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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 09.02.2005
Aktenzeichen: 3 W 5/05
Rechtsgebiete: WEG, FGG, GerOrgG Rheinland-Pfalz


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 1 Satz 1
FGG § 22 Abs. 2
FGG § 199 Abs. 1
GerOrgG Rheinland-Pfalz § 4 Abs. 3 Nr. 2 a
Die Versäumung der Notfrist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht unverschuldet, wenn ein außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz ansässiger Rechtsanwalt die landesrechtliche Bestimmung, nach der für die weitere Beschwerde in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken zuständig ist, wegen Gesetzesunkenntnis nicht beachtet. Das gilt auch bei Fehlen der in Wohnungseigentumssachen an sich erforderlichen Rechtsmittelbelehrung in der Entscheidung des Landgerichts über die Erstbeschwerde.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

3 W 5/05

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

wegen Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am Oberlandesgericht Petry und Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 31. Dezember 2004/10. Januar 2005 gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 17. Dezember 2004 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2004 ohne mündliche Verhandlung am 9. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

III. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige weitere Beschwerde nach §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG an sich statthaft. Es ist jedoch als unzulässig, da verfristet, zu verwerfen, weil die weitere Beschwerde innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG) nicht bei dem für die Entscheidung zuständigen Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken angebracht worden ist.

Die Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 1 FGG wurde mit der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 17. Dezember 2004 in Gang gesetzt und endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (§ 17 Abs.1 FGG, § 188 Abs. 2 BGB). Das Fehlen der in Wohnungseigentumssachen an sich erforderlichen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Landgerichts steht weder der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung noch dem Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist entgegen (BGHZ 150, 390 = FG Prax 2002, 166).

Durch die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde bei dem Oberlandesgericht Koblenz ist die Frist nicht gewahrt worden. Zunächst ist die am letzten Tag der Frist per Telefaxschreiben erhobene Rechtsbeschwerde auch beim Oberlandesgericht Koblenz nicht fristgerecht eingegangen, sondern erst am 5. Januar 2005, nachdem die Rechtsmittelschrift - offenbar versehentlich - zunächst an die Justizbehörden in Coburg übermittelt worden war. Unabhängig davon war das von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angegangene Oberlandesgericht Koblenz ohnehin nicht das zuständige Rechtsmittelgericht. In Rheinland-Pfalz ist die Zuständigkeit für Entscheidungen über das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde in WEG-Sachen aufgrund der Ermächtigung des § 199 Abs. 1 FGG beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken konzentriert, § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz ( Sammlung des bereinigten Landesrechts Rheinland-Pfalz -BS - 300-1).

Bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ist die weitere Beschwerde aber erst am 10. Januar 2005 - und damit verfristet - eingegangen.

Gegen die Fristversäumnis kann der Antragstellerin die mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005 nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt werden.

Gemäß §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 4 FGG setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass die Antragstellerin ohne eigenes Verschulden oder Verschulden ihres anwaltlichen Vertreters an der Einhaltung der Rechtsmittelfrist gehindert war. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt.

Dabei kann zunächst zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass die Versendung der Rechtsmittelschrift nach Coburg anstatt nach Koblenz auf einem Büroversehen in der Kanzlei ihres Verfahrensbevollmächtigten beruht und nicht (auch) auf einem ihr zuzurechnenden anwaltlichen Organisationsverschulden. Darauf kommt es aber nicht an. Denn auch bei weisungsgemäßer Übermittlung wäre dem Oberlandesgericht Koblenz eine fristwahrende Weiterleitung einer -unterstellt - dort per Telekopie am letzten Tag der Frist (31. Dezember 2004) um 15.52 Uhr eingegangenen Beschwerdeschrift (vgl. insoweit die Fax- Übermittlungsanzeige Bl. 256 d.A.) im ordentlichen Geschäftsgang nicht möglich gewesen.

Auch das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung bei der Entscheidung des Landgerichts rechtfertigt hier keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung besteht. Ein solcher Zusammenhang ist bei einem - wie hier - anwaltlich vertretenen Beteiligten zu verneinen (vgl. BGH FG Prax 2002, 166, 168; BayObLG NJW-RR 2003, 301, 302; Demharter, NZM 2002, 673, 675).

Im Übrigen beruht die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde infolge deren Einlegung beim "falschen Gericht" hier auf dem Verschulden des sachbearbeitenden Verfahrensbevollmächtigten und Vertreters der Antragstellerin, das sich diese gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG zurechnen lassen muss.

Die Unkenntnis des Verfahrensbevollmächtigten von der Zuständigkeitsregelung des § 4 GerOrgG Rheinland-Pfalz ist entgegen den Ausführungen zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs nicht unverschuldet. Ein auf Gesetzesunkenntnis beruhender Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist nur in ganz engen Grenzen als unverschuldet anzusehen. Zwar kann auch von einem Rechtsanwalt nicht die Kenntnis aller landesrechtlichen Besonderheiten anderer Bundesländer erwartet werden. In Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die echten Streitverfahren nach dem WEG zählen, muss ein Rechtsanwalt aber in Erwägung ziehen und infolgedessen sorgfältig prüfen, ob das Bundesland, in dem er ein Verfahren der weiteren Beschwerde durchzuführen beabsichtigt, von der Konzentrationsermächtigung des § 199 Abs. 1 FGG Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 1987 - 3 W 106/87 -, abgedruckt in MDR 1988, 418 f). Das gilt in besonderem Maße für den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, der u. a. beim Bayerischen Obersten Landesgericht als Rechtsanwalt zugelassen ist, weil auch in Bayern die Zuständigkeit für die FGG - Rechtsbeschwerden durch Landesrecht konzentriert ist. Hätte der Verfahrensbevollmächtigte diese Frage mit der gebotenen Sorgfalt geprüft, so hätte ihm die Zuständigkeitsregelung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG Rheinland-Pfalz nicht verborgen bleiben können. Auf sie ist z. B. hingewiesen in der gängigen Textsammlung "Schönfelder, Deutsche Gesetze" in Fußnoten zu § 28 FGG und zu § 199 FGG, ferner in den gängigen Kommentaren zum FGG (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 28 Rdnr. 1 und § 199 Rdnr. 2) und zum WEG (Bärmann/Pick/Merle, 9. Aufl., § 45 Rdnr. 84).

Die einschlägige landesrechtliche Vorschrift des § 4 GerOrgG findet sich - entgegen der Behauptung im Wiedereinsetzungsgesuch - darüber hinaus auch in der Juris-Datenbank ( bei Recherche unter "Gesetze und Vorschriften" -" Landesrecht Rheinland-Pfalz" -"Text"- Suchbegriffe "weitere Beschwerde" bzw. "freiwillige Gerichtsbarkeit").

Schließlich ist ein Anwaltsverschulden auch darin zu sehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht den "sicheren Weg" gewählt und von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die weitere Beschwerde gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 FGG fristwahrend bei dem Gericht erster Instanz oder bei dem Landgericht einzulegen.

Die nicht rechtzeitige Anbringung der sofortigen weiteren Beschwerde bei einem zuständigen Gericht beruht somit auf einem Verschulden des sachbearbeitenden Rechtsanwalts, das der Antragstellerin zuzurechnen ist und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.

Die Entscheidung über die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Anordnung betreffend die Erstattung außergerichtlicher Kosten anderer Verfahrensbeteiligter nach § 47 Satz 2 WEG ist schon deshalb nicht veranlasst, weil niemand außer der Antragstellerin am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt worden ist. Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG entsprechend der Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen bestimmt.



Ende der Entscheidung

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