Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 2 AR 36/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 35
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
BGB § 269 Abs. 1
BGB § 270 Abs. 4
BGB § 269 Abs. 1 HS. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 AR 36/08

In dem Rechtsstreit

wegen Dienstvergütung,

hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, den Richter am Oberlandesgericht Kratz und die Richterin am Oberlandesgericht Stutz auf die Vorlage des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 13. Oktober 2008 ohne mündliche Verhandlung

am 28. Oktober 2008 beschlossen: Tenor:

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Amtsgericht Weinheim bestimmt. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die Erstattung der sonstigen Kosten richtet sich nach der Kostenentscheidung in der Hauptsache. Gründe: 1. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO für die Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Amtsgerichten Ludwigshafen am Rhein und Weinheim zuständig. Die prozessualen Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Danach wird - auch auf Vorlage eines der am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichte, ohne dass es in diesem Fall eines Parteiantrags bedürfte - das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen mindestens eines zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Derartige zuständigkeitsleugnende Entscheidungen liegen hier in dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 29. Juli 2008 und in der Ablehnung der Übernahme durch das Amtsgericht Weinheim gemäß "Verfügung" vom 22. August 2008. Diese Entscheidungen sind jeweils gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, somit rechtskräftig i. S. v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Sie bilden daher verfahrensrechtlich die Grundlage für die Bestimmung des zuständigen Gerichts. 2. Örtlich zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Amtsgericht Weinheim, weil es gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 29. Juli 2008 gebunden ist. Die verfahrensrechtliche Bindungswirkung dauert im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fort. Regelmäßig ist daher das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch bindenden Verweisungsbeschluss gelangt ist. Die Bindungswirkung des Beschlusses vom 29. Juli 2008 wäre nur dann nicht gegeben, wenn der Verweisung jede gesetzliche Grundlage gefehlt und sie auf Willkür beruht hätte. Dies ist nicht der Fall. Die Verweisung ist nach Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beklagte erfolgt. Der Verweisungsbeschluss vom 29. Juli 2008 ist auch ansonsten jedenfalls nicht willkürlich. Insoweit gilt folgendes: a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das das Amtsgericht Weinheim in der die Übernahme des Verfahrens ablehnenden Entscheidung ausgeführt, dass dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein eine tragfähige Begründung fehle. Das Fehlen einer tragfähigen Begründung kann zur Annahme einer Willkür der Verweisung ausreichen. Die oben beschriebene Verbindlichkeit eines Verweisungsbeschlusses wird zwar noch nicht dadurch in Frage gestellt, wenn er auf einem Rechtsirrtum des Gerichts beruht oder sonst fehlerhaft ist. Aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 und 101 Abs. 2 GG) kann ein Verweisungsbeschluss jedoch dann nicht als verbindlich hingenommen werden, wenn er auf Willkür beruht, weil ihm jede rechtliche Grundlage fehlt. Für die Annahme von Willkür braucht sich das verweisende Gericht dabei nicht bewusst über Tatsachen oder Rechtsnormen hinweggesetzt zu haben. Weicht es aber von der Gesetzeslage oder der ganz einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum ab, dann muss es dies wenigstens gesehen und die eigene Auffassung begründet haben. Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat seine Auffassung, seine eigene örtliche Zuständigkeit folge nicht aus § 29 ZPO, jedenfalls nicht ausführlich begründet. Dies wäre hier indes erforderlich gewesen, weil es der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum entspricht, dass der Erfüllungsort einer Zahlungsverpflichtung aus einem Unterrichtsvertrag regelmäßig am Ort der zu leistenden Unterrichtung liegt (OLG Karlsruhe NJW-RR 1986, 351 f.; OLG Hamm NJW-RR 1989, 1530 f.; Zöller/Vollkommer ZPO, 26. Aufl., § 29 Rn. 25 "Ausbildungsvertrag"; Münchener Kommentar zum BGB/Krüger, 5. Aufl., § 269, Rn 30; Staudinger/Bittner, BGB, Neubearbeitung 2004, § 269 Rn 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl. § 269 Rn. 14; a.A. Unberath in Bamberger/Roth, BGB, § 269 Rn 19). Träfe dies auch hier zu, so hatte die Klägerin ihr Wahlrecht betreffend die verschiedenen Gerichtsstände (nach §§ 12, 13 ZPO bzw. § 29 ZPO) gemäß § 35 ZPO durch die Angabe im Mahnbescheid, das streitige Verfahren solle vor dem Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein durchgeführt werden, unwiderruflich und verbindlich ausgeübt. Eine Verweisung an das Amtsgericht Weinheim kam dann nicht mehr in Betracht (vgl. BGH NJW 1993, 1273). b) Der Verweisungsbeschluss durch das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein erweist sich gleichwohl nicht als willkürlich, sondern vielmehr als im Ergebnis zutreffend und deshalb bindend. Jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall besteht keine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein nach § 29 ZPO. aa) Der Erfüllungsort einer Verpflichtung aus einem Vertragsverhältnis bestimmt sich - soweit keine Sonderregelungen eingreifen - nach dem Leistungsort gem. § 269 Abs. 1 BGB (BGHZ 157, 20). Leistungsort ist nach § 269 Abs. 1 BGB grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners. Dies gilt nach § 270 Abs. 4 BGB auch für Geldschulden. Da die Beklagte ihren Wohnsitz in Weinheim hat (und auch schon zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides hatte), ist demnach das Amtsgericht Weinheim örtlich zuständig. bb) Ein Leistungs- und damit Erfüllungsort für die eingeklagte Zahlungsverpflichtung in Ludwigshafen am Rhein ergibt sich im hier zu entscheidenden Fall auch nicht nach § 269 Abs. 1 HS. 1 BGB. Die Parteien haben in dem zwischen ihnen schriftlich begründeten Vertrag vom 21. März 2007 keinen besonderen Leistungsort für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten vereinbart. Ein Leistungsort für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten in Ludwigshafen am Rhein ergibt sich jedenfalls hier auch nicht aus der Natur des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses. Insoweit gilt folgendes: Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 157, 20; NJW-RR 2004, 932) besteht für die Gebührenforderung von Rechtsanwälten grundsätzlich kein Gerichtsstand nach § 29 ZPO am Ort des Kanzleisitzes, der sich aus der Natur des Rechtsanwaltsvertrages ergibt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass es für die Zahlung von Geld grundsätzlich keine bestimmte, örtliche Präferenz gebe. Anders als beim klassischen Ladengeschäft des täglichen Lebens führe der Abschluss des Anwaltsvertrags regelmäßig nicht zur gleichzeitigen Erfüllung der gegenseitigen Leistungen. Es sei auch nicht typischerweise so, dass der Anwaltsvertrag seinen räumlichen Schwerpunkt in der Kanzlei des Rechtsanwalts habe, weil er ebenso die Mitwirkung an auswärtigen Verhandlungen erfordern könne (BGH NJW-RR 2004, 932). Eine Parallele zum Bauhandwerksvertrag verbiete sich, weil dort auch der Besteller am Ort des Bauwerkes eine Hauptpflicht, nämlich die Abnahme des Werkes zu erfüllen habe und weil die räumliche Nähe des Gerichts zum Ort des Bauwerks im Hinblick auf eine erforderliche Beweisaufnahme zweckmäßig sei. Auch ein Vergleich mit einem Arbeitsverhältnis verbiete sich, weil es sich dabei um ein auf Dauer angelegtes Schuldverhältnis handele, das insbesondere soziale Fürsorgepflichten des Arbeitgebers begründe. Der Schutz des Arbeitnehmers erfordere es deshalb, dass sein Entgeltanspruch am Ort des Mittelpunktes seiner Berufstätigkeit zu erfüllen sei. Für einen Rechtsanwalt, der seinen Gebührenanspruch geltend macht, bestehe eine solche Schutzbedürftigkeit indes nicht. Diese Argumentation trifft überwiegend und in vergleichbarer Weise auf Unterrichtsverträge zu. Auch hier führt der Abschluss des Vertrages nicht zur gleichzeitigen Erfüllung der beiderseitigen Leistungspflichten. Gründe, die die Zweckmäßigkeit einer örtlichen Nähe des zuständigen Gerichts zum Ort der Unterrichtung im Hinblick auf eine erforderliche Beweisaufnahme begründen, sind nicht ersichtlich. Soziale Gesichtspunkte zugunsten des Unterrichtenden, den Vergütungsanspruch gerade am Ort der Unterrichtung geltend machen zu können, gibt es nicht. Im Unterschied zu einem Anwaltsvertrag besteht bei einem Unterrichtsvertrag allerdings häufig ein räumlicher Schwerpunkt am Ort der Unterrichtung. Der Schüler muss sich an einen bestimmten Unterrichtsort begeben (wobei dahin stehen kann, ob es sich dabei um eine Hauptleistungspflicht des Dienstberechtigten handelt). Dieser Unterrichtsort ist zwischen den Parteien regelmäßig von vorneherein festgelegt. Ob diese "örtliche Präferenz" bei einem Unterrichtsvertrag ausreicht, nach § 269 Abs. 1 BGB aus der Natur dieses Schuldverhältnisses auf einen Leistungsort für die Zahlung der Unterrichtsvergütung am Ort der Unterrichtsleistung zu schließen, kann hier offen bleiben. Soweit die oben zitierte, herrschende Auffassung dies im Ergebnis bejaht, ist darauf hinzuweisen, dass die beiden veröffentlichten Gerichtsentscheidungen vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 157, 20 ergangen sind. Außerdem setzen sich die für die herrschende Auffassung zitierten Literaturstellen nicht mit dieser Entscheidung auseinander. Lediglich die zur gegenteiligen Auffassung gelangende Kommentierung bei Bamberger/Roth (a.a.O) befasst sich hiermit ausführlich. Der Senat lässt offen, ob sich - insbesondere unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - aus der besonderen Natur von Unterrichtsverträgen regelmäßig der Ort der Unterrichtung als Leistungsort für die Zahlung des Unterrichtshonorars ergibt. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung vorgetragen, bundesweit über Niederlassungen zu verfügen und dass der Sohn der Beklagten "ohne weiteres" in ein anderes Lernstudio der Klägerin habe wechseln können. Ist dem aber so, dann hat der zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag auch im Hinblick auf den Ort der Unterrichtung keinen seine Natur ausmachenden, räumlichen Schwerpunkt. Eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein ergibt sich somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, weshalb das Amtsgericht Weinheim als das Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes der Beklagten örtlich zuständig ist.

Ende der Entscheidung

Zurück