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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 16.10.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 470/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 454 Abs. 2
Zum Erfordernis der Hinzuziehung eines externen Gutachters bei langer Unterbringungsdauer in derselben Einrichtung.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 1 Ws 470/00 StVK 97/00 LG Landau in der Pfalz 5055 VRs 10277/96 StA Frankenthal (Pfalz)

In dem Maßregel- und Strafvollstreckungsverfahren

wegen schweren Raubes u.a.

hier: Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der Rest strafe zur Bewährung

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Ohler und die Richter am Oberlandesgericht Maurer und Friemel am 16. Oktober 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. August 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Gegen den Verurteilten wird eine Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren sowie die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vollstreckt, die das Landgericht Frankenthal (Pfalz) am 16. August 1995 gegen ihn wegen schweren Raubes in 2 Fällen sowie schwerer räuberischer Erpressung verhängt hat. Er befand sich vom 10. Januar 1995 bis 21. Februar 1996 in Untersuchungshaft. Bereits mit Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. März 1990 - 169 Js 56421/89 - war gegen ihn wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer weiteren Strafe eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 7 Monaten (Einsatzstrafe 2 Jahre und 6 Monate) verhängt worden. In jener Sache war ihm nach Halbstrafenverbüßung Strafaussetzung bewilligt worden; nach Widerruf wegen der vorliegenden Taten verbüßte er zunächst in Unterbrechung der Untersuchungs- und später der Strafhaft diese Strafe (5055 VRs 140284); sie wurde am 28. Juli 1996 zum 2/3-Zeitpunkt unterbrochen. Nach wenigen Tagen Strafhaft in vorliegender Sache erfolgte am 5. August 1996 die Verlegung in die, seither wird die Unterbringung in der Entziehungsanstalt vollstreckt, deren Fortdauer in etwa halbjährigem Rhythmus angeordnet wurde. Die Strafvollstreckungskammer hat nunmehr mit der angefochtenen Entscheidung die weitere Vollstreckung der Unterbringung und der Reststrafe (zwischenzeitlich dürften unter Anrechnung der Unterbringung auf die Strafe 2/3 verbüßt sein) zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie u.a. die Annahme einer günstigen Prognose in Frage stellt:

Das zulässige Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg.

Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht zunächst einen rein formalen Fehler: Die Strafvollstreckungskammer hat es übersehen, in gemeinsamer Entscheidung auch über die Aussetzung der Reststrafe aus der früheren Verurteilung, die unter 5055 VRs 140284/90 vollstreckt wird, und in deren Unterbrechung die spätere Strafe sowie die Unterbringung vollstreckt werden, mitzuentscheiden. Dies verstößt gegen den Grundsatz des § 454 b Abs. 3 StPO.

Unabhängig davon vermag der Senat die Einschätzung der Strafvollstreckungskammer, dass die Aussetzung der Unterbringung und der Reststrafe verantwortet werden kann, nach der gegebenen Begründung nicht nachzuvollziehen. Die Kammer stützt sich wohl auf die Ausführungen der Diplompsychologin K bei der mündlichen Anhörung. Das Anhörungsprotokoll hierzu ist jedoch äußerst knapp. Insbesondere setzt sich die Kammer aber nicht mit der vorangegangenen Stellungnahme der Klinik vom 21. Juni 2000 auseinander, worin wegen Alkoholrückfälligkeit noch im vergangenen Jahr und wegen nach wie vor fehlender Einsicht um die Notwendigkeit der Alkoholabstinenz davon ausgegangen wurde, es könne die Erprobung des Verurteilten außerhalb des Maßregelvollzuges noch nicht verantwortet werden. Nach diesem eindeutigen Votum hätte es der überzeugenden Darlegung bedurft, was sich innerhalb der kurzen Zeitspanne entscheidendes an positiven Umständen ergeben haben soll. Daran mangelt es. Gegebenenfalls hätte dieser Wechsel des Sachverständigenvotums Veranlassung bieten müssen, ein Gutachten eines externen Sachverständigen einzuholen. Dies kann ohnehin bereits bei langer Unterbringungsdauer in derselben Einrichtung aus Gründen einer objektiven Beurteilung geboten sein (OLG Koblenz StV 1999, 496). Auch der Gesichtspunkt, dass der anstaltsinterne Gutachter - wie hier - in erster Linie in die Behandlung des Verurteilten einbezogen ist, spricht für die Einschaltung eines externen Sachverständigen; therapeutische und prognostische Aufgabe sollten im Interesse objektiver Betrachtung nach Möglichkeit getrennt werden (KK-Fischer StPO 4. Aufl. § 454 Rdn. 13). Ein weiterer Gesichtspunkt spricht für einen externen Gutachter: In der mitzuentscheidenden Sache 5055 VRs 140284/90 wäre ohnehin - bei isolierter Betrachtung - die bedingte Entlassung nur nach Einholung eines Gutachtens nach § 454 Abs. 2 StPO zulässig. Die Neuregelung nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 ist auch dann anzuwenden, wenn die zugrundeliegende Tat und die Verurteilung vor Inkrafttreten der Verfahrensnorm erfolgt sind (Senat Beschluss vom 31. August 1998 - 1 Ws 431/98). Da gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren vollstreckt wird und eine der zugrundeliegenden Taten ein Verbrechen darstellt, hätte zwingend ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen (Senat a.a.O.). Bei gemeinsamer Entscheidung in mehreren Sachen bedarf es natürlich nur eines einzigen Gutachtens. Die Stellungnahme der Klinik befasst sich allerdings vordringlich mit der Alkoholproblematik des Verurteilten, während bei der Tat, die Gegenstand des Urteils vom 14. März 1990 ist, Alkohol - so die Urteilsgründe - bedeutungslos war. Insgesamt wird daher bei vorliegender Konstellation ein externes Gutachten unumgänglich sein.

Ende der Entscheidung

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