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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 100/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172
StPO § 264 Abs. 1
StPO § 153 Abs. 2
Unzulässigkeit des Klageerzwingungsantrags wegen Strafklageverbrauch, nachdem gegen den Beschuldigten wegen derselben Tat, allerdings hinsichtlich eines anderen Geschädigten, ein Strafbefehl erlassen und das Verfahren später gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

1 Ws 100/09

In dem Ermittlungsverfahren

wegen gefährlicher Körperverletzung,

hier: Antrag der I M , wohnhaft in , ..., vertreten durch Rechtsanwalt ..., über die Erhebung der öffentlichen Klage gerichtlich zu entscheiden,

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Burger, Christoffel und Süs

am 7. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Am 26. Dezember 2007, gegen 6:27 Uhr, kam es in einer ...-Tankstelle in Germersheim zu einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen, bei der Gegenstände in der Tankstelle beschädigt und die Antragstellerin sowie eine weitere Person namens ... verletzt wurden.

Die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz beantragte nach Abschluss der Ermittlungen mit Verfügung vom 22. Juli 2008 unter dem Aktenzeichen 7285 Js 8855/08 (ursprünglich 7285 Js 5898/08) beim Amtsgericht Germersheim den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten wegen Sachbeschädigung, den das Gericht antragsgemäß unter dem Datum 28. Juli 2007 erließ. Hiergegen legte der Beschuldigte form- und fristgerecht Einspruch ein. Mit Beschluss vom 5. November 2008 stellte das Amtsgericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO ein.

Hinsichtlich des geschädigten ... vermerkte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 21. Juli 2007 - Az. 7285 Js 5898/08 -, dass von der Erhebung einer öffentlichen Klage abgesehen wird und verwies den Geschädigten auf den Weg der Privatklage (§§ 374 ff StPO).

Unter demselben Aktenzeichen wurde mit Verfügung vom 11. Juli 2008 vermerkt, dass der Beschuldigte für die Verletzungen der Antragstellerin nicht verantwortlich sei, sondern eine bisher noch unbekannte Person. Daher wurde ein neues Verfahren mit dem Az. 7090 UJs 4144/08 angelegt und mit Verfügung vom 16. Juli 2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Hiergegen legte die Antragstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt H..., mit Schreiben vom 5. August 2008 Beschwerde ein und wies daraufhin, dass der Beschuldigte mit der unbekannten Person gemeinschaftlich gehandelt habe und daher für ihre Verletzungen strafrechtlich verantwortlich sei (§§ 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2 StGB). Daraufhin wurde das Verfahren mit Verfügung vom 17. Oktober 2008 in 7090 UJs 4144/08 ausgetragen und anschließend unter dem jetzigen Aktenzeichen 7285 Js 12705/08 geführt. Mit Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 22. Oktober 2008 wurde das Verfahren erneut gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 29. Oktober 2008 mit Bescheid vom 10. März 2009 zurückgewiesen. Die Antragstellerin begehrt nunmehr die gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage.

II.

Der Antrag ist unzulässig, da dem Klageerzwingungsantrag der Einstellungsbeschlusses des Amtsgerichts Germersheim vom 5. November 2008 mit dem Aktenzeichen 7285 Js 8855/08 entgegensteht. Bei dem Tatgeschehen vom 26. Dezember 2007 im Verkaufsraum der ...-Tankstelle in Germersheim handelt es sich um einen einheitlichen und zusammenhängenden Lebenssachverhalt (ein geschichtlicher Vorgang) und damit um eine Tat im prozessualen Sinne des § 264 StPO. Dies entspricht der rechtlichen Bewertung der Generalstaatsanwaltschaft und wird auch von der anwaltlich vertretenen Antragsstellerin nicht in Abrede gestellt. Da die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht Germersheim nach § 153 Abs. 2 StPO die gesamte prozessuale Tat (§ 264 StPO) erfasst, ist zugleich auch Strafklageverbrauch für die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Antragstellerin eingetreten. Dies hat zur Folge, dass sowohl eine (neue) Anklage als auch ein darauf gerichtetes Klageerzwingungsverfahren unzulässig ist.

Der Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags stand bereits der Erlass des beantragten Strafbefehls entgegen.

Sinn und Zweck des gerichtlichen Klageerzwingungsverfahrens besteht darin, dem Verletzten, der zugleich Anzeigeerstatter ist, durch einen Rechtsbehelf eigener Art die Möglichkeit zu geben, durch gerichtliche Entscheidung klären zu lassen, ob sich aus einem bestimmten Geschehenssachverhalt genügender Anlass für die öffentliche Klage ergibt (§ 170 Abs. 1 StPO). Der Zweck, dem das Klageerzwingungsverfahren dient, ist bereits dann erreicht, wenn die Staatsanwaltschaft wegen der im verfahrensrechtlichen Sinne als historischer Lebensvorgang zu verstehenden "Tat", aus der der Verletzte seinen Vorwurf ableitet, Anklage erhoben hat. Dies gilt unabhängig davon, ob die "Tat" in der Anklage unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt ist oder ob die rechtliche Würdigung nur einen Teil der "Tat" erfasst.

Durch die Anklageerhebung wird das für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Gericht nicht nur in die Lage versetzt, sondern auch verpflichtet, den von der Anklage als Tat im verfahrensrechtlichen Sinne (§§ 155, 264 StPO) erfassten Geschehenssachverhalt ohne Bindung an die Würdigung in der Anklageschrift umfassend in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht dahingehend zu beurteilen, ob hinreichender Verdacht einer Straftat besteht (§§ 206, 207 StPO). Daraus und aus dem weiteren Gesichtspunkt des Prozesshindernisses einer anderweitigen Rechtshängigkeit der selben Tat ergibt sich, dass sich ein Klageerzwingungsverfahren verbietet und unzulässig ist, wenn wegen der Tat im Sinne des § 264 StPO bereits Anklage erhoben ist.

Für das Strafbefehlsverfahren gilt nichts anderes als für das Anklageverfahren. Aufgrund eines Strafbefehlsantrags ist das zuständige Amtsgericht verpflichtet, den vom Antrag als Tat im prozessualen Sinne erfassten Sachverhalt daraufhin zu überprüfen, ob die vorgenommene Beurteilung im Sinne hinreichenden Tatverdachts zutreffend und umfassend ist (vgl. OLG Karlsruhe JR 1977, 215).

Dies hat zur Folge, dass die Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO nur dann ergehen darf, wenn wegen der gesamten Tat im Sinne des § 264 StPO eine Anklageerhebung oder ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nicht erfolgt. Erachtet die Staatsanwaltschaft nur einen Teil der zur Anzeige gebrachten Tat für nicht strafbar oder nicht nachweisbar oder verneint sie nur eine bestimmte rechtliche Würdigung, so ist nicht eine Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO zu erlassen, sondern das Ergebnis dieser Überlegungen in einem Aktenvermerk festzuhalten und im übrigen -soweit eine strafbare Handlung bejaht wird - Anklage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehl zu stellen. Durch eine solche Handhabung wird vermieden, dass Anzeigeerstatter ein Klageerzwingungsverfahren betreiben, in welchem ihr Antrag dann als unzulässig verworfen werden muss (vgl. Meyer-Goßner Anm. zu OLG Karlsruhe JR 1977, 215, 216).

Der Verbrauch der Strafklage tritt erst nach vollständigem Abschluss des Verfahrens ein; vorher besteht das Verfahrenshindernis der Rechtshängigkeit. Die Sperrwirkung -ne bis in idem, Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung - macht eine neue Strafverfolgung gegen denselben Täter wegen derselben Tat unzulässig (Art. 103 Abs. 3 GG; BGHSt 20,292).

Auch bei einer Beendigung des Strafverfahrens durch gerichtlichen Einstellungsbeschluss nach § 153 Abs. 2 StPO tritt hinsichtlich der Tat im Sinne von § 264 StPO ein Strafklageverbrauch ein, soweit nicht die Beschränkungen nach § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO und der Wiederaufnahmevorschrift des § 362 StPO eingreifen. Darüber hinaus gehende Beschränkungen des Strafklageverbrauchs bestehen nicht. (BGH NStZ 2004, 633). Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem Bescheid vom 10. März 2009 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschränkungen nach den §§ 153 a Abs. 1 Satz 5, 362 StPO nicht eingreifen und somit ein Strafklageverbrauch aufgrund des Einstellungsbeschlusses des Amtsgerichts Germersheim vom 5. November 2008 eingetreten ist. Dies hat zur Folge, dass der eingetretene Strafklageverbrauch der Einleitung oder Weiterführung des Verfahrens und damit auch dem Klageerzwingungsverfahren entgegensteht.

Die Verwerfung des Antrags als unzulässig hat zur Folge, dass dem Antragsteller Verfahrenskosten nicht aufzuerlegen sind (§§ 174, 176 Abs. 2. 177 StPO).

Ende der Entscheidung

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