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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 315/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 51 Abs. 1
StGB § 57 Abs. 1
StGB § 67 Abs. 4
StGB § 67 Abs. 5
StGB § 67 c Abs. 2 Satz 5
StGB § 67 e
StPO § 454 Abs. 2 Nr. 2
StGB §§ 51 Abs. 1, 57 Abs. 1, 67 Abs. 4, Abs. 5, 67 c Abs. 2 Satz 5, 67 e; StPO § 454 Abs. 2 Nr. 2

Zur kumulativen Anrechnung von Maßregelvollzug und Untersuchungs- bzw. Organisationshaft auf die Freiheitsstrafe. Auch im Falle der Aussetzung der Vollstreckung gemäß § 67 Abs. 5 StGB ist eine Begutachtung nach Maßgabe § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderlich, die jedoch durch eine gutachterliche Stellungnahme im Rahmen der Überprüfung gemäß § 67 e StGB erbracht werden kann.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ws 315/00 StVK 46/00 LG Landau 23 VRs 59/98 StA Trier

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen Raubes;

hier: Strafaussetzung zur Bewährung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe nach Maßregelvollzug

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Petry am 20. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird die Entscheidung unter Nr. 2. des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 16. Mai 2000 aufgehoben.

2. Die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Juli 1998 (8002 Js 25478/97) wird mit sofortiger Wirkung zur Bewährung ausgesetzt.

3. Die Bewährungszeit wird auf 3 Jahre festgesetzt.

4. Für die Dauer der Bewährungszeit wird die Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines amtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

5. Die Verurteilte wird mit ihrer Zustimmung angewiesen, sich unmittelbar nach Haftentlassung einer ambulanten Geschäftstherapie bei Dr. N zu unterziehen. Nach Aufnahme der Therapie hat sie den Weisungen des Therapeuten Folge zu leisten und darf die Behandlung nicht ohne seine Zustimmung beenden.

6. Die Verurteilte wird weiter angewiesen Wohnung nicht ohne Zustimmung ihres Bewährungshelfers aufzugeben und sich unverzüglich als Arbeitssuchende beim zuständigen Arbeitsamt zu melden.

7. Die Belehrung über Strafaussetzung zur Bewährung wird der übertragen.

8. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen, die der Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstanden sind, werden der Landeskasse auferlegt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Verurteilten beschränkt sich auf die Versagung der Aussetzung der Vollstreckung des nach Anrechnung von Maßregelvollzug und Untersuchungs- bzw. Organisationshaft verbleibenden Restes aus einer Verurteilung zu 3 Jahren und 5 Monaten Gesamtfreiheitsstrafe (Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses, der zugleich in Nr. 1. den Vollzug der Unterbringung in der Entziehungsanstalt für beendet erklärt). Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von der Hälfte der Strafe gemäß §§ 67 Abs. 5, 57 Abs. 1 StGB sind erfüllt. Dies errechnet sich aus folgendem Vollstreckungsablauf:

Die Verurteilte hat sich seit dem 9. September 1998 bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung und damit 1 Jahr 10 Monate und 12 Tage im Maßregelvollzug befunden. Diese Zeit wird gemäß § 67 Abs. 4 StGB in vollem Umfang auf die Gesamtstrafe angerechnet, da dadurch das Zweidrittelmaß (2 Jahre 3 Monate 10 Tage) nicht erreicht wird. Satz 2 der Vorschrift findet nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 1994 (BVerfGE 91) keine Anwendung; entgegen der Auffassung der Vollstreckungskammer ist zudem die Beendigung der Maßregel wohl nicht auf § 67 d Abs. 5 StGB, sondern auf § 67 c Abs. 2 Satz 5 StGB zu stützen, da der Zweck der Suchttherapie nach Stellungnahme der Therapeuten erreicht ist (vgl. Schönke-Schröder, StGB 25. Aufl. § 67 d Rn 14; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151). Bereits durch die Maßregelanrechnung verbleibt weniger als die Hälfte der Freiheitsstrafe (1 Jahr 8,5 Monate), so dass die zeitliche Aussetzungsgrenze des § 67 Abs. 5 StGB schon erreicht ist. Hinzu kommt die Anrechenbarkeit der Untersuchungs- und Organisationshaft (28. November 1997 - 8. September 1998 = 9 Monate 12 Tage) gemäß § 51 Abs. 1 StGB, die nach herrschender Auffassung, der sich der Senat anschließt, von der verbleibenden Reststrafe zusätzlich abzuziehen ist (vgl. OLG Düsseldorf JMBlNW 1995, 259, 260; LG Wuppertal StV 1996, 329, 330; Volckart, Recht und Psychiatrie 1995, 63 ff). Dadurch erhöht sich die insgesamt anzurechnende Vollstreckungsdauer auf 2 Jahre 7 Monat und 24 Tage, so dass sich der Strafrest auf weniger als ein Drittel beläuft.

Die Aussetzung der Vollstreckung dieses Strafrestes kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Der Senat stützt sich bei dieser Prognose auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. med. N und Diplom-Psychologe A die für die Behandlung der Verurteilten während des Maßregelvollzuges verantwortlich waren. Ihre fachlichen Stellungnahmen anlässlich der Regelüberprüfung gemäß § 67 e StGB am 2. Mai 2000 genügen der gemäß § 454 Abs. 2 Nr. 2 StPO erforderlichen Begutachtung, die grundsätzlich auch in den Fällen der bedingten Entlassung gemäß § 67 Abs. S StGB ansteht. Im Ergebnis ziehen beide Gutachter aus dem Verlauf der Alkoholtherapie eine positive Bilanz, die wiederum eine günstige Prognose hinsichtlich der Resistenz der Verurteilten gegen Suchtgefährdungen erlaubt. Der Verurteilten wird darüber hinaus bescheinigt, dass sie ernsthaft und nachhaltig ihre soziale Wiedereingliederung nach einer Entlassung vorbereitet hat. Dieser Eindruck wird objektiv durch die Bemühungen um eine Wohnung am Ort der zukünftigen psychologischen Betreuung, die Bereitschaft, an einer Gesprächstherapie teilzunehmen, und die Fürsorge um die minderjährige Tochter bestätigt. Vorbehalte hinsichtlich einer positiven Kriminalprognose werden ausschließlich mit Rücksicht auf den Diebstahl eines geringen Geldbetrages am Arbeitsplatz der Verurteilten gemacht, jedoch insoweit relativiert, als ihnen durch eine Betreuung in Vermögenssachen begegnet werden kann. Im Vergleich zu den abgeurteilten Taten, die durch ein Verbrechen des mittäterschaftlichen schweren Raubes geprägt werden, wiegt der von der Verurteilten eingestandene Diebstahl, der durch eine Diebstahlsfalle veranlasst wurde, nicht all zu schwer, so dass die durch eine Langzeitbehandlung während der Unterbringung gründlich vorbereitete soziale Wiedereingliederung letztlich nicht in Frage gestellt ist und durch einen sich anschließenden kurzzeitigen Strafvollzug nicht gefährdet werden soll. Die von der Verurteilten selbst in Betracht gezogene Betreuung in vermögensrechtlichen Dingen, die durch einen Bewährungshelfer in Angriff genommen werden kann, wird ebenso wie die weiteren Weisungen zusätzlich zur Stabilisierung beitragen. Unter diesen Bedingungen kann die Bewährungsprobe gewagt werden.

Ende der Entscheidung

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