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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 09.10.2008
Aktenzeichen: 5 WF 107/08
Rechtsgebiete: BGB, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 5 a.F.
BGB § 1578 b Abs. 1 Satz 2
BGB § 1578 b Abs. 2 n.F.
EGZPO § 36 Nr. 1
Zur nachträglichen Befristung eines durch Vergleich zunächst unbefristet titulierten Anspruchs auf Ehegattenunterhalt nach Änderung der Rechtsprechung des BGH durch Urteil vom 12.04.2006 aber vor Inkrafttreten des UÄndG.

Bei Abänderung eines Prozessvergleichs wegen Änderung der Rechtsprechung kommt es entscheidend darauf an, welche Rechtslage die Parteien ihrer Einigung zugrunde gelegt haben. Es kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ihnen vor Veröffentlichung der geänderten Rechtsprechung in der FamRZ diese bekannt gewesen ist.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 5 WF 107/08

In der Familiensache

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vizepräsident des Oberlandesgerichts Hoffmann als Einzelrichter auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 21. August 2008, eingegangen am 22. August 2008, gegen den ihm am 25. Juli 2008 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 07. Juli 2008 ohne mündliche Verhandlung am 09. Oktober 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 07. Juli 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die nachgesuchte Prozesskostenhilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Familiengericht - Speyer zurückverwiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Klägers begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.

In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die für die Abänderungsklage begehrte Prozesskostenhilfe kann nicht mit der Begründung versagt werden, der Kläger sei mit dem Vortrag zur (nachträglichen) Befristung des titulierten Ehegattenunterhalts präkludiert.

Bei Abschluss des Vergleichs der Parteien vom 03. Juli 2006 bestand die grundsätzliche Möglichkeit einer Befristung nach § 1573 Abs. 5 BGB alter Fassung. Eine Befristung wurde indes nicht vereinbart. Eine nachträgliche Befristung kann deshalb nur unter den Voraussetzungen der Störung der Geschäftsgrundlage beansprucht werden (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1357; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rdnr. 1075).

Nach der neuen Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang durch die Lebensgestaltung während der Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB). Die gesetzliche Neuregelung zur Befristung eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt zum 1. Januar 2008 ist unter den Voraussetzungen von § 36 Nr. 1 EGZPO (Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007) mögliche Grundlage für ein Abänderungsverlangen. Danach sind Umstände, die vor dem 1. Januar 2008 entstanden und durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung (rechtskräftiges Urteil, vollstreckbarer Titel oder Unterhaltsvereinbarung) zumutbar ist (vgl. Borth, FamRZ 2008, 105, 108). Das Abänderungsverlangen kann sich demnach allein auf die gesetzliche Neuregelung stützen (vgl. FA-FamR/Gerhard, 6. Aufl., 6. Kapitel Rdnr. 668 ff.).

Im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung zu § 1573 Abs. 5 BGB, nach der bei einer Ehedauer von mehr als 10 Jahren eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur unter besonderen Umständen angenommen wurde, hat der BGH indes bereits mit Urteil vom 12. April 2006 (FamRZ 2006, 1006) noch zur alten Rechtslage dem Gesichtspunkt der Ehedauer nur noch eingeschränkte Bedeutung beigemessen (vgl. zur Problematik auch: Rose, FamRZ 2007, 1289, 1295). Die Ehedauer ist dabei zu bemessen von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags, hier vom September 1979 bis August 2003.

Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung des BGH wird vertreten, dass ein Abänderungsbegehren, mit dem eine nachträgliche Befristung von zunächst unbefristet tituliertem Ehegattenunterhalt verlangt wird, trotz Änderung des Unterhaltsrechts zum 01. Januar 2008 und des hierzu erlassenen Übergangsrechts grundsätzlich unzulässig ist, wenn der ursprüngliche Titel nach der maßgeblichen Änderung der Rechtsprechung des BGH errichtet worden ist, so dass die seither ersichtlichen erweiterten Möglichkeiten einer Unterhaltsbefristung bereits hätten berücksichtigt werden können (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 04.07.2008, 20 WF 574/08, OLGR 2008, 687; OLG Bremen, Beschluss vom 24.06.2008, 4 WF 68/08, OLGR 2008, 684). Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, insbesondere ob diese Frage bereits im Rahmen der Entscheidung über die nachgesuchte Prozesskostenhilfe und nicht erst im Hauptsacheverfahren abschließend beantwortet werden soll (ablehnend OLG Dresden a.a.O.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Bei der Abänderung eines Prozessvergleichs wegen Änderung der Rechtsprechung ist immer zunächst zu ermitteln, welche Verhältnisse die Parteien zur Grundlage ihrer Einigung gemacht haben und von welcher Rechtslage sie ausgegangen sind (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1357, 1358; siehe auch Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rdn. 1348).

Es kann vorliegend - jedenfalls nicht ohne Weiteres - davon ausgegangen werden, dass den Parteien bei Abschluss des Prozessvergleichs am 03. Juli 2006 bereits die modifizierte Rechtsprechung des BGH zur Befristung von Ansprüchen auf nachehelichen Ehegattenunterhalt bekannt gewesen und diese mithin bindende Grundlage des Vergleichs geworden ist. Die Entscheidung des BGH ist in der führenden Fachzeitschrift zum Familienrecht, der FamRZ (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, Verlag Ernst und Werner Gieseking GmbH, Bielefeld), erst in Heft 14 des Jahres 2006, Erscheinungsdatum 15. Juli 2006, veröffentlicht. Auch dem fachkundigen Rechtspublikum mussten und konnten deshalb die darin entwickelten Grundsätze regelmäßig jedenfalls nicht vor Mitte Juli 2006 bekannt sein. Dafür, dass die Parteien bereits Anfang Juli 2006 bei Vergleichsabschluss von der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen wären, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Eine eventuell zeitlich zuvor ergangene Pressemitteilung des BGH oder ein eventueller Kurzhinweis in der FamRZ unter "Neueste Informationen" reicht für eine dahingehende Annahme nicht.

Damit ist eine nachträgliche Befristung des mit Vergleich vom 03. Juli 2006 titulierten nachehelichen Unterhalts grundsätzlich eröffnet.

Hierbei wird zu beachten sein, dass nach § 36 Nr. 1 EGZPO die Änderung eines vor dem 01. Januar 2008 errichteten Unterhaltstitels wegen vor diesem Tag entstandener und durch das UÄndG erheblich gewordener Umstände nur in dem Maße zulässig ist, als dies dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Insbesondere dann, wenn die Voraussetzungen einer zeitlichen Begrenzung nach § 1573 Abs. 5 BGB alter Fassung im Zeitpunkt der Errichtung des Titels eindeutig vorlagen, sie aber gleichwohl nicht eingewandt worden waren, soll der Vertrauensschutz einer Änderung des Artikels entgegenstehen (Gerhardt a. a. O. Rdnr. 668 a). Dem Gläubiger soll demgegenüber dann eine Einstellung auf die neue Rechtslage zumutbar sein, wenn die Voraussetzungen für eine Befristung bei Errichtung des Titels nicht vorhersehbar waren und sich die Änderung der Rechtslage deshalb als wesentliche Änderung darstellt (Gerhardt a.a.O. unter Bezug auf BGH FamRZ 2007, 793). Weitere Abwägungskriterien können sein: Dauer der bestehenden Unterhaltsregelung, Möglichkeiten des Unterhaltsberechtigten, eigene Einkünfte zu erzielen, Gründe für die Unterhaltsbedürftigkeit wie etwa eine Kindesbetreuung (vgl. Borth, FamRZ 2008, 105, 109).

Der angefochtene Beschluss kann nach alledem keinen Bestand haben. Der Senat erachtet es als angemessen, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzugeben. Dies zum einen deshalb, weil sich das Familiengericht bislang in der Sache noch nicht zu einer Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhalts nach der neugefassten Bestimmung des §°1578 b BGB i.V.m. § 36 Nr. 1 EGZPO geäußert hat. Zum anderen bedarf es noch der Bewertung der subjektiven Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nebenentscheidungen sind angesichts des vorläufigen Erfolgs des Rechtsmittels sowie nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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