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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 21.03.2006
Aktenzeichen: OVG 1 B 7.04
Rechtsgebiete: ASOG Berlin, PassG, PAuswG, DVPassG, GG, EMRK, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, EG-Vertrag, Richtlinie Nr. 64/221/EWG


Vorschriften:

ASOG Berlin § 11
ASOG Berlin § 12
ASOG Berlin § 17 Abs. 1
PassG § 7 Abs. 1
PAuswG § 2 Abs. 1 Nr. 2
PAuswG § 2 Abs. 2
DVPassG § 2 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 8
GG Art. 11
GG Art. 73
EMRK Art. 11
Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 12
EG-Vertrag Art. 18
EG-Vertrag Art. 39
Richtlinie Nr. 64/221/EWG
1. Eine auf § 17 Abs. 1 ASOG Berlin gestützte Meldeauflage kann neben einer auf § 2 Abs. 2 PAuswG beruhenden Personalausweisbeschränkung erlassen werden. Beide Regelungen knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an, dienen unterschiedlichen Zielen und beruhen auf unterschiedlich geregelten gesetzgeberischen Kompetenzzuweisungen. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind, je nachdem welchen Gefahren begegnet werden soll, als Einzelmaßnahme oder gleichzeitig nebeneinander anwendbar.

2. Die polizeiliche Meldeauflage darf nicht mit dem Ziel erlassen werden, die für dieselbe Zeit bestehende Pass- bzw. Personalausweisbeschränkung zu flankieren, sie durchzusetzen und/oder zu überwachen. § 17 Abs. 1 ASOG Berlin erlaubt keine zielgerichteten ausreisebeschränkenden Maßnahmen. Dient die Meldeauflage der Abwehr von Straftaten im Ausland, stellt sich deren faktisch ausreisebeschränkende Wirkung als lediglich reflexhafter Nebeneffekt dar.


OVG 1 B 7.04

Verkündet am 21. März 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé, den Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und die Richterin am Verwaltungsgericht Fischer-Krüger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Meldeauflage.

Der Beklagte verfügte mit Bescheid vom 11. Juli 2001 unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass sich der Kläger in der Zeit vom 15. bis 22. Juli 2001 täglich jeweils bis 12.00 Uhr unter Vorlage eines gültigen Personaldokuments auf der Wache des Polizeiabschnitts _____ zu melden habe. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte der Beklagte ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,-- DM an.

Am 12. Juli 2001 beschränkte das Landeseinwohneramt Berlin den (vorläufigen) Personalausweis des Klägers dahingehend, dass der Personalausweis bis zum 22. Juli 2001 nicht zum Verlassen des Bundesgebietes berechtigte.

Beide Bescheide wurden vor dem Hintergrund des vom 20. bis 22. Juli 2001 in Genua/Italien beabsichtigten G 8 Gipfeltreffens erlassen, zu dem Staats- und Regierungschefs sowie hochrangige politische Repräsentanten erwartet wurden. Sie beruhten auf Erkenntnissen der Berliner Polizei, die durch Auswertung entsprechender Aufrufe im Internet für den geplanten Gipfel eine breite Mobilisierung auch gewaltbereiter Globalisierungsgegner erwartete. Der die Meldeauflage verfügende Bescheid begründete seine Maßnahme damit, dass der Kläger zum Kreis linksextremistischer Gewalttäter gehöre. Es sei aufgrund von ihm bereits begangener Straftaten, und weil er auch schon überregional auffällig geworden sei, zu erwarten, dass er im Falle seiner Ausreise anlässlich dieser internationalen Veranstaltung in Genua wiederum Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen oder sich aktiv an solchen beteiligen werde. Nach den zum Teil massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen in Schweden, Österreich und Spanien, an denen auch Deutsche beteiligt gewesen seien, sei davon auszugehen, dass es auch in Genua zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Sach- und Personenschäden kommen werde. Es liege daher im öffentlichen Interesse Straftaten zu verhüten und den Kläger an einer Einreise nach Italien zu hindern.

Der gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Meldeauflage gerichtete Eilantrag des Klägers war sowohl beim Verwaltungsgericht Berlin als auch im Beschwerdeverfahren bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin erfolglos. Im Beschwerdeverfahren hatte der Kläger erstmals vorgetragen, dass er beabsichtigte, nach Genua zu reisen.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage, mit der der Kläger die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Meldeauflage begehrte, durch Urteil vom 17. Dezember 2003 abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zwar unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation des Klägers zulässig, jedoch im Ergebnis unbegründet. Die polizeiliche Generalklausel sei als Rechtsgrundlage für die Meldeauflage anwendbar, weil die Gründe für eine -vorübergehende- Beschränkung des Personalausweises nicht mit denen der polizeilichen Generalklausel identisch seien. Vielmehr ergänzten sie sich um das Ziel zu erreichen, den Betroffenen wirkungsvoll an einer Ausreise zu hindern. Denn es sei nicht zu verkennen, dass es einer gewaltbereiten Person trotz der vorübergehenden Personalausweisbeschränkung gelingen könne, ins Ausland zu fahren. Der Verbleib dieser Person in Deutschland könne deshalb wirkungsvoll mit einer parallelen Meldeauflage erreicht werden. Es habe auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen. Die Kammer teile die Einschätzung des Beklagten, wonach der Kläger jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt fest in der linksextremen Szene verwurzelt gewesen sei, dass er in der Vergangenheit zur Durchsetzung seiner politischen Ziele nicht vor Gewalt gegen Personen oder Sachen zurückgeschreckt und bereit gewesen sei, sich aus politisch motivierten Anlässen auch an andere Orte zu begeben, um sich dort, gegebenenfalls gewalttätig, für seine Ziele einzusetzen. Diese Bewertung rechtfertige sich allein schon aus den Vorfällen, die den beiden Strafverfahren 19 JuJs 1907/99 und 76 Js 112/00, die jeweils zur Verpflichtung des Klägers zur Ableistung von Freizeitarbeiten geführt haben, zugrunde gelegen hätten. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Die Meldeauflage sei ein verhältnismäßiges Mittel gewesen. Dem Kläger müsse die Berufung auf das inländische und das europäische Grundrecht der Versammlungsfreiheit verschlossen bleiben, weil diese Vorschriften nur friedliche Veranstaltungen erfassten und damit zu rechnen gewesen sei, dass sich der Kläger an unfriedlichen Aktionen beteiligen werde. Der Eingriff in die europarechtlich und grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit sei gerechtfertigt gewesen, um strafbaren Handlungen vorzubeugen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht Berlin zugelassene Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Die polizeiliche Generalklausel sei schon deshalb nicht anwendbar, weil die Vorschriften des Pass- bzw. Personalausweisgesetzes sowie die über die Vorladung speziellere Bestimmungen seien. Da dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über die Freizügigkeit zukomme, sei es den Ländern verwehrt, über denselben Gegenstand eine Regelung zu treffen. Selbst wenn man die Generalermächtigung für anwendbar hielte, sei das zur Verfügung stehende Tatsachenmaterial nicht ausreichend gewesen, um die Gefahrenprognose zu rechtfertigen. Es sei auch nur zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen worden. An diesen habe sich der Kläger beteiligen wollen. Angesichts der gleichzeitig verfügten Beschränkung des Personalausweises sei die zusätzliche Meldeauflage unverhältnismäßig gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2003 festzustellen, dass der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 11. Juli 2001 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, dass die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für eine Meldeauflage herangezogen werden könne. Die Generalklausel werde nicht durch die Regelungen über die polizeiliche Vorladung verdrängt, weil beide Vorschriften unterschiedliche Rechtsfolgen hätten. Sie werde ebenfalls nicht durch speziellere Vorschriften des Pass- bzw. Personalausweisgesetzes ausgeschlossen. Beide Vorschriften seien nebeneinander anwendbar, weil die Anwendungsbereiche nicht identisch seien. Der Erlass einer Meldeauflage neben einer Passbeschränkung sei verhältnismäßig gewesen. Es sei zum einen nicht sicher gewesen, dass der Kläger sich an die Personalausweisbeschränkung habe halten wollen und zum anderen sei hinreichend wahrscheinlich gewesen, dass er bei einer Teilnahme an gegen den G 8 Gipfel gerichteten Versammlungen, Straftaten gegen Personen und Sachen begangen hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, die Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens - VG 1 A 233.01 - sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und die beigezogenen, den Kläger betreffenden Strafakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid war rechtmäßig und verletzte den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

Die vom Beklagten verfügte Meldeauflage fand ihre gesetzliche Grundlage in § 1 Abs. 1 und 3, § 17 Abs. 1 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin vom 14. April 1992 (GVBl. S. 119) -ASOG-. Danach kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 18 bis 51 ASOG ihre Befugnisse besonders regeln. § 20 ASOG, der die polizeiliche Vorladung regelt, war als speziellere Vorschrift nicht anwendbar, weil der Beklagte mit der Meldeauflage andere als die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ASOG genannten Ziele verfolgte.

1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides ausgegangen. Der ursprüngliche Anhörungsmangel (§ 28 Abs. 1 VwVfG) ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG, wenn nicht schon durch die Erhebung des Widerspruchs, so doch in den vom Kläger durchgeführten erstinstanzlichen Rechtsschutzverfahren geheilt worden (§ 45 Abs. 2 VwVfG).

2. Das Verwaltungsgericht hat die für die Zulassung der Berufung maßgebliche Rechtsfrage, ob § 17 Abs. 1 ASOG neben einer für denselben Zeitraum erlassenen Beschränkung des Personalausweises anwendbar ist, im Ausgangspunkt zutreffend entschieden. Die Anwendung der polizeilichen Generalklausel ist nicht durch speziellere bundesrechtliche Regelungen über pass- oder personalausweisrechtliche Ausreisebeschränkungen ausgeschlossen, weil sich die einschlägigen Vorschriften nicht in einem sich gegenseitig ausschließenden Konkurrenzverhältnis gegenüberstehen (zur sog. Normenkonkurrenz vgl. Butzer, Flucht in die polizeiliche Generalklausel ?, VerwArch. 2002, 506, [513 ff.]). Beide Regelungen knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an, dienen unterschiedlichen Zielen und beruhen auf unterschiedlichen gesetzgeberischen Kompetenzzuweisungen. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern sind, je nachdem welchen Gefahren begegnet werden soll, als Einzelmaßnahme oder gleichzeitig nebeneinander anwendbar (so auch im Ergebnis jeweils für sog. Hooligans: VGH Mannheim, Beschluss vom 14. Juni 2000 - 1 S 1271/00 - , DVBl. 2000, 1630 ff.; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 7. März 2002 - 5 E 3789/00 - , juris; VG Hannover, Urteil vom 15. August 2005 - 10 A 3807/04 - , SpuRt. 2005, 258, 260; a. A. Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., München 2001, F Rn. 720). Dies ergibt sich aus folgendem:

a) Nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Personalausweise in der Fassung vom 21. April 1986 (BGBl. I, S. 548) - PAuswG - i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Passgesetzes vom 2. Januar 1988 (BGBl. I, S. 13) kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes (vom 19. April 1986, BGBl. I, S. 537 - PassG -) im Einzelfall anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen des Gebietes des Geltungsbereiches des Grundgesetzes über eine Auslandsgrenze berechtigt. Die Voraussetzungen, unter denen eine ausreisebeschränkende Maßnahme gem. § 2 Abs. 2 PAuswG gegenüber dem Ausweisinhaber ergehen kann, sind durch die Verweisung auf die in § 7 Abs. 1 PassG aufgeführten Passversagungsgründe abschließend geregelt. Nur das Vorliegen einer - oder mehrerer - der in § 7 Abs. 1 Nrn. 1 bis 9 PassG bezeichneten Gründe für eine Passversagung oder -beschränkung (§ 7 Abs. 2 PassG) kann mithin eine ausreisebeschränkende Anordnung nach § 2 Abs. 2 PAuswG rechtfertigen. Zu den in § 7 Abs. 1 PassG bezeichneten Schutzzielen einer Ausreisebeschränkung gehört nicht die allgemeine Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Um dieses Ziel der polizeilichen Generalklausel kann der Katalog des § 7 Abs. 1 PassG auch nicht im Wege der Auslegung oder entsprechenden Anwendung erweitert werden (a. A. VG Hannover, a.a.O. und offenbar VG Frankfurt a.M., a.a.O, mit dem Hinweis auf andere Gefahrenlagen, die die tatsächliche Verhinderung der Ausreise rechtfertigten). Denn nach Art. 73 Nr. 3 GG hat der Bund über die Freizügigkeit, zu der auch die Ausreisefreiheit zählt (Degenhart in: Sachs, Kommentar zum GG, 2. Auflage, München 1999, Art. 73 Rn. 14 m.w.N.), und über das Passwesen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Dies bedeutet, dass für alle Maßnahmen, die mit der Erteilung, Beschränkung und dem Entzug von Pässen und ihnen gleichgestellten Ausweisen zusammenhängen, der Bund ausschließlich gesetzgebungsbefugt ist (vgl. Heintzen: in v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, Band 2, 5. Aufl., Art. 73 Rn. 29). Schon deshalb verbietet sich eine Erweiterung passrechtlicher Vorschriften um kompetenzrechtlich dem Landesrecht zugewiesene Regelungsbereiche. Zudem trägt der Katalog der Versagungsgründe in § 7 Abs. 1 PassG der grundgesetzlich durch Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 6, 32, [36 f.]) geschützten Ausreisefreiheit Rechnung. Eingriffe in die Freiheit der Ausreise sind deshalb - unter anderem - nur bei Gefahr für erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland zulässig (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG).

b) Nach § 17 Abs. 1 ASOG können demgegenüber die Ordnungsbehörden und die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren. Auf der Grundlage dieser landesgesetzlichen Regelung kann eine Meldeauflage allerdings nur mit dem Ziel der Gefahrenabwehr erlassen werden, etwa um eine Person an der Begehung von Straftaten zu hindern. Dabei ist unbeachtlich, ob Straftaten im Inland oder im Ausland drohen (§§ 5 ff. StGB). Eine durch die Begehung von Straftaten begründete Gefahr ist räumlich nicht begrenzt, so dass es nicht darauf ankommt, wo der Schaden einzutreten droht. Derartigen Gefahren mit den Mitteln des ASOG zu begegnen ist die Polizei befugt, soweit die Gefahrenprognose bereits im Land Berlin zu stellen ist (Berg/Knape/Kiworr, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin: Kommentar für Ausbildung und Praxis, 8. Aufl., Hilden/Rhld. 2000, § 17, 2. Teil, II. B 1.). Eine Meldeauflage zum Zweck der Abwehr drohender Straftaten im Ausland hat zwar faktisch ebenfalls ausreisebeschränkende Wirkungen; diese sind - anders als Maßnahmen nach § 2 Abs. 2 PAuswG - aber nicht Zweck der Auflage, sondern nur unvermeidbare Folgen rechtmäßiger Gefahrenabwehr auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel. Im Hinblick auf diesen nur ausreisebeschränkenden Reflex der Meldeauflage ist sie als Instrument polizeilicher Gefahrenabwehr auch neben zielgerichteten Ausreisebeschränkungen auf der Grundlage pass- und ausweisrechtlicher Bestimmungen rechtlich nicht (als lex generalis) ausgeschlossen; allerdings darf sie wegen ihrer zugleich die Freizügigkeit im Inland einschränkenden Wirkung nur unter strikter Wahrung des Grundsatzes des Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Anlass und Dauer angeordnet werden.

3. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass im vorliegenden Fall eine den Erlass einer Meldeauflage rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit i. S. d. § 17 Abs. 1 ASOG vorlag. Seine Ausführungen im Urteil vom 17. Dezember 2003 zur Gefahrenprognose und zum dafür maßgeblichen Zeitpunkt sind rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Dem Polizeipräsidenten lagen Erkenntnisse vor, wonach es im Jahre 2001 bei ähnlichen Veranstaltungen wie dem in Genua geplanten G 8 Gipfeltreffen zu gewalttätigen Ausschreitungen deutscher Globalisierungsgegner gekommen war, und zwar in Schweden, Spanien und Österreich. Bei allen Veranstaltungen entstanden zum Teil erhebliche Sach- und Personenschäden, auch unter Beteiligung deutscher Staatsangehöriger. Im Internet sowie durch Flugblätter wurde die deutsche linkextremistische Szene frühzeitig aufgerufen, an den geplanten Protestveranstaltungen in Genua teilzunehmen. Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Kläger um eine gewaltbereite Person, die der linksextremistischen Szene zuzurechen war, gehandelt hat. Er ist mehrfach einschlägig polizeilich aufgefallen und für mindestens zwei politisch motivierte Straftaten, die seine linksextremistische Haltung hervortreten ließen, rechtskräftig verurteilt worden. Dies wird im Urteil des Verwaltungsgerichts unter Auswertung der den Kläger betreffenden Ermittlungsakten im einzelnen überzeugend ausgeführt. Dem schließt sich der Senat an. Auf der Grundlage dieser politisch motivierten (Straf-) Taten des Klägers war mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt des Erlasses der Meldeauflage davon auszugehen, dass er sich bei der Teilnahme an Protestveranstaltungen in Genua an drohenden gewalttätigen Ausschreitungen beteiligen werde.

b) Im Ergebnis zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der Polizeipräsident bei dem Erlass der Meldeauflage das ihm gesetzlich zustehende Ermessen erkannt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nach § 12 ASOG nicht überschritten und auch nicht von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Er hat sein Ermessen ausgehend von dem ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen ausgeübt, indem er einem Lagebericht des Landeskriminalamts zufolge zahlreiche Personen überprüft und mit zuvor differenziert festgelegten Kriterien gegenüber auffällig gewordenen Personen unterschiedliche Maßnahme ergriffen oder im Einzelfall von Maßnahmen abgesehen hat.

Die gegenüber dem Kläger erlassene Meldeauflage war nach § 11 ASOG geeignet, um der von dem Kläger ausgehenden Gefahr zu begegnen. Sie war nach den Gründen des Bescheides vom 11. Juli 2001 jedenfalls auch erlassen worden, um zu verhindern, dass der Kläger anlässlich des G 8 Gipfeltreffens in Genua Straftaten gegen Personen oder Sachen begehen konnte. Soweit die Meldeauflage diesem Zweck diente, war sie, auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes, rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Die Auflage, sich täglich jeweils bis 12.00 Uhr auf der Wache des für den Kläger örtlich zuständigen Polizeiabschnitts unter Vorlage eines gültigen Personaldokumentes zu melden, war auf wenige Tage befristet und diente der Abwehr drohender Schäden für gewichtige Rechtsgüter. Dass sie nicht nur auf den konkreten Termin des G 8 Gipfels (20. bis 22. Juli 2001) beschränkt gewesen war, trug der Tatsache Rechnung, dass nach dem Inhalt der Internetaufrufe bereits im Vorfeld des Gipfels strafbare Handlungen oder Vorbereitungen dazu zu befürchten waren.

Der Kläger hat nicht geltend gemacht, sich während der Dauer der Meldeauflage an einen anderen Ort im Bundesgebiet begeben zu wollen. Deshalb war sein Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes (Art. 11 Abs. 1 GG) mit der Beschränkung seiner Meldepflicht auf eine bestimmte Polizeistelle in Berlin nicht beeinträchtigt. Im Übrigen ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht anzunehmen, dass der Beklagte einem entsprechenden Wunsch des Klägers durch Modifizierung des Meldeortes entsprochen hätte. Nach den obigen Ausführungen lag ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG vor. Der Kläger konnte sich auch nicht erfolgreich auf den Grundrechtsschutz des Art. 8 Abs. 1 GG berufen, weil nach der zutreffenden Prognose des Beklagten zu erwarten war, dass er sich bei Versammlungen im Zusammenhang mit dem G 8 Gipfel in Genua an gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber Personen und/oder Sachen beteiligen werde. Art. 8 GG, der auch für Maßnahmen der öffentlichen Gewalt gilt, wenn ihre Wirkungen im Ausland eintreten (BVerfGE 6, 290, 295; 57, 9, 23; OVG Münster DVBl. 1995, 1194), gewährleistet das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Friedlichkeit und Waffenlosigkeit sind Bedingungen für den Eintritt des grundrechtlichen Schutzes. Dasselbe gilt für die Berufung des Klägers auf Art. 11 EMRK und Art. 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Auch danach ist nur die Teilnahme an friedlichen Versammlungen geschützt. Soll die Versammlung der gewaltsamen Durchsetzung bestimmter Ziele dienen, ist sie nicht friedlich (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zur EMRK, 1. Aufl., Baden-Baden 2003, Art. 11 Rn. 5).

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zutreffend erkannt, dass sich der Kläger nicht erfolgreich auf das Freizügigkeitsrecht gem. Art. 18 Abs. 1 EGV berufen kann, weil in seiner Person die Voraussetzungen für Einschränkung der Freizügigkeit nach Art. 39 EGV i .V .m. Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 vorlagen.

4. Soweit allerdings mit der Meldeauflage - der Begründung des Bescheides und der Darstellung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entsprechend - neben der Gefahrenabwehr der Zweck verfolgt worden ist, die Ausreise des Klägers nach Italien zu verhindern und damit die für denselben Zeitraum gegenüber dem Kläger erlassene Personalausweisbeschränkung gleichsam als Vollstreckungsmaßnahme zu "flankieren", war sie rechtswidrig. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht nicht in dessen Auffassung, die polizeiliche Meldeauflage sei auch mit dem Ziel einer effektiven Durchsetzung des dem Kläger erteilten Ausreiseverbots gem. § 2 Abs. 2 PAuswG rechtlich unbedenklich. § 17 Abs. 1 ASOG erlaubt - wie oben bereits dargelegt - keine zielgerichtet die Ausreise beschränkenden Maßnahmen. Solche Maßnahmen sind den dafür nach § 3 des Landespersonalausweisgesetzes vom 1. November 1990 (GVBl. S. 2214) zuständigen Ausweisbehörden auf der Grundlage der Vorschriften des PAuswG und des PassG vorbehalten. Auch die Durchsetzung und Kontrolle ausreisebeschränkender Maßnahmen nach dem PAuswG oder dem PassG ist nicht Aufgabe der Gefahrenabwehr gem. § 17 Abs. 1 ASOG. Dies würde selbst für die Verhinderung von passrechtlichen Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten (§§ 24, 25 PassG) gelten, für die hier im Übrigen kein hinreichender Gefahrenverdacht bestand; es gab keine Anhaltspunkte für eine Prognose, der Kläger werde sich über das mit Bescheid vom 12. Juli 2001 verhängte Ausreiseverbot hinwegsetzen.

5. Das danach rechtswidrig mit der Meldeauflage verfolgte weitere Ziel, den Kläger faktisch an der Ausreise nach Genua zu hindern, führt nicht zu einem, auch nicht teilweisen, Erfolg der Berufung. Denn die Rechtswidrigkeit betrifft nur die Begründung, nicht die Maßnahme als solche. Dem Tenors des Bescheides 11. Juli 2001 ist ein rechtswidriger, auf die Verhinderung der Ausreise des Klägers abzielender Zweck nicht zu entnehmen. Der Bescheid ordnet lediglich die tägliche Meldung des Klägers auf der Polizeiwache an. Eine weitergehende Regelung trifft er nicht. Diese Meldeauflage ist, soweit sie in den Gründen des Bescheides - auch - auf den Zweck gestützt wird, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, rechtmäßig. Wird ein Verwaltungsakt auf verschiedene, jeweils für sich tragende Gründe gestützt, führt die Fehlerhaftigkeit eines von mehreren tragenden Gründen nicht zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme selbst. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung genügt, dass ein selbständig tragender Grund rechtlich fehlerfrei besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - DVBl. 2001, 727, [729] m.w. N., OVG Münster, Urteil vom 25. November 1996 - 25 A 1950/96 -, zitiert nach juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Entscheidung zu § 17 Abs. 1 ASOG betrifft nicht revisibles Recht; den übrigen Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Ende der Entscheidung

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