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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: 3 W 233/06
Rechtsgebiete: FGG, SGB XII, BGB


Vorschriften:

FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 69 e Abs. 1 Satz 1
SGB XII § 90 Abs. 3
BGB § 1908 i Abs. 1 Satz 1
BGB § 1836 c Nr. 2

Entscheidung wurde am 27.06.2007 korrigiert: die Vorschriften und Rechtsgebiete wurden geändert und ein Leitsatz wurde hinzugefügt
Zahlt eine Rentenversicherung trotz rechtzeitiger Antragstellung die rückständige Rente unberechtigterweise erst nach drei Jahren in einem Betrag aus, so kann es die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII gebieten, den Rückforderungsbetrag auf die Summe derjenigen Teilbeträge zu reduzieren, auf die die Staatskasse bei rechtzeitiger Auszahlung der Rente hätte zurückgreifen können.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 233/06

In dem Verfahren

betreffend die mit unterschiedlichen Aufgabenkreisen angeordnete Betreuung für J....... B........, geb. am ............,

hier: Rückgriff der Staatskasse wegen Betreuervergütung,

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 13./14. Dezember 2006 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 7. Dezember 2006

ohne mündliche Verhandlung

am 27. April 2007

beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Die von dem Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 29 Abs. 2 FGG i.V.m. §§ 56 g Abs. 5, 69 e Abs. 1 Satz 1 FGG zulässig. Die Staatskasse ist auch beschwerdeberechtigt, § 20 Abs. 1 FGG.

In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg. Ein über den von dem Landgericht festgesetzten Erstattungsbetrag hinausgehender Rückgriff der Staatskasse kommt nicht in Betracht. Im Rahmen des auf der Grundlage der §§ 1836 e Abs. 1 Satz 1, 1908 i Abs. 1 BGB geltend gemachten Rückgriffanspruches hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass es für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Betroffenen nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Vergütung des Betreuers aus der Staatskasse ankommt. Maßgebend ist vielmehr das im Zeitpunkt der Entscheidung über den Regress einzusetzende Einkommen und Vermögen. Deshalb begründet die anfänglich vorliegende tatsächliche Mittellosigkeit des Betroffenen zwar die Einstandspflicht der Staatskasse, schließt eine spätere Rückforderung bei geänderten Verhältnissen jedoch nicht aus (vgl. Senat, etwa Beschluss vom 28. Juli 2005 - 3 W 151/05 -; OLG München, Beschluss vom 21. März 2007 - 33 Wx 13/07 -; OLG Frankfurt am Main, OLGR Frankfurt 2003, 75; MüKo/Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1836 a Rdnr. 11 und § 1836 e Rdnr. 6).

Dennoch ist die Entscheidung der Kammer nicht zu beanstanden, obwohl die Betroffene zu diesem Zeitpunkt über ein Guthaben in Höhe von 17 050,53 € verfügte, das aus der Rentennachzahlung der belgischen Rentenversicherung vom 24. September 2002 bis 28. August 2005 resultiert. Trotz dieser Vermögenssituation hat das Landgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Rückforderungsbetrag auf die Summe derjenigen Teilbeträge reduziert, auf die die Staatskasse bei rechtzeitiger Auszahlung der Rente hätte monatlich zurückgreifen können. Denn bei der Bemessung des Betrages ist zu berücksichtigen, ob der Rückgriff der Staatskasse nach den konkreten Lebensumständen der Betroffenen eine besondere Härte darstellen würde, §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 c Nr. 2 BGB i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII. Die Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII ist für die Ermittlung des vom Betroffenen für die Betreuervergütung und Aufwendungsersatz einzusetzenden Vermögens anwendbar. Deren Erstattung aus der Staatskasse ist den in den sozialhilferechtlichen Bestimmungen genannten Leistungen gleichzustellen. Das wird auch durch die in § 1836 c BGB enthaltene Verweisung verdeutlicht. So stellt § 90 Abs. 3 SGB XII das Vermögen des Betroffenen von der Verwertung frei, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würden. Bei der Anwendung dieser konkretisierten Härtefallregelung kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschrift über das Schonvermögen zu einem deren Leitvorstellungen nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (vgl. BVerwGE 23, 149, 159; BayObLG FamRZ 1996, 245; OVG Rheinland-Pfalz ZfSH/SGB 2004, 26; OLG München FGPrax 2005, 210, 212 m.w.N.). Zweck der Härtefallregelung ist es ebenso wie bei der Bestimmung des Schonvermögens, dass die Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen führt. Der Hilfesuchende soll einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit behalten. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine unzumutbare Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII vorliegt, ist zum einen auf die in § 90 Abs. 2 SGB XII zum Ausdruck kommenden Leitgedanken der Bestimmungen über das Schonvermögen abzustellen; zum anderen sind die in anderen Bestimmungen des SGB XII zum Ausdruck kommenden Wertungen zu berücksichtigen (Senat FGPrax 2006, 21; OLG München, Beschluss vom 4. April 2007 - 3 Wx 228/06 -).

Nach diesen somit auch im Rückgriffsverfahren der Staatskasse wegen gezahlter Betreuervergütung bzw. erstatteter Aufwendungen anwendbaren Grundätzen hat das Landgericht zu Recht nicht das gesamte Vermögen der Betroffenen, das diese durch die Auszahlung rückständiger Rente erworben hat, berücksichtigt. Der belgische Rentenversicherungsträger hat der Betroffenen die bereits im Jahre 2002 und damit rechtzeitig beantragte Rente über einen Zeitraum von drei Jahren vorenthalten (vgl. zum Fall der vorenthaltenen Sozialhilfe vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005 § 90 Rdnr. 43). Er zahlt nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Betroffen seit September 2005 wiederum keine laufende Rente aus, so dass die Betroffene von dem nachgezahlten Betrag ihren Lebensunterhalt bestreiten muss. Hinzu kommt, dass die Betroffene nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen ihre aufgrund des fehlenden Einkommens in der Zeit von September 2002 bis August 2005 aufgelaufenen Schulden von dem Nachzahlungsbetrag tilgen muss.

Die Gesamtheit dieser Umstände rechtfertigt die von dem Landgericht vorgenommene weitgehende Schonung des Vermögens in jeder Hinsicht. Die Betroffene ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - so zu stellen, als hätte die Rentenversicherung rechtzeitig ausgezahlt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, § 11 Abs. 1 KostO.

Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist entbehrlich, da der Senat niemand außer der Beteiligten zu 1) förmlich am Rechtbeschwerdeverfahren beteiligt hat. Deshalb erübrigt sich auch die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren der Rechtsbeschwerde.

Ende der Entscheidung

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