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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 27.06.2006
Aktenzeichen: 8 U 86/05
Rechtsgebiete: ZPO, AktG


Vorschriften:

ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 320
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1
AktG § 241
AktG § 249
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 8 U 86/05

Verkündet am: 27. Juni 2006

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen,

hat der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht Schunck und die Richterin am Oberlandesgericht Jahn-Kakuk auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 16. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 350 000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit der auf der außerordentlichen Vertreterversammlung der Beklagten am 2. April 2003 gefassten Beschlüsse betreffend seine endgültige Amtsenthebung, die außerordentliche Kündigung seines Dienstverhältnisses sowie die Regressnahme gegen ihn als Vorstandsmitglied der G... S... W... eG.

Der Kläger war seit seinem Beitritt am 9. Dezember 1970 Mitglied zunächst der G... S... W... eG und ist nach Übernahme dieser Bank im Wege der Verschmelzung im Jahre 2002 weiterhin Mitglied der Beklagten unter Nr. 1.... Gegen seine Ausschließung aus der Genossenschaft zum Schluss des am 31. Dezember 2003 endenden Geschäftsjahres wendet der Kläger sich mit einer zum Landgericht Zweibrücken erhobenen Klage vom 4. November 2003 (2 O 427/03 LG Zweibrücken). Dieses Verfahren ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 2 O 184/03 LG Zweibrücken ausgesetzt. In dem zuletzt genannten Verfahren wendet der Kläger sich mit seiner am 18. Juni 2003 zugestellten Klage gegen die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages mit dem Ziel, dass ihm seine Vergütung einschließlich aller Nebenleistungen über den 2. April 2003 hinaus in Höhe von monatlich 9 500,00 € fortgezahlt werde.

Der Kläger ist am 1. April 1967 zunächst als auszubildender "Bankkaufmann" in die Dienste der G... S... W... e.G. getreten. Er wurde später als Sachbearbeiter und Abteilungsleiter beschäftigt. Nach bestandenem "Bankwirtschaftlichen Führungsseminar" wurde er im November 1979 zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied dieser Bank bestellt. Die R... W... eG übernahm im Jahre 2002 die G... S... W... im Wege der Verschmelzung. Im Anschluss daran firmierte die R... W... eG zur Beklagten um.

Nach dem bereits vor der Entscheidung der beiden Genossenschaften zur beabsichtigten Fusion bekannt gewordenen Prüfbericht des Genossenschaftsverbandes vom 28. März 2002 zum Jahresabschluss 2001 der übernommenen G... S... W... eG (vormals R... W...) war der Kreditbereich der Genossenschaftsbank nicht unproblematisch. Dem Prüfbericht war u.a. Folgendes zu entnehmen:

Das Volumen der Kredite der Personen außerhalb des Geschäftsbereichs sei "erneut" angestiegen. Bezüglich dieses Kreditvolumens seien bedeutende Risiken festgestellt worden. Die Risikostruktur werde durch ein hohes Potential aus bonitätsmäßig bedenklichen Krediten geprägt. Diesen erkennbaren beachtlichen Risiken sei durch Wertberichtigungen und Einzelrückstellungen entsprochen worden. Die erhöhten Risiken seien nur teilweise durch Vorsorgereserven gedeckt. Aus dem Jahresüberschuss von 0,9 Mio. DM sei "eine Dotierung der Rücklagen entsprechend dem Wachstum der Bilanzsumme nicht voll umfänglich gegeben". Die Vermögenslage der Bank werde durch die Risikostruktur im Kreditgeschäft und die gestiegenen erhöhten latenten Risiken beeinflusst.

Die Vorstandsmitglieder der übernehmenden R... W... eG waren auf der letzten Vorstandssitzung der übernommenen G... S... W... eG anwesend, die ebenfalls vor der Entscheidung über die Verschmelzung stattfand. Auf dieser Sitzung besprachen die Vorstandsmitglieder die Risikostruktur der G... S... W... eG.

Die G... S... W... eG beschloss dann in ihrer Generalversammlung am 6. Mai 2002 die Verschmelzung im Wege der Übernahme durch die R... W... eG. Die Mitglieder waren dabei in Kenntnis gesetzt, dass der Vorstand der neuen Genossenschaft paritätisch aus je zwei Vorstandsmitgliedern der beiden verschmolzenen Genossenschaften besetzt werde. Auf die Frage eines Mitglieds wurde mitgeteilt, dass 84 Vertreter der Mitglieder der Genossenschaftsbank S... W... eG in die Vertreterersammlung der aufnehmenden Genossenschaft gewählt würden. Mit den beiden Genossenschaften stünden sich zwei ertragsstarke "gleichberechtigte Partner" gegenüber, die bei der "Fusion" ebenbürtig seien. Die Mitglieder der G... S... W... eG wählten sodann die vier Mitglieder für den zu bildenden Wahlausschuss und stimmten der Verschmelzung zu.

Die R... W... eG beschloss die Verschmelzung in der Vertreterversammlung vom 27. Mai 2002.

Beide Genossenschaften unterzeichneten danach den Verschmelzungsvertrag vom 14. Juni 2002, der als Entwurf den Teilnehmern der Generalversammlung bzw. den Vertretern der Vertreterversammlung als Grundlage der Entscheidungen zur Verschmelzung bereits vorgelegen hatte (vgl. Bl. 126 ff d. A.).

Bereits am 26. März 2002 hatte die R... W... eG mit dem Kläger den Anstellungsvertrag geschlossen (2 O 184/03 LG Zweibrücken, dort Bl. 8 ff d.A.).

Das Amtsgericht trug die Verschmelzung am 9. Juli 2002 in das Genossenschaftsregister ein.

Die Beklagte beschloss ihre (neue) Satzung am 9. Juli 2002.

Die im Verschmelzungsvertrag vereinbarte Ergänzungswahl zur Vertreterversammlung führte die Beklagte bis zur am 2. April 2003 abgehaltenen außerordentlichen Vertreterversammlung nicht durch, so dass die auf dieser Versammlung gefassten und vom Kläger beanstandeten Beschlüsse ausschließlich von den bisherigen Vertretern der R... W... eG gefasst wurden.

Die Beklagte berief diese außerordentliche Vertreterversammlung, u.a. mit den Tagesordnungspunkten 2, 3 und 4, ein, nachdem der Genossenschaftsverband ausweislich des Protokolls der Vertreterversammlung vom 2. April 2003 bei einer Überprüfung hinsichtlich der Kreditvergaben der G... S... W... eG bis zum 31. Dezember 2002 zu dem Ergebnis gelangt war, dass es insbesondere bei der Kreditvergabe an zwei Bauträgergesellschaften sowie an die Käufer der jeweiligen von den Gesellschaften errichteten Objekte auch noch im Jahr 2002 zu "gravierenden Pflichtverstößen" des Vorstandes gekommen sei. Zweck der außerordentlichen Vertreterversammlung vom 2. April 2003 war die Beschlussfassung über eine endgültige Amtsenthebung, die außerordentliche Kündigung und die Regressnahme der ehemaligen Vorstandsmitglieder der übernommenen Genossenschaft, nämlich des Klägers sowie des weiteren Vorstandsmitglieds A... Sch....

Die Beklagte verweigerte zunächst dem Kläger am 1. April 2003 mit seinem Rechtsbeistand zur Versammlung zu erscheinen.

Die ursprünglich für den 24. Februar 2003 vorgesehene Versammlung zur Vorbereitung der Ergänzungswahl von Vertretern der Mitglieder der übernommenen Genossenschaft zur Vertreterversammlung fand dann am 24. März 2003 statt. Dem daraufhin in der außerordentlichen Vertreterversammlung vom 2. April 2003 erhobenen Vorwurf der bewussten Wahlverzögerung hielt der Vertreter der Beklagten entgegen, dass dieser Vorwurf ungerechtfertigt und dass die Ergänzungswahl nicht wegen der geplanten Entlassung der ehemaligen Vorstandsmitglieder der G... S... W... eG, sondern wegen der dafür erforderlichen vier Versammlungen nicht schon früher, sondern erst im Frühjahr 2003 möglich gewesen sei.

Die Vertreterversammlung vom 2. April 2003 beschloss schließlich mit den Stimmen aller anwesenden 87 Vertreter, den Kläger vom Amt als Vorstandsmitglied endgültig zu entheben, seinen entsprechenden Anstellungsvertrag vom 26. März 2002 fristlos zu kündigen und - mit 74 Stimmen - ihn für einen etwaigen durch das frühere Kreditengagement der übernommenen Genossenschaft verursachten Schaden in Regress zu nehmen. Gleichlautende Beschlüsse traf die außerordentliche Vertreterversammlung auch betreffend das Vorstandsmitglied A... Sch.... Weder der Kläger noch Herr Sch... war zu dieser Vertreterversammlung erschienen.

Der Kläger hat vorgetragen,

die ihn in der Vertreterversammlung vom 2. April 2003 betreffenden Beschlüsse seien nichtig, da wesentliche genossenschaftliche Grundsätze verletzt worden seien (vgl. im Einzelnen Urteil vom 16. Juni 2005, Seite 6 f = Bl. 224 f d.A.).

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beschlüsse der außerordentlichen Vertreterversammlung vom 2. April 2003 unter den Tagesordnungspunkten:

"2. Bestätigung der vorläufigen Amtsenthebung des Vorstandsgmitglieds H... J... als endgültig"

"3. Beschluss über die außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses mit dem Vorstandsmitglied H... J..."

sowie

"4. Beschluss über die Regressnahme gegen das Vorstandsmitglied H... J..." nichtig sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich gegen die Zulässigkeit der ursprünglich erhobenen Klage gewandt und im Übrigen geltend gemacht, dass die in der Vertreterversammlung vom 2. April 2003 gefassten Beschlüsse geltendes Recht nicht verletzten, insbesondere nicht nichtig seien (vgl. im Einzelnen Urteil Seite 8 ff = Bl. 226 ff d. A.).

Das Landgericht hat der (Nichtigkeits-)Klage in vollem Umfange stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 229 ff d. A.).

Die Beklagte hat gegen das Urteil mit dem Ziel der Klageabweisung form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb gewährter Fristverlängerung ordnungsgemäß begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend:

Das Landgericht sei bei seiner Entscheidung von einer unzutreffenden, weil fehlerhaften Tatsachengrundlage ausgegangen. Darauf basierend sei es dann auch zu unzutreffenden Schlussfolgerungen bzw. zu einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung gekommen.

So habe das Landgericht zu Unrecht festgestellt, dass es unstreitig sei, dass die Beklagte die eigentlich am 24. Februar 2003 vorgesehene Wahlversammlung zur Vorbereitung der Ergänzungswahl um einen Monat auf den 24. März 2003 verschoben habe. Es sei vielmehr so gewesen, dass in dem Einladungsschreiben versehentlich statt des 24. Februar 2003 der 24. März 2003 als Termin für diese Versammlung ausgewiesen worden sei. Eine Verlegung des Termins vom 24. Februar 2003 auf den 24. März 2003 habe es nicht gegeben. Selbst der Kläger habe nicht geltend gemacht, dass hier eine bewusste Verzögerung des Wahlvorgangs angestrebt worden sei.

Unzutreffend sei unter diesen Umständen die Feststellung des Landgerichts, dass sie die Ergänzungswahl absichtlich zum Zwecke der Vermeidung der Teilnahme neuer Vertreter aus den Mitgliedern der aufgenommenen Genossenschaft an den streitgegenständlichen Beschlussfassungen verzögert habe. Das Landgericht sei ohne die erforderliche Beweisaufnahme insoweit allein der Darstellung des Klägers gefolgt. Darin liege eine einseitige Würdigung des Klägervorbringens. Gegen eine absichtliche Verzögerung zur Erledigung der Beschlussfassung spreche unabhängig hiervon der Umstand, dass der Aufsichtsrat erst aufgrund der Feststellungen des zuständigen Prüfungsverbandes im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses 2002 im Februar 2003 Kenntnis von den die Beschlussfassung tragenden Erwägungen erlangt habe. Hätte schon vorher diese Kenntnis vorgelegen, wäre es ein Leichtes gewesen, eine frühere - außerordentliche - Vertreterversammlung einzuberufen.

Schließlich habe die Beklagte auch nicht befürchten müssen, dass die Beschlussfassung bei anderer Zusammensetzung der Vertreterversammlung erschwert worden wäre, wie die neuerlichen, am 29. Juli 2005 gefassten gleich lautenden Beschlüsse zeigten. Deshalb könne allein aus diesen Erwägungen heraus eine Nichtigkeit nicht hergeleitet werden.

Die beanstandeten Beschlüsse seien auch nicht deshalb nichtig, weil sie dem Wesen der eingetragenen Genossenschaft widersprächen. Die Entscheidung BGHZ 122, 342 treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Im Übrigen ergebe sich aus den entsprechenden Bestimmungen im Genossenschaftsgesetz (vgl. § 43 a GenG), dass ohnehin eine Nachwahl bzw. eine Neuwahl für das neue Geschäftsjahr nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 14. November 2005 (Bl. 321 ff d. A.) und widerspricht dabei auch der Zulassung neuen Vorbringens in zweiter Instanz, insbesondere was die neuerliche Beschlussfassung angeht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil, den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die zu Informationszwecken beigezogenen Akten 2 O 184/03 und 2 O 427/03 des Landgerichts Zweibrücken, ferner auf die Registerakten GnR 217 L des Amtsgerichts Zweibrücken verwiesen.

II.

Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten gegen das der Nichtigkeitsklage stattgebende erstinstanzliche Urteil hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden, vom Senat gebilligten Erwägungen festgestellt, dass die in der außerordentlichen Vertreterversammlung der Beklagten am 2. April 2003 zum Nachteil des Klägers gefassten Beschlüsse nichtig sind.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen auch im Hinblick auf das Verfahren 2 O 184/03 LG Zweibrücken und den dort gestellten Klageantrag zu Ziffer 1. hinsichtlich der von Amts wegen zu prüfenden Frage einer anderweitigen Rechtshängigkeit keine Bedenken. Wie der Kläger sowohl in dem Termin vom 9. Mai 2006 (Bl. 352 ff d. A.) als auch in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 30. Mai 2006 (Bl. 357 d. A.) klargestellt hat, richtet sich der dortige Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der näher bezeichneten ausgesprochenen Kündigung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger. Es geht also in dem anderen Verfahren um den Umsetzungsakt dessen, was auf der Grundlage der vorliegend bekämpften Beschlüsse noch auszuführen war. Damit unterscheiden sich die entsprechenden Streitgegenstände, so dass eine anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht gegeben ist.

Es bestehen weder begründete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der getroffenen entscheidungserheblichen Feststellungen, die deshalb eine erneute Feststellung gebieten, noch zeigt die Berufung auf, dass eine Rechtsverletzung darin liegt, dass das Erstgericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hätte.

Soweit die Beklagte geltend macht, das Landgericht sei von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen, trifft dies nicht zu, bzw. kann dies mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht werden. Der vom Landgericht festgestellte Parteivortrag ist auch Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die Parteien brauchen ihn nicht nochmals zu wiederholen. Sie können davon aber - anders nach früherem Recht - auch nicht mehr beliebig abrücken. Was im Widerspruch oder ergänzend hierzu in zweiter Instanz vorgetragen wird, stellt sich im Allgemeinen als neues Vorbringen dar und ist demgemäß nur noch unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zugelassen. Eine falsche Darstellung des Parteivorbringens im Urteil kann mit der Berufung nicht angefochten werden. Die Parteien müssen hiergegen vielmehr mit einem Berichtigungsantrag nach § 320 ZPO vorgehen, also innerhalb von 2 Wochen durch Einreichen eines entsprechenden Schriftsatzes Berichtigung des Tatbestandes beantragen. Davon hat die Beklagte hier keinen Gebrauch gemacht.

Vorliegend beanstandet die Beklagte mit ihrer Berufung die vom Landgericht in den Entscheidungsgründen getroffene Feststellung, dass die Beklagte die für den 24. Februar 2003 vorgesehene Wahlversammlung zur Vorbereitung der Ergänzungswahl von Vertretern der Mitglieder der übernommenen Genossenschaft zur Vertreterversammlung der Beklagten um einen Monat auf den 24. März 2003 verschoben habe (S. 16 des Urteils). Richtig sei aber, dass zunächst aufgrund der ursprünglichen Planung vorgesehen gewesen sei, die Wahlversammlung zur Vorbereitung der Vertreterwahl für den 23. Februar 2003 einzuberufen, dass dann aber in dem entsprechenden Einladungsschreiben aus Versehen der 24. März 2003 als Datum angegeben worden sei. Im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort Seite 6) heißt es:

"Vorher hatte die Beklagte die am 24. Februar 2003 vorgesehene Wahlversammlung zur Vorbereitung der Ergänzungswahl von Vertretern der Mitglieder der übernommenen Gesellschaft um einen Monat auf den 24. März 2003 verschoben". Dass die Wahlversammlung zur Vorbereitung der Ergänzungswahl dann tatsächlich erst am 24. März 2003 stattfand, ist eine unbestrittene Tatsache. Ob dieser Umstand letztlich auf einem Einladungsversehen oder auf einer bewussten und gewollten Verschiebung eines zunächst auf den 24. Februar 2003 angesetzten Termins beruht, war womöglich in erster Instanz ungeklärt bzw. streitig geblieben. Die Tatsache des Verschiebens des Termins um einen Monat hat das Landgericht jedenfalls im unstreitigen Tatbestand festgestellt, so dass grundsätzlich auch für die 2. Instanz davon auszugehen ist. Konkrete Anhaltspunkte aus dem erstinstanzlichen Vorbringen, wonach diese Tatsachenfeststellung falsch wäre, ergeben sich nicht. Soweit die Beklagte dazu jetzt den Zeugen Sch... benennt (Bl. 294 d. A.), ist das nicht ausreichend, um konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Tatsachenfeststellungen zu begründen, sondern neues tatsächliches Vorbringen. Hätte tatsächlich (nur) ein Einladungsversehen vorgelegen, so hätte dies wohl auch kurzfristig korrigiert werden können. Im Übrigen hat die Beklagte nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Entscheidung des Landgerichts auch darauf beruht, dass man den Termin zur Vorbereitung der Ergänzungswahl zur Vertreterversammlung um einen Monat nach hinten verschoben hat. Es wird vielmehr im Kern vom Landgericht beanstandet, dass man nicht sofort bzw. alsbald im Anschluss an die vollzogene Verschmelzung bereits die Ergänzungswahl der Mitglieder der Vertreterversammlung zügig vorbereitet und auch abgeschlossen hat (vgl. S. 16, 17 des Urteils). Dafür ist nicht entscheidend, ob es hier um eine Verschiebung von nochmals einem Monat - aus welchen Gründen auch immer - oder um ein Einladungsversehen gegangen ist. Für den vom Landgericht angesprochenen Zeitfaktor spielt dieser Umstand bei der gebotenen Gesamtabwägung keine entscheidende Rolle.

Das Landgericht hat auch nicht entscheidend darauf abgestellt, dass es hinsichtlich der Herbeiführung der vereinbarten Ergänzungswahl zur Vertreterversammlung um eine bewusste Verzögerung gerade wegen der beanstandeten Beschlüsse gegangen sei, sondern vielmehr die Frage offen gelassen, ob der Termin absichtlich um einen Monat nach hinten verschoben wurde.

Soweit die Beklagte weitere Tatsachenfeststellungen rügt, handelt es sich in Wirklichkeit um rechtliche Wertungen. Das gilt beispielsweise für die Feststellung, dass die Gesellschafterbeschlüsse vom 2. April 2003 von einer Vertreterversammlung getroffen worden seien, die ausschließlich aus Vertretern der übernehmenden Genossenschaft, also der R... W... eG, bestanden hätten. Diese Feststellung ist insoweit zutreffend, als es sich dabei tatsächlich ausschließlich um von der übernehmenden Genossenschaft früher turnusmäßig gewählte Vertreter handelte, die nach der Verschmelzung, wie die Beklagte insoweit zu Recht ausführt, bis zur Ergänzungswahl eo ipso auch die Vertreter der übernommenen Genossenschaftsmitglieder der G... S... W... eG waren. Nicht fehlerhaft ist auch die Feststellung des Landgerichts, wonach die Ergänzungswahl erst nach Ablauf von neun Monaten nach Eintragung der Verschmelzung der beiden Kreditinstitute am 9. Juli 2002 in das Genossenschaftsregister erfolgte. Ob die Einleitung des Verfahrens zur Ergänzungswahl bereits früher erfolgte, nämlich unter dem 13. Februar 2003 (anberaumte Versammlung zur Vorbereitung der ergänzenden Vertreterwahl, vgl. K 1, Bl. 303 d. A.), ist nicht von Belang. Abgesehen davon bezog sich dieses Einladungsschreiben an die Mitglieder des Wahlausschusses nur auf die Vorbereitung der Wahl; es ging also noch nicht einmal um die später dann tatsächlich durchgeführte Ergänzungswahl, sondern um die erste Sitzung des Gremiums, das die Wahl der neuen Vertreter und Ersatzvertreter erst vorbereiten sollte.

Auch die weiteren Angriffe der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts sind ungerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für den Einwand, aufgrund immenser Arbeitsbelastung, die mit einer Verschmelzung einhergehe (die aber schon seit 9. Juli 2002 vollzogen und seit 27. Mai 2002 beschlossen war), sei eine frühere Ergänzung der Vertreterversammlung nicht möglich oder nicht sinnvoll gewesen. Das Landgericht hat insoweit zu Recht auf die besonderen Prinzipien der Gemeinschaftlichkeit und vor allem der Gleichberechtigung der Mitglieder der Genossenschaft hingewiesen sowie auf die mehrfach auch schriftlich festgelegte Gleichbehandlung und ferner auch auf die Geschäftsgrundlagen für die von langer Hand geplante Verschmelzung. Mit Rücksicht gerade auf die Kernanliegen des Verschmelzungsvertrages, auch den neuen Vorstand paritätisch zu besetzen, teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, wonach die beanstandete Beschlussfassung ohne die Teilnahmeberechtigung der noch nicht gewählten Ergänzungsmitglieder der neu zu bildenden Vertreterversammlung gegen die Grundprinzipien des Genossenschaftsrechts verstößt. Das gilt jedenfalls unter Berücksichtigung dessen, dass der Verschmelzungsvertrag (ebenso wie der Verschmelzungsbericht) die Grundlage für den Zustimmungsbeschluss der aufgenommenen Genossenschaft war, und hierin eine klare Klausel für die Durchführung der Ergänzungswahl enthalten ist. Hierin liegt eine Ausprägung des Demokratieprinzips, auf dessen Einhaltung die zustimmenden Mitglieder sich verlassen konnten. Nach den Vertragsbestimmungen begaben sie sich ihrer demokratischen Rechte eben nicht auf unbestimmte Zeit (etwa bis zur turnusmäßigen Neuwahl der Vertreterversammlung), sondern nur bis zur "unmittelbaren" Durchführung der Ergänzungswahl zur Vertreterversammlung. Hierin nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zu sehen, wie die Beklagte es will, geht nicht an.

Darauf, ob die Beklagte es durch eine gewisse Hinhaltetaktik bewusst bezweckt hat, die neuen Mitglieder der Vertreterversammlung erst dann zu wählen und mit beschließen zu lassen, wenn der bisherige Vorstand - entgegen den erklärten Absichten und der getroffenen Absprachen - wegen tatsächlich begangener oder jedenfalls vorgeworfener Sorgfaltspflichtverletzungen aus dem Vorstand entfernt war, kommt es im Ergebnis nicht an. Der Verstoß gegen die verfassten Grundsätze der Genossenschaft wiegt vorliegend jedenfalls derart schwer, dass das Landgericht zu Recht in entsprechender Anwendung des § 241 AktG die gefassten Beschlüsse als nichtig und nicht nur als anfechtbar angesehen hat. § 249 AktG ist auf die Klage der Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Generalversammlung oder - wie hier - der Vertreterversammlung einer Genossenschaft entsprechend anwendbar. Die Mitglieder der übernommenen Genossenschaft sind hier von wesentlichen Entscheidungen, die in die Kompetenz aller Genossenschaftsmitglieder oder ihrer paritätisch gewählten Vertreter fiel, ohne einleuchtenden Grund dadurch ausgeschlossen worden, dass die Beklagte es schuldhaft versäumt hat, zügig und rechtzeitig nach der Verschmelzung vor der hier durchgeführten Beschlussfassung für eine nach den Vorgaben und Absprachen beabsichtigte Ergänzung der Vertreterversammlung um die Mitglieder der übernommenen Genossenschaft zu sorgen. Bei derart tief greifenden und schwer wiegenden Eingriffen in die Rechtsposition nicht nur des bisherigen Vorstands, sondern vor allem auch die Interessen der übernommenen Mitgliedsgenossen hätte die Beklagte dafür Sorge tragen können und müssen, dass die angestrebten Entscheidungen von einer neuen, die gesamten Mitglieder repräsentierenden Vertreterversammlung, d.h. einer entsprechend ergänzten Vertreterversammlung getroffen würden. Den Zeitaufwand für die Durchführung von Ergänzungswahlen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2006 mit etwa acht Wochen angegeben.

Der Umstand, dass inzwischen eine erweiterte Vertreterversammlung (nach mehr als zwei Jahren) mehrheitlich die insoweit schon früher gefassten Beschlüsse bestätigt hat, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits, bei dem es allein um die in der Vertreterversammlung vom 2. April 2003 gefassten Beschlüsse geht, nicht von Bedeutung, weshalb auch das Rechtsschutzinteresse für die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Begehren nicht nachträglich entfallen ist.

Darauf, ob die gefassten Beschlüsse in der Sache gerechtfertigt waren bzw. zumindest anfechtbar sind, kommt es ebenfalls nicht an, weil es sich dabei um andere Streitgegenstände handelt, hier allein über die erhobene Nichtigkeitsklage zu entscheiden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das der Nichtigkeitsklage stattgebende Urteil erweist sich nach alledem insgesamt als unbegründet und war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat in Anlehnung an die erstinstanzliche Festsetzung analog § 247 Abs. 1 AktG festgesetzt.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO. Es geht vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, weil das Gleichheits- und Demokratieprinzip im Genossenschaftsrecht hier seine besondere Ausprägung durch die Hervorhebung der "unmittelbar" beabsichtigten Ergänzungswahl sowohl im Verschmelzungsbericht (Bl. 149 ff. d. A.) als auch im Verschmelzungsvertrag selbst fand. Durch die nochmalige Herausstellung der beabsichtigten Ergänzung der Vertreterversammlung wird deutlich, dass es ein besonderes Anliegen der Mitglieder der übernommenen Genossenschaft war, mit ihrem nicht unwesentlichen Stimmenanteil (4 199 zu 7 742) schon alsbald nach der Verschmelzung auch entsprechend bei wichtigen Entscheidungen repräsentativ vertreten zu sein.

Ende der Entscheidung

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