Ziff. 6 des Schuldscheins) beschränkt.

c) Die Berufung weist zu Recht darauf hin, dass nach der einschlägigen Kommentarliteratur, mit der sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt hat, Schuldscheine über Schuldscheindarlehen gerade keine Wertpapiere sind, sondern reine Beweisurkunden (Münchener Kommentar zum HGB/Hefermehl, 2001, § 363 RN 40; Staudinger/Marburger, BGB, 2002, RN 74 vor §§ 793 - 808).

d) Schließlich ist zu beachten, dass ein "Schuldschein" rechtlich verschiedene Bedeutung haben kann. Bekennt ein Aussteller in einer derartigen Urkunde, einen bestimmten Betrag als Darlehen empfangen zu haben, kann es sich zunächst um eine bloße Wissenserklärung handeln. Sie dient dann als Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst ähnlich einer schlichten Quittung lediglich als Beweismittel (BGH, Urteil vom 10.06.1985 - III ZR 178/84, NJW 1986, 2571, 2572; so für den Regelfall bei sog. Schuldscheindarlehen vgl. Hefermehl a.a.O.). Die in einem Schuldschein enthaltene Bestätigung, ein Darlehen empfangen zu haben, kann jedoch eine weitergehende rechtsgeschäftliche Bedeutung haben. Sie kann einmal ein vom Schuldgrund losgelöstes, abstraktes Schuldanerkenntnis darstellen. Das liegt nahe, wenn dem Verpflichteten in Wahrheit kein Darlehen gegeben worden ist und nicht gegeben werden sollte, er sich auf diese Weise aber so zum Schuldner machen wollte, wie es durch den Empfang eines Darlehens geschehen sein würde (BGH, Urteil vom 10.06.1985 a.a.O.). Es kann sich zum anderen aber auch auf ein bestehendes oder als bestehend vorausgesetztes Darlehensverhältnis beziehen, das mit Aufnahme in die Urkunde vertraglich fixiert und damit künftigem Streit enthoben sein soll. Das wiederum liegt dann nahe, wenn ein Streit oder eine Ungewissheit über die Rechtsbeziehungen der Parteien bestand und daher Anlass für ein derartiges schuldbestätigendes (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis bestand (BGHZ 66, 250, 253; BGH, Urteil vom 10.06.1985 a.a.O.).

Im vorliegenden Fall bestand vor dem 26.01.1993 keinerlei Streit oder Ungewissheit der W... und der Beklagten über den Inhalt des Darlehensvertrages, so dass ein Schuldbestätigungsvertrag i.S. eines deklaratorischen Anerkenntnisses nicht in Frage kommt.

Ein Anlass für die andere Möglichkeit, die das Landgericht befürwortet hat, nämlich ein abstraktes Schuldanerkenntnis, ist aber ebenfalls nicht zu sehen. Inwieweit mögliche Einwendungen gegenüber der bescheinigten Darlehensforderung abgeschnitten werden sollten, um die freie Handelbarkeit des Schuldscheins zu ermöglichen, ist nicht zu erkennen. Tatsächlich wurde das Darlehen lediglich ein einziges Mal abgetreten und hätte nach der Regelung im Schuldschein auch nicht an viele verschiedene Gläubiger abgetreten werden können.

e) Richtig ist daher der Ansatz der Berufung, dass es sich lediglich um eine Beweisurkunde handelt. Der daraus gezogene weitergehende Schluss, die Erklärung sei dann jederzeit widerrufbar, ohne dass eine Anfechtung wegen Irrtums oder eine Kondiktion erforderlich wäre, trifft allerdings nicht zu. Es kann lediglich durch Führung des Gegenbeweises die sich zunächst allein auf die Vorlage des Schuldscheins stützende Überzeugung entkräftet werden, dass das in der Urkunde Bezeugte richtig ist (BGH, Urteil vom 10.06.1985 a.a.O.).

2. Damit ist der Inhalt des zwischen der W... und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages entscheidend. Hier kann das Vorbringen der Beklagten keinen Erfolg haben.

a) Die Berufung der Beklagten stellt - wie schon in erster Instanz - den Inhalt der am 14.12.1992 getroffenen mündlichen Darlehensvereinbarung folgendermaßen dar: Von einer Kündigung zum Zwecke der Zinsanpassung sei keine Rede gewesen. Die Beklagte führt dazu näher aus, es sei ausschließlich über die Darlehenskonditionen wie nominaler Zinssatz, Disagio, Laufzeit usw. gesprochen worden und zur Zinsgeltung gesagt worden, es gebe eine zehnjährige Zinsbindung bis 09.01.2003. Eine Diskussion über Zinsanpassungskündigungen sei nicht nötig gewesen. Denn: "Wie es bei derartigen Kommunalkrediten meist üblich ist, sollte nach Ablauf der Zinsbindung (...) ein neuer Zinssatz verhandelt werden, der sich - wie ebenfalls üblich - an den kapitalmarktspezifischen Gegebenheiten zum betreffenden Zeitpunkt ausrichten sollte." Zu keinem Zeitpunkt sei die Rede davon gewesen, dass mangels Kündigung für die gesamte 20-jährige Laufzeit der Zinssatz von 7,5 % weitergelten würde.

b) Das kann man als richtig unterstellen. Die Beklagte hat durch die Vorlage von Schuldscheinen über mit anderen Banken ausgehandelte Darlehen plausibel dargetan, dass die Vereinbarungen im Allgemeinen keine Kündigung zum Zwecke der Zinsanpassung vorsehen, sondern andere, allerdings im Detail auch unterschiedliche Mechanismen. Teilweise besteht eine Verpflichtung der Bank, zu den bei Ablauf der Zinsbindungsfrist üblichen Bedingungen eine Vertragsverlängerung anzubieten. Teilweise kommt es zur automatischen Rückzahlungsfälligkeit, sofern nicht innerhalb einer bestimmten Zeit vor Ablauf der Zinsbindungsfrist eine Verlängerungsvereinbarung zu Stande gekommen ist. Teilweise besteht ein auf den Zweck der Vereinbarung neuer Zinskonditionen beschränktes Kündigungsrecht der Darlehensgeberin, kombiniert mit einer Fälligstellung des Darlehens, wenn daraufhin nicht eine Verlängerungsvereinbarung zu Stande kommt.

Das alles stützt die Position der Beklagten im Hinblick auf das streitgegenständliche Darlehen nicht. Durch das Schreiben der W... vom 16.12.1992 ist nämlich der genaue Inhalt der Vereinbarung hinsichtlich der Modalitäten einer Zinsanpassung konkretisiert worden. Im Grunde handelt es sich bei dem geschilderten Ablauf um einen ganz üblichen Vorgang: In mündlichen Vertragsverhandlungen werden die wesentlichen Bedingungen des Geschäftes festgelegt. Anschließend formuliert eine Seite absprachegemäß ein Schriftstück, in dem der Vertragsinhalt noch detaillierter und genauer bestimmt wird, teilweise auch Dinge geregelt werden, über die ausdrücklich nicht gesprochen wurde. Wenn dieser schriftlich fixierte Vertragsinhalt dem Verhandlungspartner zugesandt wird, handelt es sich um einen schriftlichen Vertragsantrag i.S. von § 145 BGB. Bringt der andere Teil daraufhin seine Zustimmung zum Ausdruck, etwa durch den Vollzug des Geschäftes, erklärt er i.S. von §§ 147 - 149 BGB die Annahme des Antrages. Die mündlich getroffenen Absprachen werden nach dem Willen der Vertragsparteien durch den präziseren Inhalt des Schriftstückes verdrängt.

Nichts spricht dafür, dass die W... und die Beklagte im Dezember 1992 von diesem üblichen Vorgehen abweichen wollten, insbesondere nicht die Formulierung des Schreibens vom 16.12.1992, wonach es sich um eine Bestätigung der zwischen den Zeugen B... und S... getroffenen Vereinbarung handelt. Vertragsschließende Parteien empfinden das detailliertere Schreiben regelmäßig durchaus als "Bestätigung" der mündlichen Absprache, weil es im Kern, insbesondere bei den Essentialien des Vertrages, damit übereinstimmt.

Es ist durchaus normal, dass auf diese Weise Erweiterungen oder Ergänzungen der mündlich getroffenen Vereinbarung zu Stande kommen. Wie § 150 Abs. 2 BGB regelt, führen in die Gestalt einer Annahme gekleidete Erklärungen, die Erweiterungen der Vereinbarungen beinhalten, dazu, dass es sich um einen neuen Antrag handelt, der wiederum angenommen werden muss. Das hat hier die Beklagte aber in jedem Fall getan. Sie hat nicht nur 12 Tage nach dem Schreiben vom 16.12.1992 den Darlehensbetrag entgegengenommen; viel klarer und deutlicher ist es, dass sie die ihr von der W... zugesandte Schuldurkunde mit entsprechenden Regelungen, übrigens im Detail noch weiteren Einzelbestimmungen, akzeptiert und unterzeichnet hat. Das ist dann der Vertragsinhalt geworden.

c) Wenn die Beklagte demgegenüber vortragen lässt, der Schuldschein sei von D... in der irrigen Annahme unterzeichnet worden, er entspreche den tatsächlich getroffenen Vereinbarungen, es sei nicht beabsichtigt gewesen, die eigentlich getroffene Darlehensvereinbarung durch die Regelung des Schuldscheins nachträglich abzuändern, vermag dies das Zustandekommen des Darlehensvertrages mit dem sich aus dem Schuldschein und dem Schreiben vom 16.12.92 ergebenden Inhalt nicht in Frage zu stellen.

Wenn sich Herr D... dies tatsächlich gedacht haben sollte, so hat es sich um einen schlichten Motivirrtum gehandelt. Natürlich hat er sich durch die Unterzeichnung des Schuldscheins auf den dort schriftlich fixierten Vertragsinhalt festgelegt und ihn akzeptiert. Etwas anderes konnte er vernünftigerweise nicht annehmen.

d) Nun muss man die Einschränkung machen, dass die schriftliche Fixierung nicht vollständig von den mündlich getroffenen Vereinbarungen abweichen darf. Das ist hier jedoch überhaupt nicht der Fall.

Eine zehnjährige Zinsbindungsfrist kann vertragstechnisch in verschiedener Weise verwirklicht werden. Eine der Möglichkeiten, wenn auch eine vielleicht nicht häufig gewählte, ist diejenige, die die W... in ihrer Bestätigung vom 16.12.1992 und in dem von ihr entworfenen Schuldschein zu Grunde gelegt hat. Sie beinhaltet keineswegs eine 20-jährige Zinsbindung, wie die Beklagte vorbringt, sondern eine 10-jährige Zinsbindung, bei der beide Seiten aufpassen müssen, zu wessen Gunsten sich das Zinsniveau weiterentwickelt. Derjenige, der zu für ihn nunmehr günstigeren Bedingungen mit einem anderen Vertragspartner das Darlehensverhältnis fortsetzen könnte, muss mit der Frist von vier Wochen zum 09.01.2003 kündigen.

Da das Zinsniveau stark gefallen war, war es die Beklagte, die nach der eingetretenen Entwicklung darauf hätte achten müssen. Sie hätte zur Überprüfung dieser Frage sich eine rechtzeitige Wiedervorlage der Vertragsunterlagen etwa zum 1. Dezember 2002 notieren müssen. Aus nicht näher bekannten Gründen hat die Beklagte die rechtzeitige Kündigung jedoch verpasst. Dabei handelt es sich allerdings um ein ganz ungewöhnliches Versäumnis. Es ist nicht anzunehmen, dass am Markt im Hinblick auf das minimale Risiko, die rechtzeitige Zinsänderungskündigung könnte versäumt werden, Vereinbarungen mit einer Kündigungsobliegenheit vier Wochen vor Ablauf der Zinsbindung anders bewertet werden als eine der alternativen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für eine zehnjährige Zinsbindungsfrist. Deswegen entspricht sowohl das Bestätigungsschreiben vom 16.12.1992 als auch der Schuldschein sehr wohl den mündlich getroffenen Vereinbarungen im hier streitigen Punkt, nämlich einer zehnjährigen Zinsbindungsfrist.

3. Das Argument der Berufungsbegründung die Zinsbindung sei im Schuldschein vom 26.01.1993 in sich widersprüchlich in Ziff. 1 angegeben, verfängt nicht. In Ziff. 1 ist der Zinssatz als gültig bis zum Tag vor der Fälligkeit geregelt. Die Frage der Zinsbindung und deren zehnjährige Dauer ergibt sich allein aus der Kündigungsregelung zum Zwecke der Zinsanpassung unter Ziff. 4.

4. Nicht zutreffend ist auch der weitere Einwand der Berufung, es bestehe noch heute ein Kündigungsrecht der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Ziff. 1 BGB. Nach § 489 Abs. 4 BGB und der insoweit übereinstimmenden Vorgängernorm in § 609 a Abs. 4 BGB a.F. kann nämlich bei Darlehen an eine Gemeinde durch Vertrag das sich aus Abs. 1 der Vorschriften ergebende Kündigungsrecht des Darlehensnehmers ausgeschlossen oder erschwert werden. Genau das ist durch die in Ziff. 4 letzter Absatz des Schuldscheins vom 26.01.1993 getroffene Vereinbarung geschehen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern würde (§ 543 Abs. 2 ZPO).

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach § 4 ZPO i.V.m. §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 Ziff. 1 GKG n.F. festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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