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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 27.01.2003
Aktenzeichen: 1 Vas 5/02
Rechtsgebiete: VVJug, StVollzG


Vorschriften:

VVJug § 14
StVollzG § 19 Abs. 1
Zur Frage der Zulässigkeit der Ausstattung des Haftraumes mit privater Bettwäsche als Ausprägung des Angleichungsgrundsatzes nach § 3 Abs. 1 StVollzG.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 VAs 5/02

In dem Verfahren

betreffend den Antrag des K. S., zur Zeit in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt ........................

auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 f EGGVG: Benutzung privater Bettwäsche

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Ruppert am 27. Januar 2003 beschlossen:

Tenor:

1. Die Vollzugsbehörde (Justizvollzugsanstalt ..................) wird angewiesen, den auf die Benutzung privater Bettwäsche gerichteten Antrag des Verurteilten K. S. vom 2. September 2002 (19. August 2002) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; der Landeskasse wird die Erstattung der dem Verurteilten im Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.

3. Der Geschäftswert wird auf 1 000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt ........................ -im Jugendstrafvollzug- eine Einheitsjugendstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten. Er hat die Vollzugsanstalt um die Genehmigung zur Benutzung eigener (privater) Bettwäsche ersucht. Diesen Antrag hat die Vollzugsanstalt abgelehnt und dies mit Sicherheitsaspekten und organisatorischen Problemen im Anstaltsablauf begründet. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Antrag, ist nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EGGVG statthaft und auch im übrigen zulässig; der Senat ist nach § 25 Abs. 1 EGGVG zur Entscheidung berufen. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg, denn die Benutzung privater Bettwäsche durch den Strafgefangenen gefährdet weder die Sicherheit noch die Ordnung der Anstalt, wenn ihre Genehmigung, ihre Beschaffung, ihr Austausch und ihre Behandlung den gleichen Voraussetzungen unterliegt, wie dies bei der Benutzung von Privatkleidung durch Strafgefangene schon bisher der Fall ist.

Nach §§ 14 VVJug, 19 Abs. 1 StVollzG dürfen Strafgefangene ihren Haftraum grundsätzlich in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Diese Vorschriften konkretisieren den Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG, wonach die Freiheit des Gefangenen nur solchen Beschränkungen unterliegen soll, die für den Freiheitsentzug und seine Behandlung notwendig sind (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 2; Schwindt/Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 19 Rdnr. 1). Die Angemessenheit bemisst sich danach, was einem Gefangenen zur menschenwürdigen Gestaltung seiner Privatsphäre zukommen muss, und danach, was ihm von den räumlichen Gegebenheiten und organisatorischen Möglichkeiten der JVA zugestanden werden kann (Calliess/Müller-Dietz, § 19 Rdnr. 3). Danach steht bei der Benutzung privater Bettwäsche die Angemessenheit der Maßnahme - auch nach Einschätzung der Anstaltsleitung- außer Frage.

Sonach hätte gemäß § 19 Abs. 2 StVollzG die Ausstattung des Haftraumes mit privater Bettwäsche nur verweigert werden dürfen, wenn hierdurch die Übersichtlichkeit des Haftraums behindert oder Sicherheit oder Ordnung der Anstalt in anderer Weise gefährdet wären. Insoweit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich voll überprüfbar sind und die die Vollzugsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme mit tragfähigen tatsächlichen Erwägungen ausfüllen muss (vgl. OLG Stuttgart, NStZ 1988, 574; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001, 349, 350). Bei den - auch die beispielhaft aufgezählte Übersichtlichkeit des Haftraums mitumfassenden - Begriffen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt ist die Abwehr von konkreten Gefahren für Personen oder Sachen in der Anstalt und die Sicherung der Haft angesprochen (vgl. § 4 Abs. 2 StVollzG). Vorliegend könnte ernsthaft nur die Gefährdung der Anstaltsordnung zur Verweigerung des Begehrens herangezogen werden. Denn durch den Besitz und die Nutzung privater Bettwäsche wird - ebenso wenig wie dies bei der Benutzung privater Bekleidung der Fall ist- weder die Übersichtlichkeit des Haftraums noch die Sicherheit der Anstalt im übrigen beeinträchtigt. Soweit Sicherheitsbedenken aus dem Einführen der Bettwäsche in die Anstalt hergeleitet werden, kann dem durch geeignete Kontrollmaßnahmen oder durch eine Beschaffung ausschließlich unter Vermittlung der Anstalt, wie dies beispielsweise bereits bei der Beschaffung von Sportschuhen der Fall ist, hinreichend Rechnung getragen werden.

Entgegen der Ansicht der Vollzugsbehörde ist durch die Benutzung privater Bettwäsche aber auch eine Gefährdung der Anstaltsordnung nicht wirklich zu besorgen. Offensichtlich haben der von der JVA schon bisher genehmigte Besitz und das Tragen von Privatkleidung auch nicht zu Unzuträglichkeiten geführt, die die Ordnung der Anstalt gefährden. Da die Bettwäsche ebenso wie Privatkleidung eines Strafgefangenen in einem Wäschenetz zur Wäsche gegeben werden kann, wird die Gefahr der Verwechslung auf ein Minimum reduziert. Wenn der Verurteilte, wie dies bereits für private Ober- und Unterbekleidung sowie Sportbekleidung in großem Ausmaß gilt, zugleich mit seinem Antrag auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen das Land wegen Verlusts oder Beschädigung seiner Bettwäsche verzichtet, und die Art der zulässigen Bettwäsche näheren Vorgaben an ihre Beschaffenheit unterliegt, sind Regressforderungen, wie sie die Anstalt zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung angeführt hat, ausgeschlossen. Die Benutzung privater Bettwäsche ist nach derzeitiger Handhabung in der Justizvollzugsanstalt .......................... Untersuchungsgefangenen, sonstigen Strafgefangenen beim Vorliegen medizinischer Erfordernisse sowie langstrafigen weiblichen Strafgefangenen ohnehin gestattet. Eine Ausweitung des Kreises der Berechtigten bewirkt deshalb keinesfalls einen entscheidenden, die Leistungsfähigkeit der Anstaltsverwaltung hemmenden organisatorischen Mehraufwand, zumal die durch das Waschen und die Neubeschaffung anstaltseigener Bettwäsche bedingte Arbeitsbelastung sich entsprechend verringert. Hinzu kommt, dass im Bereich der Wäscherei anfallende Mehrarbeiten erklärtermaßen wiederum von Strafgefangenen durchgeführt werden können, so dass sich auch hieraus entscheidende Veränderungen nicht ergeben. Desweiteren hat die für U-Häftlinge bereits bestehende Regelung gezeigt, dass -wenn überhaupt- nur in sehr eingeschränktem Umfang um die Benutzung privater Bettwäsche ersucht wird. Damit aber verlieren auch die Darlegungen der Anstalt zu den ohnehin bestehenden räumlichen Engpässen entscheidend an Gewicht. Der Senat vermag deshalb keine stichhaltigen, die Versagung der Benutzung privater Bettwäsche rechtfertigende Gründe zu erkennen. Es handelt sich bei privater Bettwäsche ebenso wie bei privater Ober-, Unter- und Sportbekleidung um Textilien, die dem Gefangenen dazu dienen, in einem Haftraum, in dem er aufgrund des Freiheitsentzugs einen großen Teil des Tages verbringt, eine "private" und wohnliche Atmosphäre zu schaffen.

Die Vollzugsbehörde war deshalb anzuweisen, den Antrag des Verurteilten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Ende der Entscheidung

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