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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: 3 W 197/05
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 159
FGG § 142 Abs. 1
1. Zu den Voraussetzungen der Amtslöschung nach §§ 159, 142 Abs. 1 FGG.

2. Vereinsrecht: Zur Frage des Teilnahmerechtes eines nicht vereinszugehörigen Liquidators (Fremdorgan) an einer Mitgliederversammlung.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 197/05

In der Vereinsregistersache

betreffend den Verein

hier: weitere Beschwerde gegen die Anweisung des Registergerichts zur Durchführung der Amtslöschung betreffend die Eintragung der Abberufung des Liquidators,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richterinnen am Oberlandesgericht Simon-Bach und Stutz auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 11. Oktober 2005 gegen den ihm am 29. September 2005 zugestellten Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 26. September 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 8. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Der im Rubrum genannte Verein ........ wurde im Jahre 1954 in das Vereinsregister eingetragen. Infolge des Rückgangs seiner Mitglieder beschloss die Mitgliederversammlung am 23. Juni 1999 die Auflösung des Vereins und bestellte im Jahre 2000 den nicht vereinszugehörigen Beteiligten zu 2) als Liquidator. Die Änderungen wurden im Vereinsregister eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Verein nur noch ein einziges Mitglied, die am 25. September 2005 verstorbene D....... L......

Diese hatte am 8. Juni 2004 eine "Mitgliederversammlung" abgehalten, in der sie "unter Verzicht auf Form und Frist der Einladung" den Beteiligten zu 2) als Liquidator abberufen und den Beteiligten zu 1) zum neuen Liquidator bestellt hatte. Die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 24. Juni 2004.

Der Anregung des Beteiligten zu 2), die Eintragung seiner Abberufung und der Bestellung des Beteiligten zu 1) im Vereinsregister wegen eines Mangels einer wesentlichen Voraussetzung von Amts wegen als unzulässig zu löschen, ist das Amtsgericht nicht gefolgt.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht den ablehnenden Beschluss des Registergerichts aufgehoben und dieses angewiesen, ein Amtslöschungsverfahren durchzuführen. Das Registergericht hat daraufhin mit Beschluss vom 18. Juli 2005 die Löschung der Eintragung angekündigt, wenn nicht der Beteiligte zu 1) binnen eines Monats Widerspruch einlege. Nach Prüfung des daraufhin fristgerecht eingelegten Widerspruchs des Beteiligten zu 1) hat das Registergericht mit Beschluss vom 23. August 2005 die Löschungsankündigung aufgehoben.

Auf die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. September 2005 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und das Registergericht angewiesen, "ein Löschungsverfahren nach Maßgabe der Ankündigung des Beschlusses vom 18. Juli 2005 durchzuführen". Gegen die Anweisung des Landgerichts zur Durchführung der angekündigten Löschung durch das Registergericht richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1).

II.

Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde zulässig, da das Landgericht das Registergericht angewiesen hat, das Löschungsverfahren durchzuführen (Steder in Jansen, FGG, 3. Aufl., § 141 Rdnr. 56). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) gemäß § 20 Abs. 1 FGG ist gegeben.

Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg; die Voraussetzungen für eine Amtslöschung liegen nicht vor.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1) Verfahrensrechtlich richtig hat das Landgericht die Zulässigkeit der (einfachen) Erstbeschwerde (§ 19 FGG) und die Beschwerdebefugnis des Erstbeschwerdeführers nach § 20 Abs. 1 FGG bejaht.

2) Rechtsfehlerhaft hat die Kammer aber das Vorliegen der Voraussetzungen einer Amtslöschung angenommen.

Gemäß §§ 159, 142 Abs. 1 FGG kann das Registergericht eine Eintragung in das Vereinsregister, die wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig ist, von Amts wegen löschen. Unzulässig ist eine Eintragung, wenn sie erfolgt ist, ohne dass die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfüllt sind (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 142 Rdnr. 1). Während rechtsbegründende (konstitutive) Eintragungen schon dann gelöscht werden können, wenn sie unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt sind, rechtfertigt bei - wie hier - nur rechtsfeststellenden (deklaratorischen) Eintragungen ein bloßer Verfahrensmangel die Löschung nicht; vielmehr muss im letzten Fall die Eintragung auch sachlich unrichtig sein (KG, Beschluss vom 21. August 2001 - 1 W 8620/99 -, zitiert nach juris; OLG Hamm OLGZ 1971, 475, 476; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 142 Rdnr. 13, jeweils m. w. N.).

Da es sich bei dem Löschungsverfahren nach § 142 Abs. 1 FGG wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung um ein dem öffentlichen Interesse an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Vereinsregisters dienendes Amtsverfahren handelt, steht die Einleitung und Durchführung des Amtslöschungsverfahrens im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Von der Befugnis zur Amtslöschung ist in der Regel nur Gebrauch zu machen, wenn die Unzulässigkeit der Eintragung zweifels- und bedenkenfrei feststeht und die Löschung im öffentlichen Interesse oder im schützenswerten Interesse eines Beteiligten liegt (KG OLGZ 1967, 97, 101). Zuvor hat das Gericht gegebenenfalls gemäß § 12 FGG den Sachverhalt aufzuklären, das Ergebnis seiner Ermittlungen zu würdigen und darf nur bei völlig zweifels- und bedenkenfreier Sach- und Rechtslage die bestehende Eintragung löschen. Im Übrigen kann es von einem Amtslöschungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch absehen und dem Beteiligten in geeigneten Fällen die weitere Klärung im Prozessweg überlassen (OLG Hamm OLGZ 1971, 226, 228; Senat, ZIP 1989, 241, 242; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 756, 757; BayObLGZ 1979, 351, 356; 1989, 187, 190; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 142 Rdnrn. 17 und 19).

Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die Amtslöschung mit der Begründung bejaht, der Eintragung liege eine sachlich unrichtige Entscheidung zugrunde. Im Falle der - hier gegebenen - Abwicklung des Vereins sei allein der Liquidator des Vereins zur Einberufung einer Mitgliederversammlung berufen. Das damals letzte Vereinsmitglied D...... L...... habe ohne die Einberufung durch den Liquidator die Mitgliederversammlung am 8. Juli 2005 nicht durchführen dürfen. Eine wirksame Beschlussfassung sei deshalb nicht möglich gewesen. Darüber hinaus sei der Beteiligte zu 2) als Vereinsorgan teilnahmeberechtigt gewesen, zumal in der Versammlung seine Abberufung wegen Schlechterfüllung seines Amtes als Liquidator erfolgen sollte. Eine "Mängelheilung durch rügelose Vollversammlung" liege nicht vor, da der Beteiligte zu 2) als Teilnahmeberechtigter gerade nicht zugegen gewesen sei.

Zuzustimmen ist dem Landgericht darin, dass im Fall der Liquidation eines Vereins das Recht zur Einberufung der Mitgliederversammlung den Liquidatoren zusteht (Reichert, Handbuch des Vereinsrechts, 10. Aufl., Rdnr. 1153 unter Hinweis auf § 48 Abs. 2 BGB). Ein Verstoß gegen die Bestimmungen, die dem gemeinschaftlichen Interesse der Mitglieder an einer rechtmäßigen und ordnungsgemäßen Willensbildung dienen und zu denen auch die Vorschriften über die Einberufung gehören, hat in der Regel die Nichtigkeit der so gefassten Beschlüsse zur Folge (Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Aufl. Rdnr. 213). Die Nichtigkeit eines Beschlusses einer Mitgliederversammlung ist auch dann gegeben, wenn nicht alle teilnahmeberechtigten - nicht notwendig stimmberechtigten - Mitglieder eingeladen wurden (Sauter/Schweyer/Waldner, aaO, Rdnr. 213). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Vollversammlung stattgefunden hat, wenn also alle Mitglieder erschienen und - zumindest stillschweigend - auf Einhaltung der Formalitäten verzichtet und vorbehaltlos Beschluss gefasst haben (Reichert aaO Rdnr. 1840 unter Hinweis auf BGHZ 11, 231, 236 und 87, 1, 2, 100, 264, 269; KG OLGZ 1978, 272; BayObLGZ 1989, 298, 305).

Davon geht der Senat in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall aus. Am 8. Juni 2004 führte das damals einzige noch lebende Vereinsmitglied eine Mitgliederversammlung unter ausdrücklichem Verzicht auf Form und Frist der Einladung durch, berief den Beteiligten zu 2) als Liquidator ab und bestellte den Beteiligten zu 1) zum neuen Liquidator. Die Mitgliederversammlung des einzigen Vereinsmitglieds ist notwendig eine Vollversammlung. Ein eigenes Teilnahmerecht des nicht vereinszugehörigen Liquidators (Fremdorgan) hält der Senat nicht für gegeben.

Das Recht zur Teilnahme an Versammlungen folgt aus der Mitgliedschaft im Verein. Im Gegensatz etwa zum Aktienrecht, das die Teilnahme von Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrates an der Hauptversammlung ausdrücklich regelt (§ 118 Abs. 2 Satz 1 AktG), besagt das geltende Vereinsrecht nichts darüber, ob Organe, die nicht Vereinsmitglieder sind, berechtigt oder verpflichtet sind, an der Mitgliederversammlung teilzunehmen. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung spricht nach Auffassung des Senats bereits gegen ein Recht des Fremdorgans auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung. Auch die hier maßgebliche Vereinssatzung gibt hierüber keine Auskunft. Im GmbH-Recht wird hingegen ein eigenes Teilnahmerecht von Fremdgeschäftsführern an Gesellschafterversammlungen grundsätzlich verneint. Es wird die Auffassung vertreten, dass weder aus dem Recht des Geschäftsführers die Versammlung einzuberufen, noch aus dem Grundsatz, dass dieser im Zweifel die Versammlung zu leiten hat, zwingend ein allgemeines Teilnahmerecht folgt (Scholz, GmbHG, 9. Aufl., § 48 Rdnr. 16; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 48 Rdnr. 5 jeweils m.z.w.N.; Mutze, GmbHR 1970, 34). Ebenso verneint Scholz (aaO) auch ein eigenes Teilnahmerecht des Insolvenzverwalters an den Gesellschafterversammlungen im Falle der Insolvenz der Gesellschaft. Der Senat sieht keinen Grund für eine abweichende Beurteilung im Vereinsrecht. Die Auffassung Reicherts (im "Handbuch des Vereinsrechts", 10. Aufl., Rdnr. 1341), der ohne überzeugende Begründung die Auffassung vertritt, dass es für ein Teilnahmerecht an den Mitgliederversammlungen im Wege der Rechtsfortbildung genügen müsse, dass eine organschaftliche Stellung gegeben sei, hält der Senat deshalb nicht für zutreffend.

Der Abberufungsbeschluss des einzig verbliebenen Vereinsmitgliedes L..... war auch nicht deshalb nichtig, weil dem Beteiligten zu 2) zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden war. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Bestellung des Vorstands und dementsprechend auch eines Liquidators jederzeit widerruflich. Das Abberufungsorgan entscheidet hierbei nach seinem Ermessen, weil es kein Recht auf Fortbestand der Organstellung gibt (BGH NJW 1960, 1861). Bei der Abberufung eines Liquidators geht es, ebenso wie bei der Abberufung eines Vorstandsmitgliedes, um eine einseitige Willensentschließung, die auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem Ermessen der Mitglieder vorgenommen werden kann (BGH aaO). Eine Anhörung des Betroffenen wird selbst bei einer Abberufung aus wichtigem Grund nicht für erforderlich erachtet (BGH, aaO und NJW 1984, 2689).

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Vereinsmitglied D....... L...... bei der Beschlussfassung nicht geschäftsfähig gewesen sein soll, sind nicht ersichtlich. Der Vortrag des Beteiligten zu 2) in dem Schreiben vom 26. Oktober 2005, wonach die 97-jährige Frau L...... "wie man heute wisse, wirklich krank und teilweise verwirrt" gewesen sei und "nicht gewusst habe, was ihr geschehe, als sie bedungen worden sei ....ein vorformuliertes Protokoll über eine angebliche Mitgliederversammlung zu unterschreiben", nötigt nicht zu Durchführung weiterer Ermittlungen. Zwar gilt in vorliegendem Verfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser enthebt die Beteiligten jedoch nicht der Verpflichtung durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken (Beibringungsgrundsatz, Darlegungs- Informationslast, vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, aaO, § 12 Rdnr. 121). Allein das hohe Alter der Beschließenden (97 Jahre) lässt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Schluss darauf zu, dass diese in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt war. Die pauschale Behauptung, Frau L...... sei krank und teilweise verwirrt gewesen, entbehrt jeder Substanz und zwingt nicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO); eine die Erstattung außergerichtlicher Kosten betreffende Entscheidung ist nicht veranlasst, ebenso eine Entscheidung über den Wert des Beschwerdegegenstandes.

Ende der Entscheidung

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