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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 4 U 69/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 542
ZPO § 528 Abs. 2
ZPO § 527
ZPO § 340
ZPO § 338
ZPO § 296 Abs. 1
Verspätung trotz Flucht in die Säumnis

1. Die Flucht in die Säumnis vermag eine sonst drohende Verfahrensverzögerung nur dann abzuwenden, wenn diese durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen zum Termin über Einspruch und Hauptsache aufgefangen werden kann. Das Hinausschieben eines Termins auf unbestimmte Zeit, um die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermöglichen, kommt dazu grundsätzlich nicht in Betracht.

2. Zur Frage unter welchen Voraussetzungen die vollständige Aufgabe aller Weinanbauflächen einer unberechtigten fristlosen Kündigung der Mitgliedschaft in einer Winzergenossenschaft gleich zu behandeln ist.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 69/00

Verkündet am: 28. Juni 2001

wegen Forderung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Versäumnisurteil des Senats vom 15. März 2001 bleibt aufrechterhalten.

II. Der Kläger hat auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer für den Kläger wird auf 48 012,76 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Nachdem der Kläger gegen das Versäumnisurteil des Senats vom 15. März 2001 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hat, war erneut über die Berufung zu entscheiden (§ 342 ZPO).

Das Rechtsmittel ist danach verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, in der Sache fuhrt es jedoch nicht zum Erfolg. Mit der Erstrichterin ist auch der Senat der Auffassung, dass die Beklagte dem unstreitigen Anspruch des Klägers auf Auszahlung von "Traubengeld" für die Jahre 1998 und 1999 in Hohe von 48 012,76 DM aufrechenbare Gegenansprüche wegen einer verwirkten Satzungsstrafe und Schadensersatzes entgegensetzen kann (§ 389 BGB). Die Forderung des Klägers ist dadurch vollständig erloschen, weshalb die Klage zu Recht abgewiesen worden ist.

1. Das Landgericht hat zu Recht einen Verstoß gegen § 12 e der Satzung der Beklagten vom 21. Juli 1995 angenommen. Darin ist festgehalten, dass die Mitglieder der Beklagten sämtliche aus eigenen oder gepachteten Anbauflächen gewonnene Trauben an diese abliefern müssen.

Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger über den 1. Juli 1997 hinaus keinerlei Anbauflächen mehr bearbeitet und demzufolge keine Trauben mehr geerntet hat. Dieser Fall ist in der Satzung der Beklagten nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem Gesamtzusammenhang des Regelwerks, insbesondere §§ 12 f und 12 i rechtfertigt sich allenfalls der Schluss, dass nicht jede Verringerung der bewirtschafteten Flächen das Mitglied zu einem Ersatz von Ausfall an die Beklagte verpflichtet. Dies mag in der Satzung anders geregelt werden können, wie der Kläger bezüglich anderer Winzergenossenschaften behauptet. Von einer solchen Regelung hat man jedoch bei der Beklagten abgesehen.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht einzelne Anbauflächen reduziert, sondern zum Stichtag 1. Juli 1997 seinen gesamten eigenen sowie zugepachteten Flächenbestand auf das Weingut eines außerhalb der Genossenschaft stehenden Winzers übertragen. Das Verhalten des Klägers misst sich deshalb nicht lediglich an § 12 der Satzung, sondern an § 5 der Satzung i.V.m. § 65 GenG sowie dem Grundsatz genossenschaftlicher Treuepflicht. Danach ist ein Mitglied gehalten, seine Pflichten gegenüber der Genossenschaft zu erfüllen, die Belange der Gemeinschaft zu beachten und es zu unterlassen, diese durch rücksichtsloses Verfolgen eigener Interessen zu schädigen (vgl. Lang/Weidmüller/Metz/Schaffland, Genossenschaftsrecht, 33. Aufl., § 18, Rdnr. 50 m.w.N.). Diese Pflicht des Klägers sieht der Senat mit dem Erstgericht hier als verletzt an.

§ 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Satzung sieht wegen der Mitgliedschaft in der Genossenschaft ein Kündigungsrecht von zwei Jahren zum Schluss eines Geschäftsjahres vor. Danach ist der Kläger aufgrund seines Kündigungsschreibens vom 10. Juli 1997 wirksam erst zum 31. August 1999 als Mitglied bei der Beklagten ausgeschieden. Durch die Abgabe sämtlicher Rebflächen bereits zum 1. Juli 1997 wurde aber diese Kündigungsfrist ausgehebelt und umgangen. Denn sowohl aus seiner, als auch aus Sicht der Beklagten ist der Fall der völligen Aufgabe sämtlicher Anbauflächen in seinen wirtschaftlichen Folgen mit einer fristlosen Kündigung gleichzusetzen. In beiden Fallen wird dem verständlichen Anspruch einer Genossenschaft, mittel- und langfristig zu disponieren, nicht Rechnung getragen. Jedenfalls dann, wenn das Mitglied weder persönliche, noch eigene wirtschaftliche Umstände anfuhren kann, aus denen heraus ihm eine weitere Bewirtschaftung seiner Flachen unzumutbar ist, ist die völlige Aufgabe der Anbauflächen einer unberechtigten fristlosen Kündigung gleichzubehandeln.

Der Senat verkennt nicht, dass auch die Genossenschaft selbst gegenüber ihren Mitgliedern eine entsprechende Treuepflicht hat, wonach auf deren Belange Rücksicht zu nehmen ist, soweit dies im Rahmen der Aufgaben des genossenschaftlichen Unternehmens zumutbar ist (vgl. Lang/Metz aaO, Rdnr. 68). Die insoweit vorzunehmende Abwägung ergibt jedoch hier nach Auffassung des Senats einen klaren Verstoß des Klägers gegen diese Prinzipien. Gründe, die ihn nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer fristlosen Kündigung berechtigen wurden, hat der Kläger nicht vorgebracht. Allenfalls in Person seines Schwiegervaters, Inhaber des Weinguts H, konnten solche Umstände liegen, wie der Kläger selbst anführt. Diese sind jedoch nicht maßgeblich, da es sich dabei um einen Dritten außerhalb der Genossenschaft handelt, auf dessen Verhältnisse es nicht ankommen kann. Im Gegenteil handelt es sich dabei um einen Konkurrenten der Beklagten, welcher im selben Markt tätig ist.

2. Nach alledem hat der Kläger durch sein Verhalten eine Vertragsstrafe gemäß § 12 h der Satzung gegenüber der Beklagten verwirkt. Diese wurde durch Beschluss des Aufsichtsrates auf 23 319,-- DM festgesetzt. Die Behauptung des Klägers, diese Vertragsstrafe sei durch die Beklagte zu einem Zeitpunkt festgelegt worden, als der Kläger nicht mehr Mitglied der Beklagten gewesen sei, trifft nicht zu. Die Sanktion wurde unstreitig am 25. März 1998 verhängt; der wirksame Austritt des Klägers aus der Genossenschaft erfolgte - wie oben dargelegt - zum 31. August 1999. In Höhe der Vertragsstrafe von 23 319,-- DM ist die unstreitige Forderung des Klägers deshalb gegenüber der Beklagten durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).

3. Hinsichtlich des überschießenden Betrages rechnet die Beklagte wirksam mit ihr zustehenden Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger auf. Der Anspruch besteht dem Grunde nach aus § 325 Abs. 1 BGB. Danach kann die Beklagte grundsätzlich das positive Interesse ersetzt verlangen. Sie ist nicht gehalten, auf die ihr aus einer Vermarktung der Trauben des Klägers sonst erwachsenden Gewinne zu verzichten (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 27. November 2000, 7 U 141/00, Umdruck Bl. 4).

Den Schaden berechnet die Beklagte für den Traubenjahrgang 1997 mit 83 228,46 DM. Soweit der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 12. März 2001 erstmals die Schadensberechnung der Beklagten bestritten und in Frage gestellt hat, ist dieses Vorbringen als verspätet zurückzuweisen (§ 528 Abs. 2, 527, 296 Abs. 1 ZPO). Denn diese Verteidigung hatte der Kläger bereits in erster Instanz (§ 282 Abs. 1 ZPO), zumindest aber mit der Berufungsbegründung (§ 519 ZPO) vorbringen müssen. Stattdessen hat er diesen Sachverhalt erst drei Tage vor der anberaumten Verhandlung vor dem Senat schriftsätzlich vorgetragen. Dies war im Zeitpunkt der Terminssäumnis zum 15. März 2001 verspätet. Es bleibt danach weiterhin verspätet, auch wenn Einspruch gegen das Versäumnisurteil rechtzeitig eingelegt worden ist (vgl. BGHZ 76, 173; OLG München NJW-RR 1995, 127). Dem steht auch die Vorschrift des § 340 Abs. 3 ZPO nicht entgegen. Diese enthält lediglich eine zusätzliche Bestimmung über die Einspruchsschrift, ohne dass damit die allgemeinen Verspätungsvorschriften unterlaufen werden sollen (vgl. OLG München aaO). Die Säumnis des Klägers im Termin vom 15. März 2001 hatte somit Verspätungsfolgen nur dann abwenden können, wenn auf diese Weise eine sonst drohende Verfahrensverzögerung aufgefangen worden wäre. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn der Vorsitzende des Senats durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen zum Termin über Einspruch und Hauptsache die Säumnisfolgen hätte abwenden können. Diese Pflicht kann aber nicht dazu führen, dass der Termin hinausgeschoben werden muss, um das verspätete Vorbringen der Partei auszugleichen. Denn der Vorsitzende ist gemäß § 341 a ZPO i.V.m. § 216 Abs. 2 ZPO gleichzeitig verpflichtet, unverzüglich nach Eingang eines zulässigen Einspruchs Termin zur Verhandlung zu bestimmen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn er die auf den Einspruch anzuberaumende Verhandlung soweit aufschieben müsste, dass in diesem Termin alle nach dem verspäteten Vorbringen in Betracht kommenden Beweise erhoben werden könnten (vgl. BGH NJW 1981, 286). Andernfalls würde nämlich die Regelung des § 296 ZPO durch das Versäumnisverfahren unterlaufen. Es mag danach durchaus noch zumutbar sein, dass der Vorsitzende seine Terminplanung so einrichtet, dass auch eine größere Anzahl von Zeugen noch hinzugeladen und vernommen werden kann (vgl. BGH WM 1985, 819; OLG Bremen 3 U 84/91, Urteil vom 14. Januar 1992). Ein Hinausschieben des Termins auf unbestimmte Zeit, um zu ermöglichen, dass noch vorher ein Sachverständigengutachten eingeholt werden kann, kommt jedoch grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGH aaO. NJW 1981, 286).

Darauf würde es hier aber hinauslaufen. Der umfassende Angriff des Klägers gegen die Schadensberechnung der Beklagten würde zumindest die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens erforderlich machen. Vorausgesetzt wäre aber, dass sämtliche erforderlichen betriebswirtschaftlichen Daten erst einmal beigebracht würden. Weiter müssten eventuell Auskünfte von öffentlichen Stellen - wie durch den Kläger beantragt - eingeholt werden. Die dadurch entstehenden zeitlichen Vezögerungen hätte der Vorsitzende durch entsprechende Terminplanung aber nicht auffangen können.

Der Kläger hat auch - trotz Hinweises des Senats im Termin vom 17. Mai 2001 - keine Entschuldigungsgründe dafür vorgebracht, dass er sein Vorbringen verspätet eingereicht hat (§ 296 Abs. 1 ZPO).

4. Da der über die geltend gemachte Vertragsstrafe hinausgehende Schadensersatzanspruch der Beklagten betragsmäßig ausreicht, um kraft Aufrechnung die Klageforderung vollständig zum Erlöschen zu bringen, war die Klage vollumfänglich abzuweisen. Dabei kam es auf die umstrittene Frage, ob der Schadensersatzanspruch unberührt von der Vertragsstrafe geltend gemacht werden kann, im vorliegenden Verfahren nicht an (vgl. zur Problematik Staudinger/Rieble, BGB, 13. Bearb., § 340, Rdnr. 9; offen gelassen: MünchKomm/Gottwald, BGB, 3. Aufl., § 340, Rdnr, 1; Ermann/Westermann, BGB, 10. Aufl., § 340, Rdnr. 5). Der BGH hat diese Frage für Individualverträge - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden. Lediglich für den Fall der Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes hat er eine Abdingung durch einen einseitig vom Gläubiger aufgestellten Formularvertrag für unwirksam erklärt (vgl. BGHZ 63, 256, 258); dies gilt auch für Handelsvertreterverträge, auf die lediglich § 9 AGBG anwendbar ist (vgl. BGH NJW 1992, 1096).

Die Frage kann hier deshalb offen bleiben, weil auch der über die Vertragsstrafe hinausgehende Schadensersatzanspruch ausreicht, um kraft Aufrechnung die Klageforderung vollständig zum Erlöschen zu bringen.

5. Nach alledem hat das Erstgericht zutreffend entschieden, weshalb das Versäumnisurteil des Senats vom 15. März 2001, mit welchem die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, aufrechtzuerhalten war (§ 343 ZPO).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer des Klägers war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten.

Ende der Entscheidung

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