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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 2 UF 219/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361

Entscheidung wurde am 07.08.2006 korrigiert: die Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurde hinzugefügt
1. Allein der Umstand, dass der Unterhaltsgläubiger in seiner Erwerbsfähigkeit in einem Maße eingeschränkt ist, nach dem er im Sinne des Sozialhilferechts als vollumfänglich erwerbsunfähig gilt, lässt unterhaltsrechtlich seine Erwerbspflicht im Rahmen der ihm verbleibenden Möglichkeiten nicht entfallen.

2. Die im Rahmen des Trennungsunterhalts gebotene Zurechnung von Gebrauchsvorteilen mietfreien Wohnens richtet sich allein nach dem angemessenen und nicht nach dem objektiven Mietwert. Dies gilt in der Regel für den gesamten Trennungszeitraum und ist nicht das erste Trennungsjahr beschränkt.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 219/05

Verkündet am: 16. Juni 2006

In der Familiensache

wegen Trennungsunterhalts,

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. d. Weinstr. vom 26. Oktober 2005 verurteilt, an die Klägerin folgende Unterhaltsrenten zu zahlen:

1. für Oktober 2003 bis Februar 2004restliche 941,-- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 10. März 2004;

2. für März 2004 bis Mai 2006 über die freiwillig gezahlten monatlich 326,-- € hinaus weitere monatlich

- 225,-- € für März bis Mai 2004,

- 112,-- € für Juni bis November 2004,

- 268,-- € für Dezember 2004,

- 91,-- € für Januar bis Mai 2005,

- 57,-- € für Juni bis Dezember 2005 und

- 0,-- € für Januar bis Mai 2006;

3. ab Juni 2006 monatlich 266,-- €, zahlbar bis zum 3. eines jeden Monats.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten erster Instanz haben die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3, von denen des Berufungsverfahrens die Klägerin 3/5 und der Beklagte 2/5 zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien (Klägerin, geboren am 6. Februar 1950 und Beklagter, geboren am 26. Juni 1947) streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Trennungsunterhalt an die Klägerin für die Zeit ab Oktober 2003.

Sie haben am 26. Juli 1972 geheiratet und leben seit spätestens Juni 2003 getrennt. Ihr gemeinsamer Sohn N...., geboren am 13. Mai 1980, hat im April 2006 seine Ausbildung zum Informatiker an der FH Zweibrücken abgeschlossen und wohnt seither wieder im Elternhaus. Hierbei handelt es sich um ein im Alleineigentum der Klägerin stehendes, von ihr bewohntes Einfamilienhaus in ...., aus dem der Beklagte im Zuge der Trennung ausgezogen ist. Der Beklagte zahlt an den Sohn monatlichen Unterhalt von 439,00 €.

Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Nach Abschluss der Handelsschule war sie von 1966 bis zur Geburt des Sohnes als Schreibkraft beschäftigt. Ab 1987 übte sie diese Tätigkeit wiederum teilschichtig aus. Zuletzt war sie bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zum 30. November 2003 im Umfang von 2 x 4 Stunden wöchentlich in einer Steuerberaterkanzlei tätig und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 322,-- €. Seither ist sie ohne Beschäftigung und ohne Erwerbseinkünfte.

Sie verfügt über Kapitaleinkünfte in Höhe von monatlich 87,66 €.

Für eine Zusatzkrankenversicherung bringt sie monatlich 41,48 € auf.

Der Beklagte war von Januar 1975 bis November 2004 als Versicherungsfachwirt bei der ............. Versicherungs-AG in .............. vollschichtig tätig. Er erreichte seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln; für ein Abonnement der Deutschen Bundesbahn hatte er monatlich 223,50 € aufzubringen. Seit Dezember 2004 ist er im Vorruhestand. Nach der getroffenen Vorruhestandsvereinbarung erhält er bis zum 30. Juni 2010 Vorruhestandsbezüge.

Für eine seit 1975 bestehende Lebensversicherung wendet er monatlich 79,23 €, für eine Krankenzusatzversicherung monatlich 31,17 € auf.

Er hat Zinseinkünfte in Höhe von monatlich 18,17 €.

Der Beklagte zahlte an die Klägerin als Trennungsunterhalt einschließlich für sie entrichtete Versicherungsbeiträge monatlich 563,-- € für Oktober bis Dezember 2003 und monatlich 352,-- € für Januar und Februar 2004. Für März 2004 bis November 2005 zahlte er aufgrund eines im einstweiligen Anordnungsverfahren am 5. Mai 2004 geschlossenen Zwischenvergleichs monatlich 520,-- €. Soweit damit höherer Unterhalt als nach der Hauptsacheentscheidung entrichtet wurde, verpflichtete sich die Klägerin zur Rückzahlung der überschießenden Beträge. Seit Dezember 2005 zahlt der Beklagte die im angefochtenen Urteil errechneten monatlich 435,18 €.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in unterschiedlicher Höhe in Anspruch genommen. Klagegegenständlich waren jeweils lediglich die freiwillige Zahlungen des Beklagten von monatlich 326,-- € übersteigenden Beträge.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Familiengericht hat - nach Beweiserhebung über die Erwerbsfähigkeit der Klägerin - durchgehend für die Zeit ab Oktober 2003 die freiwilligen Zahlungen des Beklagten übersteigende Unterhaltsansprüche zugunsten der Klägerin errechnet und zuerkannt.

Grundlage war das Erwerbseinkommen des Beklagten aus seiner vollschichtigen Tätigkeit, bereinigt um die konkreten Fahrtkosten und den Erwerbsanreiz, bzw. ab Dezember 2004 die anstelle des Erwerbseinkommens getretenen Ruhestandsbezüge. Diese Einkünfte wurden weiter bereinigt um den Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn und die Beiträge zur Lebensversicherung. Bei beiden Parteien wurden bei der Bedarfsbemessung die Zinseinkünfte berücksichtigt. Auf Seiten der Klägerin wurde bis November 2003 ihr tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen und ab Dezember 2003 das auf der Grundlage der Feststellungen der Sachverständigen zur Erwerbsfähigkeit der Klägerin erzielbare Erwerbseinkommen (jeweils bereinigt um die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen und den Erwerbsanreiz) in die Bedarfsbemessung eingestellt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen sei von einer deutlich eingeschränkten Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund einer chronischen und schwerwiegenden Schmerzerkrankung und einer chronifizierten Depressivität auszugehen, so dass ihr nur leichte Tätigkeiten auf geringfügiger Basis zumutbar seien. Zuzurechnen seien ihr daher ab Dezember 2003 lediglich die bis dahin tatsächlich erzielten Einkünfte. Zugerechnet wurde der Klägerin weiter ein Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Anwesen, bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres (Mai 2004) mit dem angemessenen Betrag von monatlich 300,-- €, ab Juni 2004 mit dem (geschätzten) objektiven Wohnvorteil von 577,50 €.

Gegen die Entscheidung des Familiengerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Während die Klägerin die Zahlung höherer Unterhaltsbeträge erstrebt, verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Begehren auf Klageabweisung weiter, da der nach seinen Berechnungen geschuldete Unterhalt unterhalb des - nach dem Begehren der Klägerin nicht zu titulierenden Betrages von monatlich 326,-- € liege.

Die Klägerin wendet sich in erster Linie gegen die fiktive Zurechnung von Erwerbseinkünften. Aufgrund ihrer Erkrankungen könne sie nicht mehr arbeiten; deshalb sei ihr auch das letzte Arbeitsverhältnis gekündigt worden. Da nach den Feststellungen der Sachverständigen von einer Erwerbsfähigkeit unter drei Stunden täglich auszugehen sei, sei sie voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Bei einer Leistungsfähigkeit unter drei Stunden täglich sei ihr der Arbeitsmarkt vollständig verschlossen (Beweis: Sachverständigengutachten). Angesichts ihres Alters und der vorhandenen Beeinträchtigungen könne sie keine Stelle mehr finden (Beweis: Sachverständigengutachten). Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente habe sie nicht. Ab Dezember 2003 könnten ihr als Einkommen daher lediglich der Wohnvorteil (in der vom Amtsgericht festgelegten Höhe) sowie die Zinseinkünfte zugerechnet werden, bereinigt um die Aufwendungen zur Zusatzkrankenversicherung. Daher bestünden zu ihren Gunsten zumindest Unterhaltsansprüche in der verlangten Höhe. Das Familiengericht habe ihre Klage daher zu Unrecht teilweise abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie Trennungsunterhalt zu zahlen wie folgt:

a) für die Monate Oktober 2003 bis einschließlich Februar 2004 rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von insgesamt 1 521,65 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.03.2004,

b) für die Monate März bis Dezember 2004 einen über den freiwillig gezahlten monatlichen Unterhalt in Höhe von 326,-- € hinausgehenden Trennungsunterhalt in Höhe von 475,30 €,

c) für die Monate Januar 2005 bis Mai 2006 einen über den freiwillig gezahlten monatlichen Unterhalt in Höhe von 326,-- € hinausgehenden Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich je 266,81 €,

d) ab dem 1. Juni 2006 Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 592,81 €, fällig jeweils im Voraus bis zum 3. eine jeden Monats.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und (auf seine eigene Berufung) das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Bemessungen und Berechnungen des Familiengerichtes für unzutreffend.

Während sein eigenes Einkommen durchgehend geringer sei als vom Familiengericht ermittelt, sei auf Seiten der Klägerin von zu einem geringen Einkommen ausgegangen worden. Aus einer Tätigkeit im Umfang von zwei bis drei Stunden täglich, die von der Klägerin nach den gutachterlichen Feststellungen zu verlangen sei, könne ein höheres Einkommen als monatlich 322,-- € und zwar zumindest 600,00 € erzielt werden. Bei der Zurechnung fiktiver Einkünfte seien weder berufsbedingte Aufwendungen noch ein Erwerbsanreiz zu bedenken, da die Klägerin tatsächlich nicht erwerbstätig sei. Den von der Klägerin gezogenen Wohnvorteil habe das Familiengericht nicht im Wege der Schätzung ermitteln dürfen, sondern hierzu ein Gutachten einholen müssen. Es sei durchgehend ein Wohnvorteil von monatlich 900,-- € zuzurechnen. Eine zeitliche Differenzierung bis zum Ablauf des ersten Trennungsjahres und für die Zeit danach sei nicht statthaft.

II.

Die Rechtsmittel der Parteien sind verfahrensrechtlich bedenkenfrei.

In der Sache hat die Berufung des Beklagten überwiegend Erfolg, während die der Klägerin nahezu in vollem Umfang unbegründet ist. Der Beklagte schuldet der Klägerin als Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB die im Entscheidungssatz niedergelegten Unterhaltsrenten, die außer für Dezember 2003 hinter den vom Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung titulierten Beträgen zurückbleiben.

Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien, an welchen der Trennungsunterhaltsanspruch der Klägerin zu bemessen ist, waren geprägt durch

- das Erwerbseinkommen des Beklagten,

- den Unterhaltsbedarf des volljährigen Sohnes,

- die beiderseitigen Kapitaleinkünfte,

- den Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Anwesen und

- das Einkommen der Klägerin aus der geringfügigen Beschäftigung bzw. ein ihr im Rahmen bestehender Erwerbsobliegenheit zuzurechnendes Erwerbseinkommen.

1. Auf Seiten des Beklagten sind der Unterhaltsbemessung die in den jeweiligen Zeiträumen erzielten Einkünfte zu Grunde zu legen; mithin bis November 2004 das Erwerbseinkommen, ab Dezember 2004 die an dessen Stelle getretenen Ruhestandsbezüge. Eine unterhaltsrechtliche Vorwerfbarkeit des Eintritts des Beklagten in den Vorruhestand hat das Familiengericht verneint. Einwendungen hiergegen wurden in der Berufung nicht erhoben.

Soweit das Familiengericht auf der Grundlage der vorgelegten Gehaltsbescheinigungen für das Jahr 2003 ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen von 2 950,52 € (incl. Fahrtkostenzuschuss des Arbeitgebers nach Abzug der Arbeitgeberzahlungen zu den vermögenswirksamen Leistungen, des Arbeitnehmeranteils an der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sowie der "VK-Beiträge") errechnet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Insoweit sind die Angriffe des Beklagten unberechtigt.

In der Zeit von Januar bis November 2004 errechnet sich dagegen auf der Grundlage der nunmehr zu den Akten gereichten Gehaltsbescheinigung für November 2004 (nach Abzug der Arbeitgeberzahlungen zu den vermögenswirksamen Leistungen sowie des Arbeitnehmeranteils an Kranken- und Pflegeversicherung und der "VK-Beiträge") lediglich ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen von 2 730,02 € und damit weniger als vom Familiengericht errechnet.

Im Dezember 2004 erhielt der Beklagte bereinigte Vorruhestandsbezüge in Höhe von 2 622,82 € (einschließlich Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung nach Abzug des "VK-Beitrags" sowie der Beiträgezur Kranken- und Pflegeversicherung von 445,04 €).

In 2005 belief sich das (um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bereinigte) durchschnittliche monatliche Ruhegehalt ausweislich der nunmehr vorgelegten Gehaltsbescheinigungen auf 2 268,91 € (Hierbei sind steuerliche Vorteile durch Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings bereits berücksichtigt).

Ab Januar 2006 bezieht der Beklagte ein bereinigtes monatliches Ruhegehalt von 2 034,45 € (unter Berücksichtigung eines Freibetrages wegen Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings aus dem geschuldeten monatlichen Unterhaltsbetrag von 266,-- € - soweit für die Vergangenheit mehr gezahlt wurde, sind die Überzahlungen von der Klägerin zurückzuerstatten).

Das Einkommen des Beklagten ist für den gesamten Unterhaltszeitraum zu bereinigen um

- monatlich 439,-- € Kindesunterhalt,

- 79,23 € Lebensversicherungsbeitrag und

- 31,17 € Beitrag zur Zusatzkrankenkrankenversicherung.

Bis einschließlich November 2004 ist es weiter zu bereinigen um

- berufsbedingte Aufwendungen (konkrete Fahrtkosten) von monatlich 223,50 € und

- den Erwerbsanreiz.

Hinzurechnen sind die Zinseinkünfte des Beklagten von monatlich 18,17 €.

Damit errechnet sich ein bereinigtes Gesamteinkommen des Beklagten von

- (2 950,52 € ./. 439,-- € ./. 79,23 € ./. 31,17 € ./. 223,50 € ./. 1/10 = 1 959,86 € + 18,17 € =) rund 1 978,-- € in 10-12/2003,

- (2 730,-02 € ./. 439,-- € ./. 79,23 € ./. 31.17 € ./. 223,50 € ./. 1/10 = 1 761,40 € + 18,17 € =) rund 1 780,-- € in 01-11/2004,

- (2 622,82 € ./. 439,-- € ./. 79,23 € ./. 31,17 € + 18,17 € =) rund 2 092,-- € in 12/2004,

- (2 268,91 € ./. 439,-- € ./. 79,23 € ./. 31,12 + 18,17 € =) rund 1 738,-- € in 01-12/2005 und

- (2 034,45 € ./. 439,-- € ./. 79,23 € ./. 31,17 € + 18,17 € =) rund 1503,-- € ab 01/2006.

3. a) Auf Seiten der Klägerin ist in die Unterhaltsbemessung bis einschließlich November 2003 das tatsächlich erzielte Einkommen aus ihrer Aushilfstätigkeit einzustellen. Für die Zeit danach sind ihr - bei Zubilligung einer Übergangszeit zum Finden einer neuen Arbeitsstelle nach der erfolgten Arbeitgeberkündigung im Oktober 2003 - im Rahmen der unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestehenden Erwerbsobliegenheit zunächst mit Rücksicht auf den Schutzgedanken des § 1361 Abs. 2 BGB die aus der bis November 2003 innegehaltenen Tätigkeit erzielten Einkünfte und sodann Einkünfte aus ihr zumutbarer Erwerbstätigkeit fiktiv zuzurechnen.

Auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen ist das Familiengericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zwar stark eingeschränkt, jedoch nicht in vollem Umfang aufgehoben ist. Auch unter Berücksichtigung der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen (schwere Schmerzerkrankung und mittelschwere Depression) ist ihr eine Tätigkeit, wie sie sie bis November 2003 ausgeübt hat, also eine solche als Büro- und Schreibkraft, im Umfang von zwei bis drei Stunden täglich zumutbar. Substantiierte Einwendungen gegen diese gutachterlichen Feststellungen, die im Rahmen richterlicher Nachprüfbarkeit keine Fehler erkennen lassen, werden von den Parteien nicht (mehr) erhoben.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie mit einer solchen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit nach den Grundsätzen des Sozialhilferechts als vollumfänglich erwerbsunfähig gelte, ist dies unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung. Insoweit gelten andere Maßstäbe. Aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen ist die Klägerin in der Lage, Büro- und Schreibtätigkeiten auszuüben. Sie trifft unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, diese Fähigkeiten in dem Umfang einzusetzen, der ihr mit Rücksicht auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbleibt. Eine reale Beschäftigungschance für eine solche zumutbare Tätigkeit kann nicht verneint werden. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass das Finden einer Arbeitsstelle bei der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung ihres Alters und der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht einfach ist. Gerade für stundenweise Tätigkeiten im der Klägerin zumutbaren Segment besteht aber durchaus Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, zu denen die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit zu zählen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass es der Klägerin nach Verlust des früheren Arbeitsplatzes bei den von ihr zu fordernden Bemühungen gelungen wäre, eine vergleichbare Arbeitsstelle zu finden. Ihre Tätigkeit hätte sie nach Ablauf des ihr gemäß § 1361 Abs. 2 BGB zuzubilligenden Zeitraums, innerhalb dessen von ihr die Ausweitung der bis zur Trennung innegehabten Arbeitsstelle nicht verlangt werden kann, auf die ihr mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen zumutbare Tätigkeit im Umfang von zwei bis drei Stunden täglich aufstocken können. Da die Klägerin hinreichende Bemühungen zur Erlangung einer solchen Stelle nicht entfaltet, zumindest solche nicht ausreichend dargetan hat, muss sie sich unterhaltsrechtlich so behandeln lassen, als hätte sie eine solche Stelle inne. Aus einer solchen Tätigkeit erzielbare Erwerbseinkünfte sind ihr daher fiktiv zuzurechnen.

Den Zeitraum, innerhalb dessen die Klägerin zur Ausweitung der bis zur Trennung innegehaltenen Tätigkeit nicht verpflichtet war, bemisst der Senat angesichts der mehr als 30 Jahre währenden Ehe der Parteien und der wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie gelebt haben, auf zwei Jahre. Zum Finden einer neuen Stelle nach der im Oktober 2003 ausgesprochenen Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses hält der Senat einen Zeitraum von drei Monaten für angemessen und ausreichend.

Für die Zeit von Februar 2004 bis einschließlich Mai 2005 ist der Klägerin daher fiktiv das bis November 2003 erzielte Einkommen von monatlich 322,-- € zuzurechnen. Ab Juni 2005 sind erzielbare Einkünfte aus einer Tätigkeit im Umfang von zwei bis drei Stunden täglich, das sind monatlich rund 55 Stunden, in Ansatz zu bringen. Bei einem erzielbaren Stundenlohn von rund 9,-- € errechnet sich ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 500,-- €. Nach Abzug der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bliebe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund 400,-- €. Ein solches Einkommen könnte die Klägerin auch aus einer Tätigkeit im Bereich geringfügiger Beschäftigung, welches nicht der vollen Sozialpflichtigkeit unterliegt und für dessen Erlangung die Chancen am Arbeitsmarkt besser sein dürften, erzielen. Für die Zeit ab Juni 2006 ist der Klägerin mithin ein durchschnittliches monatliches Nettoerwerbseinkommen von 400,-- € fiktiv zuzurechnen.

Zu bereinigen ist das Erwerbseinkommen der Klägerin - sowohl das tatsächliche als auch das fiktiv zugerechnete - um die Aufwendungen zur Zusatzkrankenversicherung von monatlich 41,48 €, die Pauschale von 5 % für berufsbedingte Aufwendungen und den Erwerbsanreiz.

Auf Seiten der Klägerin sind damit bereinigte Erwerbseinkünfte in Höhe von

- (322,-- € ./. 41,48 € ./. 5 % ./. 1/10 =) rund 240,-- € in 10+11/2003 sowie 02/2004 bis 05/2005 und

- (400,-- € ./. 41,48 € ./. 5 % ./. 1/10 =) rund 307,-- € ab 06/2005 zuzurechnen.

- Für 12/2003 und 01/2004 unterbleibt die Zurechnung von Erwerbseinkünften.

b) Zuzurechnen ist der Klägerin weiter der Gebrauchsvorteil des mietfreien Wohnens im eigenen lastenfreien Anwesen.

Im Rahmen des hier streitgegenständlichen Trennungsunterhalts erfolgt eine Zurechnung nicht in Höhe des objektiven Mietwerts der seit dem Auszug des Beklagten allein von der Klägerin bewohnten früheren Ehewohnung, sondern lediglich in Höhe des Betrages, den die Klägerin für eine den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene kleinere Wohnung als Miete aufwenden müsste. Nach ständiger Rechtsprechung (auch des Senats) ist die Zurechnung des geringeren angemessenen Wohnvorteils nicht auf das erste Trennungsjahr beschränkt. Sie ist in der Regel für die gesamte Trennungszeit geboten, weil dem in der früheren Ehewohnung zurückgebliebenen Ehepartner vor Scheidung der Ehe eine Veräußerung und/oder (Teil-)Vermietung der für seine Bedürfnisse zu großen Ehewohnung nicht zuzumuten ist. Nur ausnahmsweise - etwa in Fällen der Aufnahme eines neuen Partners in die Ehewohnung oder wenn aufgrund besonderer Umstände mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft schon vor Rechtskraft der Ehescheidung nahezu sicher nicht mehr gerechnet werden kann oder auch bei äußerst langer Trennungszeit - kann die Zurechnung des objektiven Wohnvorteils bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung gerechtfertigt sein.

Der angemessene Wohnvorteil ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles zu schätzen. Dem Zustand der Ehewohnung kommt dabei keine wesentliche Bedeutung zu.

Ihren an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteten Bedürfnissen genügenden Wohnraum könnte die Klägerin nach Schätzung des Senates mit einem monatlichen Mietzins von rd. 400,00 € befriedigen; unter Berücksichtigung der verbrauchsunabhängigen Hausnebenkosten bemisst der Senat daher den bereinigten angemessenen Wohnvorteil mit monatlich 350,00 €. Ab Juni 2004 ist er vom Familiengericht angesetzte und von der Klägerin im Rahmen ihrer Berufung zugestandene Wohnvorteil von monatlich 577,50 € zugrunde zu legen.

c) Bei der Bedarfsbemessung weiter zu berücksichtigen sind Zinseinkünfte der Klägerin von monatlich 87,66 €.

d) Das bereinigte Gesamteinkommen der Klägerin beläuft sich damit auf

- (240,00 € + 350,00 € + 87,66 € =) rund 678,00 € in 10 und 11/2003 sowie 02 bis 05/2004,

- (350,00 € ./. 41,48 € + 87,66 € =) rund 396,00 € in 12/2003 und 01/2004,

- (240,00 € + 577,50 € + 87,66 € =) rund 905,00 € in 06/2004 bis 05/2005 und

- (307,00 € + 577,50 € + 87,66 € =) rund 972,00 € ab 06/2005.

3. Die Klägerin hat Anspruch auf Trennungsunterhalt in Höhe der hälftigen Differenz der beiderseitigen bereinigten Gesamteinkünfte der Parteien.

Für die Zeit von Oktober 2003 bis Februar 2004 ist der Trennungsunterhaltsanspruch in Höhe der erbrachten Teilleistungen erfüllt.

Die vom Beklagten in der Vergangenheit für die Zeit ab März 2004 aufgrund des im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Zwischenvergleichs bzw. ab Dezember 2004 auf der Grundlage des angefochtenen Urteils erbrachten Unterhaltszahlungen sind, da nicht mit Erfüllungswirkung geleistet, im Rahmen der Unterhaltsberechnung unberücksichtigt zu lassen.

Soweit die erbrachten Leistungen den geschuldeten Unterhalt übersteigen, ist die Klägerin entsprechend der getroffenen Vereinbarung im Zwischenvergleich zur Rückzahlung der überzahlten Beträge an den Beklagten verpflichtet.

Hinsichtlich des Unterhaltes für die Zeit von März 2004 bis Mai 2006 war zudem zu berücksichtigen, dass die Klägerin lediglich die Titulierung der den freiwillig geleisteten Sockelbetrages von monatlich 326,00 € übersteigenden Unterhaltsrenten begehrt (§ 308 Abs. 1 ZPO).

Für die Zeit ab Juni 2006 ist entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin der Gesamtbetrag des geschuldeten Trennungsunterhaltes zuzuerkennen.

Danach errechnen sich zugunsten der Klägerin folgende (Rest-)Ansprüche für die Zeit ab Oktober 2003:

- 10 und 11/03:

Geschuldet sind (1 978,00 € ./. 678,00 € : 2 =) 650,00 €; hierauf hat der Beklagte 563,00 € gezahlt (entsprechend seinem erstinstanzlichen belegten Sachvortrag - Schriftsatz vom 20. April 2004 nebst Anlagen -. Die Klägerin ist dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht - mehr - entgegengetreten. Soweit sie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 13. Juni 2006 erstmals Zahlungen bestreitet, gibt dies dem Senat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Geschuldet sind damit noch monatlich 87,00 €.

- 12/03:

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin beläuft sich auf (1 978,00 € ./. 396,00 € : 2 =) 791,00 €; gezahlt wurden 563,00 €; es verbleibt noch ein Restanspruch von 228,00 €

- 01/2004:

Der Anspruch der Klägerin beläuft sich auf (1 780,00 € ./. 396,00 € : 2 =) 692,00 €; nach Abzug der gezahlten 352,00 € verbleibt ein Restanspruch von 340,00 €.

- 02/2004:

Die Klägerin hat Anspruch auf (1 780,00 € ./. 678,00 € : 2 =) 551,00 €; nach Abzug der gezahlten 352,00 € verbleibt ein Restanspruch von 199,00 €.

Insgesamt besteht damit für die Zeit von Oktober 2003 bis Februar 2004 zugunsten der Klägerin noch ein Restanspruch in Höhe von 941,00 €.

- 03 bis 05/2004:

Die Klägerin hat Anspruch auf (1 780,00 € ./. 678,00 € : 2 =) 551,00 €; zu titulieren waren entsprechend dem Begehren der Klägerin (551,00 € ./. 326,00 € =) 225,00 €.

- 06 bis 11/2004:

Der Unterhaltsanspruch beläuft sich auf (1 780,00 € ./. 905,00 € : 12 =) 438,00 €; zu titulieren sind 112,00 €.

- 12/2004:

Die Klägerin hat Anspruch auf (2 092,00 € ./. 905,00 € : 2 =) 594,00 €; zu titulieren sind 268,00 €.

- 01 bis 05/2005:

Der Anspruch der Klägerin beläuft sich auf (1 738,00 € ./. 905,00 € : 2 =) 417,00 €; zu titulieren sind 91,00 €.

- 06 bis 12/2005:

Die Klägerin hat Anspruch auf (1 738,00 € ./. 972,00 € : 2 =) 383,00 €; zu titulieren sind 57,00 €.

- 01 bis 05/2006:

Es errechnet sich ein Trennungsunterhaltsanspruch von (1 503,00 € ./. 972,00 € : 2 =) 266,00 €; damit bleibt der geschuldete Unterhalt hinter dem nicht klagegegenständlichen Sockelbetrag von 326,00 € zurück, so dass kein Unterhalt zuzusprechen ist.

- Ab 06/2006 sind entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag der Klägerin die geschuldeten 266,00 € zuzuerkennen.

4. Der Zinsausspruch rechtfertigt sich aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§§ 543 Abs. 2 ZPO).

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7 074,72 € festgesetzt (einschließlich Rückstände für 10/03 bis 02/04: 1 521,29 € + 10 x 475,30 € + 3 x 266,81 €).

Ende der Entscheidung

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