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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 3 W 17/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 1
FGG § 68 b Abs. 1
FGG § 68 a Abs. 1
FGG § 68 a Abs. 12
1. Die Errichtung einer Betreuung bedarf - abgesehen von den Ausnahmefällen des § 68 b Abs. 1 Satz 2 und 3 FGG - der vorherigen Einholung eines Sachverständigengutachtens. Handelt es sich bei dem Sachverständigen nicht um einen Facharzt auf dem entsprechenden Gebiet, so hat das Gericht den Umfang der Erfahrungen des Arztes auf diesem Gebiet zu klären und in der Entscheidung darzulegen.

2. Die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten müssen so gehalten sein, dass sie eine verantwortliche richterliche Prüfung auf ihre wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit zulassen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 3 W 17/05

In dem Verfahren

betreffend die mit den Aufgabenkreisen "Gesundheitsfürsorge, Post-, Behörden- und Rentenangelegenheiten" angeordnete Betreuung für I..... G......, geboren am ...................., .........................................,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 24./28. Januar 2005 gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 16. Dezember 2004

ohne mündliche Verhandlung

am 18. Februar 2005

beschlossen:

Tenor:

1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung - auch über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - an das Landgericht Mainz zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 3000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 2, 29 Abs. 1 und 4 FGG).

In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO). Die angefochtene Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen, da das Landgericht den maßgebenden Sachverhalt nicht ausreichend erforscht hat (§ 12 FGG). Diesnötigt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung.

Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Betreuer zu bestellen, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit bzw. einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Diese Voraussetzungen hat die Kammer auf der Grundlage der Ausführungen des Amtsarztes der Kreisverwaltung A........... vom 16. September 2004 bejaht. Diese genügen den Anforderungen des § 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG nicht. Nach dieser Vorschrift darf - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen des § 68 b Abs. 1 Satz 2 und 3 FGG - ein Betreuer erst bestellt werden, nachdem das Gutachten eines Sachverständigen über die Notwendigkeit der Betreuung eingeholt worden ist. Wenn es sich - wie hier - um medizinische Gesichtspunkte handelt, dann sind in erster Linie Amtsärzte, Gerichtsärzte oder Fachärzte für Psychiatrie und/oder Neurologie zu bestellen. Jedenfalls muss der Sachverständige erkennbar ein in der Psychiatrie erfahrener Arzt sein; den Umfang der Erfahrungen muss das Gericht durch Rückfragen beim Gutachter klären (§ 12 FGG) und in der Entscheidung darlegen (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 51; 1997, 1565 und 901; KG FamRZ 1995, 1379; Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FG 15. Aufl. § 68 b Rdnr. 6). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Bei dem Gutachter handelt es um einen Amtsarzt, dessen Qualifikation auf psychiatrischem bzw. neurologischem Gebiet weder ersichtlich noch in dem die Betreuung anordnenden Beschluss des Amtsgerichts oder aber in dem angefochtenen Beschluss dargelegt ist. Vielmehr hat der Amtsarzt die weitere psychiatrische Untersuchung der Betroffenen ausdrücklich als erforderlich angesehen und dies in seiner Stellungnahme klar zum Ausdruck gebracht hat.

Darüber hinaus genügt auch der Inhalt der Feststellungen des Amtsarztes angesichts der Schwere des hier zu beurteilenden Grundrechtseingriffes ersichtlich nicht den an ein Gutachten im Sinne des § 68 b FGG zu stellenden Anforderungen. Danach müssen die Ausführungen des Sachverständigen so gehalten sein, dass sie eine verantwortliche richterliche Prüfung auf ihre wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit zulassen (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1403; KG FamRZ 1995, 1379; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 1224, jeweils zitiert nach juris; Keidel/Kayser aaO § 68b Rdnr. 6). Insbesondere hat der Sachverständige in seinem Gutachten darzulegen, welche Befragungen und Untersuchungen er vorgenommen hat, welche Tests und Forschungsergebnisse er angewandt und welchen Befund er erhoben hat. Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich das erforderliche eigene Bild von der Richtigkeit der von dem Sachverständigen gezogenen Schlüsse zu machen (Keidel/Kayser aaO § 68b Rndr. 6). Daran fehlt es hier. Der Amtsarzt war offensichtlich bei der Anhörung durch das Amtsgericht zugegen. Die Betroffene hatte jedoch ausweislich des Protokolles vom 16. September 2004 die Küche, in der sich der Amtsrichter und der Amtsarzt aufhielten, nicht betreten und auch keine Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantwortet. Offensichtlich hat auch keine weitere Untersuchung stattgefunden. So hat der Amtsarzt auch lediglich eine "Persönlichkeitsstörung mit Vermüllung" festgestellt und ausdrücklich die weitere Abklärung durch einen Psychiater als erforderlich angesehen. Dennoch haben Amts- und Landgericht diese vage Feststellung ausreichen lassen, um die Erforderlichkeit der Betreuung zu bejahen. Die Tatsacheninstanzen haben sich auch in keiner Weise damit auseinandergesetzt, auf welcher Grundlage die Feststellung des Amtsarztes basiert. Ebenso wenig sind sie darauf eingegangen, dass er ausdrücklich eine fachpsychiatrische Abklärung empfohlen hat und weshalb sie eine solche für entbehrlich halten. Dass die Kammer über eigene Sachkunde verfügt, die es ihr ermöglicht, die Feststellungen des Gutachters zu ersetzen, ist weder ersichtlich noch dargetan.

Darüber hinaus konnte die Kammer im vorliegenden Fall von der Anhörung der Betroffenen gerade nicht mit der formelhaften Begründung absehen, zusätzliche Erkenntnisse seien dadurch nicht zu erwarten. Denn aus der amtsärztlichen Feststellung ergibt sich gerade, dass die Betroffene bewusstseinsklar und ausreichend orientiert ist und dass kein Hinweis auf ein akutes psychotisches Geschehen vorliegt. Die Kammer hätte sich auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 68 a Abs. 1, insbesondere Satz 2 FGG einen eigenen Eindruck von der Betroffenen verschaffen und diesen ihrer Entscheidung zugrunde legen müssen.

Darüber hinaus wird im weiteren Verfahren zu berücksichtigen sein, dass die Betroffene nunmehr eine Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung vorgelegt hat und diese - sofern sie wirksam erteilt worden ist - die Anordnung der Betreuung möglicherweise auf der Grundlage des § 1896 Abs. 2 BGB entbehrlich machen könnte.

Sollte die Kammer nach Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens und persönlicher Anhörung der Betroffenen sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Vollmacht weiterhin zu dem Ergebnis gelangen, dass die Anordnung der Betreuung aufgrund einer psychischen Krankheit oder sonstigen Behinderung der Betroffenen erforderlich ist, so werden die Aufgabenkreise an den festgestellten Defiziten zu orientieren und bei der Auswahl des Betreuers die Vorschrift des § 1897 Abs. 1 und 4 BGB zu berücksichtigen sein. Denn es liegt keineswegs auf der Hand, dass die Nichte zur Übernahme der Betreuung nicht geeignet oder in der Lage ist.

II.

Die Entscheidung des Senats ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Die Frage einer etwaigen Kostenerstattung für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist im Hinblick auf den vorläufigen Erfolg des Rechtsmittels dem Landgericht vorbehalten.

Den Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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