Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: OVG 1 K 72.05
Rechtsgebiete: VwGO, HochschulzulassungsVO, AZG, GKG


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 3
VwGO § 147 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 162 Abs. 2
VwGO § 162 Abs. 2 Satz 1
HochschulzulassungsVO § 3 Abs. 1 Satz 3
AZG § 26 Abs. 2 Satz 1
GKG § 52 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 1 K 72.05

In der Kostensache

hat der 1. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé, den Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg am 1. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Juni 2005 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 29. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für die anwaltliche Vertretung der Erinnerungsgegnerin im hochschulzulassungsrechtlichen Ausgangsverfahren VG 30 A 900.04.

Der Erinnerungsführer, Kläger des Ausgangsverfahrens, bewarb sich zum Sommersemester 2004 bei der Erinnerungsgegnerin, Beklagte des Ausgangsverfahrens, zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester um einen Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität. Diesen Antrag lehnte die Erinnerungsgegnerin mit dem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 2. April 2004 mit der Begründung ab, die verfügbare Studienkapazität sei voll ausgelastet, alle Studienplätze seien belegt.

Mit seiner dagegen gerichteten, im einzelnen noch nicht begründeten Klage vom 6. Mai 2004 wies der Kläger darauf hin, dass die Klage zunächst zur Fristwahrung erhoben werde, um den angefochtenen Bescheid nicht rechtskräftig werden zu lassen. Er werde die Klage nach Abschluss des zusätzlich betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahrens - VG 30 A 332.04 - zurücknehmen und bitte deshalb die Gegenseite, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des einstweiligen Anordnungsverfahrens im Klageverfahren noch nicht anwaltlich vertreten zu lassen.

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2004 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin unter Bezugsnahme auf die bei Gericht hinterlegte Generalprozessvollmacht an, dass die Erinnerungsgegnerin im Klageverfahren von ihnen anwaltlich vertreten werde und beantragten, die Klage abzuweisen.

Nach erfolglosem Ausgang des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nahm der Erinnerungsführer die Klage zurück. Das Verwaltungsgericht Berlin stellte das Verfahren ein und legte die Kosten des Verfahrens dem Erinnerungsführer auf. Auf Antrag der Erinnerungsgegnerin setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Dezember 2004 die der Erinnerungsgegnerin vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf 307,40 EUR fest. Der dagegen erhobenen Erinnerung gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2005 statt. Es hob den Kostenfestsetzungsbeschluss auf und wies den Kostenfestsetzungsantrag der Erinnerungsgegnerin zurück. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Erinnerungsgegnerin.

Seinen Beschluss begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Lande Berlin eine anwaltliche Vertretung der Hochschule jedenfalls in hochschulzulassungsrechtlichen Klageverfahren offensichtlich nutzlos und nur dazu angetan sei, dem Prozessgegner Kosten zu verursachen. Unter diesen Umständen verstoße der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gegen Treu und Glauben sowie gegen den das Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Ein vergleichbar rechtsmissbräuchliches Kostenerstattungsverlangen sei von der Rechtsprechung in Fällen anwaltlicher Beauftragung zur Verteidigung gegen von vornherein ersichtlich aussichtslose, bereits objektiv erledigte oder nur zur Fristwahrung erhobene Rechtsmittel angenommen worden. Entsprechendes müsse für hochschulzulassungsrechtliche Klageverfahren im Lande Berlin gelten. Seit Jahrzehnten finde nämlich in Berlin eine Überprüfung der Kapazitätsfestsetzung ausschließlich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren statt. Die dazu parallel erhobene Klage bezwecke allein, den Eintritt der Rechtskraft des Ablehnungsbescheides zu verhindern. Die frühere Praxis der Erinnerungsgegnerin, Anträge auf außerkapazitäre Studienplätze zunächst unbeschieden zu lassen oder Ablehnungsbescheide ohne Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, sei seit 1998 aufgegeben worden. Weil im Land Berlin - anders als in einigen anderen Bundesländern - ein Widerspruchsverfahren in Hochschulangelegenheiten nicht vorgesehen sei, müsse gegen den Ablehnungsbescheid zur "Absicherung" des entsprechenden vorläufigen Rechtsschutzverfahrens Klage erhoben werden. In einem derartigen Hauptsacheverfahren bestehe für die Erinnerungsgegnerin kein Bedürfnis, sich anwaltlich vertreten zu lassen. Je nach Ausgang des parallel geführten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erledigten sich die Hauptsacheverfahren durch Vergleich oder Zeitablauf oder würden zurückgenommen, ohne dass es irgend einer qualifizierten anwaltlichen Prozessführung bedurft hätte. In Berlin hätte seit 1991 keine hochschulrechtliche Hauptsache mehr entschieden werden müssen. Diene das kapazitätsrechtliche Klageverfahren mithin allein - zudem ausdrücklich erklärten - prozessualen Zwecken und sei sachlich völlig überflüssig, könne die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts nur als ersichtlich völlig sinnlos angesehen und auch nicht mit einer vorab erteilten Generalprozessvollmacht gerechtfertigt werden. Vielmehr entstehe der Anschein, dass durch die generelle Beauftragung von Anwälten und die damit bewirkte deutliche Erhöhung des Kostenrisikos potentielle Studienbewerber abgeschreckt werden sollten, ihre Teilhaberechte auch gerichtlich durchzusetzen.

Auch Gründe effektiven Rechtsschutzes, das Gleichheitsgebot und das Sozialstaatsprinzip legten es nahe, die Kosten anwaltlicher Vertretung in kapazitätsrechtlichen Klageverfahren für nicht erstattungsfähig zu halten; andernfalls bestehe die Gefahr, dass Kapazitätsstreitigkeiten faktisch nur von begüterten Studienbewerbern geführt werden könnten.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich die vorliegende Beschwerde der Erinnerungsgegnerin.

II.

Die gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Erinnerungsgegnerin hat im Ausgangsverfahren VG 30 A 900.04 einen Anspruch auf Erstattung der durch die anwaltliche Vertretung im hochschulzulassungsrechtlichen Klageverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts erworben, den die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Dezember 2004 zutreffend auf 307,40 EUR festgesetzt hat.

Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind im Gerichtsverfahren die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig, also kraft Gesetzes als notwendig anzusehen. Damit soll es den Beteiligten erleichtert werden, sich "in jeder Lage des Verfahrens" (vgl. § 67 Abs. 2 VwGO, § 3 Abs. 3 BRAO) eines qualifizierten Rechtsvertreters ihrer Wahl zu bedienen, um den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten (BT-Drs. III/55 S. 48). Dies gilt auch für beklagte juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden und zwar unabhängig davon, ob das Gesetz Vertretungszwang vorschreibt (vgl. § 67 Abs. 1 VwGO) oder die Behörde/juristische Person des öffentlichen Rechts über eigene juristisch qualifizierte Mitarbeiter oder gar eine eigene Rechtsabteilung verfügt. Davon ist auch das Verwaltungsgericht unter Zitierung einschlägiger obergerichtlicher Rechtsprechung (OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 155; 2002, 237 m.w.N.; OVG Berlin, NVwZ-RR 2001, 613 u. 614) im Grundsatz zutreffend ausgegangen.

Mit Rücksicht auf die nach der gesetzlichen Regelung in § 162 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich bestehende Erstattungspflicht für die (gesetzlichen) Gebühren und Auslagen des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts sind in der Rechtsprechung Ausnahmen zutreffend nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nämlich dann anerkannt worden, wenn das entsprechende Erstattungsverlangen des obsiegenden Prozessbeteiligten unter Berücksichtigung des gegenseitigen Prozessrechtsverhältnisses als treuwidrig angesehen werden musste. Der eine Ausnahme rechtfertigende Verstoß gegen Treu und Glauben ist nach der Formulierung des OLG Hamm (NJW 1970, 2217) dann anzunehmen, wenn die anwaltliche Vertretung für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen. Auf der Grundlage dieser Formel hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung eine Kostenerstattungspflicht ausnahmsweise verneint, wenn eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts auf eine ersichtlich unzulässige oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit anwaltlicher Hilfe reagiert hat (OVG Lüneburg, a.a.O. m.w.N.; OVG Berlin, a.a.O. m.w.N. [Klage gegen ZVS-Bescheid]; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. November 2004 -NC 9 S 411.04- m.w.N. [Vertretungsanzeige nach unstreitiger Hauptsachenerledigung], juris). Ob dieselben Grundsätze auch für ausdrücklich nur fristwahrend erhobene Klagen gelten (str. insbesondere für fristwahrend eingelegte Berufungen; zustimmend: VG Stuttgart, NVwZ-RR 2005, 292; OLG Dresden, MDR 2000, 852; ablehnend: VGH München, NJW 1982, 2394 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Rdn 10 zu § 162 m.w.N.) bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Der Erinnerungsführer hat nämlich seine Klage entgegen seiner ausdrücklichen Erklärung in der Klageschrift und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht lediglich "fristwahrend" erhoben. Mit der Klage sollte der Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides für die Dauer des parallel geführten Verfahrens nach § 123 VwGO verhindert und damit das Rechtsschutzinteresse für jenes Verfahren erhalten werden. Die angekündigte Rücknahme der Klage "nach Abschluss des einstweiligen Anordnungsverfahrens" sollte naturgemäß nur für den -ungewissen- Fall der Erfolglosigkeit des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gelten. Eine Klage mit dem prozessualen Zweck, ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren "abzusichern", ist ersichtlich nicht nur fristwahrend, d.h. zur Gewährleistung einer Überlegungs- oder Begründungsfrist erhoben (vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1989, 672). Gegen eine solche, nicht erkennbar und offensichtlich unzulässige Klage darf sich die Behörde/juristische Person des öffentlichen Rechts ebenso mit anwaltlichem Beistand verteidigen, wie gegen das parallel geführte vorläufige Rechtsschutzverfahren.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtfertigen auch die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auf dem Gebiet des Hochschulzulassungsrechts im Land Berlin keine einschränkende Auslegung von § 162 Abs. 1, Abs. 2 VwGO. Das landesrechtliche Verfahrensrecht zeichnet sich - möglicherweise abweichend von demjenigen in anderen Ländern - dadurch aus, dass Anträge auf Zulassung zum Studium außerhalb der durch Satzung der jeweiligen Hochschule festgesetzten Zulassungszahl (vgl. § 3 BerlHZG) innerhalb der in § 3 Abs. 1 Satz 3 HochschulzulassungsVO bezeichneten Ausschlussfrist beantragt werden müssen. Über einen solchen Zulassungsantrag ist von der Hochschule zügig zu entscheiden (§ 1 Abs. 1 VwVfG Bln. i.V.m. § 10 Satz 2 VwVfG). Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 3 Satz 1 VwVfG Bln.; die Ausnahme des Satzes 2 ist nicht einschlägig: § 2 Abs. 1 VwVfG Bln.), wobei ein Widerspruchsverfahren in Hochschulangelegenheiten nach § 26 Abs. 2 Satz 1 AZG ausgeschlossen ist. Der mit der Klage des Erinnerungsführers angegriffene Ablehnungsbescheid der Erinnerungsgegnerin ist mithin in Übereinstimmung mit den einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften ergangen. Die vom Verwaltungsgericht zitierte frühere Praxis der Hochschulen, sog. Überkapazitätsanträge zunächst nicht zu bescheiden oder Ablehnungsbescheide zumindest nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, entspräche also nicht den jedenfalls bei Erlass des Bescheides im Lande Berlin geltenden verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen. Diese bei Bedarf zu ändern, wäre zuvörderst Aufgabe des zuständigen Normgebers. Vor dem genannten verfahrensrechtlichen Hintergrund lässt sich folglich nicht feststellen, die Erinnerungsgegnerin habe durch Bescheidung des Zulassungsantrags ohne sachlichen Grund ein überflüssiges Klageverfahren veranlasst, das, zudem bei anwaltlicher Vertretung der Beklagten, nur dazu angetan sei, dem Kläger Kosten zu verursachen.

Auch der tatsächliche Umstand, dass seit dem Jahre 1991 vom Verwaltungsgericht Berlin keine hochschulzulassungsrechtlichen Klageverfahren mehr zu entscheiden gewesen sein mögen, weil sich solche Klageverfahren durch Rücknahme, Vergleich oder Zeitablauf erledigt haben, lässt die anwaltliche Vertretung der Erinnerungsgegnerin in entsprechenden Verfahren nicht offensichtlich nutzlos erscheinen. Zwar mag es zutreffen, dass effektiver hochschulzulassungsrechtlicher Rechtsschutz schon mit Rücksicht auf den sonst drohenden Ablauf des Bewerbungssemesters im Wesentlichen im Verfahren des - allerdings häufig auf eine summarische Prüfung beschränkten - vorläufigen Rechtsschutzes zu gewähren ist. Das schließt aber nicht aus, dass die Beteiligten des Klageverfahrens ein fortbestehendes Interesse an der Klärung von - insbesondere für Höchstzahlfestsetzungen künftiger Semester bedeutsamen - Rechts- oder Tatsachenfragen der der Höchstzahlfestsetzung zugrunde liegenden Kapazitätsberechnung in einem Hauptsacheverfahren haben. So hat die Erinnerungsgegnerin unwidersprochen vorgetragen, dass beim Verwaltungsgericht Berlin noch hochschulzulassungsrechtliche Klageverfahren anhängig seien, die die Rechtsverhältnisse des Jahres 1999 beträfen, und dass einige Klägervertreter trotz abgeschlossener vorläufiger Rechtsschutzverfahren auf Hauptsacheentscheidungen über Verpflichtungsklagen auf Zulassung zum Studium nach den rechtlichen Verhältnissen vergangener Semester drängten. Vor allem aber hat die Erinnerungsgegnerin die anwaltliche Vertretung in allen zulassungsrechtlichen Streitverfahren mit den damit verbundenen Einspareffekten für den Universitätshaushalt und der Entlastung der Rechtsabteilung von der Bearbeitung hochschulzulassungsrechtlicher "Massenverfahren" gerechtfertigt. Dafür, dass dieser sachliche Grund nur vorgeschoben sei und die Erteilung einer Generalprozessvollmacht zur umfassenden anwaltlichen Vertretung in hochschulzulassungsrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren in erster Linie der Abschreckung potentieller Studienbewerber diene, gibt es keine objektiven Anhaltspunkte. Die vom Senat beigezogenen Verfahrensakten VG 12 A 350.98 enthalten ein Protokoll vom 17. Juni 1999 über die Vernehmung des damaligen Kanzlers der Freien Universität Berlin, des Leiters der Rechtsabteilung und der früher mit Kapazitätsstreitigkeiten befasst gewesenen Referatsleiterin der Rechtsabteilung; aus deren Aussagen ergibt sich, dass die Beauftragung von Rechtsanwälten nach Einschätzung der vernommenen Mitarbeiter zu einer erheblichen Entlastung der Rechtsabteilung, zu einer neutraleren und erfolgreicheren Führung der Gerichtsverfahren sowie zu Einsparungen bei Stellen für juristische Mitarbeiter geführt hat. Ähnliches ergibt sich für die Erinnerungsgegnerin aus der Antwort des Senats von Berlin auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Wieland (Abghs. Drs. 15/10836, Antwort auf Fragen 6 bis 8). Danach konnten im Haushalt der Erinnerungsgegnerin infolge der Verlagerung der Prozessführung in hochschulzulassungsrechtlichen Gerichtsverfahren auf Rechtsanwälte erhebliche Einsparungen erzielt, die Erfolgsquote der Gerichtsverfahren verbessert und eine Entlastung der Hochschuljustitiariate erreicht werden. Ein Abschreckungseffekt durch einen signifikanten Rückgang der Studienbewerber für sog. Überkapazitätsplätze sei im Übrigen statistisch nicht nachzuweisen (a.a.O., Antwort auf Frage 9c).

Danach kann nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Land Berlin nicht davon ausgegangen werden, dass die anwaltliche Vertretung der Erinnerungsgegnerin in hochschulzulassungsrechtlichen Klageverfahren für diese offensichtlich nutzlos ist und deshalb die Kosten der Rechtsvertretung nicht zu erstatten sind. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte und dem früher für das Kostenrecht zuständig gewesenen 3. Senat des OVG Berlin (vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1989, 672; Beschluss vom 29. November 2004, a.a.O.; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 237 und 2004, 155; OVG Berlin NVwZ-RR 2001, 613) ist der beschließende Senat daher der Auffassung, dass Hochschulen sich auch in hochschulzulassungsrechtlichen Hauptsacheverfahren ohne Verpflichtung zu einer inhaltlichen Beschränkung der Vertretungsmacht durch Rechtsanwälte ihrer Wahl vertreten lassen dürfen und dass grundsätzlich die für die Prozessvertretung zu zahlenden gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts von dem im Rechtsstreit unterlegenen Prozessgegner zu erstatten sind.

Diese Auslegung und Anwendung von § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO steht mit höherrangigem Recht in Einklang. Die verwaltungsprozessrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungs- und Kostenerstattungspflicht im Fall des Unterliegens vor Gericht verletzen weder das Sozialstaats- noch das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, namentlich ist die hier maßgebliche Bestimmung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 1991 -1 BvR 808/88-, juris). Eine prozessrechtliche Regelung, die dem im Verwaltungsrechtsstreit unterlegenen Verfahrensbeteiligten auferlegt, die Kosten des Rechtsstreits, also auch diejenigen des Verfahrensgegners zu tragen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Rechtsstaatliche Justizgewährungspflicht oder die Verpflichtung staatlicher Stellen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erfordern weder kostenfreien Zugang zu den Verwaltungsgerichten noch Gewährung von Rechtsschutz ohne Kostenrisiko. Art . 20 Abs. 1 und 3, 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG gebieten zwar bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten (BVerfGE 81,347 [356] m.w.N.; stRspr). Für diese Angleichung sind jedoch im Institut der Prozesskostenhilfe die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen. Eine vollständige Gleichstellung ist von Verfassungs wegen nicht geboten (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2002 -2 BvR 2256/99-, juris). Zwar befreit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht von der Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten (§§ 166 VwGO, 123 ZPO); das damit einhergehende Kostenrisiko steht aber nicht außer Verhältnis zum Interesse eines Studienbewerbers an dem Verfahren und muss ihm nicht die Anrufung des Gerichts bei vernünftiger Abwägung als wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 85, 337 [347] zur Bemessung des Streitwerts in Verfahren nach dem WEG). Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstrittene Zuteilung eines Studienplatzes in einem zulassungsbeschränkten Studiengang an einem Studienort eigener Wahl außerhalb der festgesetzten Kapazität und unabhängig von den für die Studienplatzvergabe sonst maßgeblichen Zuteilungskriterien der ZVS stellt nämlich für den Studierenden in aller Regel einen ebenso hohen ideellen wie wirtschaftlichen Wert dar, der im Verwaltungsstreitverfahren allerdings wegen fehlender Anhaltspunkte für seine Bemessung regelmäßig mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit dessen Hälfte zu bewerten sein wird (vgl. Ziff. 1.5 und 18.1 des Streitwertkatalogs, NVwZ 2004, 1327). Dass das Kostenrisiko des Verwaltungsstreitverfahrens um einen sog. Überkapazitätsplatz wirtschaftlich außer Verhältnis zum Rechtsschutzziel stünde, den Zugang zu den Gerichten unzumutbar erschweren oder gar zu einer gleichheits- und sozialstaatswidrigen Sonderung der Studierenden nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen könnte, lässt sich weder allgemein noch im vorliegenden Fall feststellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück