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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 14.01.2008
Aktenzeichen: 1 W 61/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss Aktenzeichen: 1 W 61/07

In dem selbständigen Beweisverfahren wegen Beweissicherung von Bauschäden,

hier: Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. ... wegen Befangenheit, hat der 1. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Amtsgericht Dr. Holler als Einzelrichter auf die sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin zu 5) (R...-M... GmbH) vom 23. November 2007 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 12. November 2007 am 14. Januar 2008 beschlossen: Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert: Die Ablehnung des Sachverständigen Univ.- Prof. Dr. -Ing. M... F... wird für begründet erklärt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 150.000,- € festgesetzt. Gründe: I. Die Antragsgegnerin zu 5) strebt die Ablösung des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr.-Ing. M... F... wegen Befangenheit an. Sie stützt sich dabei u. a. auf dessen Ausführungen in seinem Gutachten vom 24. Juli 2007 in dem selbständigen Beweissicherungsverfahren 3 OH 42/05 des Landgerichts Kaiserslautern und auf sein Verhalten in der Sitzung des Forschungsbeirates des Gemeinschaftsausschuss Verzinken e.V. am 22. und 23. August 2007 in Fulda. In dem auf Antrag der B... B... AG vom 13. Dezember 2005 eingeleiteten Beweissicherungsverfahren hat der Sachverständige das o.g. Gutachten zur Rissbildung in der Überdachung des Fritz Walter Stadions in Kaiserslautern erstellt (nachfolgend Stadion-Verfahren). Vorliegend hat der Erstrichter auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland vom 10. April 2007, der Antragsgegnerin zu 5) zugestellt am 17. April 2007, zu Bauschäden an Gebäuden des Militärflugplatzes in Ramstein den Sachverständigen bestellt. Der Einzelrichter ist dabei dem Vorschlag der Antragstellerin gefolgt. Die Antragsgegnerin zu 5), die mit Schriftsatz vom 21. Mai 2005 Stellung genommen und eine Streitverkündung ausgebracht hatte, war dem Vorschlag nicht entgegengetreten. Der Beschluss vom 9. Juli 2007 wurde der Antragsgegnerin zu 5) nicht förmlich zugestellt. Aus ihrem Schriftsatz vom 30. Juli 2007, in dem sie um Verlegung eines vom Sachverständigen anberaumten Ortstermins bittet, ergibt sich aber, dass sie spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Beweisanordnung und der Bennennung des Sachverständigen hatte. Mit Schriftsatz vom 6. September 2007, eingegangen am gleichen Tag beim Landgericht lehnt die Antragsgegnerin zu 5) den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie macht u. a. geltend, dieser habe im Stadion-Verfahren zu ihren Gunsten gemachte Ausführungen des Hilfs-Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. F... entstellt und sich bei der o.g. Sitzung des Forschungsbeirates des Gemeinschaftsausschuss Verzinken e.V. voreingenommen hinsichtlich der hier zu begutachtenden Ursachen für Schäden an feuerverzinkten Stahlkonstruktionen gezeigt. Im Stadion-Verfahren wurde auf Antrag der B... B... AG vom 13. Dezember 2005 -deren Vorschlag folgend- mit Beschluss vom 16. Dezember 2005 Univ.- Prof. Dr.-Ing. M... F... zum Sachverständigen bestellt. An diesem Beweissicherungsverfahren war die Antragsgegnerin zu 5) zunächst nicht beteiligt. Ihr wurde von der dortigen Antragsgegnerin zu 2), der Firma D... S... GmbH, mit Schriftsatz vom 4. Januar 2006 der Streit verkündet. Sie ist dem Verfahren mit Schriftsatz vom 19. Januar 2006 beigetreten. Den Sachverständigen hat die Antragsgegnerin zu 5) (als Streitverkündete zu 1) im Stadion-Verfahren mit Schriftsatz vom 27. August 2007 abgelehnt. Das Gutachten des Univ.- Prof. Dr.-Ing. M... F... vom 24. Juli 2007 war beim Landgericht Kaiserslautern am 27.Juli 2007 eingegangen. Wann es bei der Streitverkündeten, der - wie auch den anderen Verfahrensbeteiligten - der Sachverständige Ausfertigungen des Gutachtens unmittelbar übersandt hat, eingegangen ist, lässt sich nicht feststellen. Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2007 und weiterem Vorbringen u.a. durch Bezugnahme auf Stellungnahmen zu dem Befangenheitsantrag im Stadion-Verfahren hat der Sachverständige die Vorwürfe zurückgewiesen. Der Erstrichter hat vorliegend den Befangenheitsantrag zurückgewiesen und der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Im Stadion-Verfahren ist der Befangenheitsantrag der Antragsgegnerin zu 5) vom 27. August 2007 noch nicht beschieden. Der Senat hat die Akte 3 OH 42/05 des Landgerichts Kaiserslautern sowie die Berichte und Teil-Gutachten des Prof. Dr. F... beigezogen. II. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: a) Formelle Bedenken gegen die ordnungsgemäße Parteibezeichnung in der Antragsschrift und dieser folgend in dem Beschluss des Landgerichts vom 9. Juli 2007 sind von der Antragstellerin ausgeräumt. Insbesondere ist die ordnungsgemäße Angabe der die Antragstellerin vertretenden Amtsstelle (dazu Baumbach/Hartmann, 66. Aufl., ZPO, Grdz § 50 Rn 13) durch das Schreiben des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 20. Dezember 2007 erfolgt. b) Das Ablehnungsgesuch ist fristgerecht erhoben. Gemäß § 406 Abs. 2 ZPO sind nach Bestellung und vor Gutachtenerstattung eingetretene Befangenheitsgründe so früh als möglich geltend zu machen. Als "Richtschnur" gilt die Zwei-Wochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch insoweit (vgl. m.w.N. Stein/Jonas-Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rn 48) ab Kenntnis der Befangenheitsgründe. Dazu hat die Antragstellerin mit Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Dipl.-Ing. A... S... glaubhaft gemacht, dass eine solche Kenntnis erst nach der Sitzung des Forschungsbeirates des Gemeinschaftsausschuss Verzinken e.V. vom 22. / 23. August 2007 erlangt wurde. Davon ausgehend ist der Befangenheitsantrag am 6. September 2007 rechtzeitig eingegangen. 2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet: Gemäß §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO ist die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn ein entsprechend gewichtiger Grund vorliegt. Dieser Befangenheitsgrund muss geeignet sein, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei kann bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte (subjektive) Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung rechtfertigen. Allerdings ist dazu (objektiv) erforderlich, dass genügend Gründe gemäß § 406 Abs. 3 ZPO glaubhaft gemacht sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 2003 - IX a ZB 37/03 - NJW-RR 2003, 1220 ff., Senatsbeschlüsse vom 13.September 2007 - 1 U 25/04 und vom 24. März 2006 - 1 W 26/06 sowie Baumbach/Hartmann, 66. Aufl., ZPO, § 42 Rdnr. 10 m. w. N.). Das beanstandete Verhalten des Sachverständigen rechtfertigt eine solche Sorge der Antragsgegnerin zu 5): a) Wenngleich die Sitzung des Forschungsbeirates des Gemeinschaftsausschuss Verzinken e.V. nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorliegenden gerichtsgutachterlichen Tätigkeit des Sachverständigen stand, so ging es doch um einen gleichartigen Interessenkonflikt bei gleichgelagertem Sachverhalt (zur besonderen Besorgnis der Befangenheit in diesen Fällen vgl. Stein/Jonas-Leipold, 22. Aufl., ZPO, § 406 Rn 16 und für die vergleichbare wissenschaftliche Betätigung eines Richters: MünchKomm-Gehrlein, 3. Aufl., ZPO, § 42 Rn 21). Durch das große Medieninteresse an der Fußballweltmeisterschaft 2006 waren die Baumängel im Stadion-Verfahren allgemein bekannt. Eine Thematisierung bei der o.g. Fachsitzung war daher naheliegend. Ein Gerichtssachverständiger muss sich aber ebenso wie ein Richter auch außerhalb seiner gerichtlichen Tätigkeit der besonderen Pflicht, neutral und unabhängig tätig zu sein, stets bewusst sein. Vorliegend war -wie in den oben zitierten Fallkonstellationen -daher äußerste Zurückhaltung zu üben. Jeder Anschein einer allgemeinen Voreingenommenheit oder Festlegung musste vermieden werden. Diese Verhaltensgebote hat Univ.- Prof. Dr. -Ing. M... F... hier nicht beachtet: Auf den detailliert von der Antragsgegnerin zu 5) beschriebenen und durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten "heftigen emotionalen Ausbruch" (vorwurfsvolle Zurückweisung von Fachfragen, Sitzungsabbruch) ist der Sachverständige in seinen, ansonsten sehr ausführlichen, Stellungnahmen zu den Befangenheitsanträgen sowohl hier als auch im Stadion-Verfahren nur oberflächlich eingegangen. Er meint, der Antragsgegnerin zu 5) und Streitverkündete zu 1) im Stadion-Verfahren sei "mit ihren Einlassungen zum Gutachten selbst nicht ganz wohl", weshalb sie eidesstattliche Versicherungen über seine "seelische Reaktion" vorlege. Eine solche Antwort reicht nicht nur nicht aus, um den Befangenheitsvorwurf zu entkräften. Im Gegenteil, sie bestätigt die Besorgnis der Antragsgegnerin zu 5), dass ihr der Gerichtssachverständige nicht mehr unvoreingenommen gegenübersteht. b) Hinzu kommen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung Umstände aus dem Stadion-Verfahren. Auch diese rechtfertigen zumindest subjektiv seitens der Antragsgegnerin zu 5) Misstrauen gegen den Gerichtsgutachter: Der Sachverständige hat dort - formal ordnungsgemäß - als Hilfssachverständigen den Prof. Dr. A... F... beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 28. Juni 2007 umfangreiche Laboruntersuchungen zur chemischen Reaktion von Stahl mit Zinkschmelze beschrieben und bewertet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die zinnhaltige Test-Zinkschmelze den im Fritz Walter Stadion eingebauten Stahl flächig angreift. Abschließend stellt Prof. Dr. A... F... jedoch fest, dass die chemische Zusammensetzung, die Gefügeausbildung und die Vorbehandlung des Stahls sowie die weiteren Legierungselemente der tatsächlich eingesetzten Zinkschmelze nicht untersucht wurden, aber "möglicherweise einen Einfluss auf Art und Grad des Korngrenzangriffs (Anrissbildung) haben." Auf Seite 54 ff. des Hauptgutachtens (Univ.- Prof. Dr. -Ing. M... F...) werden die Feststellungen des Prof. Dr. R... zwar ausführlich referiert. Dabei werden - wie die Antragsgegnerin zu 5) zu Recht geltend macht - jedoch die Vorbehalte des Prof. Dr. R... nicht verdeutlicht und schon gar nicht ausgeräumt. Zwar kann durch eine Gutachtenergänzung und/oder eine Sachverständigenanhörung im Stadion-Verfahren insoweit eine Klärung noch herbeigeführt werden. Für das vorliegende Verfahren kann dies aus Sicht der Antragsgegnerin zu 5) aber kein Vertrauen in den Sachverständigen mehr herstellen. c) Nach Gesamtbetrachtung der zuvor geschilderten beiden Beanstandungen des Verhaltens des Sachverständigen durch die Antragsgegnerin zu 5) ist ihr Ablehnungsantrag daher begründet. Auf die weiteren Angriffe kommt es damit nicht an. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass alleine der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 5) auch im Stadion-Verfahren einen Befangenheitsantrag gestellt hat, vorliegend keine Ablösung des Sachverständigen rechtfertigen könnte (MünchKomm-Zimmermann, 3. Aufl., ZPO, § 406 Rn 5). III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist mit 1/5 des von der Antragsstellerin angegebenen Wertes des Beweissicherungsverfahrens, den keine der Beteiligten beanstandet hat, zu bemessen.

Ende der Entscheidung

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