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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: OVG 10 N 42.05
Rechtsgebiete: BauGB, BbgBO, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7
BbgBO § 4 Abs. 2
BbgBO § 6
VwGO § 35 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 10 N 42.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Krüger, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Bumke am 31. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 26. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 105.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der - allein auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO) gestützte - Antrag auf uneingeschränkte Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger allerdings gegen die gerichtliche Würdigung der angegriffenen Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung nichts einwendet, ist hinsichtlich dieser letzteren unzulässig, im übrigen zulässig, aber nicht begründet.

Hinsichtlich der bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung hat das Verwaltungsgericht angenommen : (I.) Für den Erlass der Verfügung lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen vor. Insbesondere sei das Vorhaben auch nicht genehmigungsfähig; denn es verstoße zum einen gegen Bauplanungsrecht, zum andern auch gegen Bauordnungsrecht und genieße keinen Bestandsschutz. (II.) Ermessensfehler seien nicht gegeben. Den Ausschlag habe für die Behörde bei ihrer Entscheidung ersichtlich neben der formellen die materielle Illegalität des Vorhabens als solche gegeben. Besondere Umstände, die dazu hätten veranlassen müssen, vom Erlass der Verfügung hier ausnahmsweise abzusehen, lägen nicht vor; einen Teilabbruch habe der Beklagte nicht näher in Erwägung ziehen müssen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der in dem angefochtenen Urteil vorgenommenen Würdigung der Beseitigungverfügung ergeben sich aus den insoweit allein maßgeblichen Darlegungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) des Klägers nicht.

I. Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts darüber, dass das Vorhaben genehmigungs- bedürftig, aber nicht genehmigt worden sei (S. 7 f. UA), dass das Grundstück im Außenbereich liege (S. 8 UA) und dass das Vorhaben nicht privilegiert sei (S. 9 UA), ist der Kläger nicht entgegengetreten.

1. Zu den Ausführungen des Gerichts darüber, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei, führt er unter anderem aus, dass § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ihm nicht entgegenstehe. Die Entstehung einer Splittersiedlung lasse es nicht befürchten, weil eine solche in dem betroffenen Areal schon vorhanden gewesen sei. Die Verfestigung einer Splittersiedlung lasse es nicht befürchten, weil sein eigenes Grundstück schon bebaut gewesen sei; deshalb könne - was der Senat von vornherein nicht nachvollziehen kann - "eine 'Auffüllung' des bisherigen Bestandes der Splittersiedlung ohne zusätzliche Ausdehnung in den Außenbereichung nicht erfolgt sein". Die Erweiterung einer Splittersiedlung lasse das Vorhaben nicht befürchten, weil es "nicht zu einer weiteren räumlichen Ausdehnung in den Außenbereich hinein führt". An anderer Stelle räumt der Kläger freilich eine "flächenmäßige Erweiterung der bereits vorhandenen Bebauung" selbst ein (S. 5 der Antragsbegründung).

Mit diesen Darlegungen hat der Kläger ernstliche Zweifel jedenfalls an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass hier ein Fall des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB gegeben und schon deshalb das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei (S. 9 UA), nicht mit Erfolg dargetan. Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts findet sich auf den angrenzenden Grundstücken allenfalls eine Bebauung mit Wochenendhäusern, die eigentliche Ortslage der Gemeinde Klein Beuchow liegt über 100 m entfernt, zudem besteht ein baulicher Bezug dazu nicht, und zwar auch deshalb nicht, weil sie von dem Grundstück des Klägers durch ein ausgedehntes Waldgebiet getrennt wird (S. 8 UA). Ob die diesseits des Waldgebiets bereits vorhanden gewesenen Gebäude bereits als Splitter-Siedlung angesehen werden konnten, unterliegt wegen ihrer (Wochenend-)Nutzung Zweifeln. Ist dies zu verneinen, so lässt das Vorhaben die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten, andernfalls jedenfalls die Erweiterung oder Verfestigung. Denn nach den gleichfalls vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stand auf den Flurstücken 69/6 sowie 263 (neu) vor Durchführung der fraglichen Baumaßnahme, jeweils mit einem Flachdach versehen, ein Bungalow nebst angebauter Garage mit den Maßen 12,90 m mal 5 m bzw. 5,50 m mal 5 m (S. 2 UA). Durch den vorgenommenen Umbau und vor allem Anbau hat sich die Grundfläche beider Gebäude um mindestens etwa 85 qm vergrößert, und das nunmehr entstandene Gebäude ist insgesamt nach dem angefochtenen Urteil mit einem Satteldach - ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen Lichtbilder mit einem abgewinkelten Walmdach - versehen. Dass eine derart umfangreiche Vergrößerung der Grundfläche sowie des umbauten Raums und die nunmehr offensichtliche Bestimmung des Gebäudes zur dauerhaften Wohnnutzung jedenfalls eine Verfestigung einer etwa bereits vorhandenen Splittersiedlung bzw. eines Siedlungssplitters darstellt, bedarf keiner weiteren Begründung. Der mit Blick auf die im Gesetz gebrauchte Wendung "zu befürchten" näher begründeten zusätzlichen Annahme des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben besitze eine nicht genau übersehbare Vorbildwirkung und könne dazu führen, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten dieser Art hinzutreten werden (S. 9 UA), ist der Kläger gar nicht entgegen getreten. 2. Die Darlegungen, mit denen der Kläger sich der Annahme des Verwaltungsgerichts widersetzt, dem Vorhaben ständen auch § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB und zudem § 4 Abs. 2 sowie § 6 BbgBO entgegen (S. 9 f. UA), dürften gleichfalls nicht durchgreifen. Jedoch kommt es hierauf im vorliegenden Rechtsstreit aus den noch unter (II.) zu erörternden Gründen nicht entscheidend an.

3. Die Darlegungen des Klägers darüber, dass das Vorhaben entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Bestandsschutz genieße, vermögen die Annahme des Gegenteils durch das Verwaltungsgericht (S. 10 UA) nicht zu erschüttern. Dass das jetzt vorhandene Gebäude mit dem früher vorhandenen bzw. genauer: dem früher vorhandenen Bungalow und der daran angebauten Garage "nicht mehr identisch" sei, hält der Kläger selbst für "sicherlich zutreffend". Weit hergeholt erscheint dem Senat indessen seine Erwägung, dies - d.h. wohl: der Mangel der Identität - "träfe aber ebenso für jeden Anbau an ein vorhandenes Gebäude bzw. jede Ausbaumaßnahme an einem solchen zu, so etwa auch für den 'schwarzen' Anbau eines Wintergartens oder ähnliches". Mit solchen Beispielen stellt der Kläger auf einen verblassten Begriff der Identität ab, der für die Frage des Bestandsschutzes aber offensichtlich nicht der maßgebliche sein kann. Durch Anbau eines Wintergartens "oder ähnliches" dürfte der Bestandsschutz für das vorhandene Hauptgebäude in der Tat nicht stets nicht berührt sein. Ein - unter Verwendung zeitgemäßen Materials - aus zwei Gebäuden gebildetes, von einem Walmdach statt zweier Flachdächer abgeschlossenes und infolge horizontaler Vergrößerung zudem jetzt eine etwa verdoppelte Grundfläche aufweisendes, nunmehr dem dauernden Wohnen dienendes Gebäude jedoch ist nach der Verkehrsanschauung unter mehreren Aspekten ein Neubau, etwas von dem früheren Bestand so verschiedenes, dass es durch dessen Bestandsschutz nicht mehr gedeckt ist.

II. 1. Der vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung der Ermessensentscheidung vorgenommenen Auslegung des - maßgeblichen - Widerspruchsbescheides dahin, dass für die Behörde neben der formellen Illegalität nur die materielle Illegalität als solche, nicht hingegen die Summe aller einzelnen insoweit zur Begründung der Verfügung angeführten Annahmen zur Unzulässigkeit des Vorhabens, bei ihrer Entscheidung ausschlaggebend gewesen sei (S. 11 UA), hat der Kläger nichts entgegen gehalten. Er hat eingeräumt, dass "grundsätzlich die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belanges (...) des § 35 Abs. 3 VwGO ausreichend sein kann, um eine Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu verneinen". Im Rahmen der Ermessensentscheidung "bzw. der notwendigen Gesamtbetrachtung und -abwägung" sei es aber "von Belang", ob und ggf. in welchem Maße das Vorhaben nur einen öffentlichen Belang oder aber eine Vielzahl solcher Belange beeinträchtige. Mit der wenig aussagekräftigen Wendung "von Belang" macht der Kläger auch nicht geltend, dies sei in dem Sinne bedeutsam, dass im vorliegenden Fall eine Beseitigungsverfügung stets nur dann als ermessensgemäß anzusehen wäre, wenn das Vorhaben sogar mehrere der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten Belange beeinträchtige (und zudem Bauordnungsrecht verletze). Derartigen Einschränkungen unterliegt die Ausübung des Ermessens bei Beseitigungsverfügungen auch durchaus nicht.

2. Der Kläger macht geltend, die angegriffene Verfügung sei wegen besonderer Umstände unverhältnismäßig. Zwar möge grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides maßgeblich sein. Aber es sei "in hohem Maße ...unverhältnismäßig", die Beseitigung des gesamten Gebäudes aufzugeben, obwohl die Eigentümerin des teilweise mit einem - überdies zum alten Bestand gehörenden - Teil des zu beseitigenden Gebäudes überbauten Flurstücks 263 (neu) schon zum Verkauf dieser Teilfläche bereit sei, und es sei "doch jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen", dass "eine das Vorhaben ... legalisierende Beplanung des betroffenen Areals konkret vorgesehen und in die Wege geleitet" sei. "Schlechterdings unerträglich" wäre es, wenn er, der Kläger, nach erfolgtem Abriss des Gebäudes und sodann erfolgter Beplanung dieses neu errichten dürfte. Damit wird der - zutreffende - Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts hinsichtlich des für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkts (S. 7 UA) nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die sich daraus für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung ergebenden Folgen können aber nicht ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit wieder aufgehoben werden. Zwar dürfte es nicht ermessensfehlerfrei sein, wenn eine Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung einer formell nicht legalisierten und materiell illegalen baulichen Anlage anordnen würde, obwohl bereits mit Sicherheit abzusehen ist, dass sie in kürzester Frist materiell legal sein wird. So verhält es sich aber hier nicht. Wie der Kläger selbst einräumt, gibt es gegen die Aufstellung eines Wohngebäude ermöglichenden Bebauungsplans "Widerstände" gegenwärtig von Seiten der unteren Naturschutzbehörde und der Forstverwaltung. Es mag sein, dass er deren Stadtpunkt aus näher angegebenen (S. 8 der Antragsbegründung) Gründen nicht teilt. Die "Widerstände" belegen indessen, dass sogar der Eintritt bauplanungsrechtlicher materieller Legalität des Gebäudes nicht in kürzester Frist, ja noch nicht einmal mit Sicherheit zu erwarten steht.

Das Gebäude war und ist vielmehr als so genannter Schwarzbau anzusehen, dessen Errichtung - einer für sofort vollziehbar erklärten Stilllegungsverfügung vom 30. August / 1. September 1999 zum Trotz - sogar immer weiter fortgesetzt worden ist, der nun auf nicht näher absehbare Dauer unter Verstoß gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB im Außenbereich zu stehen drohen würde und der zudem möglicherweise noch weitere Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts verletzt.

3. Der Kläger macht schließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe die Möglichkeit eines Teilabrisses nicht fehlerfrei gewürdigt (S. 12 UA). Als eine weniger belastende Maßnahme denn ein Abbruch des gesamten Gebäudes zur Herstellung rechtmäßiger Zustände wäre - so der Kläger - eine "Verfügung auf Rückbau bis auf die ursprünglichen Maße bzw. die ursprüngliche Kubatur" in Betracht gekommen. Damit verkennt der Kläger, dass das Verwaltungsgericht im Falle der behördlichen Anordnung eines Teilabrisses wegen der Art des vorgenommenen Um- und Anbaus das Verbleiben eines rechtlich nicht selbstständigen Torsos angenommen hat. Was der Kläger jetzt vermissen zu müssen meint, ist eine Anordnung, über die bloße Beseitigung neuer Bauteile hinaus eine Wiederherstellung zweier früherer Gebäude, nämlich des Bungalows und der angebauten Garage, durchzuführen. Für ein solches Baugebot böte das Bauordnungsrecht aber keine Grundlage. Überdies käme dergleichen auch deshalb nicht in Betracht, weil derartige Gebäude nach Fortfall des Bestandsschutzes jedenfalls wegen Beeinträchtigung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB genannten Belanges unzulässig wären. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der hier wegen des Zeitpunkts des Eingangs der Klage im März 2003 noch anwendbaren bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (§ 72 Nr. 2 GKG, Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 4. Mai 2004, BGBl. I S. 718). Der Senat macht sich die Begründung des Verwaltungsgerichts zu eigen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 124a Abs. 5 Satz 4, § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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