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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: 4 W 30/06
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV, BRAGO


Vorschriften:

RVG § 60
RVG § 61
RVG VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 5
BRAGO 37 Nr. 3, 13 Abs. 2
Hat ein Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag zur Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor dem Inkrafttreten des RVG erhalten, gilt der anschließende Hauptsacheprozess auch dann als dieselbe Angelegenheit i.S.v. §§ 13 Abs. 2, 37 Nr. 3 BRAGO, wenn er den Auftrag zur Klageerhebung erst nach Inkrafttreten des RVG erhalten hat. Das Inkrafttreten des RVG führt in solchen Fällen nicht zu einem "gespaltenen Kostenrecht".
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 4 W 30/06

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Friemel als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 25. Januar 2006 gegen den ihr am 16. Januar 2006 zugestellten Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 27. Dezember 2005 ohne mündliche Verhandlung am 21. März 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf bis zu 400,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 S. 1, 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Zutreffend hat die Rechtspflegerin die in dem im Jahre 2003 durchgeführten selbständigen Beweisverfahren 1 H 10/03 (Amtsgericht Neustadt/Weinstraße) entstandene Prozessgebühr nur einmal berücksichtigt, weil nach der Vorschrift des bei der Mandatserteilung geltenden § 37 Nr. 3 BRAGO das selbständige Beweisverfahren mit dem anschließenden Hauptsacheprozess eine Einheit bildete. Diese Einheit wurde durch das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, 718, 788, 847) nicht aufgehoben.

Nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 Satz 1 RVG gelten die Vorschriften der BRAGO fort, wenn dem Prozessbevollmächtigten des Klägers der unbedingte Auftrag für die Erledigung der Angelegenheit vor dem Inkrafttreten des RVG erteilt worden ist. Der Gesetzgeber hat in den §§ 60, 61 RVG für die Übergangszeit die Regelung entwickelt, dass für Aufträge, die vor dem Stichtag erteilt worden sind, das alte Recht gilt; das neue Recht ist nur auf nach dem Stichtag erteilte Aufträge anzuwenden. Niemand soll befürchten müssen, dass für seinen Anwaltsvertrag andere Regeln und andere Kosten eingeführt werden, als bei Vertragsschluss gegolten haben (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG 9. Aufl., §§ 60, 61 Rdnr. 2).

Der Begriff der "Angelegenheit" im Sinne von §§ 60, 61 RVG entspricht der gleich lautenden Formulierung der §§ 134 Abs. 1, 13 Abs. 2 BRAGO. Das selbständige Beweisverfahren und der Hauptsachestreit betrafen nach den Reglungen der BRAGO "dieselbe Angelegenheit" und entstanden deshalb insgesamt nur einmal, § 13 Abs. 2 BRAGO (Pfälz. OLG Zweibrücken, JurBüro 1999, 414; OLG Hamburg, MDR 1996, 367; OLG Koblenz, MDR 1994, 522). Etwas anderes galt nur, wenn das Beweisverfahren mehr als zwei Jahre vor der Klageerhebung erledigt war, weil die Hauptsacheklage dann als neue Angelegenheit anzusehen war, § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO (vgl. auch OLG Zweibrücken, JurBüro 1999, aaO).

Vorliegend waren die Voraussetzungen des § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO zwischen der Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens im Jahre 2004 und der Klageeinreichung im Februar 2005 nicht erfüllt. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bei der Beauftragung der klägerischen Prozessbevollmächtigten für das selbständige Beweisverfahren das anschließende Hauptsacheverfahren noch nicht absehbar gewesen wäre und deshalb ein neuer Auftrag erwogen werden müsste. Das Klageverfahren war im Gegenteil eher nahe liegend, da der Kläger, der weitere Nachbesserungsversuche des Beklagten für unzumutbar hielt, in dem selbständigen Beweisverfahren (zur Vorbereitung seiner späteren Schadensersatzklage) u. a. eine gutachterliche Ermittlung der erforderlichen Reparaturkosten begehrte.

Da sich durch §§ 60, 61 RVG an der Grundregel, dass es immer auf die unbedingte Auftragserteilung ankommt (vgl. Pfälz. OLG Zweibrücken, JurBüro 2000, 21; Otto, JurBüro 1994, 397) nichts geändert hat, handelt es sich, wenn ein Anwalt nach Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens erst nach Inkrafttreten des RVG auch den Auftrag zum Hauptsacheverfahren enthielt, nicht um einen Auftrag in einer neuen Angelegenheit. Die im Hauptsacheverfahren entstehenden Gebühren beurteilen sich deshalb nicht im Sinne eines "gespalteten Kostenrechts" nach neuem Recht; vielmehr gilt das für den ursprünglichen Auftrag anzuwendende Gebührenrecht fort (vgl. Schneider, MDR 2000, 605; a. M. OLG Koblenz, MDR 2000, 605; Gerold/Schmidt/van Eicken/Madert, RVG 16. Aufl., § 60 Rdnr. 21).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beruht auf §§ 63 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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