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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: 1 Ss 117/01
Rechtsgebiete: BaustVo


Vorschriften:

BaustVo § 2 Abs. 2 Nr. 3
Für das Erfordernis, der zuständigen Behörde gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 BaustVo eine Vorankündigung zu übermitteln, kommt es ausschließlich auf die voraussichtliche Größenordnung der Baustelle an
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ss 117/01

In dem Bußgeldverfahren

gegen

wegen Verstoßes gegen die Baustellenverordnung,

hier: Rechtsbeschwerde

Besetzung

hat der Senat für Bußgeldsachen des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel

am 12. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 19. April 2001 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen zweier tateinheitlich begangener fahrlässiger Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 2 Abs. 2, 2 Abs. 3, 7 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BaustVO, 25 Arbeitsschutzgesetz zu einer Geldbuße von 1 500,-- DM verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er hält insbesondere die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BaustVO nicht für gegeben.

Der Senat entscheidet im Hinblick darauf, dass zu den genannten Normen - soweit erkennbar - offenbar noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen vorliegen, zur Fortbildung des Rechts in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 a Abs. 3 OWiG).

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil hält sowohl im Schuldspruch als auch in der Rechtsfolgenbestimmung rechtlicher Nachprüfung stand.

I.

Die erhobene Formalrüge ist unzulässig, weil sie nicht ausgeführt ist (§§ 79 Abs. 3, 344 Abs. 2 StPO).

II.

Die Sachrüge ist unbegründet.

1. Im Ergebnis zutreffend ist der Bußgeldrichter davon ausgegangen, dass der Betroffene es in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Fa. Römer-hausBauträger GmbH, die verantwortlicher Bauherr für ein Bauvorhaben in der Landauer Straße in Speyer war, entgegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 BaustVO unterlassen hat, der zuständigen Behörde spätestens zwei Wochen vor Einrichtung der Baustelle eine Vorankündigung zu übermitteln, die mindestens die Angaben nach Anhang I zur BaustVO enthält.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BaustVO ist die Vorankündigung für jede Baustelle zu machen, bei der der Umfang der Arbeiten voraussichtlich 500 Personentage überschreitet. Das Amtsgericht hat diese Voraussetzungen nach Beweisaufnahme als erfüllt angesehen, weil (nach den Feststellungen des zuständigen Kontrolleurs der Gewerbeaufsicht) die Firma des Betroffenen bei dem Bauvorhaben drei Reihenhäuser errichtet habe, für die gleichzeitig drei Baugruben ausgehoben, ein gemeinsamer Kran und gemeinsame Bauwagen eingerichtet worden seien.

Die Annahme des Bußgeldrichters, dass es sich deshalb um eine einheitliche Baustelle im Sinne von § 2 Abs. 2 BaustVO gehandelt habe, ist nicht zu beanstanden. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 3 BaustVO ist Baustelle im Sinne der Verordnung der Ort, an dem ein Bauvorhaben ausgeführt wird. Ein Bauvorhaben ist das Vorhaben, eine oder mehrere bauliche Anlagen zu errichten, zu ändern oder abzubrechen. Der Annahme einer Baustelle im Sinne von § 2 Abs. 2 BaustVO steht daher hier nicht entgegen, dass es sich bei den drei Reihenhäusern um mehrere bauliche Anlagen gehandelt hat. Dass es ein einheitliches Bauvorhaben und damit eine Baustelle im Sinne der BaustVO vorlag, hat das Amtsgericht zu Recht daraus hergeleitet, dass für die drei Baugruben gemeinsame Anlagen wie ein Kran und Bauwagen installiert wurden. Die Rechtsbeschwerde geht fehl, wenn sie annimmt, es habe sich um drei verschiedene Baustellen gehandelt, weil mit den jeweiligen Erwerbern der Häuser "gesonderte" Verträge geschlossen worden seien und die Häuser einen völlig unterschiedlichen Bautenstand hätten. Auf diese Umstände kommt es nicht an.

Die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 19 Arbeitsschutzgesetz erlassene Baustellenverordnung stellt einen besonderen Teil des Arbeitsschutzrechts dar. Sie beruht auf den von der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 118 a EWG-Vertrag erlassenen speziellen Richtlinien zum betrieblichen Arbeitsschutz auf Baustellen (ABl EG Nr. C 28 vom 3. Februar 1988, S. 6). Damit sollte den besonderen Gefahrensituationen auf größeren Baustellen begegnet werden, die einem besonders hohen Unfall- und Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind. Die besondere Gefahrensituation resultiert aus der sich ständig durch den Baufortschritt ändernden Arbeitsplatzsituation: Jedes Bauwerk ist nach Örtlichkeit, Form und Bauweise anders geartet; die Arbeitsabläufe müssen täglich neu organisiert werden. Häufiger Wechsel des beteiligten Personals, ein hoher Anteil ausländischer Beschäftigter, Witterungseinflüsse, Kosten- und Termindruck tragen daneben wesentlich zur hohen Unfallrate bei. Diese ungünstigen Bedingungen werden schließlich oft noch durch sogenanntes Outsourcing (Vergabe der Bauleitung durch Baufirmen an Subunternehmer, Nachunternehmer oder (Schein-)Selbständige) weiter verschlechtert (vgl. zu allem: Kollmer/Blachnitzky/Kossens, Die neuen Arbeitsschutzverordnungen, Rdnr. 278 ff). Nach § 2 BaustVO kommt es daher ausschließlich auf die voraussichtliche Größenordnung einer Baustelle an, ob den Bauherrn die in der Vorschrift genannten Pflichten treffen (Kollmer/Blachnitzky/Kossens, aaO, Rdnr. 306), nicht jedoch auf die von der Rechtsbeschwerde erwogenen Umstände, die entweder mit der Baustelle selbst nichts zu tun haben (Verträge mit den jeweiligen Erwerbern) oder sich auf nachträgliche Entwicklungen (unterschiedlicher Baufortschritt) beziehen.

Im Ergebnis zu Recht ist das Amtsgericht auch davon ausgegangen, dass die von der Firma des Betroffenen unterhaltene Baustelle die Gefährlichkeits-Größenordnung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 BaustVO überschritt, weil der Umfang der Arbeiten voraussichtlich mehr als 500 Personentage betrug. Ein Personentag umfasst die Arbeitsleistung einer Person über eine Arbeitsschicht. In der Regel ist davon auszugehen, dass lediglich ein Bauvorhaben bis zur Größe eines (normalen) Einfamilienhauses einen Aufwand von 500 Personentagen nicht überschreitet (Kollmer/Blachnitzky/Kossens, aaO, Anhang IV, S. 237). Es versteht sich daher von selbst, dass der Aufwand für die hier interessierenden drei Reihenhäuser deutlich über diese Grenze hinausgeht. Auch kann deshalb dahinstehen, ob und inwieweit auch den vom Amtsgericht erwogenen Baukosten eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (wofür allerdings Manches spricht). Auf die von der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Beanstandungen der Berechnung der Baukosten kommt es daher - abgesehen davon, dass sich das Rechtsmittel dabei auch in unzulässiger Weise von den Feststellungen des Urteils entfernt - nicht an.

2. Nicht zu beanstanden ist auch die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 BaustVO.

Nach dieser Vorschrift ist für eine Baustelle, auf der - wie das Amtsgericht von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet festgestellt hat - Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden und auf der besonders gefährliche Arbeiten nach Anhang II der Verordnung ausgeführt werden, dafür zu sorgen, dass vor Einrichtung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird. Nach Anhang II der Verordnung liegen besonders gefährliche Arbeiten vor, wenn die Beschäftigten der Gefahr des Absturzes aus einer Höhe von mehr als 7 Metern ausgesetzt sind. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass bei der vorgesehenen zweigeschossigen Bauweise der Reihenhäuser mit Giebeldächern jedenfalls für den Bereich der Dach- und Giebelarbeiten eine Absturzgefahr aus einer Höhe von mehr als 7 Metern bestand, weil es insoweit auf die (mögliche) tatsächliche Absturzhöhe und nicht auf die Höhe etwa zu errichtender Gerüste ankommt, da gerade die Dachdecker und Giebelarbeiter erfahrungsgemäß auch außerhalb der Gerüste arbeiten. Dagegen ist nichts einzuwenden.

3. Die Rechtsbeschwerde kann nicht damit gehört werden, dass das Urteil nicht erkennen lasse, weshalb das Amtsgericht eine tateinheitliche Begehungsweise angenommen habe, und deshalb nicht zu erkennen sei, welche Buße für die jeweilige Überschreitung als angemessen angesehen worden sei.

Zwar trifft zu, dass die Ausführungen des Amtsgerichts zur Frage, ob der Betroffene die Verstöße tateinheitlich (§ 19 Abs. 1 OWiG) oder tatmehrheitlich begangen hat (§ 20 OWiG), dürftig sind. Unter Beachtung der im Bußgeldverfahren geltenden eingeschränkten Begründungserfordernisse (vgl. hierzu KK-Senge, OWiG, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 106 m.w.N.; Göhler, OWiG, 12. Aufl., aaO, Rdnr. 42 m.w.N.) sind die Ausführungen hier aber ausreichend. Der Bußgeldrichter hat offenbar unter Anwendung des Zweifelsatzes tateinheitliches Handeln angenommen. Das ist möglich. Der Betroffen wird dadurch auch nicht beschwert (vgl. hierzu auch BGHR, § 52 Abs. 1 StGB, in dubio pro reo, 2, 3). Die Verhängung einer einheitlichen Geldbuße beruht richtig auf § 19 Abs. 1 OWiG.

4. Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht auch angenommen, dass der Betroffene fahrlässig gehandelt hat, weil er die jeweiligen Verpflichtungen nach der BaustVO hätte erkennen können. Unter Beachtung des - auch vom Amtsgericht erwogenen - Umstandes, dass gemäß §§ 25 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz, 7 Abs. 1 BaustVO, 17 Abs. 2 OWiG für fahrlässiges Handeln eine Geldbuße bis zu 5 000,-- DM vorgesehen ist, ist das vom Amtsgericht verhängte Bußgeld in Höhe von 1 500,-- DM in Anbetracht der beruflichen Stellung des Betroffenen, der zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen keine Angaben gemacht hat, nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde wendet dagegen im Übrigen auch nichts ein.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 79 Abs. 3 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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