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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 22.07.2002
Aktenzeichen: 7 U 271/01
Rechtsgebiete: ZVG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ZVG § 52 Abs. 1 Satz 1
ZVG § 53 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 767
ZPO § 794 Nr. 5
ZPO § 795
ZPO § 797
ZPO § 800
BGB § 812
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1169
BGB § 1192
Der Ersteigerer eines Grundstücks kann dem Gläubiger einer in das geringste Gebot fallenden Sicherungsgrundschuld im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage jedenfalls dann keine Einwendungen aus der zwischen dem Gläubiger mit dem Darlehensnehmer und früheren Eigentümer getroffenen Sicherungsabrede entgegenhalten, wenn er nicht nach § 53 Abs. 2 ZVG die persönliche Schuld des früheren Eigentümers übernommen hat.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 7 U 271/01

Verkündet am: 22. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

hat der 7. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht Petry und den Richter am Landgericht Kratz

auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. November 2001 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 v. H. leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist aufgrund Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 28.08.2000 Eigentümerin dreier zusammenhängender, mit einem Wohnhaus bebauter Grundstücke in M.... Dem Erwerb lag ein von den vormaligen Eigentümern, den inzwischen geschiedenen Eheleuten L... betriebenes Teilungsversteigerungsverfahren zugrunde.

Die Eheleute L... hatten im Zusammenhang mit der Finanzierung des Grundstückserwerbes zugunsten der Beklagten mit notarieller Urkunde vom 14.11.1991 die Eintragung einer nach § 800 ZPO vollstreckbaren Grundschuld über 285.000.-- DM nebst 15 % Zinsen sowie 5 % Nebenleistungen bewilligt. Nach der der Bestellung zugrunde liegenden Zweckvereinbarung sichert die Grundschuld die Ansprüche der Beklagten wegen "des zu finanzierenden Kaufpreises".

Die in Abt. III unter Nr. 3 des Grundbuchs eingetragene Grundschuld fiel bei der Versteigerung in das geringste Gebot. Sie valutiert derzeit noch mit rund 100.000.-- DM. Das zugrundeliegende Darlehen wird von Herrn L... bis heute ordnungsgemäß bedient.

Mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage wendet sich die Klägerin gegen die Vollstreckung der Beklagten aus der notariellen Urkunde. Sie meint, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten sei, nicht zur Duldung der Zwangsversteigerung verpflichtet zu sein.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der im Grundbuch von M..., Bl. 3944 für die Grundstücke Fl.Nrn. 9822, 9822/4 und 9822/18 in Abteilung III unter Nr. 3 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 285.000.- DM nebst 5 % Nebenleistungen für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage zugesprochen und zur Begründung ausgeführt, die Einreden der fehlenden Valutierung bzw. Fälligkeit der Grundschuld seien im Rahmen der Ersteigerung auf die Klägerin übergegangen, weil es sich insoweit um dingliche Nebenrechte der Grundschuld handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiter verfolgt und zur Begründung die Rechtsansicht des Landgericht bekämpft.

Die Beklagte verteidigt dagegen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angegriffene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt in der Sache zu dem angestrebten Erfolg. Die nach §§ 797, 767 ZPO statthafte und in zulässiger Weise erhobene Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet. Die Klägerin kann der Beklagten keine Einwendungen gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde entgegen halten.

1. Die Vollstreckungsgegenklage ist zulässig. Die Beklagte hält einen nach § 800 ZPO vollstreckbaren, der Klägerin inzwischen zugestellten Titel in Händen. Dies ist für die Begründung eines Rechtsschutzinteresses für die Klage aus § 767 ZPO ausreichend.

2. Die Vollstreckungsgegenklage ist indes unbegründet. Der Beklagten stehen keine Einwendungen gem. §§ 794 Nr. 5, 795, 767 ZPO gegen die Vollstreckung aus der Grundschuldurkunde zu. Sie kann sich insbesondere nicht - dies kommt hier alleine in Betracht - mit Erfolg auf die zwischen den Eheleuten L... und der Beklagten getroffene Sicherungsvereinbarung berufen. Im einzelnen gilt folgendes:

a) Die Grundschule) ist von einer etwa bestehenden persönlichen Forderung unabhängig, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - als Sicherung für eine solche Forderung dient. Deshalb steht sie dem Grundschuldgläubiger auch dann zu, wenn die gesicherte Forderung ganz oder teilweise nicht (mehr) besteht. Allerdings hat der Sicherungsgeber gegen den Grundschuldgläubiger aus dem zwischen ihnen bestehenden Sicherungsvertrag oder aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGH, LM Nr. 4 zu § 1 der 40. DVO/UmstG) einen durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Abtretung oder Aufhebung des nicht valutierten Teils der Grundschuld oder auf einen entsprechenden Verzicht (vgl. BGH, NJW 1986, 2108, 2109; OLG München NJW 1980, 1051, 1052 m. Anm. Vollkommer), den er nach §§ 1169, 1192 BGB dem Grundschuldgläubiger als Einreden entgegenhalten kann sowie einen Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist.

b) Der Klägerin stehen solche Ansprüche der Sicherungsgeber, der Eheleute L..., aus der Sicherungsabrede nicht zu. Zwar können die Eheleute L... ihrerseits der Vollstreckung aus der Urkunde entgegen halten, dass die Grundschuld nur noch in Höhe von rund 100.000.- DM valutiert und dass der Sicherungsfall nicht eingetreten ist. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin ist der mit den Eheleuten L... geschlossene Darlehensvertrag nicht gekündigt worden und wird weiter vertragsgemäß bedient. Indes lässt sich ein Übergang dieser Einreden auf die Klägerin nicht feststellen:

aa) Eine - auch konkludent mögliche - rechtsgeschäftliche Übertragung der Ansprüche aus dem Sicherungsvertrag (vgl. hierzu BGH NJW 1986, 2110; OLG Hamm, OLGR 1995, 97 m.w.N.) scheidet vorliegend aus, weil die Klägerin das Eigentum durch Zuschlag im Wege Teilungsversteigerung erlangt hat und für den Abschluss daneben getroffener Vereinbarungen mit den Eheleuten L.., insbesondere eine Abtretung der aus der Sicherungsabrede oder aus § 812 BGB folgenden Ansprüche, nichts ersichtlich ist.

bb) Der Klägerin stehen die Einreden auch nicht infolge des Erwerbs in der Teilungsversteigerung kraft Gesetzes zu:

Nach den Versteigerungsbedingungen ist die in Abteilung III Nr. 3 eingetragene Sicherungsgrundschuld bei der Feststellung des geringsten Gebotes berücksichtigt worden und deshalb nicht durch Zahlung im Rahmen des Versteigerungsverfahrens zu decken. Sie blieb deshalb nach § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG bestehen. Dadurch wurde die Klägerin als Ersteherin in Höhe des Nennbetrages der Grundschuld von einer Zahlung befreit, so dass die Übernahme dieses dinglichen Rechts einen Teil des von ihr geschuldeten Versteigerungserlöses bildet (BGHZ 56, 22, 24; BGH, RPfl 1971, 211; NJW-RR 1988, 1146, 1147; NJW 1989, 1349).

Im weiteren berührt der Zuschlag die Rechtsverhältnisse zwischen den Sicherungsgebern, den Eheleuten L..., und der Beklagten nicht. Durch ihn entfallen ihre vorbezeichneten Ansprüche nicht, sondern sie gebühren ihnen zunächst weiter gemeinschaftlich (BGH, NJW-RR 1987, 76, 77; NJW-RR 1990, 1202; v. Olshausen, KTS 1993, 511, 529). Die Realisierung dieser Ansprüche erfolgt im Wege der Abtretung der nicht mehr valutierten (Teil-) Grundschulden seitens der Beklagten an die Eheleute L.... Die Auseinandersetzung unter ihnen erfolgt sodann nach den Regeln über die Bruchteilsgemeinschaft (§§ 749,752 BGB) durch Zerlegung der Teilgrundschulden (§§ 1152,1192 BGB). Wird bei der Versteigerung die Grundschuld - einschließlich ihres nicht valutierten Teils - als bestehen bleibendes Recht von dem Ersteher übernommen und löst dieser sodann die Grundschuld in voller Höhe ab, so steht an Stelle des zuvor bestehenden, aufschiebend bedingten Anspruchs auf Abtretung, Verzicht oder Aufhebung nunmehr der auf den nicht valutierten Teil der Grundschuld entfallende Übererlös, den der Sicherungsnehmer erzielt, dem Sicherungsgeber zu. Seine Auskehrung an den Sicherungsgeber gleicht aus, dass dieser bei der Versteigerung des Grundstücks nur einen Erlös erzielt hat, der um den vollen Betrag der Grundschuld einschließlich ihres nicht mehr valutierten Teils gemindert war (BGH, NJW-RR 1989, 173-175).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn - wie vorliegend nicht - der Ersteher unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 ZVG die persönliche Schuld des Eigentümers übernommen hat. In diesem Fall erwirbt er zugleich auch die Ansprüche des (früheren) Eigentümers aus dem Sicherungsvertrag (Wolfsteiner in Staudinger, BGB, Stand Juli 1996, Vorbem. zu §§ 1191, Rnr. 140), so auch den Rückgewähranspruch (Zöller/Stöber, ZVG, 16. Aufl., §53, Anm. 3.2; Hock/Meyer, Immobiliarvollstreckung I, Rnr. 696) und den Anspruch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung, solange der Sicherungsfall nicht eingetreten ist. Hat dagegen der Ersteigerer die Pflichten des persönlichen Schuldners nicht übernommen, so besteht auch kein Grund, ihm dessen Rechte aus der Sicherungsvereinbarung zu gewähren.

3. Der Senat hat die Revision gegen das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zugelassen, weil die Entscheidung möglicherweise von den Auffassungen des Bundesgerichtshofes in BGHZ 56, 22, BGHZ 64, 170, NJW 1989, 1349 und in NJW-RR 1988, 1147 abweicht:

a) In den Entscheidungen BGHZ 56, 22 und BGHZ 64, 170 hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, der persönliche Schuldner (und frühere Eigentümer) habe, wenn er auf die persönliche, vom Ersteigerer nicht übernommene Schuld zahle, einen Bereicherungsanspruch gegen den Ersteigerer, weil dieser nach §§ 1169, 1192 BGB im Ergebnis von seiner dinglichen Haftung aus der Grundschuld befreit werde. Ist dem so, so hätte die vorliegende Vollstreckungsgegenklage zumindest in Höhe der nach der Versteigerung von Herrn L... geleisteten Tilgungen einen Teilerfolg.

Dieser Ansicht vermag sich der Senat indes nicht anzuschließen (ebenso Wolfsteiner a.a.O, v. Olshausen, KTS 1993, 511, 531). Der Ersteigerer wird dadurch, dass der persönliche Schuldner auf die persönliche Schuld zahlt, nicht von seiner dinglichen Haftung aus der Grundschuld befreit. Die Grundschuld ist abstrakt und ihre Verknüpfung mit der ihrer Bestellung zugrundeliegenden, persönlichen Forderung besteht ausschließlich über die Sicherungsabrede. Ist aber der Grundstückseigentümer an dieser Sicherungsabrede nicht beteiligt und kann er folglich aus ihr keine Rechte herleiten, so steht ihm aus dem Umstand, dass die persönliche Schuld beglichen wurde, gerade keine Einrede i.S.d. § 1169 BGB zu. Richtig ist nach Auffassung des erkennenden Senats vielmehr, dass, soweit der Ersteigerer nicht in die Sicherungsabrede eingetreten ist, durch Zahlungen auf die persönliche Schuld lediglich der Anspruch des persönlichen Schuldners gegen den Grundschuldgläubiger auf Abtretung der (Teil-) Grundschuld anwächst, nicht aber der Eigentümer von seiner (vollen) Haftung aus der Grundschuld befreit wird. Realisiert der persönliche Schuldner später seinen Anspruch auf Abtretung eines -durch die weiteren Zahlungen angewachsenen - Teils der Grundschuld, so kann er aus dieser gegen den Ersteigerer vorgehen. Eine Bereicherung des Ersteigerers in Form eines teilweisen Freiwerdens von der dinglichen Haftung tritt deshalb nicht ein.

b) Der Senat schließt sich im weiteren nicht der Auffassung des Bundesgerichtshofes in den Entscheidungen NJW 1989, 1349 und NJW-RR 1988, 1147 an, wonach die Frage, inwieweit die Grundschuld valutiere, Auswirkungen dahingehend habe, an wen der Eigentümer zu zahlen habe. Der Eigentümer hat unabhängig vom Valutastand ausschließlich an den im Grundbuch eingetragenen Grundschuldgläubiger zu zahlen. Zahlungsansprüche des persönlichen Schuldners gegen den Ersteigerer, der die persönliche Schuld nicht übernommen hat, ergeben sich erst und nur dann, wenn der Schuldner seinen aus der Sicherungsabrede bestehenden Anspruch auf Übertragung des nicht mehr valutierten Teils der Grundschuld realisiert hat. Solange das nicht der Fall ist, ist Gläubiger des dinglichen Anspruchs alleine der eingetragene Grundschuldgläubiger. Diesem kommt, soweit die Grundschuld nicht mehr valutiert, bei der Einziehung der Forderung eine sich aus der Sicherungsabrede mit dem persönlichen Schuldner und früheren Eigentümer ergebende, treuhänderische Stellung zu. Entgegen v. Olshausen (a.a.O., S. 532) kann deshalb von einer Verteidigungsmöglichkeit des (neuen) Eigentümers gegen die Grundschuld nicht erst dann "keine Rede sein", wenn der Grundschuldgläubiger diese an den persönlichen Schuldner abgetreten hat. Auch wenn der Grundschuldgläubiger dies (noch) nicht getan hat, kann sich der Ersteigerer gegen seine Inanspruchnahme aus der Grundschuld in Höhe des vollen Grundschuldbetrages nicht mit Erfolg zur Wehr setzen.

Zusammengefasst folgt daraus, dass die Klägerin der Beklagten keine Einreden gegen die Grundschuld entgegen setzen kann (vgl. BGH, LM Nr. 4 zu § 1 der 40. DVO/UmstG; Wolfsteiner a.a.O., Rnr. 143 mit unzutreffendem Hinweis auf BGHZ 108, 237; Eickmann in Müko/BGB, 3. Aufl., § 1191, Rnr. 61) und die Beklagte in voller Höhe aus der Grundschuld verpflichtet ist. Ihre Vollstreckungsgegenklage war deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Im übrigen folgen die Nebenentscheidungen aus den §§ 708 Nr. 10, 711 und 543 Abs. 2 ZPO.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 145.718.19 EURO (285.000.-- DM) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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