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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 22.09.2008
Aktenzeichen: OVG 10 B 21.07
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 125
BauGB § 242 Abs. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 10 B 21.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Gaube und den Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler am 22. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für die zweite Rechtsstufe auf 3.017,05 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für den Ausbau der B_____ Straße in S_____. Gegenstand der Heranziehung ist das im Eigentum des Klägers liegende Anliegerflurstück 559 der Flur 1 der Gemarkung K_____, welches mit einer Katasterfläche von 1.028 qm aus dem 1.722 qm großen Flurstück 203 hervorgegangen ist.

Die B_____ Straße wurde aufgrund eines nicht mehr auffindbaren Beschlusses der zum 31. Dezember 2001 in die Stadt S_____ eingegliederten Gemeinde G_____in dem Zeitraum Dezember 1995 bis August 1996 auf einer Gesamtbreite von 10 m unter Beibehaltung der bestehenden ca. 300 m langen Trasse ausgebaut. Technisch hergestellt wurden eine Fahrbahn, Pflanzinseln, Parktaschen sowie die Straßenbeleuchtung und -entwässerung. Unter dem 10. Januar 2006 wurde die Straße unter Einstufung als Gemeindestraße und ohne Beschränkungen auf eine bestimmte Benutzungsart mit Wirkung zum 25. Januar 2006 förmlich gewidmet.

Die Straße mündet mit ihrem östlichen Teil in die D_____ und verbindet hierdurch das Gebiet "Nordwiesen" mit dem Ortskern von K_____. (Jedenfalls) bei Beginn der Ausbauarbeiten grenzte das westliche Ende der B_____ Straße an die Wiesen der S_____ E_____. Zu diesem Zeitpunkt wies die Straße lediglich auf der zwischen der D_____ und dem S_____ gelegenen Strecke eine im Wesentlichen zusammenhängende, beidseitige Bebauung auf, während der übrige Teil der "N_____" als unbebauter Bereich Gegenstand einer Vorhaben- und Erschließungsplanung und nach deren Scheitern einer Bebauungsplanung war. Die Oberfläche der Straßentrasse bestand vor dem Ausbau aus einer teilweise mit Bauschutt, Schotter oder ähnlichem Material aufgefüllten Mutterbodenschicht.

Der Rechtsvorgänger des Beklagten hatte den Ausbau der B_____ Straße ursprünglich nach Straßenausbaubeitragsrecht abgerechnet. Der insoweit an den Kläger als Eigentümer des damals noch ungeteilten Flurstücks 203 ergangene Straßenausbaubeitragsbescheid wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus aufgehoben. Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 1. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 zog der Beklagte den Kläger nunmehr auf der Grundlage der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt S_____ vom 18. Juni 2003 (nachfolgend: EBS 2003) zu einem Erschließungsbeitrag i.H.v. 3.017,05 € heran. Hierbei reduzierte der Beklagte die Beitragshöhe auf den Betrag, der nach dem aufgehobenen Straßenausbaubeitragsbescheid (anteilig) für das Flurstück 559 festgesetzt worden war.

Der gegen den Erschließungsbeitragsbescheid gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil vom 13. September 2005 stattgegeben und ausgeführt, dass der Bescheid einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage entbehre. Sowohl die EBS 2003 der Stadt S_____ als auch die nach dem Eingliederungsvertrag allein in Betracht kommenden Erschließungsbeitragssatzungen der ehemaligen Gemeinde G_____ seien wegen Bekanntmachungsmängeln nichtig. Entsprechendes gelte für die Straßenausbaubeitragssatzungen der Stadt bzw. der Gemeinde, so dass offen bleiben könne, ob Erschließungs- oder Straßenausbaubeitragsrecht Anwendung finde.

Zur Begründung der mit Beschluss vom 14. August 2007 zugelassenen Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, dass der Ausbau der B_____ Straße dem Erschließungsbeitragsrecht unterfalle. Die Straße sei 1995/1996 erstmals endgültig hergestellt worden. § 242 Abs. 9 BauGB stehe der Erhebung eines Erschließungsbeitrages nicht entgegen. Denn die B_____ Straße sei "am" 3. Oktober 1990 nicht auf ihrer gesamten Länge entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertiggestellt gewesen, weil sie vor dem streitgegenständlichen Ausbau weder eine hinreichende Befestigung noch Einrichtungen für ihre Entwässerung oder Beleuchtung aufgewiesen habe. Die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitragsbescheid weise nach Bekanntmachung der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt S_____ vom 9. November 2005 (nachfolgend: EBS 2005) im Amtsblatt vom 18. November 2005 eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage auf. Auch seien Umfang und Verlauf der B_____ Straße sowohl aus dem am 2. Dezember 1993 als Satzung beschlossenen Vorhaben- und Erschließungsplan "'E_____' und ,N_____" als auch durch den am 29. Juni 1994 in Kraft getretenen Bebauungsplan gleicher Bezeichnung i.S.d. § 125 BauGB durch die Gemeindevertretung G_____ legitimiert. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Beitragsforderung bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt gewesen. Da eine wirksame Erschließungsbeitragssatzung Voraussetzung für das Entstehen der Forderung sei, habe die Festsetzungsverjährungsfrist frühestens mit dem Inkrafttreten der EBS 2005 am 19. November 2005 begonnen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß den Antrag gestellt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der anwaltlich nicht vertretene Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Erstinstanzlich hat er geltend gemacht, dass der Beklagte seiner Aufforderung nicht nachgekommen sei, die Erschließungsanlage "im Umfang einschließlich erkennbarer Örtlichkeit zu definieren" und "daraus letztendlich einen Anspruch substantiiert als Anspruchsbegründung" nachzuweisen. Zudem sei die Forderung verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und der hierzu beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakte des Verfahrens des Verwaltungsgerichts Cottbus 4 K 2067/00 und des hierzu eingereichten Verwaltungsvorgangs.

II.

Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130 a Satz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden hierzu gehört (§§ 130 a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 1. Juni 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten (§§ 125 Abs. 1 i.V.m. 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides richtet sich nach den erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen der §§ 127 ff BauGB.

Der Anwendbarkeit des Erschließungsbeitragsrechts steht - wie der Beklagte zu Recht meint - die insoweit allein in Betracht kommende Vorschrift des § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB nicht entgegen. Nach dieser Regelung können für Erschließungsanlagen oder Teileinrichtungen wie beispielsweise Fahrbahn und Gehweg (s. hierzu: BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 - 9 C 5.06 -, juris), die bis zu dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 entsprechend einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertiggestellt wurden, keine Erschließungsbeiträge nach §§ 127 ff BauGB (sondern nur Ausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Bundeslandes) erhoben werden. Da vorliegend der Nachweis eines technischen Ausbauprogramms nicht gelungen ist, kommt allein eine Fertigstellung entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten in Betracht. Diese Alternative setzt, wie auch der Beklagte hervorgehoben hat, einen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau voraus. Die Erschließungsanlage oder ihre Teileinrichtungen müssen durch künstliche Veränderung der Erdoberfläche planvoll straßenbautechnisch bearbeitet worden sein; das bloße Ausnutzen und grobe Herrichten natürlicher Geländegegebenheiten (z.B. das bloße Verfestigen und "Hobeln" einer vorhandenen "Sandpiste") ist nicht ausreichend (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 a.a.O.).

Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe ist die (einen notwendigen Bestandteil einer Anbaustraße bildende) Teileinrichtung Fahrbahn nicht bis zum 3. Oktober 1990 entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertiggestellt, da sie lediglich aus einer teilweise mit Bauschutt, Schotter oder ähnlichem Material aufgefüllten Mutterbodenschicht bestand. Anhaltspunkte dafür, dass die weiteren abgerechneten Teileinrichtungen bis zum 3. Oktober 1990 zumindest in einer primitiven Form hergestellt worden waren, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

2. Der Beklagte hat zu Unrecht von dem Kläger einen Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der B_____ Straße erhoben.

Denn die sachliche Beitragspflicht ist noch nicht entstanden (vgl. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Dies gilt jedenfalls deshalb, weil weder die Gemeinde G_____ noch die Stadt S_____ dem erschließungsrechtlichen Planerfordernis des § 125 Abs. 1, 2 BauGB Genüge getan haben (s. zur rechtmäßigen Herstellung einer Erschließungsanlage - auch - nach § 125 BauGB als Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1994 - 8 C 2.93).

Einschlägig ist § 125 BauGB in der durch Art. 1 Nr. 46 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) mit Wirkung vom 1. Januar 1998 geltenden Fassung. Unabhängig von der Bedeutung des § 233 Abs. 1 BauGB (s. hierzu: BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 9 C 2.03 -; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 87. EL Februar 2008, § 125 RN 7 b) gilt dies jedenfalls deshalb, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2004 datiert und die sachliche Beitragspflicht für die B_____ Straße frühestens mit ihrer förmlichen Widmung vom 10. Januar 2006 mit Wirkung zum 25. Januar 2006 entstanden sein kann. Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die erstmalige endgültige Herstellung einer Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist auch die Öffentlichkeit dieser Straße (Driehaus a.a.O., § 12 RN 25 m.w.N.).

a) Aus den von dem beweisbelasteten Beklagten nach gerichtlichem Hinweis vorgelegten Unterlagen ist nicht erkennbar, dass der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde G_____ einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan erlassen hat, mit dem die B_____ Straße als Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB festgesetzt wird (vgl. § 125 Abs. 1 BauGB). Dies gilt unbeschadet der hier ohnehin zweifelhaften formell-rechtlichen Wirksamkeit eines solchen Planes. Denn soweit die Festsetzungen des nach Behauptung des Beklagten am 18. Januar 1994 beschlossenen Bebauungsplans "'N_____' K_____" mit denjenigen der zum Beleg dieser Behauptung eingereichten Planzeichnung vom Juni 1997 zur "1. Änderung/Ergänzung" dieses Bebauungsplanes übereinstimmen sollten, so sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt, weil nach dieser Planzeichnung die B_____ Straße nicht Gegenstand der planerischen Festsetzungen ist, sondern außerhalb des Plangebietes liegt. Ebensowenig hat der Beklagte hinreichend dargetan, dass der Satzungsbeschluss über den Vorhaben- und Erschließungsplan "'E_____' und ,N_____" die B_____ Straße umfasste. Nach der von dem Beklagten eingereichten Kopie der Satzung datiert der im Vorspruch der Satzung angeführte Beschluss der Gemeindevertretung vom 16. Juli 1992. Die hierzu eingereichte Kopie der Planzeichnung, welche die B_____ Straße - und dies auch nur auf der zwischen der S_____und dem Flurstück 187/10 liegenden Strecke - als Teil des Plangebietes ausweist, wurde indes erst im Dezember 1992 gefertigt, war ausweislich ihrer Überschrift eine bloße Empfehlung und lässt nicht einmal ansatzweise erkennen, dass sie mit der in § 1 Satz 2 der Satzung angeführten Planzeichnung identisch ist. Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn unter dem am Ende der Satzungskopie aufgeführten Datum - dem 2. Dezember 1993 - ein erneuter Beschluss der Gemeindevertretung gefasst worden sein sollte, wie der Beklagte meint. Denn auch hier lässt die ein Jahr zuvor gefertigte "Empfehlung" des Plangebietes jede Verknüpfung mit dem Plangebiet i.S.d. § 1 der Satzung vermissen. Die weitere von dem Beklagten zu dem Vorhaben- und Erschließungsplan eingereichte Kopie einer Planzeichnung betrifft nur das Plangebiet "N_____" und kann damit nicht Gegenstand des auch das Plangebiet "E_____" umfassenden Satzungsbeschlusses gewesen sein. Zudem liegt in dieser Planzeichnung die B_____ Straße gänzlich außerhalb des Plangebietes. Da der Beklagte auf den gerichtlichen Hinweis zu § 125 BauGB allein die vorstehenden Unterlagen übersandt hat, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der (grds.) nach § 125 Abs. 1 BauGB erforderliche Bebauungsplan durch die nach Eingliederung der Gemeinde G_____zuständige Stadtverordnetenversammlung der Stadt S_____ nachgeholt worden ist (s. zur Heilung unter Verstoß gegen § 125 BauGB erlassener Erschließungsbeitragsbescheide: BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 a.a.O.; Driehaus a.a.O., § 7 RN 53).

b) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass eine den Anforderungen des §§ 125 Abs. 2 i.V.m. 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entsprechende - interne - Planungsentscheidung der Gemeinde getroffen wurde. Es kann daher offen bleiben, ob ein Rückgriff auf § 125 Abs. 2 BauGB - jedenfalls in der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung - nur zulässig ist, wenn kein Planerfordernis nach § 1 Abs. 3 BauGB besteht (so Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 125 RN 11).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom: 10. November 1989 - 8 C 27.88 -, 27. April 1990 - 8 C 77.88, 18. Januar 1991 - 8 C 14.89 - und 3. Juli 1992 - 8 C 34.90 -, alle zitiert nach juris) sind Gegenstand der nach § 125 Abs. 2 BauGB materiell-rechtlich gebotenen Abwägung - ebenso wie bei § 125 Abs. 1 BauGB - Umfang (Länge und Breite) und Verlauf der Erschließungsanlage, und nicht etwa weitere nach § 9 Abs. 1 BauGB mögliche Festsetzungen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem vorgenannten Urteil vom 10. November 1989 zur Begründung dieser Ansicht auch auf § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung - im Folgenden a.F. - abstellt, führt die zwischenzeitliche Änderung des § 125 Abs. 2 BauGB zu keinem anderen Ergebnis. Der Wortlaut des § 125 Abs. 1 BauGB bezieht sich nach wie vor nur auf die betreffende Anlage als solche, nicht aber auf ihre bautechnische Ausgestaltung. Der in diesem Wortlaut zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Zweck des Planerfordernisses - im Interesse der Abstimmung mit der übrigen städtebaulichen Struktur eine Festlegung des Ausmaßes und, namentlich bei Anbaustraßen, des Verlaufs der Anlage zu erreichen - wird durch den Wegfall des Zustimmungserfordernisses des § 125 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. und damit auch der hierzu bestehenden Ausnahmeregelung des § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F. nicht tangiert. Vielmehr hat die Neufassung des § 125 Abs. 2 BauGB, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. November 2003 a.a.O. klarstellt, den materiell-rechtliche Maßstab für die nach § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bzw. § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB a.F. gebotene Abwägung nicht geändert, sondern nur das Prüfungsverfahren vor der höheren Verwaltungsbehörde entfallen lassen.

Zuständig für die nach § 125 Abs. 2 BauGB gebotene Planungsentscheidung über Umfang und Verlauf einer Anbaustraße ist in Brandenburg gemäß § 35 Abs. 1 GO die Gemeindevertretung, da es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung (§ 63 Abs. 1 Buchstabe e GO) handelt.

Für eine den Umfang und Verlauf (der gesamten Strecke der) der B_____ Straße planerisch abwägende interne Entscheidung des Rates der Gemeinde G_____ ist auch aus den von dem Beklagten hierzu nachgereichten Unterlagen nichts ersichtlich. Es kann nicht angenommen werden, dass Gegenstand des Ratsbeschlusses vom 16. Juli 1992 bzw. (wie der Beklagte meint) vom 2. Dezember 1993 die "Empfehlungen" der Planzeichnung vom Dezember 1992 waren, welche immerhin die zwischen der S_____ E_____ und dem Flurstück 187/10 liegende Teilstrecke als zum Plangebiet zugehörig ausweisen. Denn aus den bereits dargelegten Gründen fehlt es an einer hinreichenden Verknüpfung der Planzeichnung mit dem Beschluss bzw. den Beschlüssen. Auch mit den weiteren Planzeichnungen, die der Beklagte vorgelegt hat, ist die nach § 125 Abs. 2 BauGB gebotene Entscheidung nicht dargetan. Nach diesen beiden Planzeichnungen ist die B_____ Straße, wie ausgeführt, nicht Teil des Plangebietes. Gegenstand einer Beschlussfassung ist aber regelmäßig allein das Plangebiet, das festgesetzt werden soll. Dass der Rat der Gemeinde G_____ ausnahmsweise, quasi anlässlich des Beschlusses über den Vorhaben- und Erschließungsplan "'E_____' und ,N_____", eine hiervon gesonderte Planungsentscheidung über die Ausgestaltung der B_____ Straße getroffen oder Entsprechendes bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan "'N_____' K_____" getan hätte, lässt sich den übersandten Unterlagen nicht entnehmen. Diese Unterlagen dokumentieren auch nicht hinreichend, dass eine solche Planungsentscheidung zeitlich vor den Satzungsbeschlüssen gefällt wurde. Dass nach der Legende der Planzeichnung zu dem Vorhaben- und Erschließungsplan "N_____" vom Oktober 1993 "Straßen- und Gehwegbegrenzungslinien" als durchgezogene schwarze Linien in dem Plan gekennzeichnet sein sollen und die Buchwalder Straße mittels einer solchen Linie in dem Plan eingezeichnet ist, besagt jedenfalls deshalb nichts über eine abwägende Entscheidung über Umfang und Verlauf der Straße, weil in der Planzeichnung auch noch weiter außerhalb des Plangebietes liegende Straßen und zudem Flächen von Flurstücken durch schwarze durchgezogene Linien begrenzt werden. Auch der Planzeichnung vom Juni 1997 zu der "1. Änderung/Ergänzung" des Bebauungsplanes "'N_____' K_____" lässt sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit entnehmen, dass die dort (außerhalb des Plangebietes) ausgewiesene B_____ Straße Gegenstand einer gemeindlichen Planungsentscheidung war. Zwar sind dort innerhalb der Straßenfläche "geplante Straßenachsen" durch gestrichelte schwarze Linien ausgewiesen. Jedoch bedeutet der Umstand, dass diese Straßenachsen "geplant" sind, nicht, dass auch der Gemeinderat diese "Planung" in Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB abgewogen hat. Unabhängig davon ziehen sich diese Linien nicht über die gesamte Straßenlänge. Zudem sind überwiegend zwei parallele gestrichelte Linien eingezeichnet, die als Randachsen eine Straßenbreite von 5 m ausweisen, während der streitgegenständliche Ausbau eine 10 m breite Straßenfläche umfasst. Zwar verletzen geringfügige Abweichungen von der Abwägungsentscheidung nicht das erschließungsrechtliche Planerfordernis, weil dieses lediglich eine Grobabstimmung mit der übrigen städtebaulichen Struktur in der Gemeinde bezweckt (BVerwG, Urteile vom: 3. Oktober 1975 - IV C 78.73 -, Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 16; 10. November 1989 a.a.O.; 9. März 1990 - 8 C 76.88 -, juris; Driehaus a.a.O., § 7 RN 6). Jedoch überschreitet eine Verdoppelung der Straßenbreite das hierdurch vorgegebene Maß der Geringfügigkeit.

Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine die Abwägung nachholende Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt S_____. Insbesondere genügt die Widmungsverfügung vom 10. Januar 2006 nicht den Anforderungen der §§ 125 Abs. 2 i.V.m. 1 Abs. 4 bis 7 BauGB.

c) Die Voraussetzungen, unter denen es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F. einer Planungsentscheidung der Gemeinde nicht bedurfte, liegen nicht vor. Es kann daher offen bleiben, ob diese Rechtsprechung auf die seit dem 1. Januar 1998 geltende Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB - welche allein das auf eine Rechtsaufsicht beschränkte (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 a.a.O.) Prüfungsverfahren vor der höheren Verwaltungsbehörde zum Wegfall brachte, nicht aber, wie ausgeführt, den materiell-rechtliche Maßstab der gemeindlichen Planungsentscheidung geändert hat - übertragbar ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war die Aufstellung eines Bebauungsplanes i.S.d. § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F. nicht erforderlich, wenn im Zeitpunkt des Beginns der zur erstmaligen endgültigen Herstellung führenden Baumaßnahmen aufgrund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, Umfang und Verlauf der Erschließungsanlage bereits in einer Weise festlagen, die für eine gestaltende Planung der Gemeinde keinen Raum mehr ließ (BVerwG, Urteile vom: 12. Oktober 1973 - IV C 3.72 -, Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 4; 22. März 1974 - IV C 23.72 -, Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 18; 4. April 1975 - IV C 75.72 -, Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 7; sowie vom 10. November 1989 a.a.O., 27. April 1990 a.a.O. und 3. Juli 1992 a.a.O.).

Länge, Breite und Führung der Gesamtstrecke der B_____Straße standen im Zeitpunkt des Beginns der Herstellungsarbeiten im Dezember 1995 nicht dergestalt fest, dass für eine abweichende Gestaltung kein Raum mehr bestand.

Dies gilt schon für das sich zwischen der D_____ und der Einmündung des S_____ erstreckende ca. 145 m lange Straßenstück. Zwar war die Strecke ausweislich der beiden Planzeichnungen zu dem Vorhaben- und Erschließungsplan vom Dezember 1992 und Oktober 1993 sowie des undatierten Auszuges des bei der "Vorplanung 01/93 TO Straßenbau" aufgestellten Lageplanes beidseitig von Bebauung umgeben, welche teilweise sogar unmittelbar an das Straßenland angrenzte. Auch blieb dieser Zustand bis Dezember 1995 unverändert, wie aus der im Juni 1997 gefertigten Planzeichnung zu dem Bebauungsplan "'N_____' K_____" folgt. Jedoch wies die Umgebung der Straßenstrecke (wenn auch den Bebauungszusammenhang nicht unterbrechende) Baulücken auf. Insbesondere war das mit ca. 40 Frontmetern an die nördliche Seite der B_____ Straße und mit ca. 30 Frontmetern an die D_____ grenzende Eckgrundstück unbebaut. Jedenfalls weil es sich um die Einmündung in die die Gebiete "N_____" und "E_____" umschließende und die Verbindung zum Ortskern K_____ herstellende Dorfstraße handelt, ist es denkbar, dass die Gemeinde gerade in diesem Bereich die B_____ Straße breiter als im übrigen Verlauf angelegt hätte, wenn über ihren Ausbau planerisch, insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB) entschieden worden wäre. Aus demselben Grunde stünde auch eine Verschwenkung der Straße Richtung Norden als alternative Gestaltungsmöglichkeit im Raum. Angesichts der Größe des Eckgrundstücks und der geringen Gesamtlänge der B_____ Straße von 300,5 m stellen die aufgezeigten Alternativen auch keine unter dem Gesichtspunkt des erschließungsrechtlichen Planerfordernisses geringfügige Variationsmöglichkeit dar.

Unabhängig davon waren zumindest Verlauf und Breite und Verlauf der übrigen Strecke der B_____ Straße durch die gegebenen Umstände nicht zwingend vorgegeben. Nach der Planzeichnung zu dem nach Angaben des Beklagten im Jahre 1994 wirksam gewordenen Bebauungsplan "'N_____' K_____" war diese ca. 155 m lange Strecke (bis auf das Flurstück 183/5) zu Beginn der streitgegenständlichen Ausbauarbeiten im Dezember 1995 von unbebauten Grundstücken umgeben. Als die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde einschränkender Umstand kommen deshalb allein die Ausweisungen des Bebauungsplanes in Betracht. Da die B_____ Straße nach der Leistungsbeschreibung der B&R Planungsgesellschaft S_____ eine "Anliegerstraße mit maßgebender Erschließungsfunktion" ist, dürfte unter Zugrundelegung der Tabellen 8 und 16 der EAE 85/95 kein nennenswerter Spielraum für eine Verringerung der (tatsächlichen) Ausbaubreite von 10 m bestanden haben. Breite und Verlauf der westlich an der S_____ endenden Straßenstrecke könnten deshalb dann durch den Bebauungsplan (von geringen Variationsmöglichkeiten abgesehen) vorgegeben sein, wenn das Plangebiet die Straße in ihrer Ausbaubreite von 10 m quasi einrahmte. Dies ist indes nicht der Fall. Denn jedenfalls im Bereich des (damals) als Stichstraße endenden Straßenstücks springt das südliche Plangebiet zurück und lässt die insgesamt ca. 75 Frontmeter aufweisenden und ca. 25 m tiefen Flurstücke 11/7 sowie 11/8 unbeplant. Es wäre deshalb auf einer Länge von 75 m eine Verbreiterung der Straße um bis zu 25 m denkbar, etwa um am Ende der Stichstraße (vermehrt) Parkmöglichkeiten oder eine Wendeschleife einzurichten. Dass diese Ausbaualternativen im Vergleich zu der tatsächlich ausgebauten Straßenfläche keine geringfügigen Variationsmöglichkeiten darstellen, liegt auf der Hand. Da der Ausbau der Teilstrecke bereits aus diesem Grunde einer den Anforderungen der § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB entsprechenden Entscheidung der Gemeinde bedurfte, kann offen bleiben, ob das Absehen von einer Planungsentscheidung nur dann möglich ist, wenn die Straße im unbeplanten Innenbereich verläuft (so die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 125 Abs. 2 Satz 2 BauGB a.F.: BVerwG, Urteile vom 4. April 1975 und 3. Oktober 1975 a.a.O.) oder ob diese Voraussetzung wegen ihrer Verknüpfung mit dem vormaligen Zustimmungserfordernis (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. April 1975 a.a.O.) mit dessen Wegfall entbehrlich geworden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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