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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.07.2002
Aktenzeichen: 3 W 131/02
Rechtsgebiete: WEG, ZPO, KostO


Vorschriften:

WEG § 24 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 270 Abs. 3 a.F.
ZPO § 167 n.F.
KostO § 8 Abs. 2 Satz 1
Zur Wahrung der materiellen Ausschlussfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG ist grundsätzlich § 270 Abs. 3 ZPO (jetzt § 167 ZPO) entsprechend anwendbar.

Da jedoch bei der Beschlussanfechtung der Fortgang des Verfahrens nicht ohne weiteres von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden kann, führt eine aus der verspäteten Einzahlung folgende Verzögerung der Zustellung nicht zur Fristversäumung. Das gilt auch, wenn daneben weitere Unterlagen ( hier: Eigentümerliste und Abschriften für diese Eigentümer) gefordert wurden.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 131/02

In denn Verfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

wegen Beschlussanfechtung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Cierniak auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 19. Juni 2002 gegen den ihren Verfahrensbevollmächtigten am 7. Juni 2002 zugestellten Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 28. Mai 2002

ohne mündliche Verhandlung

am 19. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Bad Kreuznach zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.195,33 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit ihrem am 6. Oktober 2000 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Beteiligte zu 1) von den übrigen Wohnungseigentümern, vertreten durch den Verwalter, mehrere in der Eigentümerversammlung vom 8. September 2000 gefasste Beschlüsse für ungültig zu erklären. Auf den Hinweis des Amtsgerichts vom 16. Oktober 2000, für die weitere Bearbeitung des Antrags seien eine vollständige Wohnungseigentümerliste, eine ausreichende Anzahl von Abschriften für diese Wohnungseigentümer sowie näher bestimmte Vorschüsse für Zustellung je Eigentümer und das Verfahren erforderlich, hat die Beteiligte zu 1) erst mit einem am 25. Januar 2001 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz reagiert und die geforderten Unterlagen eingereicht sowie den Vorschuss gezahlt. Die Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer erfolgte sodann am 2. bzw. 3. Februar 2001.

Das Amtsgericht hat über die Anträge sachlich entschieden und sie zurückgewiesen; die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Nach Ansicht des Landgerichts ergibt sich dies bereits daraus, dass die Beteiligte zu 1) die Antragsfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG versäumt hat. Nachdem zwischen Eingang des Antrags und der Zustellung nahezu 4 Monate gelegen hätten, könne letztere nicht mehr als "demnächst erfolgt" angesehen werden. Insoweit gehe es zu Lasten der Beteiligten zu 1), dass sie den vom Amtsgericht zu Recht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO geforderten Verfahrenskostenvorschuss nicht alsbald eingezahlt habe.

Mit ihrer hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1) ihre Anfechtungsanträge weiter. Gegenüber den Ausführungen des Landgerichts macht sie in erster Linie geltend, im Beschlussanfechtungsverfahren sei eine Vorschussanforderung nicht zulässig.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, 2(r) Abs. 1 und 2, 22 Abs. 1 FGG). Insbesondere unterliegt es nach der Weilfestsetzung durch das Landgericht keinen Bedenken, dass der in § 45 Abs. 1 WEG vorausgesetzte Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht ist.

2. In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO. Denn die Erwägungen des Landgerichts zur Versäumung der Anfechtungsfrist halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Im Ausgangspunkt geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass die materielle Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG entsprechend § 270 Abs. 3 ZPO (jetzt: § 167 ZPO) mit der Einreichung des Antrags bei Gericht nur gewahrt ist, soweit seine Zustellung demnächst erfolgt. Richtig ist zwar, dass in Rechtsprechung und Literatur die Zustellung an die übrigen Beteiligten zum Teil nicht für erforderlich gehalten wird (vgl. AG Neuss WE 1996, 38; KG WuM 1991, 369; Palandt/Bassenge BGB 61. Aufl. § 23 WEG Rdnr. 27 und § 43 WEG Rdnr. 14). Insoweit folgt der Senat aber - ebenso wie bereits das Landgericht - der Auffassung des Bundesgerichtshofs unter Hinweis auf die Kommentierung bei Staudinger (vgl. BGH NJW 1998, 3648; OLG Köln ZMR 2001, 661). Auch wenn das WEG-Verfahren grundsätzlich nach den Vorschriften des FGG zu behandeln ist, handelt es sich um so genannte echte Streitsachen, die als solche den zivilprozessualen Streitigkeiten sehr nahe stehen (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 44 Rdnr. 3). Die ordnungsgemäße Beteiligung der Gegenseite gebietet daher - wie auch im Zivilprozess - eine Zustellung (vgl. Wenzel, in: BUB u.a., WEG § 43 Rdnr. 42 und Vorbem. zu §§ 43 ff. Rdnr. 28).

b) Nicht gefolgt werden kann hingegen der Ansicht des Landgerichts, soweit dieses die verspätete Zahlung des Verfahrensvorschusses - entsprechendes muss für den Auslagenvorschuss gelten (vgl. BayObLGZ 1971, 288, 291 ff.) - der Beteiligten

zu 1) zugerechnet hat. Entgegen der Auffassung der Kammer besteht nämlich im WEG-Beschlussanfechtungsverfahren grundsätzlich keine allgemeine Vorschusspflicht. Die Anforderung des Vorschusses durch das Gericht erweist sich hier somit als vermeidbare Verzögerung im Geschäftsablauf; eine solche geht nicht zu Lasten der Beteiligten zu 1) als Antragstellerin (vgl. etwa BGH NJW 1984, 242; MDR 2000, 897; NJW 2001, 885, 887; OLG Köln ZMR 01, 661, 662; OLG Hamm NZM 2002, 562).

aa) Ob das Beschlussanfechtungsverfahren in Wohnungseigentumssachen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO von der Einzahlung bzw. Sicherstellung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden kann, ist allerdings - was die Kammer nicht verkennt - umstritten (vgl. zum Meinungsstreit zusammenfassend BayObLG NJW-RR 2001, 1234). Dass als Folge der verzögerten bzw. ausbleibenden Zahlung die Anfechtungsfrist - wie hier - ohne Fristsetzung und vorherigen Hinweis (vgl. dazu AG Kerpen WuM 1996, 446; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 48 Rndr. 74; v. Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518, 519) als versäumt anzusehen ist, wird jedoch - soweit ersichtlich - nur in der Kommentierung von Niedenführ/Schulze (WEG 5. Aufl. Vor §§ 43 ff. Rdnr. 129) vertreten. Ansonsten entspricht es einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Fortgang des Beschlussanfechtungsverfahrens grundsätzlich nicht von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden kann (vgl. BayObLG NJW-RR 2001, 1234, 1235 und BayObLGZ 1971, 289, 293; OLG Köln ZMR 2001, 661, 662 und WE 1995, 241; OLG Düsseldorf WE 1998, 308, 309 und 309, 310; KG NJW-RR 1998, 370, 371; Wenzel aaO §48 Rdnr. 6). Dem schließt sich der Senat an. Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 KostO gilt die Vorschusspflicht u.a. nicht, wenn das Verlangen nach vorheriger Zahlung oder Sicherstellung der Kosten nicht angebracht erscheint. Davon ist für das Beschlussanfechtungsverfahren auszugehen, weil es ansonsten dem Anfechtenden durch Nichtzahlung möglich wäre, die Bestandskraft eines Eigentümerbeschlusses in der Schwebe zu halten. Verzögerungen über die Anfechtungsfrist hinaus wären aber mit den schützenswerten Interessen der übrigen Eigentümer, alsbald Klarheit über die Wirksamkeit eines Beschlusses zu erhalten, nicht zu vereinbaren (vgl. BayObLGZ 1971, 289, 292; NJW-RR 2001, 1233, 1234; OLG Düsseldorf WE 1998, 308, 309, 310). Das gilt auch, sofern bei verzögerter Zahlung eine Zurückweisung des Antrags in entsprechender Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO a.F. bzw. § 167 ZPO n.F. erfolgen kann. Denn auch in diesem Fall werden die übrigen Wohnungseigentümer u.U. erst nach einem längeren Zeitraum von der Anfechtung in Kenntnis gesetzt werden.

bb) Ob etwas anderes im Fall des Setzens einer nur kurzen Beibringungsfrist für die Vorschusszahlung mit Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtbeachtung (vgl. AG Kerpen WuM 1996, 446; Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 48 Rndr. 74; v. Rechenberg/Riecke, MDR 1997, 518, 519) gelten könnte, kann dahingestellt bleiben; denn hier hat das Amtsgericht der Beteiligten zu 1) weder eine Frist zur Zahlung des Vorschusses gesetzt noch hat es auf die Rechtsfolgen einer Säumnis hingewiesen.

c) Soweit darüber hinaus bei Nichteinzahlung des geforderten Kostenvorschusses in Ausnahmefällen das, Anfechtungsrecht verwirkt sein soll (vgl. etwa KG NJW-RR 1998, 370, 371; BayObLG NJW-RR 2001,1233,1235; Niedenführ/Schulze aaO Vor. §§ 43 ff. Rdnr. 130), liegt ein solcher Sachverhalt ersichtlich nicht vor. Der Kostenvorschuss ist etwa drei Monate nach Aufforderung durch das Amtsgericht eingezahlt worden. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Beteiligte zu 1) das Verfahren über einen langen Zeitraum hinweg nicht weiter betrieben hat. Ungeachtet dessen wird auch in diesen Fällen ein vorheriger Hinweis auf die Rechtsfolge für erforderlich gehalten (vgl. KG und BayObLG jew. aaO). Ein solcher ist - wie bereits dargelegt - nicht erfolgt.

d) Schließlich rechtfertigt das Ausbleiben der neben dem Kostenvorschuss geforderten Unterlagen (Eigentümerliste und Abschriften für diese Eigentümer) ebenfalls nicht die Annahme einer der Beteiligten zu 1) zuzurechnenden Verzögerung. Insoweit lässt sich schon kein ursächlicher Zusammenhang mit der verspäteten Zustellung feststellen. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Amtsgericht bei Vorlage der Liste und der Abschriften die Zustellung an die übrigen Wohnungseigentümer früher veranlasst hätte. Ausweislich der Verfügung vom 16. Oktober 2000 ist die weitere Bearbeitung von der Erfüllung sämtlicher Voraussetzung abhängig gemacht. Mithin hat sich die verspätete Vorlage der Liste bzw. der Abschriften nicht auf die Verzögerung der Zustellung ausgewirkt, so dass offen bleiben kann, ob hier nicht die Zustellung einer Ausfertigung der Antragsschrift an den Beteiligten zu 3) als Verwalter ausgereicht hätte, § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG (vgl. BGH NJW 1981, 282, 283; OLG Köln OLGR 2002, 215).

3. Die Rechtsverletzung nötigt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Da bisher das Landgericht nicht in eine Sachprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse eingetreten ist, hält es der Senat für geboten, die Sache zur Klärung der Tatsachen und erneuter Entscheidung nach dorthin zurückzuverweisen. Dabei wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden sein.

III.

Den Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß § 48 Abs. 3 WEG in Anlehnung an die unbeanstandet gebliebene Wertfestsetzung des Landgerichts bestimmt.

Ende der Entscheidung

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