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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: 4 U 156/03
Rechtsgebiete: BGB, RBerG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 171 Abs. 1
BGB § 172 Abs. 1
BGB § 173
BGB § 705
RBerG Art. 1 § 1
Ist ein notariell beurkundeter Treuhandvertrag und die für den Treuhänder zugleich beurkundete Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig, so führt dies dann nicht zur Nichtigkeit des auf Grund der Vollmacht erklärten Beitritts zu einem Immobilienfonds, wenn bei Beurkundung des Beitritts die Vollmacht im Original oder in Ausfertigung vorgelegen hat und der Erklärungsempfänger gutgläubig war.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 156/03

Verkündet am: 3. Juni 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 28. August 2003 geändert: Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Beitritts des Klägers zu der Beklagten.

Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Kläger wollte sich an diesem Fonds beteiligen. Er erteilte einer K... Steuerberatungsgesellschaft mbH als Treuhänderin Auftrag und Vollmacht, für ihn entsprechende Fonds-Anteile zu erwerben. Die Treuhänderin erklärte den Beitritt des Klägers als Gesellschafter. Im hier vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den Standpunkt vertreten, seine an die Treuhänderin erteilte Vollmacht sei nichtig und sein Beitritt unwirksam. Er hat deshalb Feststellung beantragt, dass er nicht Gesellschafter der Beklagten geworden sei. Hilfsweise hat er die Feststellung beantragt, dass er die Gesellschaft gekündigt habe und hat die Verurteilung der Beklagten zur Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 28. August 2003, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat der Einzelrichter 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) den Hilfsanträgen entsprochen und die Klage zum Hauptantrag abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils innerhalb gesetzlicher Frist eingelegten Berufungen. Sie haben ihre Rechtsmittel jeweils innerhalb gewährter Fristverlängerung begründet, die ihnen jeweils auf rechtzeitigen Antrag bewilligt worden ist.

Die Beklagte wendet sich mit ihrem Rechtsmittel dagegen, dass das Landgericht den Hilfsanträgen des Klägers stattgegeben hat. Sie ist der Ansicht, es liege bereits kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor. In jedem Falle könne sich aber auf die Grundsätze einer Rechtsscheinvollmacht berufen. Wie erstinstanzlich bereits vorgetragen, habe die Treuhand-Vollmacht den Parteien bei der Beurkundung des Beitritts in Ausfertigung vorgelegen. Dem Kläger stehe mithin weder ein Recht zur außerordentlichen Kündigung noch ein Anspruch auf Erstellung einer Abfindungsbilanz zu. Selbst wenn man aber von der Anwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft ausgehe, sei die fristlose Kündigung jedenfalls zu spät erklärt worden.

Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil gegen die Berufung des Klägers.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,

2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass er nicht Gesellschafter der Beklagten geworden ist,

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung dagegen, dass seine Klage im Hauptantrag abgewiesen worden ist. Er trägt vor, im Hinblick auf ihm zwischenzeitlich bekannt gewordene Informationen könne entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht mehr davon ausgegangen werden, die Darlehensvaluta sei von der ...kasse ... unmittelbar an die Beklagte gezahlt worden. Die Zahlung sei vielmehr auf ein Sammelkonto der Treuhänderin geleitet worden (Beweis: Zeuge H...). Im Übrigen macht der Kläger mit umfangreichen Rechtsausführungen geltend, das Landgericht gehe zu Unrecht von einem Eingreifen der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft aus. Diese Grundsätze seien nicht anwendbar, wenn der beitretende Gesellschafter beim Beitritt nicht wirksam vertreten worden sei. Das Landgericht lasse weiter unberücksichtigt, dass das "in Verzug setzen" der Gesellschaft die Leistung einer Einlage voraussetze, an der es hier fehle. Letztlich übersehe das Gericht auch den Schutzzweck der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft, der hier wegen Bösgläubigkeit der Beklagten nicht eingreife.

Im Übrigen verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil gegen die Berufung der Beklagten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Zeugenaussagen. Wegen der Beweismittel und der Beweisfrage wird auf den Beschluss vom 19. April 2004 Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Antworten der Zeugen L... K... vom 29. April 2004 und P... K... vom 6. Mai 2004 verwiesen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2004 Bezug genommen.

II.

Beide Berufungen sind zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr.1, 519, 520 ZPO. In der Sache führt die Berufung der Beklagten zum Erfolg. Die Berufung des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

1. Berufung der Beklagten

Die Beklagte wendet sich mit Recht dagegen, dass der Erstrichter auf die Hilfsanträge des Klägers die Kündigung des Gesellschaftsvertrages festgestellt und die Beklagte zur Errichtung einer Auseinandersetzungsbilanz verurteilt hat. Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene insoweit Urteil zu ändern. Die Klage ist auch hinsichtlich der Hilfsanträge abzuweisen.

Der Kläger hat den Gesellschaftsvertrag vom 29. September 1994 nicht wirksam gekündigt.

Gemäß § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages kommt eine ordentliche Kündigung derzeit nicht in Betracht. Sie ist erstmals zum Ablauf des 31. Dezember 2015 möglich. Auch die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund i.S.v. § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages liegen nicht vor.

Zwar besteht ein wichtiger Grund zur Kündigung dann, wenn die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eingreifen. Dies setzt aber einen fehlerhaften Beitritt voraus. Er ist grundsätzlich vollwirksam, gibt dem Beigetretenen jedoch das Recht, diese Folge durch eine fristlose Kündigung mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. BGH NJW 2003,1252, 1254; Senat Urteil Vom 5. Februar 2004 - 4 U 65/03, jew. m.w.N.). Im hier zu entscheidenden Fall liegen die Voraussetzungen eines solchen fehlerhaften Beitritts nicht vor.

a. Allerdings sind - wovon das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend ausgeht - der Treuhandvertrag vom 30. Mai 1995 und die zugleich beurkundete Vollmacht für die Treuhänderin nichtig. Der Inhalt des Treuhandauftrages reicht weit über die Wahrnehmung bloß wirtschaftlicher Belange, wie etwa Prüfung der Rentabilität und Zweckmäßigkeit der Investitionsentscheidung hinaus. Die durch ihn eingeräumte Befugnis stellt nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gewichtige, gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG erlaubnispflichtige rechtsbesorgende Tätigkeit dar. Das Fehlen dieser Erlaubnis führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Treuhandvertrages (vgl. etwa BGH, WM 2004, 417; BGH NJW 2003, 1252; NJW 2003, 1594; NJW 2003, 2088; NJW 2003, 2091; NJW 2002, 66; NJW 2002, NJW 2002, 2325; NJW 2001, 70; Senatsurteil vom 5. Februar 2004 - 4 U 65/03).

b. Die Nichtigkeit des Treuhandvertrages führt aber deshalb nicht zur Fehlerhaftigkeit des Beitritts, weil die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung nach §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 1 BGB eingreifen.

aa. Bei Errichtung der notariellen Urkunde über den Beitritt lag die von dem Kläger an die K... erteilte Treuhandvollmacht vor. Ob dies - ungeachtet der etwas unklaren Formulierung auf Seite 3 der notariellen Beitrittsurkunde vom 24. August 1995 - schon auf Grund der Vermutung des § 418 Abs. 1 ZPO feststeht, kann offenbleiben. Jedenfalls auf Grund der schriftlichen Erklärungen der Zeugen K... und K... ist der Senat vom Vorliegen der Ausfertigung überzeugt. Nach den Aussagen der beiden Zeugen ist davon auszugehen, dass am Tag der notariellen Beurkundung vorab - vor Beurkundung des Beitritts - die Genehmigung der K... zu dem vom Kläger als Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Treuhandvertrag nebst Vollmacht notariell beglaubigt wurde. Dazu lag eine Vollmachtsurkunde in notariell beurkundeter Ausfertigung vor, die der den Beitritt beurkundende Notar heute noch in Händen hält. Im Hinblick darauf ist nicht der erste Absatz auf Seite 3 der notariellen Beitrittsurkunde maßgebend, der allein auf die Erklärungen des Treuhänders abstellt. Entscheidend ist vielmehr der zweite Absatz. Darin ist nach Überzeugung des Senats in tatsächlicher Hinsicht zutreffend festgehalten: "Die jeweilige Vollmacht liegt heute in Ausfertigung hier vor und trägt keinen Widerrufsvermerk".

bb. Den durch die Vorlage der beglaubigten Ausfertigung der Vollmachtsurkunde geschaffenen Rechtsschein muss der Kläger gegen sich gelten lassen (vgl. dazu BGH NJW 2001 aaO; BGH NJW 2003, 2091, 2092; BGH NJW 1988, 697, 698).

Die Beklagte war nicht bösgläubig i.S.v. § 173 BGB. Mit seiner gegenteiligen Auffassung überspannt der Erstrichter die Sorgfaltsanforderungen an die Beklagte in unzulässiger Weise. Er lässt unberücksichtigt, dass eine notariell beurkundete Vollmacht vorliegt, die bei ihrer Errichtung vom Notar auf ihre Rechtswirksamkeit geprüft und für wirksam erachtet wurde, vgl. § 17 Abs. 2 BeurkG. Das gleiche gilt für die Beurkundung der auf Grund dieser Vollmacht für den Kläger abgegebenen Beitrittserklärung. Somit durfte die Beklagte grundsätzlich darauf vertrauen, dass keine Nichtigkeitsgründe i.S.v. § 139 BGB vorliegen (vgl. dazu etwa BGH NJW 1985, 730, 731; BGH NJW 1988 aaO; Palandt/Heinrichs, BGB 63. Auflage § 173 Rdn. 2, jew. m.w.N.). Grundsätzlich traf sie keine allgemeine Überprüfungs- und Erkundigungspflicht (BGH NJW 2000, 2268, 2269 und NJW 2001, 3774, 3775, jew. m.w.N.). Der vom Erstrichter herangezogene Umstand, dass die Treuhänderin durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, rechtfertigt keine von diesem Grundsatz abweichende Beurteilung. Selbst wenn man aber eine eigene Prüfungspflicht bejahen wollte, könnten die daran zustellenden Anforderungen nicht weitergehen, als die an den Notar, der die entsprechende Beurkundung vorgenommen hat (so auch BGH NJW 2001 jew. aaO S. 73 und S. 3775; Senat Urteil vom 5. Februar 2004 - 4 U 65/03). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesamten Vertragsschlüsse im Jahre 1995 spielen. Zur damaligen Zeit war aus den höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nichts zu entnehmen, was für einen Verstoß des Treuhandvertrages gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG hätte sprechen können (BGH NJW 2001, jew. aaO). Der Bundesgerichtshof hat selbst bei einem Notar, der im Jahre 1993 im Rahmen der Beteiligung an einem Bauherrenmodell einen entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrag beurkundet hatte, eine schuldhafte Amtspflichtverletzung verneint (BGH NJW 2001, 70, 72). Für das schuldhafte Nichterkennen der Nichtigkeitsgründe in der Person der Beklagten kann nichts anderes gelten. Dass sie die tatsächlichen Umstände gekannt hat, die den Mangel der Vertretungsmacht begründen, ist unerheblich. Entscheidend ist allein die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Mangels der Vertretungsmacht selbst (BGH WM 2004 aaO m.w.N.). Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

2. Berufung des Klägers

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Wie er erstinstanzlich klargestellt hat, erstrebt er mit seinem nunmehr weiter verfolgten Hauptantrag die Feststellung, er sei schon von Anfang an nicht Gesellschafter der Beklagten geworden. Mit diesem Ziel führt die Berufung aber nicht zum Erfolg.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig war. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Darin ist zutreffend ausgeführt wird, dass selbst eine Täuschung über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Beteiligung des Klägers keine Sittenwidrigkeit des Gesellschaftszwecks begründen würde.

Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Berufung der Beklagten verwiesen werden. Wie dort im Einzelnen dargelegt, unterliegt die Wirksamkeit des Beitritts des Klägers keinem ernsthaften Zweifel. Für die von ihm mit der Berufung begehrte Feststellung besteht deshalb kein Raum.

3. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Da die für den konkreten Einzelfall maßgebenden Rechtsfragen durch die höchste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantwortet werden, hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist keine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.

Ende der Entscheidung

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