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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 07.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 90/01
Rechtsgebiete: UWG, StBerG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
StBerG § 8
StBerG § 57 a
Die Behauptung eines Lohnsteuerhilfevereins in Stellenanzeigen, er sei "einer der beiden führenden Lohnsteuerhilfevereine in Deutschland" bzw. "der neue Marktführer" verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot (§§ 8, 57 a StBerG) und ist darüber hinaus eine unzulässige Alleinstellungsbehauptung.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 90/01

Verkündet am: 7. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

wegen unlauteren Wettbewerbs,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler und Friemel auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz), geführt beim Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein, vom 19. April 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 55 000,-- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien sind anerkannte Lohnsteuerhilfevereine und überregional tätige Wettbewerber. Beide unterhalten u. a. Beratungsstellen in der Region Sch....

Der Beklagte, der seit über 25 Jahren als Lohnsteuerhilfeverein zugelassen ist, betreut in rund 2000 Beratungsstellen im gesamten Bundesgebiet über 320 000 Mitglieder. Im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland existiert ein weiterer Verein mit einer vergleichbaren Größenordnung, die L... B... e.V., die über ca. 180 Beratungsstellen ebenfalls mehr als 300 000 Mitglieder betreut. Der Beklagte macht einen jährlichen Umsatz von über 51 Mio. DM. Der Kläger ist nur etwa halb so groß wie der Beklagte.

Der Beklagte schaltete am 13. September 1999 in der Zeitschrift "NWB" (Neue Wirtschaftsbriefe) eine Stellenanzeige, in der er sich als "der führende Lohnsteuerhilfeverein der Bundesrepublik mit über 2000 örtlichen Beratungsstellen" bezeichnete. Auf Antrag des Klägers untersagte das Landgericht Frankenthal (Pfalz) dem Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren (Az.: 2 HK.O 160/99) die Anzeige. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat der Senat mit Urteil vom 10. Februar 2000 zurückgewiesen (Az.: 4 U 256/99).

Am 28. Oktober 2000 schaltete der Beklagte in der Schweriner Volkszeitung eine Stellenanzeige mit der er "Beratungsstellenleiter/innen" suchte. In ihrem Eingangssatz führte er aus:

"Wir sind einer der beiden führenden Lohnsteuerhilfevereine in Deutschland und mit 2000 örtlichen Beratungsstellen bundesweit tätig."

Nachdem der Beklagte eine vom Kläger gewünschte Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Im Laufe des Rechtsstreits gab der Beklagte in der Zeitschrift "NWB" am 22. Januar 2001 und 5. Februar 2001 erneut Stellenanzeigen zur Einstellung von "Beratungsstellenleiter/innen" auf, in denen er sich wie folgt beschrieb:

"Wir sind nun mit dem größten Beratungsnetz und über 330 000 beitragszahlenden Mitgliedern der neue Marktführer. Dies verdanken wir unseren tüchtigen örtlichen Beratungsstellenleitern/innen."

Nachdem der Beklagte gegenüber dem Kläger auch insoweit die Abgabe einer Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, hat der Kläger seine Klage wegen des Wortlautes dieses Inserates erweitert.

Der Kläger hat vorgetragen:

Der Beklagte betreibe irreführende Alleinstellungswerbung, die auch unsachlich i.S.v. §§ 57 a, 8 Abs. 1 StBerG sei. Er berufe sich auf eine Spitzenstellung, für die es nicht nur auf die Große seines Unternehmens ankomme, sondern auch auf ein im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern deutliches Überragen an Leistungsfähigkeit, Auswahl, Gute, Umsatz, Personal und guten Ruf. Die Bezeichnung "führender Lohnsteuerhilfeverein" bzw. "neuer Marktführer" gehe über eine bloße Unternehmensbeschreibung hinaus und stelle eine Wertung seiner Qualität dar. Soweit sich der Beklagte in dem Inserat in der Schweriner Volkszeitung vom 28. Oktober 2000 als einer der beiden führenden Lohnsteuerhilfevereine bezeichnet habe, werde eine Irreführung nicht dadurch ausgeschlossen, dass der L... B... e.V. eine vergleichbare Große habe. Der Verein sei in der Anzeige nicht benannt, so dass die angesprochenen Verkehrskreise die Alleinstellungsbehauptung nur mit dem Beklagten verbänden. Im Übrigen werde auch irregeführt, wenn sich mehrere Mitbewerber zu Unrecht als "führend" bezeichnen würden. Erst recht erwecke die Bezeichnung "der neue Marktführer" die Vorstellung eines deutlichen Überragens in den genannten Qualitätsmerkmalen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500 000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfälle bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an seinem Vorstand, zu verurteilen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Stellenanzeigen zu schalten,

a) in denen er sich als einen der beiden führenden Lohnsteuerhilfevereine in Deutschland bzw. der Bundesrepublik bezeichnet, wie dies in der Anzeige in der Schweriner Volkszeitung vom 28.10.2000 geschehen ist;

b) in denen er sich als der neue Marktführer bezeichnet, wie dies in den Anzeigen aus den "NWB" vom 22.01.2001 und vom 05.02.2001 geschehen ist.

Der Beklagte hat vorgetragen: Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, weil er nicht die gleichen Leistungen auf demselben Markt anbiete. Seine Werbung sei zutreffend. Er habe einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern. Außer dem L... B... e.V. reiche kein anderer Lohnsteuerhilfeverein größenmäßig an ihn heran. Im Übrigen handele es sich nicht um Werbung, sondern lediglich um Stellenanzeigen mit sachlichen Informationen für eventuelle Bewerber. Die Anzeigen sprachen stellensuchende Personen an, nicht aber Interessenten einer eventuellen Steuerberatung. Sie seien von vornherein auf einen begrenzten Interessentenkreis gerichtet, der auch eine gewisse Berufserfahrung im Steuerwesen mitbringe.

Die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) beim Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Beklagten durch das angefochtene Urteil antragsgemäß verurteilt und im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte werbe mit einer unsachlichen und irreführenden Alleinstellung. Bei Lohnsteuerhilfevereinen komme es für die angesprochenen Verkehrskreise auf die Faktoren Leistungsfähigkeit, Auswahl, Güte, Umsatz, Personal und guten Ruf an. Da der Beklagte allein auf die Zahl seiner Beratungsstellen, seinen Umsatz und die Anzahl seiner Mitglieder abhebe, sei seine Behauptung einer "Führungs"-Position unzulässig. Auf vergleichbare Zeitschriften- und Rundfunkwerbung könne sich der Beklagte nicht berufen, weil diese Fälle nicht vergleichbar seien. Der Beklagte könne sich hinsichtlich der Inserate in der "NWB" nicht darauf berufen, dass die Stellenanzeigen in einer Fachzeitschrift erschienen seien, weil auch eine solche Werbung dem Irreführungsverbot unterliege; es sei unerheblich, ob von der betreffenden Werbung überhaupt Kenntnis genommen werde. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

Der Beklagte bekämpft das Urteil in vollem Umfang.

Er wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Seine Werbung sei unter Berücksichtigung der Neufassung des § 8 StBerG erlaubt; sie sei sachlich zutreffend und objektiv nachprüfbar. Das ergebe sich insbesondere aus seiner Aussage, dass über 2000 Beratungsstellen für ihn tätig seien. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass auch guter Ruf und Gute zu den maßgeblichen Beurteilungskriterien gehörten, weil diese nicht nachprüfbar seien. Der Kläger könne nicht bestreiten, dass er - der Beklagte - im Hinblick auf Mitgliederzahl, Anzahl der Beratungsstellen, Flächendeckung, Anzahl der Mitarbeiter, Jahresumsatz und Dauer eine erhebliche Sonderstellung im Vergleich zu anderen Lohnsteuerhilfevereinen erreicht habe. Er nehme eine Spitzenstellung insbesondere auch hinsichtlich der Güte seines Personals ein. Er unterhalte ein ausgeklügeltes System von internen Schulungen und Prüfungen seiner Mitarbeiter und habe sowohl nach Anzahl als auch nach deren Befähigung eine herausragende Position erreicht. Von den vom Landgericht aufgestellten Merkmalen erfülle er bis auf das Merkmal "Gute" sämtliche Kriterien. Dieses Merkmal werde von dem Begriff "neuer Marktführer" nicht umfasst.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertieft im Wesentlichen seine erstinstanzlichen Ausführungen. Ergänzend trägt er vor: Zwar unterhalte der Beklagte in Deutschland die größte Anzahl von Beratungsstellen und beschäftige damit vermutlich auch die größte Anzahl von Mitarbeitern; gleichzeitig habe er unstreitig nach dem L... B... e.V. die größte Anzahl an Mitgliedern und damit vermutlich einen der höchsten Jahresumsätze unter den Lohnsteuerhilfevereinen in Deutschland. Er überrage seine Mitbewerber jedoch nicht an Leistungsfähigkeit, Auswahl, Gute und guten Ruf. Die Anzahl seiner Mitarbeiter sei völlig unerheblich, weil seine Mitglieder jeweils nur die Leistung einer seiner Mitarbeiter, nämlich des jeweiligen Beratungsstellenleiters in Anspruch nehmen wurden. Dass die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter die der Mitarbeiter seiner Mitbewerber merklich überrage, trage der Beklagte selbst nicht vor. Gerade der Faktor "Gute" sei für die angesprochenen Verkehrskreise, die Hilfesuchenden in Lohnsteuersachen ein wesentlicher Faktor. Die Zeitschrift "Test" der Stiftung Warentest habe festgestellt, dass die Qualität des Beklagten lediglich ausreichend sei. Der Beklagte widerspreche sich selbst, wenn er einerseits darauf hinweise, dass Werbeinhalte sachlich zutreffend und objektiv nachprüfbar sein mussten, andererseits aber ausführe, dass Gute und guter Ruf nicht nachprüfbar seien.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Beklagten führt nicht zum Erfolg. Seine in den streitgegenständlichen Stelleninseraten aufgestellten Behauptungen beinhalten eine unsachliche Selbstanpreisung und eine unzulässige Alleinstellungswerbung. Der Kläger hat deshalb gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerungen (§§ 1, 3, 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 26 Abs. 2, 57 a StBerG). Der Kläger ist klagebefugt. Die Parteien sind "Gewerbetreibende" im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, der auch Lohnsteuerhilfevereine umfasst (BGH GRUR 1976, 370; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 13 Rdnr. 12). Sie sind beide eingetragene Lohnsteuerhilfevereine und direkte Mitbewerber auf dem Markt.

II.

Die vom Kläger beanstandeten Stellenanzeigen des Beklagten beinhalten auch Werbeaussagen. Werbung ist ein Verhalten, das planvoll darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen. Ob diese Merkmale erfüllt sind, ist nach objektiven Kriterien zu ermitteln. Maßgebend dafür ist in erster Linie die Verkehrsanschauung. Nach ihr handelt es sich um Werbung nicht nur dann, wenn sich jemand mit positiven Bewertungen der eigenen Fähigkeiten und Leistungen oder mit Aufforderungen zur Inanspruchnahme der Leistung an das Publikum wendet. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände können vielmehr auch sonstige Grunde das Urteil rechtfertigen, das betreffende Verhalten sei darauf angelegt, andere für die Inanspruchnahme der Leistungen zu gewinnen. Es genügt allerdings nicht, dass ein Verhalten (lediglich) die Wirkung hat, dass der Leistungserbringer und seine Leistungen beim Publikum weiter bekannt werden und sich dies für den Umsatz fordernd auswirkt; entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten nach der Verkehrsanschauung darauf angelegt ist, diese Wirkung zu erreichen. Die Umsatzforderung muss nicht der einzige Zweck des zu beurteilenden Verhaltens sein, sondern es mag auf andere Gründe mit zurückzuführen sein (BGH NJW 1992, 45; NJW 1990, 1739; OLG Frankfurt/Main WRP 1981, 104). Es ist deshalb anerkannt, dass auch Stellenanzeigen Werbung enthalten können (OLG Frankfurt, aaO; Baumbach/Hefermehl, aaO, § 3, Rdnr. 14). Sie ist anzunehmen, wenn - wie hier - zugleich mit der Behauptung einer Spitzenstellung Stellensuchende und andere (flüchtige) Leser zugleich als Verbraucher angesprochen werden. Denn ein Werbeslogan, der eine (Mit-)Führungsposition behauptet, wird vom unbefangenen Leser, auch wenn er in einer Stellenanzeige enthalten ist, dahin verstanden, dass der Beklagte besser sei als seine Mitbewerber (vgl. auch BGH GRUR 1973, 78).

III.

Der Beklagte wirbt in seinen Anzeigen mit irreführenden Alleinstellungsbehauptungen, die schon nach allgemeinem Wettbewerbsrecht unzulässig und erst recht nicht mehr sachlich im Sinne von § 57 a StBerG (vgl. hierzu Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 57 a Rdnr. 13 ff) sind.

1. Nach §§ 57 a, 8 StBerG i.V.m. § 3 der WerbeVOStBerG dürfen Lohnsteuerhilfevereine über ihre Tätigkeit in Form und Inhalt nur sachlich unterrichten. Eine reklamehafte Form dürfen die Anzeigen in Große und Aufmachung nicht haben (§ 3 Abs. 2 WerbeVOStBerG). Angaben über die Berufstätigkeit müssen sachlich, d.h. objektiv nachprüfbar und frei von persönlicher Wertung sein. Eigene Bewertungen sind ebenso wie eine irreführende Werbung (§ 3 UWG) unzulässig (Gehre aaO, Rdnr. 13, 14). Die Werbung des Beklagten als "führender Lohnsteuerhilfeverein" bzw. als "der neue Marktführer" ist auch in Verbindung mit den daneben gemachten Hinweisen auf die Anzahl der Beratungsstellen und der Mitglieder nicht mehr nur eine sachliche Beschreibung des Unternehmens zum Zwecke der Anwerbung von Mitarbeitern, sondern eine reklamehafte Selbstanpreisung und Wertung, die mit den genannten Vorschriften nicht mehr vereinbar ist.

2. Darüber hinaus beinhalten die Anzeigen eine unzulässige Alleinstellungswerbung.

Die genannten Selbstbezeichnungen werden vom Verkehr als ernstzunehmende Aussage verstanden, die auf ihre objektive Richtigkeit nachprüfbar ist (vgl. auch BGH GRUR 1969, 415; Baumbach/Hefermehl aaO, § 3 Rdnr. 78 m.w.N.). Das Publikum verbindet damit grundsätzlich auch Qualitätsvorstellungen. Solche Anzeigen können nicht nur von Stellensuchenden, sondern auch von anderen Personen, insbesondere steuerpflichtigen Arbeitnehmern gelesen werden, die als Mitglieder des Beklagten in Betracht kommen (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, WRP 1981, 104). Die Möglichkeit einer irreführenden Werbung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei der Zeitung "Neue Wirtschaftsbriefe", in der zwei der streitgegenständlichen Stellenanzeigen geschaltet wurden, um eine Fachzeitschrift der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe handelt. Zum einen ist auch sie, ebenso wie die "Schweriner Volkszeitung" von jedermann erwerbbar. Zum anderen sind auch Fachkreise nicht ohne weiteres in der Lage, die Richtigkeit einer Alleinstellungsbehauptung zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 1973, aaO).

Der Senat, dessen Mitglieder ebenfalls steuerpflichtige Arbeitnehmer sind, die deshalb auch zu den angesprochenen Kreisen gehören, bejaht die Frage, ob mit den Bezeichnungen "einer der beiden führenden Lohnsteuerhilfevereine" und "der neue Marktführer" auch qualitative Vorstellungen verbunden werden.

Grundsätzlich ist die Annahme von Qualitätsmerkmalen auch im Rahmen solcher Beschreibungen möglich (vgl. Baumbach/Hefermehl, aaO, § 3 Rdnr. 399). Nicht selten verbindet das Publikum gerade mit Angaben über eine erreichte Größe auch Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit des Werbenden (vgl. BGH, GRUR 1969, aaO). Gerade bei den oft schwierigen Fragen des Steuerrechtes kommt es dem angesprochenen Verbraucherkreis weniger auf quantitative Kapazitäten wie Beratungsstellen oder Mitgliederzahlen an, sondern vor allem auf Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit und Qualität. Aus der Angabe einer "Marktführerschaft" entnimmt der Leser vor allem, dass der so Werbende qualitativ überlegen ist, weil er über ein besseres Know-how, bessere persönliche und sachliche Ausstattung verfügt, mehr Steuersachen und diese besser als seine Mitbewerber bearbeitet, er also an Erfahrung und Wissen überlegen ist. Ähnliches gilt auch für den Stellensuchenden, der mit einer solchen Werbung nicht nur Fragen seiner beruflichen Chancen, sondern auch der Qualität seines möglichen Arbeitgebers verbindet.

Zu seiner qualitativen Überlegenheit hat der Beklagte nichts vorgetragen. Zwar ist grundsätzlich der Kläger für die Unrichtigkeit der beanstandeten Werbebehauptung darlegungs- und beweispflichtig. Es gelten jedoch Darlegungs- und Beweiserleichterungen, wenn - wie hier - der Beklagte eine Behauptung aufgestellt hat, deren Überprüfung für den Kläger unmöglich oder zumindest sehr schwierig ist, weil es sich um Vorgange handelt, die zum innerbetrieblichen Bereich des Beklagten gehören und die dem Kläger ebenso wie die maßgeblichen Leistungskriterien bei den übrigen Mitbewerbern kaum zugänglich sind (vgl. auch BGH GRUR 1985, 140). Seine pauschale Behauptung, er unterhalte "ein ausgeklügeltes System von internen Schulungen und Prüfungen seiner Mitarbeiter und habe nach deren Anzahl und Befähigung eine herausragende Position erreicht" genügt nicht. Erst recht gilt das für seine Einschätzung, dass seine Qualität nicht nachprüfbar sei, womit er letztlich den vom Kläger erhobenen Vorwurf einer irreführenden Werbung einräumt.

Eine unzulässige Alleinstellungswerbung wird bezüglich des in der Schweriner Volkszeitung erschienenen Inserates auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Beklagte darin nur als "einer der beiden" führenden Lohnsteuerhilfevereine bezeichnet. Das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Alleinstellung auch behauptet, wer zum Ausdruck bringt, er übertreffe jedenfalls eine größere Gruppe seiner Mitbewerber (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, aaO, Rdnr. 68).

IV.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO n.F., 26 Nr. 8 b EGZPO n.F.).

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

51 129, 18 €

festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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