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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 22.06.2007
Aktenzeichen: 2 UF 26/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1579 Nr. 7 a.F.
Zur Frage der Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Zusammenlebens mit einem neuen Partner bei Bestehen unterschiedlicher Wohnungen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 2 UF 26/07

Verkündet am: 22. Juni 2007

In der Familiensache

wegen Abänderung eines Titels über nachehelichen Unterhalt

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Reichling und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 12. Januar 2007 geändert:

Der gerichtlich protokollierte Vergleich vom 7. Juni 2002 (Az. 5 d F 324/01 AG Ludwigshafen am Rhein) wird in seiner Ziffer 2. dahin abgeändert, dass der Beklagten ab dem 1. September 2006 kein nachehelicher Unterhalt mehr zusteht. II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am ... geheiratet und sind seit ... rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe ist der gemeinsame Sohn M..., geb. am ..., hervorgegangen, der bei der Beklagten lebt.

Im Scheidungsverfahren (5 d F 324/01) haben die Parteien am 7. Juni 2002 folgenden gerichtlich protokollierten Vergleich über den nachehelichen Unterhalt geschlossen:

"1. Der Antragsteller zahlt für M... M..., geb. am ..., ab Rechtskraft der Ehescheidung an dessen Mutter eine Unterhaltsrente von 288,00 €, wobei das Kindergeld bereits hälftig verrechnet ist. Der Barunterhaltsbedarf ist der Gruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle von 2001 entnommen worden.

2. Der Antragsteller zahlt an die Antragsgegnerin für die Zeit ab Rechtskraft der Ehescheidung eine Unterhaltsrente von 477,00 €.

Grundlage des Vergleichs ist ein Nettoeinkommen des Antragstellers von 1 737,00 € nach Vorabzug des Kindesunterhalts und eines Erwerbstätigkenbonus von einem Siebtel.

Das Einkommen der Antragsgegnerin ist mit 950,00 € eingestellt worden in die Berechnung, wovon eine 1/7-Quote in Abzug gebracht wurde.

3. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."

Mit Klageschrift vom 4. September 2006, der Beklagten zugestellt am 25. September 2006, hat der Kläger Abänderung des gerichtlich protokollierten Vergleichs vom 7. Juni 2002 in der Weise begehrt, dass er ab 1. September 2006 der Beklagten keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.

Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte lebe mindestens seit Sommer des Jahres 2003 mit dem Zeugen R... A... eheähnlich zusammen, weswegen weitere Unterhaltszahlungen an die Beklagte für ihn unzumutbar geworden seien.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat behauptet, sie lebe mit dem Zeugen R... A... nicht in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen; man sei dagegen lediglich miteinander befreundet und halte bewusst die Lebensbereiche getrennt voneinander.

Das Familiengericht hat den Zeugen R... A... zu diesem Beweisthema vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Familiengerichts vom 28. November 2006 (Bl. 133 bis 135 d.A.) Bezug genommen.

Das Familiengericht hat die Abänderungsklage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB liege nicht vor, weil die Beklagte ihre Beziehung zu dem Zeugen R... A... bewusst auf Distanz halte.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, mit der dieser sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte unterhalte mindestens seit Sommer 2003 eine eheähnliche Beziehung zu dem Zeugen R... A...; aus dessen Bekundung ergebe sich, dass man bereits im Sommer 2003 einen gemeinsamen Urlaub verbracht habe. Seitdem trete man als Paar in der Öffentlichkeit auf. Der Zeuge habe beispielsweise auch die Eigentumswohnung der Beklagten renoviert.

Anhand seiner - des Klägers - gemachten Fotos mit Daten sei erkennbar, dass der Zeuge Albert viel häufiger bei der Beklagten übernachtet habe, als von diesem zugestanden.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte könne im Hinblick auf das Alter von M... mittlerweile vollschichtig arbeiten.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und weist darauf hin, dass sie seit Februar 2007 ihre Arbeit von 20 Stunden auf 25 Stunden pro Woche ausgeweitet hat.

II.

Das - zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache vollen Erfolg.

1. Zur richtigen Klageart

Die vom Kläger erhobene Abänderungsklage im Sinne von § 323 ZPO ist die richtige Klageart (vgl. Palandt/Brudermüller BGB 66. Aufl., Rdnr. 58 zu § 1579 BGB; BGH NJW 1997, 1851; OLG Köln FamRZ 2001, 1717). Da Abänderung eines gerichtlich protokollierten Vergleichs begehrt wird, gilt die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 BGB nicht, d. h. Abänderung kann auch schon für die Zeit vor Zustellung der Klage am 25. September 2006 begehrt werden.

2. Zum Vorliegen eines Verwirkungsgrundes im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB

Der Senat geht schon aufgrund der Bekundung des Zeugen R... A... in Verbindung mit den detektivischen Beobachtungen des Klägers - dokumentiert durch zahlreiche Fotos vom Pkw des Zeugen vor dem Anwesen der Beklagten - davon aus, dass hier ein Verwirkungstatbestand im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB vorliegt.

Da der Senat die Glaubwürdigkeit des Zeugen A... in gleicher Weise beurteilt wie das Familiengericht, aus dessen Bekundung jedoch andere rechtliche Schlussfolgerungen zieht, erübrigt sich eine erneute Vernehmung dieses Zeugen im zweiten Rechtszug (vgl. Gummer/Heßler, ZPO 26. Aufl. Rdnr. 8 zu § 529 ZPO m.w.N.; BGH NJW 1997, 466).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann das Zusammenleben des Unterhaltsberechtigten mit einem neuen Partner dann zur Annahme eines Härtegrundes im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB - mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren (uneingeschränkten) Unterhaltsbelastung für den Verpflichteten - führen, wenn sich diese Beziehung in einem solchen Maß verfestigt, dass damit gleichsam ein nichteheliches Zusammenleben an die Stelle einer Ehe getreten ist. Nach welchem Zeitablauf - und unter welchen weiteren Umständen - dies angenommen werden kann, lässt sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer, die im Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen dürfte, wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur "probeweise" zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft leben und nach dem Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit diese Lebensform bewusst auch für ihre weitere Zukunft gewählt haben. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann kann von dem Zeitpunkt an, in dem sich das nicht eheliche Zusammenleben der neuen Partner als solchermaßen verfestigte Verbindung darstellt, die Bedeutung der geschiedenen Ehe als Grund für eine fortdauernde unterhaltsrechtliche Verantwortung des Verpflichteten gegenüber seinem geschieden Ehegatten zurücktreten, und es kann für den Verpflichteten objektiv unzumutbar werden, den früheren Ehegatten unter derartig veränderten Lebensumständen gleichwohl weiterhin (uneingeschränkt) unterhalten zu müssen (siehe BGH NJW 1997, 1851, 1852 m.w.N.).

Schon aufgrund der Bekundung des Zeugen R... A... geht der Senat davon aus, dass die Beklagte mindestens seit dem Sommer des Jahres 2003, als man den ersten gemeinsamen Urlaub verbrachte, in einer solchen verfestigten Lebensbeziehung mit dem Zeugen lebt. So verbringt der Zeuge mehr als die Hälfte seiner Freizeit in der Wohnung der Beklagten oder ist mit dieser zusammen. Gleiches gilt für die Wochenenden sowie die Feiertage. Das Paar dokumentiert seine Beziehung auch nach außen. Hierfür sprechen gemeinsame Urlaube mit Bekannten sowie die Tatsache, dass die Beklagte über mehrere Monate hinweg ihren Stellplatz vor ihrer Eigentumswohnung (auch) für den Pkw des Zeugen reservierte, indem sie ein Schild mit dem Autokennzeichen seines Autos anbrachte.

Der Annahme einer verfestigten Lebensbeziehung steht nicht entgegen, dass der Zeuge A... eine eigene Wohnung besitzt (vgl. BGH aaO). Gleiches gilt, soweit der Zeuge bekundet hat, er verbringe seine Freizeit auch teilweise ohne die Beklagte im Fitnessstudio oder treffe sich mit Kollegen. Dies erhellt bereits daraus, dass auch Ehepaare gelegentlich unterschiedliche Interessen haben und ihre Freizeit nicht ständig gemeinsam verbringen.

Angesichts des objektiven Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit geht der Senat - entgegen der Annahme des Familiengerichts - nicht davon aus, dass das Paar seine Beziehung bewusst auf Distanz hält.

Da diese Beziehung nunmehr schon mehr als drei Jahre andauert, liegt auch das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderte Zeitmoment vor.

Das bestehende eheähnliche Verhältnis führt ab September 2006 zur vollständigen Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Die Beklagte verfügte im Jahr 2006 über eigene Nettoeinkünfte in Höhe von gerundet monatlich 998,00 € bzw. ab dem Monat Februar 2007 nach Ausweitung ihrer Berufstätigkeit sogar über solche in Höhe von monatlich gerundet 1 215,00 €. Da diese Einkünfte den notwendigen Selbstbehalt in Höhe von monatlich 890,00 € nicht unerheblich übersteigen, sind die Belange des von der Beklagten betreuten Sohnes M..., der am 7. April 2007 dreizehn Jahre alt geworden ist, bei einer Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts "auf Null" nicht zu besorgen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

Beschluss

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6 201,00 € (13 Monate x 477,00 €) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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