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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: 2 B 11864/03.OVG
Rechtsgebiete: LBG, SchulG


Vorschriften:

LBG § 65
LBG § 65 Satz 2
SchulG § 40
SchulG § 40 Abs. 2
SchulG § 40 Abs. 2 Nr. 2
Lehrkräfte können kraft dienstlicher Weisung zur Aufsicht auch an einer Schulbushaltestelle herangezogen werden, wenn diese auf dem Schulgelände liegt oder unmittelbar an das Schulgelände grenzt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ BESCHLUSS

2 B 11864/03.OVG

In dem Verwaltungsrechtsstreit

wegen dienstlicher Weisung

hier: einstweilige Anordnung

hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 11. Dezember 2003, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Held Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Frey Richter am Oberverwaltungsgericht Bonikowski

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. November 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung von einer dienstrechtlichen Weisung freigestellt zu werden. Er ist Lehrer an einer Realschule. Die Leiterin der Schule wies ihn an, montags nach der 6. Stunde von 13:05 bis 13.25 Uhr an einer in der Nähe der Schule gelegenen Bushaltestelle Aufsicht zu führen. Der Antragsteller hält die in einer Verwaltungsvorschrift enthaltene generelle Verpflichtung zum Führen von Aufsichten an Schulbushaltestellen wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage für rechtswidrig. Jedenfalls steht nach seiner Auffassung die ihm erteilte Weisung nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Auch nach Auffassung des Senats liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, mit der die Entscheidung in der Hauptsache zumindest teilweise vorweggenommen würde, nicht vor. Der Antragsteller hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die von ihm angegriffene Weisung der Leiterin der Realschule ... vom 1. Oktober 2003, montags nach der 6. Stunde von 13:05 bis 13:25 Uhr an der Bushaltestelle an der ...straße Aufsicht zu führen, hält nach dem Ergebnis der im Verfahren des Eilrechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung aller Voraussicht nach der rechtlichen Kontrolle stand.

Rechtsgrundlage für die angegriffene Weisung ist § 65 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes - LBG - in Verbindung mit der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend "Aufsicht in Schulen" vom 4. Juni 1999 (GABl. S. 328) in der Fassung vom 9. Juli 2002 (GABl. S. 384) - im Folgenden: AufsichtVV -. Danach können unter anderem Lehrkräfte zur Aufsicht auch an Schulbushaltestellen herangezogen werden, wenn diese auf dem Schulgelände liegen oder unmittelbar an das Schulgelände grenzen (Nrn. 2.4 und 3.1 AufsichtVV). Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit dieser generellen Bestimmung des Aufgabenbereichs von Lehrern. Auch die Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Fall hält der rechtlichen Prüfung stand.

1. Zum Aufgabenbereich eines Beamten gehören über die gesetzlich geregelten Pflichten hinaus all diejenigen Handlungen und Verhaltensweisen, die dem durch die Laufbahn geprägten Berufsbild wesensgemäß sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1978, ZBR 1979, 202; HessVGH, Urteil vom 15. August 1984, ZBR 1985, 248). Für einen Lehrer zählt hierzu auch das Führen von Aufsichten, was in der aufgrund von § 40 Abs. 2 Nr. 2 SchulG erlassenen "Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in Rheinland-Pfalz" festgestellt und im Grundsatz von dem Antragsteller auch nicht bestritten wird (vgl. Rundschreiben des Kultusministeriums vom 15. März 1976, ABl. S. 188, Ziff. 7.11.3). Die Lehrkräfte werden insofern über die Unterrichtstätigkeit hinaus in zumutbarem Maße dafür in Anspruch genommen, um die der Schule anvertrauten Schüler vor vermeidbaren Gefahren zu bewahren, die sich aus dem Schulbetrieb ergeben. Dabei handelt es sich vor allem um solche Gefahren, die auf der Zusammenfassung einer großen Zahl von Kindern und Jugendlichen mit ihrem oft ungestümen Drang nach Bewegung und Freiheit beruhen. In zeitlicher Hinsicht wird der Umfang der Dienstpflicht von Lehrern in erster Linie durch die Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung vom 30. Juni 1999 (GVBl. S. 148) bestimmt, mit der die Arbeitszeitverordnung für Beamte allgemein für den Bereich der Lehrkräfte umgesetzt worden ist (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 13. September 1996, AS 25, 368). Dabei wird in der Verordnung unterstellt, dass sich die Arbeitszeit der Lehrer nicht in dem festgesetzten Regelstundenmaß erschöpft, vielmehr die Wahrnehmung weiterer Aufgaben hinzu kommen, wie etwa Unterrichtsvorbereitungen, Korrekturen, Konferenzen, Elterngespräche oder - wie hier zu erörtern - Aufsichten. Die zeitliche Inanspruchnahme von Lehrern insgesamt hat sich innerhalb des durch die Arbeitszeitverordnung für Beamte allgemein vorgegebenen Rahmens zu halten. Da hiermit die wesentlichen Fragen des zeitlichen Umfangs der Dienstleistungspflichten von Lehrern bereits normativ geregelt sind, konnte die ergänzende Konkretisierung der Dienstleistungspflicht hinsichtlich des Führens von Aufsichten durch Verwaltungsvorschrift erfolgen (vgl. das Urteil des Senats vom 13. September 1996, a.a.O., S. 371 - bezogen auf die Bestimmung des Pflichtstundenmaßes -).

Die Inanspruchnahme von Lehrkräften für die Aufsicht an Schulbushaltestellen nach Nr. 2.4 i.V.m. Nr. 3.1 AufsichtVV hält sich sowohl gegenständlich als auch in zeitlicher Hinsicht innerhalb des normativ vorgegebenen Rahmens. Die einschränkenden Voraussetzungen in Nr. 2.4 AufsichtVV stellen sicher, dass die Lehrkräfte nur zu solchen Aufsichten herangezogen werden, die einen hinreichenden Bezug zum Schulbetrieb einschließlich seiner Vor- und Nachwirkungen aufweisen. Hierzu zählt auch die Sorge für das möglichst gefahrlose Erreichen des Schulbusses, sofern sich die Haltestelle in unmittelbarer Nähe der Schule befindet. Zwar sind grundsätzlich die Eltern im Rahmen ihrer Personensorge für den Schulweg der Schüler verantwortlich. Liegt eine Haltestelle indes in unmittelbarer Nähe der Schule, sind die dort auftretenden Gefahren noch so stark vom Schulbetrieb geprägt, dass eine Verantwortung der Schule zu bejahen ist. Diese Gefahren beruhen nämlich gerade darauf, dass nach Beendigung des Unterrichts eine Vielzahl von Schülern gleichzeitig zu den Bussen strebt und ihr regelmäßig starker Bewegungsdrang sowie das gruppenweise Eintreffen an der Haltestelle die Gefahr von Unfällen in besonderer Weise erhöht. Wegen dieser Zusammenhänge ist in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Angehörigen der Schulverwaltung von Amts wegen verpflichtet sind, eine geeignete Gefahrenvorsorge zu betreiben, wozu auch die Aufsicht durch Lehrkräfte gehören kann. Der als Voraussetzung für diese Verpflichtung verlangte Schulbezug wird dann bejaht, wenn die Haltestelle nach ihrer Einrichtung und der Art ihrer Benutzung im konkreten Fall eine Gefahrenquelle darstellt, die noch durch den Schulbetrieb und seine Vor- oder Nachwirkungen geprägt wird. Dies ist der Fall, wenn die Haltestelle dem Schulbetrieb räumlich und funktionell zugeordnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1976, DVBl. 1977, 283; Urteil vom 27. April 1981, NJW 1982, 37). Mit den Bestimmungen in Nr. 2.4 i.V.m. Nr. 3.1 AufsichtVV hat der Antragsgegner diese Verantwortung der Schulverwaltung für einen möglichst gefahrlosen Schulbetrieb dienstrechtlich umgesetzt.

2. Die an den Antragsteller ergangene Weisung hält sich im Rahmen der Vorgaben in Nr. 2.4 AufsichtVV. Der Begriff der "Schulbushaltestelle" wird in der Verwaltungsvorschrift in der Fassung vom 9. Juli 2002 definiert und umfasst auch Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs. Diese Regelung deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es für den geforderten Schulbezug unschädlich ist, wenn es sich bei dem "Schulbus" um ein öffentliches Verkehrsmittel handelt (vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1981, a.a.O.). Ob in anderen Regelwerken der Begriff des "Schulbusses" enger gefasst und von öffentlichen Verkehrsmitteln unterschieden wird, wie der Antragsteller unter Hinweis auf die Regelung über die Schülerbeförderung in § 56 Abs. 4 SchulG geltend macht, ist für das Verständnis der insofern eindeutigen Bestimmung in Nr. 2.4 AufsichtVV unerheblich.

Schließlich teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Haltestelle an der ...straße unmittelbar an das Gelände der Realschule ... angrenzt. Der Antragsgegner wendet das Merkmal des "unmittelbaren Angrenzens" zu Recht im Sinne eines unbestimmten Rechtsbegriffes an. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, insbesondere ihrem staatshaftungsrechtlichen Zusammenhang, kommt es entscheidend darauf an, ob der Gefahrenbereich "Schulbushaltestelle" noch einen hinreichenden "Schulbezug" aufweist, die Gefahrenquelle also noch durch den Schulbetrieb und seine Vor- oder Nachwirkungen geprägt wird, ohne dass es auf eine parzellenscharfe Betrachtungsweise ankommt. Dieser Schulbezug ist bei der Haltestelle in der ...straße noch gewahrt. Die Haltestelle liegt auf der Höhe der Realschule. Sie ist nur wenige Meter vom Schulgelände entfernt und wird deshalb vom überwiegenden Teil der Schüler der Realschule benutzt werden. Die Entfernung zwischen Bushaltestelle und der Einmündung der zum Schulgelände führenden Wegeparzelle Nr. ... beträgt ca. 60 m; der Stichweg ist nochmals ca. 40 m lang. Durch die Fahrbahn der ...straße wird der räumlich-funktionale Zusammenhang zum Schulbetrieb ebenso wenig aufgehoben wie durch die Mitbenutzung der Bushaltestelle durch Schüler des benachbarten Schulzentrums. Letzterer Umstand ist vielmehr in der Verwaltungsvorschrift durch das Ermöglichen einer einheitlichen Aufsicht berücksichtigt (vgl. Nr. 2.5 AufsichtVV).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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