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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 17.02.2005
Aktenzeichen: 4 U 115/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 709 Abs. 1
BGB § 712 Abs. 1
BGB § 716 Abs. 1
1. Verfügt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts über kein Geschäftslokal und sind die Gesellschafter in einem solchen Maß miteinander zerstritten, dass ihnen ein persönlicher Kontakt unzumutbar ist, so kann nicht ein Gesellschafter darauf verwiesen werden, die Kontrolle von Geschäftsunterlagen in der Wohnung des anderen auszuüben.

2. In einer Zwei-Mann-Gesellschaft mit kraft Gesetzes bestehender gemeinschaftlicher Vertretung kommt ein Entzug der Geschäftsführungsbefugnis des einen Gesellschafters durch den anderen jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn beide gegeneinander wechselseitige Vorwürfe erheben, die letztlich nur verdeutlichen, dass beiderseits veranlasste Unverträglichkeiten in der Geschäftsführung vorliegen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 115/04

Verkündet am: 17. Februar 2005

In dem Rechtsstreit

wegen Herausgabe von Geschäftsbüchern u.a.

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. April 2004 zu Ziffer 1) seines Tenors geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zur Prüfung sämtliche Bücher mit Originalbelegen nebst allen vorhandenen Unterlagen, Mietverträge, Versicherungsverträge, Schriftverkehr mit den Mietern, Korrespondenz mit vom Beklagten beauftragten Rechtsanwälten, die Titel und weitere Vollstreckungsunterlagen, Schriftwechsel mit beauftragten Handwerkern und die steuerlichen Unterlagen betreffend das im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehende Anwesen R... Straße ... in ... M... seit dem Kauf des Objekts am 20. Dezember 1997 bis einschließlich 31. Dezember 2002 herauszugeben und für die Dauer von zwei Monaten zur Prüfung zu überlassen.

II. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um gesellschaftsrechtliche Kontrollrechte des Klägers und um einen Unterlassungsanspruch des Beklagten.

Die Parteien sind Brüder. Sie stehen miteinander in Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag existiert nicht. Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung eines Mietgrundstücks in M... mit vier Wohnungen und einer Gewerbeeinheit, das die Parteien im Jahre 1997 gemeinsam erworben haben. Hinsichtlich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens bestehen zwischen den Parteien Streitigkeiten. Sie haben zu der vorliegenden Klage geführt. Mit ihr verlangt der Kläger vom Beklagten, ihm die Geschäftsbücher und Belege der Gesellschaft, die der Beklagte in seiner Privatwohnung verwahrt, für die Dauer von mindestens zwei Monaten zum Zwecke der Prüfung herauszugeben. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat seinerseits Widerklage erhoben. Damit begehrt er, dem Kläger zu untersagen, als Geschäftsführer der Gesellschaft aufzutreten. Der Kläger ist der Widerklage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 14. April 2004, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) Klage und Widerklage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils innerhalb gesetzlicher Frist eingelegten Berufungen. Der Kläger hat sein Rechtsmittel innerhalb gesetzlicher Frist begründet. Der Beklagte hat seine Berufungsbegründung innerhalb bewilligter Fristverlängerung eingereicht, die ihm auf rechtzeitigen Antrag hin gewährt worden ist.

Der Kläger ist der Meinung, entgegen der Ansicht der Erstrichterin sei das Klagebegehren nicht an § 716 BGB zu messen. Vielmehr stehe ihm das Recht auf Einsicht im geltend gemachten Umfang aus seiner Stellung als gleichberechtigter Mitgeschäftsführer zu. Im Übrigen verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil gegen die Berufung des Beklagten.

Der Kläger beantragt,

1. das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm zur Prüfung sämtliche Bücher mit Originalbelegen nebst allen vorhandenen Unterlagen, Mietverträge, Versicherungsverträge, Schriftverkehr mit den Mietern, Korrespondenz mit vom Beklagten beauftragten Rechtsanwälten, die Titel und weitere Vollstreckungsunterlagen, Schriftwechsel mit beauftragten Handwerkern, die steuerlichen Unterlagen betreffend das im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehende Anwesen R... in ... M... seit dem Kauf dieses Objekts am 20. Dezember 1997 bis einschließlich 31. Dezember 2002 herauszugeben und zur Prüfung für einen angemessenen Zeitraum von mindestens zwei Monaten zu überlassen.

hilfsweise:

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Einsicht in die Belege in dem erworbenen Anwesen in M..., hilfsweise an einem vom Gericht bestimmten neutralen Ort zu gewähren,

2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

2. das angefochtene Urteil wie folgt zu ändern:

a. dem Widerbeklagten wird untersagt, als ein oder wie ein Geschäftsführer der GdbR R... und Dr. W... H... aufzutreten, namentlich Dritten gegenüber für die GdbR Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, Verträge zu schließen, abzuändern oder zu beendigen und Gegenstände, Urkunden oder Gelder für die GdbR entgegenzunehmen sowie über das Konto der GdbR Nr. ... bei der H...-bank AG (Filiale L...) zu verfügen;

b. dem Widerbeklagten wird für jeden Fall des Verstoßes gegen das Verbot unter lit.a ein Ordnungsgeld in gesetzlich zulässiger Höhe, im Uneinbringlichkeitsfalle Ordnungshaft oder Ordnungshaft angedroht.

Der Beklagte ist der Auffassung, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis auch im hier vorliegenden Fall der Gesamtgeschäftsführung zulässig. Sie sei auch sachlich geboten, weil ein wichtiger Grund für die Entziehung vorliege. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil gegen die Berufung des Klägers.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 27. Januar 2005 verwiesen.

II.

Die Berufungen sind jeweils als selbständige Rechtsmittel zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die für die Berufung des Klägers erforderliche Beschwer erreicht. Die von ihm herangezogene Rechtsprechung (BGHZ 128, 85; BGH Beschluss vom 5. März 2001 - II ZB 11/00, Blatt 551 der Akten) rechtfertigt seinen gegenteiligen Standpunkt nicht. Sie betrifft das Abwehrinteresse des zur Auskunft verurteilten Beklagten. Im hier vorliegenden Fall geht es aber um das Angriffsinteresse des mit seiner Klage abgewiesenen Klägers. Es bestimmt sich nach einem Teil des Hauptsachestreitwerts (vgl. für alle etwa Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. § 3 Rdn. 16 "Auskunft" m.w.N.). Dieses Interesse ist mit den vom Landgerichts für die Klage in Ansatz gebrachten 4.000 € zu veranschlagen. Die erforderliche Beschwer ist somit erreicht.

In der Sache führt die Berufung des Klägers zum Erfolg. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

1. Berufung des Klägers:

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Überlassung der im Urteilstenor bezeichneten Geschäftsunterlagen.

Gemäß § 716 Abs. 1 BGB steht dem Kläger das Recht zu, sich über die Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich zu unterrichten. Zwar ist - wovon die Erstrichterin im Ansatzpunkt zutreffend ausgeht - das Kontrollrecht regelmäßig im Geschäftslokal der Gesellschaft auszuüben (vgl. dazu etwa Staudinger/Habermeier, BGB 13. Aufl. § 716 Rdn. 5; Ulmer in MünchKomm, 4. Aufl. § 716 Rdn. 10, jeweils m.w.N.). Im hier vorliegenden Fall hat die Gesellschaft aber keinen bestimmten Sitz. Ein Geschäftslokal gibt es nicht. Es besteht lediglich eine faktische Übung zwischen den Parteien, nach welcher der Beklagte die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft bisher bei sich aufbewahrt hat. Damit war der Kläger aus Praktikabilitätsgründen einverstanden, weil er selbst häufiger ortsabwesend war. Allein daraus kann aber ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht auf seinen Willen geschlossen werden, Unterlagen immer nur am Verwahrungsort einzusehen. Auch das Erfordernis einer Aufrechterhaltung der laufenden Geschäftsführung nötigt jedenfalls so lange nicht zu einer entsprechenden Beschränkung des Einsichtsrechts, als es wie im vorliegenden Falle lediglich um die Kontrolle bereits abgeschlossener Zeiträume geht.

Im Übrigen kann eine vorübergehende Überlassung von Unterlagen jedenfalls dann verlangt werden, wenn dem Gesellschafter die Ausübung seines Einsichtsrechts unzumutbar erschwert wird (Staudinger/Habermeier, Ulmer jeweils aaO m.w.N.). Auch unter diesem Gesichtspunkt ist das zeitweise Herausgabeverlangen begründet. Die Parteien sind miteinander zerstritten. Dies zeigt der von ihnen vorgelegte E-Mail-Wechsel. Aus ihm wird zwar auch deutlich, dass sie zuweilen versuchen, miteinander Terminsabsprachen für die Wohnung des Beklagten zu treffen. Sie sind aber nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten in der Lage, diese Absprachen, für die der Beklagte Zeitvorgaben setzt, einzuhalten. Hinzu tritt der rüde, im scharfen Kommandostil gehaltene Umgangston, den die Parteien miteinander pflegen. Er macht es für jeden von ihnen zumindest schwierig, mit dem andern überhaupt in persönlichen Kontakt zu treten. Unter all diesen Umständen und unter Einschluss des persönlichen Eindrucks, den die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vermittelt haben, hält der Senat es für unzumutbar, einen der Gesellschafter darauf zu verweisen, sein Kontrollrecht in der Wohnung des anderen auszuüben. Deshalb muss der Beklagte es hinnehmen, dass der Kläger die Geschäftsunterlagen zur Ausübung seines Kontrollrechts an sich nimmt. Der für diese Kontrolle zuerkannte Zeitraum erscheint unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände angemessen.

2. Berufung des Beklagten

Die Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Dem Beklagten steht der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Voraussetzungen einer Entziehung der Geschäftsführung i. S. v. § 712 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.

Die Frage, ob die Vorschrift des § 712 Abs. 1 BGB überhaupt auf Zwei-Mann-Gesellschaften mit kraft Gesetzes bestehender (§ 709 Abs. 1 BGB) gemeinschaftlicher Vertretung angewandt werden kann, bedarf keiner Entscheidung (verneinend etwa Palandt/Sprau, BGB 64. Aufl. § 712 Rdn. 1 m.w.N.; RGRK/v. Gamm, BGB 12. Aufl. § 712 Rdn. 1; a.A. etwa Ulmer aaO § 712 Rdn. 4 ff.; Staudinger/Habermeier aaO § 712 Rdn. 5; Bamberger/Roth/Timm/Schöne, § 712 BGB Rdn. 7, jeweils m.w.N. zum Meinungsstand). Selbst wenn man dies entgegen dem Wortlaut für zulässig hält, kommt ein Entzug der Geschäftsführungsbefugnis nur in Betracht, wenn dafür ein wichtiger Grund besteht. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Soweit der Beklagte dem Kläger zum Vorwurf macht, dieser habe in unberechtigter Weise 12.000 € aus dem Gesellschaftsvermögen entnommen, handelt es sich um einen Punkt, hinter dem - wie auch im Übrigen - die Zerwürfnisse der Parteien stehen. Der Kläger hat sich zur Entnahme des Betrages für berechtigt gehalten, weil der Beklagte ihn um Steuervorteile für das Jahr 2000 gebracht haben soll. Darüber ist zwischen den Parteien ein Rechtsstreit geführt worden, der zum Nachteil des Klägers entschieden wurde. Er hat daraufhin den entnommenen Betrag wieder zurückgezahlt. Der Beklagte hat sich zwischen der Entnahme am 8. Januar 2002 und dem Entzug der Geschäftsführung am 24. Januar 2003 mehr als ein Jahr Zeit gelassen. Unter Würdigung all dieser Umstände hält der Senat den Vorgang nicht für so gewichtig, dass er einen Entzug der Geschäftsführungsbefugnis rechtfertigt. Auch alle sonstigen Gesichtspunkte rechtfertigen dies weder für sich allein noch in der Gesamtschau. Soweit der Beklagte darauf abstellt, der Kläger habe unberechtigter Weise 4,80 € für beschaffte Materialien und 50 € für die Überlassung von Badezimmerarmaturen u.ä. verlangt, muss er sich entgegenhalten lassen, dass er selbst ähnliche Aufwendungen geltend macht. Sein Vorwurf, der Kläger verweigere die Mitwirkung beim Erhalt des Gesellschaftsvermögens ist unberechtigt. Der vorgelegte Schriftwechsel zeigt, dass der Kläger und auch seine Ehefrau sich darum bemüht haben, Mieter zu finden oder ausstehende Forderungen einzuziehen. Damit haben sie im gleichen Maße zum Erhalt des Gesellschaftsvermögens beigetragen wie der Beklagte mit seinen Leistungen. Wenn es dabei zu Unstimmigkeiten gekommen ist, so lag dies nicht allein am Kläger, sondern an dem zerstrittenen Verhältnis der Parteien. Hinzu kommt, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten im Grunde gleich lautende Vorwürfe erhebt, indem er zum Beispiel behauptet, der Beklagte habe versucht, ihn durch Auswechseln von Schlüsseln am Zugang zu Wohnungen zu hindern oder der Beklagte habe den bisher tätigen Hausmeister vergrault, um die Hausverwaltung unter der Bezeichnung "Firma H..." seiner Ehefrau zukommen zu lassen. All diese wechselseitigen Vorwürfe verdeutlichen letztlich nur, dass beiderseits veranlasste Unverträglichkeiten in der Geschäftsführung vorliegen. Dann kann es aber nicht darauf ankommen, welcher der beiden Gesellschafter sich gegenüber dem anderen Teil als Erster auf § 712 Abs. 1 BGB beruft. Ein wichtiger Grund für die Entziehung der Geschäftsführung ist vielmehr zu verneinen. Die Gesellschafter sind darauf zu verweisen, die Gesellschaft gegebenenfalls zu kündigen (vgl. dazu auch Ulmer aaO Rdn. 11; Ermann/Westermann, BGB 11. Aufl. § 712 Rdn. 3).

3. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 7. Februar 2005 und des Klägers vom 14. Februar 2005 geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Ende der Entscheidung

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