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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 3 W 3/06
Rechtsgebiete: VBVG, BGB, FGG


Vorschriften:

VBVG § 5 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1835 Abs. 3
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 2
FGG § 69 e Satz 1
Der neu eingesetzte Betreuer kann den erhöhten Zeitaufwand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 VBVG in Ansatz bringen, wenn das Vormundschaftsgericht dessen Wirkungskreis wegen Pflichtwidrigkeiten des früheren Betreuers auf die Geltendmachung von Regressansprüchen erstreckt hat und diese in beträchtlicher Höhe im Raum stehen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 3 W 3/06

In dem Verfahren

betreffend die Vergütung des Betreuers für die Betreuung der

hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dury, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Oberlandesgericht Jenet auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers vom 6. Januar 2006 gegen den ihm am 23. Dezember 2005 zugestellten Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 12. Dezember 2005

ohne mündliche Verhandlung

am 6. März 2006

beschlossen:

Tenor:

I. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Trier und der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 28. Oktober 2005 werden geändert:

Die dem Betreuer für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 zustehende Vergütung wird auf 726,-- EUR festgesetzt.

II. Beide Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der im Jahre 2001 zum Betreuer bestellte Adoptivsohn der Betroffenen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 22. Juni 2005 für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge als Betreuer entlassen. Zugleich wurde Rechtsanwalt ...... zum neuen Betreuer für die Aufgabenkreise der Vermögenssorge und der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen der Betroffenen gegenüber dem früheren Betreuer bestellt. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung, die der Geschäftsstelle am 30. Juni 2005 übergeben wurde, war angeordnet.

Für den Zeitraum vom 2. Juli 2005 bis zum 1. Oktober 2005 hat der Betreuer unter Zugrundelegung einer monatlichen Stundenpauschale von 5,5 Stunden die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 726,-- € beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er mache einen Zeitaufwand gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) geltend, da er die Vermögensverfügungen des Vorbetreuers habe aufarbeiten müssen, um Ansprüche der Betroffenen realisieren zu können.

Das Amtsgericht hat die Vergütung des Betreuers mit Beschluss vom 28. Oktober 2005 unter Zugrundelegung einer Stundenpauschale von monatlich 2,5 Stunden (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 VBVG) auf 330,-- € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Betreuer sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, ihm statt der bemessenen Vergütung von 2,5 Stunden monatlich eine Vergütung auf der Grundlage von 5,5 Stunden monatlich festzusetzen.

Das Landgericht hat die von dem Amtsgericht getroffene Entscheidung bestätigt und zur Begründung ausgeführt, nach dem Willen des Gesetzgebers komme die Anwendung des § 5 Abs. 1 VBVG bei einem Betreuerwechsel nicht in Betracht. Insoweit liege keine Erstbetreuung vor, weshalb die Vergütung auf der Grundlage eines erhöhten Stundenaufwandes nicht in Betracht komme. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde zur Rechtsfortbildung zugelassen. Gegen den ihm am 23. Dezember 2005 zugestellten Beschluss hat der Betreuer mit Schriftsatz vom 6. Januar 2006, der am gleichen Tag bei dem Pfälzischen Oberlandesgericht eingegangen ist, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Er verfolgt die vor dem Landgericht Trier geltend gemachte Erhöhung seiner Gebühren weiter und führt zur Begründung aus, dass gerade in dem hier vorliegenden Fall, in dem der frühere Betreuer wegen Pflichtwidrigkeiten entlassen worden sei, intensive und langwierige Ermittlungen im Hinblick auf dessen Pflichtverletzungen erforderlich gewesen seien. Diese rechtfertigten die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 VBVG.

Der im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Betroffene bestellten Verfahrenspflegerin wurde rechtliches Gehör gewährt. Sie hat ausgeführt, nach dem Willen des Gesetzgebers sei auch bei einem Betreuerwechsel nicht der Zeitpunkt dessen Bestellung, sondern derjenige der Anordnung der Betreuung maßgebend.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§§ 69 e Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen förmlich nicht zu beanstanden (§§ 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 4, 20, 21 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG).

Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg. Die dem Betreuer aus dem Vermögen der Betroffenen zu bewilligende Vergütung ist für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2005 antragsgemäß auf 726,- € festzusetzen. Am 1. Juli 2005 ist das "2. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz - BtÄndG -)" vom 21. April 2005 in Kraft getreten. Es bringt wesentliche Neuerungen im Vergütungsrecht, indem es den für die Berufsbetreuertätigkeit erforderlichen Zeitaufwand durch zwingende Pauschalierungsvorgaben reglementiert und auf diese Weise den vergütungsfähigen Zeitaufwand nach oben begrenzt. Neu ist auch, dass Vormünder und Pfleger nunmehr nach anderen Grundsätzen als Berufsbetreuer vergütet werden und der Gesetzgeber das bisherige Nettostundensatzprinzip im Bereich der Berufsbetreuervergütung durch das Bruttoprinzip ersetzt hat. Dies hat zur Folge, dass künftig, unabhängig von ihrer tatsächlichen Höhe, auch die anfallende Umsatzsteuer und sämtliche Aufwendungen des Betreuers mit den für Berufsbetreuer geltenden Stundensätzen abgegolten sind. Das Kernstück der neuen Vergütungsregelung für berufsmäßige Betreuer ist die Einführung von festen und zwingend vorgegebenen Pauschalen für den vergütungsfähigen Zeitaufwand, den ein Betreuer für den Betroffenen in vergütungsrechtlicher Hinsicht maximal entfalten darf. Im Hinblick auf die Höhe des "zulässigen" Zeitaufwands wird danach unterschieden, ob sich der Betroffene in einem Heim befindet oder nicht, ob er mittellos oder vermögend ist und ob die Betreuung erst drei Monate, bis zu sechs Monate, bis zu zwölf Monate oder bereits länger als ein Jahr andauert (§ 5 VBVG). Danach darf der Betreuer für einen im Heim lebenden vermögenden Betroffenen in den ersten drei Monaten der Betreuung einen maximalen monatlichen Zeitaufwand von 5,5 Stunden abrechnen. Dieser festgeschriebene Höchstzeitaufwand wird sodann in den genannten zeitlichen Stufen nach und nach abgeschmolzen bis er nach einer Betreuungsdauer von mehr als einem Jahr schließlich noch monatlich 2,5 Stunden für einen vermögenden Heimbewohner beträgt.

Die Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, dass im Falle eines Betreuerwechsels der Zeitpunkt der Anordnung der Betreuung maßgeblich ist und somit der neu eingesetzte Betreuer nicht mehr den erhöhten Zeitaufwand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 VBVG in Ansatz bringen kann. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts München in seinem Beschluss vom 9. Februar 2006 - 33 Wx 237/05 - und des Oberlandesgerichts Schleswig in seinem Beschluss vom 25. Januar 2006 - 2 W 240/05 - (vgl. auch LG Braunschweig, Beschluss vom 19. Januar 2006 8 T 1265/05; LG Gießen, Beschluss vom 25. November 2005 7 T 5651/05; LG Göttingen, Beschluss vom 5. Januar 2006 5 T 236/05; LG Mönchengladbach, Beschluss vom 3. November 2005 5 T 445/05; LG Münster, Beschluss vom 17. Januar 2006 5 T 1091/05; LG Osnabrück, Beschluss vom 19. Dezember 2005 7 T 1086/05; LG Regensburg, Beschluss vom 4. Januar 2006 7 T 757/05; a.A: vgl. Bestelmeyer RPfleger 2005, 583, 590; Deinert RPfleger 2005, 304, 305; Dodegge NJW 2005, 1896 ff; LG Braunschweig, Beschluss vom 19. Januar 2006 8 T 1265/05; LG Heilbronn, Beschluss vom 9. Januar 2006 1 T 14/01; LG Kiel, Beschluss vom 11. November 2005 3 T 483/05). Das Oberlandesgericht Schleswig hat auf der Grundlage des dortigen Sachverhaltes, dass der ehrenamtliche Betreuer wegen mangelnder Eignung entlassen worden war, weil er es zu Zahlungsverzögerungen und Kostenrückständen gegenüber dem Pflegeheim hatte kommen lassen, ausgeführt, es bestehe insoweit kein Anlass, die Vergütung nach dem Zeitpunkt des Beginnes der Berufsbetreuung zu bemessen. Das Oberlandesgericht München (aaO) führt in einem obiter dictum aus, dass zwar im Falle des pflichtwidrigen Handelns des Vorbetreuers nicht in Abrede zu stellen sei, dass vielfach ein erhöhter Zeitaufwand für den Betreuer nötig sein wird, um zuletzt ungeordnet gebliebene Verhältnisse in den Griff zu bekommen. Soweit etwaige Haftungsansprüche gegen den früheren Betreuer geltend zu machen seien, müssten diese allerdings nicht zwangsläufig mit dem Zeitkontingent des § 5 VBVG abgegolten sein, weil ein anwaltlicher Betreuer insoweit Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB geltend machen und ein sonstiger Betreuer einen Rechtsanwalt beauftragen könne.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Amtsgericht im hier vorliegenden Fall den Betreuer ausdrücklich auch für den Wirkungskreis der Geltendmachung von Regressansprüchen der Betroffenen gegenüber dem früheren Betreuer bestellt hat und solche Ansprüche in Höhe von über 140.000,-- Euro im Raum stehen, ist der Senat im Gegensatz zu dem Oberlandesgericht München der Auffassung, dass gerade im Falle des durch Pflichtwidrigkeiten des Betreuers veranlassten Betreuerwechsels durchaus die Anwendung des § 5 VBVG in Betracht kommt. Denn selbst die Begründung der zunächst durch Einfügung des § 1908 m BGB beabsichtigten Gesetzesänderung geht davon aus, dass Ausnahmen von der vorgeschlagenen Pauschalierung nicht grundsätzlich und für alle Fälle ausgeschlossen sind. Dort ist ausgeführt (BT-Drs. 15/2494, Seite 34): "Um den mit der Pauschalierung verfolgten Zweck der Vereinfachung und Streitvermeidung nicht zu vereiteln, müssen Ausnahmen von dem vorgeschlagenen Pauschalierungsmodell so weit wie möglich begrenzt werden". Der Entwurf enthalte für den Fall des Betreuerwechsels keine Ausnahme. Vielmehr sei der mit einem Betreuerwechsel "regelmäßig einhergehende Mehrbedarf" in den vom ISG (Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik) erhobenen Zahlen enthalten. Deshalb sei für die Anwendung der Pauschalen die erstmalige Bestellung eines Betreuers maßgebend. Diese Begründung schließt jedoch zur Überzeugung des Senates nicht von vorneherein jede Ausnahme aus. Eine solche muss insbesondere in Fällen möglich sein, in denen - wie hier - neben der Vermögenssorge die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den früheren Betreuer ausdrücklich als Wirkungskreis des Betreuers bestimmt ist.

Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall ein Regressanspruch in Höhe von etwa 140.000,-- Euro im Raum steht. Gerade in diesem Fall ist der Mehrbedarf, der durch die so erforderlich werdende Kontrolle der Verfügungen des früheren Betreuers und die Geltendmachung von Regressforderungen bedingt ist, nicht als ein mit dem Betreuerwechsel "regelmäßig einhergehender Mehrbedarf" zu qualifizieren. Eine andere Auslegung des Gesetzes wäre nach Überzeugung des Senates mit Art. 12 GG auch nur schwer vereinbar.

Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt auch maßgebend von dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig zugrunde liegenden. Denn anders als die bloße mangelnde Eignung des früheren Betreuers verursacht jedenfalls die Prüfung und Geltendmachung von Regressforderungen in Höhe von über 140.000,-- Euro einen erheblichen Mehraufwand für den neu bestellten Berufsbetreuer.

Im Hinblick auf die dargelegten Besonderheiten des vorliegenden Falles kann dahingestellt bleiben, ob bereits der Umstand, dass sich der anwaltliche Berufsbetreuer - wie wohl im vorliegenden Fall - für die ersten drei Monate seiner Tätigkeit mit der Geltendmachung der erhöhten Pauschale begnügt, anstatt neben der abgesenkten Pauschale einen - möglicherweise - auf der Grundlage des § 1835 Abs. 3 BGB entstandenen Aufwendungsersatz zu verlangen (vgl. OLG München aaO; zu den Voraussetzungen eines solchen Anspruches nach BRAGO: vgl. BVerfG RPfleger 2001, 23, 24; OLG Zweibrücken FamRZ 2002, 906) bereits die Bewilligung der erhöhten Pauschale ausnahmsweise rechtfertigen könnte.

Die vom Senat vertretene Auffassung nötigt nicht zur Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG. Denn Voraussetzung hierfür wäre, dass die Beantwortung der gegenteilig beurteilten Rechtsfrage für beide Entscheidungen erheblich ist und die Entscheidungen des Oberlandesgerichts München (aaO) und Schleswig (aaO) auf der anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruht (vgl. BGH NJW 2004, 3339, FamRZ 2002, 1327, FGPrax 1997, 239). An diesem Erfordernis fehlt es hier. Denn in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts München zugrunde liegenden Fall wurde der Wechsel wegen des Todes der früheren Betreuerin, in dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig zugrunde liegenden Fall war der Betreuerwechsel wegen (bloßer) fehlender Eignung des früheren Betreuers notwendig. Hier war der Wechsel dagegen wegen Pflichtverletzungen des früheren Betreuers erforderlich; wesentliche Aufgabe des neuen Betreuers ist die neben der Vermögenssorge als besonderer Wirkungskreis angeordnete Geltendmachung von Regressansprüchen in Höhe von über 140.000,-- Euro gegen den früheren Betreuer.

III.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beider Beschwerdeverfahren beruht auf § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO. Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Auslagen ist nicht veranlasst, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Deshalb erübrigt sich auch die Festsetzung des Beschwerdewertes.

Ende der Entscheidung

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