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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 31.08.2007
Aktenzeichen: 5 W 5/07
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124 Nr. 1
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 124 Nr. 3
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 20 Nr. 4c
Bei Vorliegen der Tatbestandsvorausetzungen von § 124 Nr. 2 ZPO ist weder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne weiteres umfassend aufzuheben, weil dieser Bestimmung Strafcharakter für schuldhaft falsche Angaben zukommt, noch darf eine Aufhebung immer nur insoweit erfolgen, wie ausgehend von den berichtigten Angaben von Anfang an keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre.

Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob angesichts absichtlich oder grob nachlässig gemachter falscher Angaben der Partei diese Angaben trotz Berichtigung insgesamt nicht mehr als ausreichend verlässlich angesehen oder aber die tatsächlichen Verhältnisse nunmehr ausreichend sicher festgestellt werden können. Der Partei obliegt es, insbesondere durch die Darlegung der Umstände, unter denen es zu den falschen Angaben kam, die Unsicherheit über die Richtigkeit ihrer Angaben auszuräumen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 5 W 5/07

In dem Rechtsstreit

wegen Arzthaftung,

hier: Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12. Juli 2007, eingegangen am selben Tag, gegen den ihm am 28. Juni 2007 zugestellten Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Zweibrücken vom 26. Juni 2007 ohne mündliche Verhandlung

am 31. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Dem Kläger wurde mit Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 6. Februar 2007 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen bewilligt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger den Bewilligungsbeschluss aufgehoben.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Rechtspflegers ist gem. § 11 Abs. 1 RpflG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.

2. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Nach § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 nicht abgegeben hat.

Die auf die erste Alternative dieser Vorschrift gestützte Entscheidung des Rechtspflegers hat Bestand.

a. Der Rechtspfleger war auch während der Anhängigkeit der Sache bei der Zivilkammer für die Entscheidung über die Aufhebung der Prozesskostenhilfe zuständig.

20 Nr. 4c RpflG; vgl. etwa Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rdnr. 20).

b. In seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24. September 2006 hat der Kläger lediglich Angaben zu einem Girokonto gemacht und ein Sparguthaben in Höhe von rund 4.120 € verschwiegen.

Der Kläger hat eine Ablichtung aus einem Sparbuch, das für die Zeit der Antragstellung ein entsprechendes Guthaben aufwies, mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. März 2007 beim Landgericht vorgelegt. Auf die Frage eines Verwertungsverbotes wegen der behaupteten rechtswidrigen Kenntniserlangung des Beklagten von diesem Vermögen kommt es schon deshalb nicht an, weil der Kläger entsprechende Angaben selbst gemacht hat. Zudem ist der Beklagte nicht Beteiligter des PKH-Billigungsverfahrens für den Kläger (Zöller/Philippi a. a. O., § 118 Rdnr. 1), so dass eine Rechtsverletzung durch ihn ein Verwertungsverbot für die Staatskasse für sich allein auch nicht begründen würde.

c. Der Kläger handelte zumindest grob fahrlässig, indem er Angaben zu seinem Sparguthaben unterließ.

Im amtlichen Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist ausdrücklich aufgeführt, dass neben Bank- und Girokonten auch Sparkonten und dergleichen mit dem Guthaben anzugeben sind. Damit war für den Kläger ohne weiteres erkennbar, dass Angaben zu seinem Sparguthaben erforderlich waren.

Der mit der Beschwerde vorgetragene Sachverhalt, gegen den Kläger bestehende Forderungen hätten sein Guthaben überstiegen, so dass die wirtschaftliche Situation im Ergebnis nicht falsch dargestellt worden sei, räumt diesen Schuldvorwurf nicht aus. Zahlungsverpflichtungen sind - auch dies lässt sich dem amtlichen Formular ohne weiteres entnehmen - gesondert aufzuführen und glaubhaft zu machen. Damit ist ebenfalls ohne jede Anstrengungen zu erkennen, dass eine Saldierung von Schulden und Vermögenspositionen nicht vorzunehmen ist. Entsprechende Vorstellungen schließen deshalb den Vorwurf, zumindest grobfahrlässig gehandelt zu haben, nicht aus (ebenso Brandenburgisches OLG in FamRZ 2006,213, insoweit nicht zutreffend wiedergegeben in Zöller/Philippi a. a. O. § 124 Rdnr. 9). Es ist deshalb unerheblich, dass der Kläger entsprechende Forderungen auch nicht konkret dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

d. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 124 Nr. 1 oder 2 ZPO die Prozesskostenhilfe ohne weiteres aufgehoben werden kann, weil den Bestimmungen Strafcharakter für schuldhaft falsche Angaben zukommt, oder ob eine Aufhebung nur insoweit erfolgen darf, wie bei zutreffenden Angaben von Anfang an keine Prozesskosttenhilfe bewilligt worden wäre (vgl. dazu Zöller/Philippi a. a. O. § 124 Rdnr. 5 m. w. N.). Nähere Begründungen zu den unterschiedlichen Auffassungen fehlen weitgehend.

Der Senat leitet aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang der unterschiedlichen Tatbestände von § 124 ZPO ein von beiden Auffassungen abweichendes Verständnis des Gesetzes ab.

Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe für den Fall, dass die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben, ist bereits nach § 124 Nr. 3 ZPO - wenn auch nach Abschluss des Verfahrens zeitlich befristet - möglich, so dass es nicht überzeugend erscheint, dass der Gesetzgeber einen zweiten Tatbestand für den gleichen Sachverhalt vorgesehenen und darüber hinaus mit besonderen Schuldformen qualifiziert hat. Daher fehlt zunächst eine überzeugende Begründung dafür, dass auch nach § 124 Nr. 2 ZPO die bewilligte Prozesskostenhilfe nur so zu ändern ist, dass dem Hilfsbedürftigen Prozesskostenhilfe entsprechend seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse verbleibt (so aber etwa Brandenburgisches OLG a. a. O.).

Der Gesetzgeber hat in § 124 Nr. 2 ZPO zwei Tatbestände für die Aufhebung von Prozesskostenhilfe zusammengefasst. Während das Vortäuschen der sachlichen Voraussetzung der Prozesskostenhilfe in einer gesonderten Tatbestandsziffer (in Nr. 1) geregelt wurde, wird in Nr. 2 neben dem Vortäuschen der persönlichen Voraussetzungen als 2. Alternative aufgeführt, dass eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben wird. Diese systematische Gliederung der Tatbestandsalternativen ist Indiz dafür, dass eine sachliche Nähe der beiden Tatbestandsalternativen in § 124 Nr. 2 ZPO besteht. Der Senat sieht dies darin, dass in beiden Fällen das Gericht keine ausreichende Grundlage mehr hat, von der Bedürftigkeit der Partei auszugehen. Wenn eine Erklärung zu Änderungen in den Verhältnissen nicht abgegeben wird, liegt dies auf der Hand. Wenn absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben von der Partei zu den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht wurden, ergibt sich diese Folge daraus, dass die Angaben der Partei - wenn auch nachträglich berichtigt - insgesamt regelmäßig nicht mehr als ausreichend verlässlich angesehen werden können.

Nach dem Gesetz obliegt dem Gericht eine Entscheidung im Einzelfall (" kann "), ob trotz absichtlich oder grob nachlässig gemachter falscher Angaben der Partei die tatsächlichen Verhältnisse ausreichend sicher festgestellt werden können; unter dieser Voraussetzung bestehen keine Bedenken dagegen, der bedürftigen Partei im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen die Prozesskostenhilfe zu belassen. Falls dies nicht der Fall ist, ist die Prozesskostenhilfe insgesamt aufzuheben, ohne dass dies als Strafe für die Partei gelten kann.

Es ist Sache der Partei, insbesondere durch die Darlegung der Umstände, unter denen es zu den falschen Angaben kam, und durch Darlegung weiterer Anknüpfungstatsachen die Unsicherheit über die Richtigkeit ihrer Angaben auszuräumen.

Im vorliegenden Falle fehlt es hieran, weshalb eine verlässliche Grundlage dafür, die PKH-Bedürftigkeit des Klägers feststellen zu können, nicht gegeben ist. Im Ergebnis hat es deshalb bei der Entscheidung des Rechtspflegers zu verbleiben.

3. Nebenentscheidungen für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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