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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 28.09.2001
Aktenzeichen: 3 W 213/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1897 Abs. 1
BGB § 1897 Abs. 4
BGB § 1899 Abs. 1
FGG § 69 g Abs. 1
Ein Elternteil kann gegen die erstmalige Bestellung des anderen Elternteils als Betreuer für das gemeinsame Kind Beschwerde auch mit dem Ziel einlegen, die gemeinschaftliche Betreuung durch beide Elternteile zu erreichen (Ergänzung zu Senat FGPrax 1997, 127 und 1999, 146).

Ob in Fällen, in denen ein behindertes Kind volljährig wird, gemäß § 1899 Abs. 1 BGB eine gemeinschaftliche Betreuung der Eltern in Betracht kommt, ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen und dem Wohl des Betroffenen zu entscheiden (hier: verneint nach Trennung der Eltern und ganz erheblicher Spannungen im laufenden Scheidungsverfahren, insbesondere zum Umgang mit dem Kind).


Aktenzeichen: 3 W 213/01

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

In dem Verfahren

hier: Betreuerauswahl,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken

durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury sowie die Richter am Oberlandesgericht Hengesbach und Jenet auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 10. September 2001 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 17. August 2001 ohne mündliche Verhandlung am 28. September 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Für den Betroffenen, der infolge einer Trisomie 21 geistig behindert ist, besteht seit März 2001 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögensverwaltung. Zur Betreuerin hat das Amtsgericht die Mutter des Betroffenen bestellt. Hiergegen wendet der Beteiligte zu 1), der Vater des Betroffenen ein, er sei bei der Auswahl des Betreuers für seinen Sohn übergangen worden.

Das Landgericht hat die - spätestens seit April 2000 getrennt lebenden - Eltern des Betroffenen angehört und die Beschwerde zurückgewiesen. Von der Anordnung einer gemeinsamen Betreuung nach § 1899 Abs. 1 BGB hat die Kammer abgesehen, weil sich anlässlich der Anhörung ergeben habe, dass im Zusammenhang mit dem laufenden Scheidungsverfahren erhebliche Spannungen bestünden. Gestritten werde insbesondere um ein Umgangsrecht. Ohne klare Zuordnung der Betreuung müsse somit von einer Gefahr der Beeinträchtigung des Wohls des Betroffenen ausgegangen werden.

Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 1) weiterhin, anstelle der Beteiligten zu 2) als Betreuer eingesetzt zu werden, hilfsweise begehrt er, dass beide Elternteile zu gemeinsamen Betreuern bestimmt werden.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist statthaft, nicht an eine Frist gebunden und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4, 20 Abs. 1 FGG). Die Befugnis des Beteiligten zu 1) zur Einlegung der Rechtsbeschwerde folgt bereits daraus, dass das Landgericht seine Erstbeschwerde zurückgewiesen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, FG 14. Aufl. § 27 Rdnr. 10). Hierdurch ist er als Vater des Betreuten in eigenen Rechten betroffen, § 69 g Abs. 1 Satz 1 FGG. Nach überwiegender Rechtsprechung, der der Senat folgt, können nahe Angehörige im Sinne des § 69 g Abs. 1 Satz 1 FGG auch gegen die erstmalige Bestellung eines Betreuers Beschwerde mit dem Ziel einlegen, die eigene Person an die Stelle des ausgewählten Betreuers zu setzen. Denn dabei handelt es sich um eine zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung nach § 69 Abs. 1 Nr. 2 FGG (vgl. BGH FamRZ 1996, 607; Senat FGPrax 1997, 104; 1999, 146; NJWE-FER 1999, 272 und zuletzt Beschluss vom 6. September 2001 - 3 W 185/01 -; KG FamRZ 1995, 1442; OLG Hamm NJW-RR 1997, 70, 71; Keidel/Kayser aaO § 69 Rdnr. 8). Nichts anderes kann gelten - wenn wie hier hilfsweise - die gemeinschaftliche Betreuung beider Elternteile angestrebt wird.

2. In der Sache führt das Rechtsmittel indes nicht zum Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht zunächst unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats die Zulässigkeit der Erstbeschwerde bejaht. Insoweit gelten die Ausführungen zu II. 1. entsprechend.

b) Mit seiner Rechtsbeschwerde, wie schon mit der Erstbeschwerde, wendet sich der Beteiligte zu 1) nur gegen die vom Vormundschaftsgericht getroffene und vom Landgericht bestätigte Auswahl des Betreuers. Die danach vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf die Anfechtung der Auswahlentscheidung ist rechtlich möglich; denn insoweit handelt es sich im Verhältnis zur Entscheidung über die Anordnung der Betreuung um einen selbständigen Verfahrensgegenstand (vgl. Senat FGPrax 1997, 104; Keidel/Kahl aaO § 21 Rdnr. 7 a. E.).

3. In der Sache ist die Entscheidung der Vorinstanzen, allein die Beteiligte zu 2) als Betreuerin zu bestellen, rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei beschränkt sich die Überprüfung der angefochtenen Auswahlentscheidung für den Senat als Rechtsbeschwerdegericht darauf, ob der Tatrichter Verfahrensvorschriften verletzt, den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1502; Keidel/Kahl aaO § 27 Rdnr. 42 m.w.N.). Einer hieran ausgerichteten Überprüfung hält der angefochtene Beschluss stand.

a) Das Landgericht hat zunächst die Vorschrift des § 1897 BGB beachtet. Nach deren Abs. 1 ist in jedem Falle die Eignung des Betreuers zu prüfen. Nach § 1897 Abs. 4 BGB ist darüber hinaus auf positive oder negative Vorschläge des Betroffenen Rücksicht zu nehmen. Beim Fehlen eines Vorschlags zur Person des Betreuers bzw. wenn einem solchen ausnahmsweise keine Bindung zukommt, ist bei der zu treffenden Auswahl auf die verwandtschaftlichen oder sonstigen persönlichen Beziehungen des Betroffenen, insbesondere zu den Kindern, Rücksicht zu nehmen. Gleichwohl hat das Vormundschaftsgericht auch hierbei sämtliche für und gegen die Bestellung sprechenden Gesichtspunkte abzuwägen, wobei letztlich das Wohl des Betreuten ausschlaggebend ist (vgl. Senat FGPrax 1999, 146 = NJWE-FER 1999, 240 m.w.N.; BayObLG FamRZ 2001, 1249, 1250). Von diesen Grundsätzen ist das Landgericht ausgegangen. Es hat insbesondere nicht verkannt, dass dem Vorschlag eines volljährigen Betroffenen grundsätzlich zu entsprechen ist. Hierauf allein ist die Auswahlentscheidung jedoch nicht gestützt. Vielmehr ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Betroffene bei entsprechender Fragestellung anstelle seiner Mutter auch seinen Vater, den Beteiligten zu 1), bezeichnen würde. Diese Schlussfolgerung findet seine Grundlage in den von dem sachverständigen Arzt für Neurologie und Psychiatrie erstatteten Gutachten vom 4. März 1999 und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. War nach dem Krankheitsbild nicht vorrangig auf den geäußerten Wunsch abzustellen, unterliegt es weiterhin keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht die Mutter anstelle des Beteiligten zu 1) zum Betreuer bestellt hat. Die Gründe hierfür sind in der Entscheidung nachvollziehbar dargelegt, insbesondere lassen die Folgerungen aus der Trennung des Beteiligten zu 1) von der Mutter des Betroffenen verbunden mit dem Auszug aus dem ehemals gemeinsamen Haushalt keinen Denkfehler erkennen. Es erscheint nicht nur möglich, sondern sehr naheliegend, dass der von der Kammer in diesem Zusammenhang hervorgehobene Gesichtspunkt der Nähe des Betreuten zur bisherigen vertrauten Umgebung seinem Wohl am ehesten entspricht.

b) Auch von der Anordnung einer gemeinsamen Betreuung gemäß § 1899 Abs. 1 BGB hat die Kammer rechtsfehlerfrei abgesehen. Danach kann das Vormundschaftsgericht mehrere Beteuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Ob hiervon auszugehen ist, hat das Gericht unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1502; NJWE-FER 1998, 33). Die Vorschrift kommt nach der amtlichen Begründung in erster Linie dann zum Tragen, wenn - wie hier - ein behindertes Kind volljährig wird und die Eltern geeignet und bereit sind, die Sorgeaufgabe gemeinschaftlich weiterzuführen (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 130; MünchKomm./Schwab, BGB 3. Aufl. § 1899 Rdnr. 6; Soergel/Zimmermann, BGB 13. Aufl. § 1899 Rdnr. 4; HK-BUR(Bauer) § 1899 BGB Rdnr. 71). Sofern nicht der Wille des Betreuten entgegensteht, liegt in diesen Fällen eine gemeinsame Betreuung durch beide Eltern häufig in dessen Interesse, insbesondere wenn sich die Eltern schon bisher um das Kind gekümmert haben und eine harmonische Beziehung der Eltern untereinander und zum Kind vorhanden ist (vgl. MünchKomm./Schwab aaO). Aber nur wenn diese Annahme aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt ist, kann ohne Weiteres gemäß § 1899 Abs. 1 BGB davon ausgegangen werden, dass die Angelegenheiten des Betreuten bei der Bestellung mehrerer Betreuer besser besorgt werden können als mit nur einem Betreuer.

Hier hat das Landgericht festgestellt, dass zwischen den mittlerweile getrennt lebenden Eltern aufgrund des laufenden Scheidungsverfahrens ganz erhebliche Spannungen bestehen. Die Kammer hat nach Anhörung der Beteiligten den Eindruck gewonnen, die vom Beteiligten zu 1) angestrebte gemeinsame Betreuung solle dazu instrumentalisiert werden, die Auseinandersetzungen um seinen Umgang mit dem Betroffenen in einem günstigen Sinne zu beeinflussen. Die Annahme, dass vor diesem Hintergrund die Betreuerbestellung beider Elternteile eine Gefahr für das Wohl des Betroffenen darstellt, ist aus Rechtsgründen gleichfalls nicht zu beanstanden (vgl. zur Berücksichtigung etwaiger Spannungen zwischen Eltern BayObLG NJW-RR 1988, 643, 645). Soweit der Beteiligte zu 1) mit der Rechtsbeschwerde einwendet, mit der alleinigen Betreuung des Betroffenen durch seine Mutter werde einer willkürlichen Handhabungsweise Tür und Tor geöffnet, versucht er lediglich die Wertung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Dies muss für das Verfahren der weiteren Beschwerde jedoch unbehelflich bleiben.

c) Die getroffene Entscheidung unterliegt auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken.

aa) Soweit das Vormundschaftsgericht den Beteiligten zu 1) entgegen § 68 a Satz 2 FGG nicht beteiligt hat, beruht jedenfalls die angefochtene Entscheidung nicht hierauf. Denn der Beteiligte zu 1) hatte im Erstbeschwerdeverfahren Gelegenheit zur Äußerung. Außerdem hat das Landgericht Anhörungstermin bestimmt und ausweislich des Protokolls beide Elternteile ausführlich zur Frage der Betreuerbestellung angehört.

bb) Des weiteren ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Betroffenen im Beschwerdeverfahren nicht nochmals gehört hat. Gemäß § 68 Abs. 1 FGG hat das Gericht vor der Bestellung eines Betreuers den Betroffenen persönlich anzuhören, um sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu machen. Das gilt gemäß § 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG grundsätzlich auch für das Beschwerdeverfahren (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 15. Dezember 1997 - 3 W 246/97 -; Jürgens, BtR 2. Aufl. § 69 g Rdnr. 16; HK-BUR(Bauer) § 68 FGG Rdnr. 202). Von einer Wiederholung kann das Beschwerdegericht jedoch gemäß § 69 Abs. 5 Satz 3 FGG absehen, wenn die Anhörung bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Sieht das Beschwerdegericht - wie hier - von einer erneuten persönlichen Anhörung ab, so hat es die dafür maßgebenden Gründe in nachprüfbarer Weise (§ 25 FGG) darzulegen (vgl. OLG Hamm BtPrax 1999, 238, 239; Keidel/Kayser aaO § 69 g Rdnr. 15; HK-BUR(Bauer) § 68 FGG Rdnr. 202). Dem trägt die angefochtene Entscheidung Rechnung. Das Landgericht hat im einzelnen dargelegt, warum es von einer nochmaligen Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren Abstand genommen hat. Auch insoweit sind keine Rechtsfehler erkennbar.

cc) Nicht zum Erfolg führt auch die Rüge, das Landgericht habe es entgegen § 12 FGG unterlassen, die vom Beteiligten zu 1) zu seiner Beziehung zum Sohn benannten Personen anzuhören. Hierauf beruht die angefochtene Entscheidung jedenfalls nicht, denn das Landgericht ist - wie bereits dargelegt - nicht etwa davon ausgegangen, der Beteiligte zu 1) habe eine gestörte Beziehung zu seinem Sohn.

dd) Weiter ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 FGG von der Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Beschwerdeverfahren abgesehen hat. Die Gründe hierfür hat das Beschwerdegericht dargelegt. Demgegenüber sind Umstände, die gleichwohl die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich machen könnten, weder ersichtlich noch werden solche von der Rechtsbeschwerde dargetan.

4. Schließlich ist auch die Kostenentscheidung der Beschwerdekammer nicht zu beanstanden. Die Erstattungsanordnung findet ihre Grundlage in § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG, wonach einem Beteiligten die Kosten aufzuerlegen sind, die durch ein unbegründetes Rechtsmittel veranlasst werden. Das gilt auch, wenn das Beschwerdegericht aufgrund eigener Sachaufklärung die Beschwerde zurückweist (vgl. BayObLGZ 1994, 313, 325; Keidel/Zimmermann aaO § 13 a Rdnr. 33; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 13 FGG Rdnr. 9).

III.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Beteiligte zu 1) die weitere Beschwerde zumindest auch im Interesse des Betroffenen eingelegt hat.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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