Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 1 U 65/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
BGB § 833 Satz 1
BGB § 833 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Hinweisbeschluss

Aktenzeichen: 1 U 65/04

in dem Rechtsstreit

wegen Schadenersatzes aus Verkehrsunfall

Tenor:

I. Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass seine Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 18. März 2004 keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat beabsichtigt deshalb, das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO - dessen Voraussetzungen auch im Übrigen vorliegen - zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Klägerin zum Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuge verpflichtet, weil das Fahrzeug der Klägerin durch ein von dem Beklagten gehaltenen Schäferhund beschädigt wurde (§ 833 Satz 1, 249 BGB).

Das Landgericht hat den Beklagten wegen der von dem Hund ausgehenden Tiergefahr aufgrund einer Haftungsverteilung von 80 : 20 zu Lasten des Beklagten zum Schadensersatz verurteilt und dabei die Möglichkeit des Beklagten, sich wegen der Eigenschaft des Hundes als Nutztier zu entlasten (§ 833 Satz 2 BGB), verneint. Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten ohne Erfolg.

1. Bei der Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhaltes hat der Senat von den entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts auszugehen (vgl. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 1. Halbs. ZPO). Konkrete und entscheidungserhebliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen könnten und deshalb erneute Feststellungen gebieten würden, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich (vgl. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 2. Halbs., Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2. Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt keine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 2. Halbs. ZPO).

a) Die Auffassung des Landgerichts, der Beklagte sei Halter des bei dem Unfall vom 19. Juli 2003 tödlich verletzten Hundes im Sinne des § 833 Satz 1 BGB, ist nicht von Rechtsfehlern beeinflusst.

Tierhalter ist, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt (BGH NJW-RR 1988, 655, 656). Das Merkmal der Haltereigenschaft dient der Zuordnung der Gefahrenquelle zum Gefahrenverantwortlichen, also zu derjenigen Person, die das Tier im eigenen Interesse nutzt und über seine Verwendung und Existenz entscheidet, Deshalb liegt die Haltereigenschaft regelmäßig beim Eigentümer oder der Person, die sich wie ein Eigentümer verhält (Lorenz, Gefährdungshaftung des Tierhalters, S. 328).

Dies zugrunde gelegt kann die Haltereigenschaft des Beklagten keinen Zweifeln unterliegen. Die früheren Eigentümer des Tieres haben das Tier in dem vom Beklagten betriebenen Tierheim abgegeben und sich damit auch ihrer Bestimmungsbefugnis über das Tier entledigt. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien entscheidet nunmehr allein der Beklagte, ob und an wen das Tier, gegebenenfalls zu welchen Bedingungen, abgegeben wird. Zwar führt ein vorübergehender Besitzverlust nicht zum Verlust der Haltereigenschaft (BGH VersR 1978, 515) mit der Folge, dass die Haltereigenschaft eines Tierheimes nicht begründet wird, wenn ein Tierheim dem Eigentümer entlaufene Tiere vorübergehend aufnimmt, um das Tier seinem Besitzer zurückzugeben. Eine solche Fallkonstellation lag hier aber ersichtlich nicht vor.

b) Zu Recht hat das Landgericht die Möglichkeit der Entlastung nach § 833 Satz 2 BGB verneint. Bei dem entlaufenen Schäferhund handelt es sich nicht um ein Nutztier im Sinne dieser Vorschrift.

Die Gefährdungshaftung greift nur bei solchen Haustieren nicht ein, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters also einem kommerziellen Zweck zu dienen bestimmt sind (Münch/Komm/Wagner BGB, 4. Aufl., § 833 Rdnr. 36). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der beklagte Verein hat keinen kommerziellen Zweck, der durch den Verkauf des Hundes gefördert werden könnte. Dies ergibt sich aus der Satzung des beklagten Vereines, der sich eine gemeinnützige Zweckbestimmung (§ 2 der Satzung des Beklagten vom 20. Oktober 2001) gegeben hat. Zwar beabsichtigte der Beklagte, den Hund gegen Zahlung eines Geldbetrages abzugeben. Hieraus folgt jedoch keine Gewinnerzielungsabsicht, wie sie mit einem Handeltreiben einhergeht. Die in dieser Form erzielten Einnahmen des Vereins dienen der Aufrechterhaltung des mit Kosten verbundenen Betriebes des Tierheimes. Wegen dieser Einnahmen hat der Beklagte das Tier nicht angeschafft. Ihm kommt deshalb die Eigenschaft eines Nutztieres nicht zu. In der Folge kommt es auf die vom beklagten Verein aufgestellte Behauptung, der vorhandene Zaun biete im allgemeinen ausreichenden Schutz vor dem Entlaufen der aufgenommenen Hunde, nicht an.

c) Die vom Erstrichter vorgenommene - im Hinblick auf die dem Erstrichter überlassene tatrichterliche Würdigung nur eingeschränkt im Berufungsverfahren überprüfbare Abwägung der Verursachungsbeiträge (OLG Hamm, OLGR Hamm 2003, 356) - unterliegt ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Die nach der Neuregelung des Berufungsverfahrens für das Berufungsgericht auf Rechtsfehler beschränkte Prüfung erlaubt nur eine Nachprüfung der Haftungsabwägung dahin, ob die Vorinstanz alle in Betracht kommenden Umstände richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Kollidiert ein Fahrzeug auf der Autobahn nachts mit einem Schäferhund, der wegen seiner Größe und seiner Farbe nicht ohne Weiteres erkennbar ist, liegt ein Rechtsfehler zum Nachteil des Tierhalters, dem ohnehin generell eine größere Verantwortung gegenüber dem Kfz-Halter zukommt, wenn ein Tier auf die Straße läuft (Juris, Praxiskommentar, § 833 Rdnr. 32), bei der vorliegend angenommenen Haftungsverteilung nicht vor (vgl. auch zur Haftungsabwägung in vergleichbaren Fällen: Thür. OLG, Urteil vom 2. Juli 2002, Az.: 8 U 1247/01, OLG Köln, Urteil vom 28. März 2000, Az.: 3 U 127/99, OLG Celle, Urteil vom 26. Januar 2000, Az.: 9 U 130/99, OLG Köln, Urteil vom 5. November 1998, Az.: 1 U 51/98 jew. zitiert nach juris).

II. Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, zu dem Hinweis des Senats bis zum 31. August 2004 Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

Zurück