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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.11.2001
Aktenzeichen: 2 WF 91/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 769
ZPO § 323
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung setzt nicht voraus, dass für den Antragsteller im Hauptverfahren (hier: Abänderungsklage nach § 323 ZPO) überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Es ist vielmehr an der herrschenden Meinung in Kommentarliteratur und obergerichtlicher Rechtsprechung festzuhalten, wonach diese Erfolgsaussichten bei der Einstellungsentscheidung zwar zu berücksichtigten sind, die einstweilige Umstellung aber nur dann von vornherein ausgeschlossen ist, wenn solche Erfolgsaussichten völlig fehlen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 2 WF 91/01

In der Familiensache

wegen nachehel. Unterhalt; Abänderungsklage u.a. hier: einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung

hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Giersch, den Richter am Oberlandesgericht Burger und die Richterin am Oberlandesgericht Geib-Doll auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30. Oktober 2001, bei Gericht eingegangen am 31.Oktober 2001, gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ludwigshafen am Rhein vom 18. Oktober 2001, dem Beschwerdeführer zugestellt am 26. Oktober 2001,

ohne mündliche Verhandlung am 19. November 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 5803,20 DM festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde erzielt in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Nach vom Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung und in ständiger Rechtsprechung vertretener Auffassung führt zwar die gegen Entscheidungen über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO (hier: i.V.m. § 323 ZPO) gerichtete sofortige Beschwerde nur zu einer inhaltlich eingeschränkten Überprüfung. Die Beschwerde hat nur dann Erfolg, wenn vorinstanzlich Ermessensfehler begangen wurden oder sonst eine greifbar gesetzwidrige Entscheidung getroffen ist (vgl. statt aller: Zöller, ZPO 22. Aufl. § 769 Rn. 13).

Ein solcher Fall ist hier aber gegeben. Das Familiengericht hat angenommen, Voraussetzung für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sei die Feststellung überwiegender Erfolgsaussichten der Abänderungsklage. Damit ist ein unzutreffender Maßstab angelegt.

Der Erstrichter befindet sich mit der von ihm vertretenen Auffassung zwar im Einklang mit dem OLG Karlsruhe (FamRZ 1999, 1000, 1001) und der Kommentierung von Zöller-Herget (aaO. § 769 Rn. 6); dieser kann sich allerdings zum Beleg nur auf das OLG Karlsruhe (aaO.) stützen und nicht auch auf die von ihm weiter genannten Entscheidungen des KG (NJW 1995, 1035) und des OLG Zweibrücken (5. Zivilsenat; FamRZ 1987, 820, 821); die letztgenannte Fundstelle hat auch der Erstrichter unrichtigerweise zum Beleg seiner Auffassung angeführt.

Diese beiden Entscheidungen entsprechen vielmehr der ganz herrschender Meinung in Kommentarliteratur in obergerichtlicher Rechtsprechung, die auch vom Senat ständig vertreten wird. Danach sind die Erfolgsaussichten im Hauptverfahren zwar bei der - nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffenden - Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung selbstverständlich zu berücksichtigen. Die Einstellung ist dabei aber nur dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die Erfolgsaussichten völlig fehlen, während es im Übrigen auf die gegenseitige Abwägung der Schutzbedürfnisse von Gläubiger und Schuldner ankommt (vgl. Wieczorek-Schütze, ZPO 3. Aufl. § 769 Rn. 17; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 769 Rn. 11 und § 707 Rn. 5, MK-ZPO 2. Aufl. § 769 Rn. 16; Musielak, ZPO 2. Aufl. § 769 Rn. 3 und § 707 Rn. 7; Baumbach u.a., ZPO 59. Aufl. § 769 Rn. 6; Thomas-Putzo, ZPO 23. Aufl. § 769 Rn. 8; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 2. Aufl. § 769 Rn. 8; sowie aus der Rechtsprechung neben KG und OLG Zweibrücken aaO.: OLG Hamburg FamRZ 1995, 745; OLG Köln NJW-RR 1987, 189; OLG Stuttgart DAVorm. 1985, 716; OLG Schleswig SchlHA 1977, 204).

Der Senat sieht auch künftig keinen Anlass, von dieser h.M. abzuweichen. Die vom Erstrichter vertretene Auffassung würde zu einer erheblichen Einschränkung der Möglichkeit einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung führen. Diese wäre in den meisten Fällen schon dann ausgeschlossen, wenn im Hauptverfahren eine Beweisaufnahme erforderlich ist; anders wäre es nur dann, wenn im Rahmen einer - grundsätzlich zulässigen (vgl. nur Musielak aaO., § 707 Rn. 7) - vorweggenommenen Beweiswürdigung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Ausgang der Beweisaufnahme in der einen oder anderen Richtung angenommen werden könnte. Dagegen ermöglicht die h.M. eine flexible Handhabung nach Abwägung des beiderseitigen Schutzbedürfnisses, in die selbstverständlich auch das etwa festzustellende Ausmaß der jeweiligen Erfolgsaussichten einzufließen hat.

Die angefochtene Entscheidung entbehrt nach alledem aus der Sicht des Senats einer hinreichenden Grundlage und kann daher nicht bestätigt werden. Für eine Einschränkung des Ermessensspielraums dahingehend, dass nur eine einzige Entscheidung in der einen oder anderen Richtung ermessensfehlerfrei möglich wäre (Ermessensreduzierung auf Null), bestehen keine Anhaltspunkte. Da der Senat sich nicht befugt sieht, sein eigenes Ermessen hinsichtlich der vom Berufung beantragten einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung an die Stelle der Entscheidung des Familiengerichts zu setzen, wird die Sache somit unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zurückverwiesen.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Familiengericht im Rahmen der erneuten Sachentscheidung mit zu befinden. Den Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst der Senat in ständiger Handhabung mit 1/5 des Wertes der Hauptforderung (§ 17 GKG); er ermittelt sich somit hier - ohne Ansatz des Rückstandes und des Krankenvorsorgeunterhalts, denen für die jetzt begehrte Einstellung der Zwangsvollstreckung offenbar keine Bedeutung zukommt - mit 2418 DM* 12/5 = 5803,20 DM.

Ende der Entscheidung

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