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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: OVG 10 S 17.08
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BauNVO, TA Lärm, BimSchG, 4. BimSchV


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 24
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 1
BauNVO § 8 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2
TA Lärm 2.3
TA Lärm 2.10
TA Lärm 6.1 b)
TA Lärm 6.1 c)
TA Lärm 6.1 d)
TA Lärm 6.5
TA Lärm 6.7
BimSchG § 4 Abs. 1
BimSchG § 22
4. BimSchV § 1 Anhang Nr. 6
Ein zwischen den konfligierenden Nutzungen eines faktischen allgemeinen Wohngebiets und eines faktischen Gewerbegebiets außerhalb des Betriebsgeländes liegender, etwa 60 m breiter unbebauter Grünstreifen hebt das Bestehen einer Gemengelage nicht auf. Die Wahrung des für allgemeine Wohngebiete maßgebenden Schutzniveaus von 55 dB(A) statt eines geeigneten Zwischenwerts kann aufgrund dieser "Pufferzone" nicht verlangt werden.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 10 S 17.08

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Broy-Bülow, den Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler und den Richter am Verwaltungsgericht Diefenbach am 15. Januar 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 23. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 750 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks B_____, Flur 3, Flurstück 2_____). Nördlich des Grundstücks befindet sich ein etwa 3 ha großes Gelände, auf dem bis 1992 eine Milchviehanlage betrieben worden ist. Zwischen diesem Gelände und dem Grundstück der Antragsteller liegt ein etwa 60 m breiter unbebauter Grünstreifen (Flurstück 2_____. Die Betriebsgebäude dienten im Anschluss an die Milchviehhaltung verschiedenen gewerblichen Zwischennutzungen (Wartung und Instandsetzung von Maschinen und Fahrzeugen/Lagerung von Bauteilen), bis sie im Jahr 1997 von einem holzverarbeitenden Gewerbebetrieb übernommen wurden.

Im Jahre 1998 begann dann die Stadt M_____ mit der Überplanung des Gewerbestandortes durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Nachdem der zunächst im Jahr 2003 in Kraft getretene vorhabenbezogene Bebauungsplan wegen Ausfertigungs- und Bekanntmachungs- und Beteiligungsmängeln für unwirksam erklärt worden war (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 30. April 2003 - 3 D 97/00.NE -), trat am 17. August 2006 der vorhabenbezogene Bebauungsplan "Ehemalige Milchviehanlage 1. Änderung und Ergänzung" in Kraft. Dieser setzte als Art der baulichen Nutzung Fertigungshallen für Fertigdächer in Holzbauweise, Zuschnitthallen, Lagerhallen, Freilagerflächen und überdachte Freilagerflächen für Bauholz und Holzbauelemente, Verwaltungs- und Sozialgebäude sowie auch Hallen und Freiflächen zur Wartung, Pflege und Reparatur von Baumaschinen fest sowie immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel für zwei Flächen am Tag von 55 bzw. 60 dB(A). Daraufhin erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 zur Nutzung der Lagerhalle 3 als Produktionshalle für Dachstühle und Dachaufbauten. In der Betriebsbeschreibung zum Baugenehmigungsantrag sind die Arbeitsabläufe für die Anlage wie folgt beschrieben: Zuschnitt auf modernen Sägeanlagen mit Absaugung und Spänepressung, Montagelinie, Zusammenfügen der Holzteile zu kompletten Dachstühlen einschließlich versandfertiger Verpackung. Als zum Einsatz kommende Maschinen werden darin neben den Sägeanlagen noch Druckluftnageler, Tacker und Handkreissägen genannt. Als Betriebszeit ist die Zeit von 6.00 bis 18.00 Uhr werktags angegeben.

Die Antragsteller befürchten wegen der lärmintensiven Holzverarbeitung in der genehmigten Produktionshalle unzumutbare Lärmbelästigung auf ihrem Grundstück. Ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und auf Nutzungsuntersagung hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Beschluss vom 23. Juli 2008 abgelehnt. Es hat eine Verletzung von Nachbarrechten durch den Betrieb der Beigeladenen verneint. Hierbei hat es die dem Immissionsschutz dienenden textlichen Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (II.8 immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel) wegen mangelnder Bestimmtheit aufgrund der fehlenden Festlegung des Immissionsortes und des Berechnungsverfahrens als unwirksam angesehen und seiner Entscheidung ein unbeplantes Gebiet (§ 34 BauGB) zugrunde gelegt. Es ist von einer Gemengelage aus einem faktischen allgemeinen Wohngebiet und einem faktischen Gewerbegebiet ausgegangen und hat eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme verneint. Die Auflage Nr. 12 zur Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006, die festlegt, dass die von dem Betrieb ausgehenden Immissionen den Immsissionsrichtwert von tags 60 dB(A) an der als nächstgelegen genannten Wohnbebauung O_____-Straße Nr. 18 als maßgebenden Immissionsort IO 1 nicht überschreiten dürfen, gewährleiste hinreichend, dass dieser Lärmpegel auch im Bereich des Wohnhauses der Antragsteller nicht überschritten werde. Dieser Wert entspreche dem in einer Gemengelage von Gewerbe- und Wohngebieten zu bildenden Zwischenwert, so dass davon auszugehen sei, dass keine unzumutbaren Lärmbelästigungen auf dem Grundstück der Antragsteller auftreten.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Antragsteller tragen vor, dass das Vorhaben der Beigeladenen auch nach § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich unzulässig sei, weil es sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Unabhängig davon liege keine Gemengelage vor, weil das faktische allgemeine Wohngebiet, in dem das Wohnhaus der Antragsteller liege, nicht unmittelbar an das faktische Gewerbegebiet angrenze, sondern sich dazwischen ein ca. 60 m breiter unbebauter Grünstreifen befinde. Die Antragsteller könnten daher die Einhaltung des Schutzniveaus eines allgemeinen Wohngebiets für sich beanspruchen, d.h. eines Immissionsgrenzwerts von 55 dB(A). Eine Vorbelastung müssten sie sich nicht entgegenhalten lassen, weil bei der Errichtung ihres Wohngebäudes im Jahre 1992 keine vergleichbare Produktionstätigkeit auf dem Grundstück der Beigeladenen stattgefunden habe, die in ihrer Störqualität mit den Säge-, Tacker- und Nagelgeräuschen, die von dem holzverarbeitenden Betrieb der Beigeladenen ausgingen, vergleichbar sei.

Außerdem sei der maßgebende Immissionsort falsch bestimmt worden. Denn die mit der Auflage Nr. 12 zur Baugenehmigung geforderte Einhaltung eines Immissionsgrenzwerts von 60 dB(A) an dem maßgebenden Immissionsort IO 1 (O_____-Straße Nr. 18) sei an dem Wohngebäude der Antragsteller B_____ nicht möglich, weil dieser Immissionsort näher an der Lagerhalle 3 und damit an der Emissionsquelle liege, als das Grundstück O_____-Straße Nr. 18.

Die Schallimmissionsprognose des Schallschutzbüros D_____ vom 11. Dezember 2003 bestätige dies, denn danach seien die zu erwartenden Immissionswerte auf dem Grundstück der Antragsteller höher als an dem von der Auflage Nr. 12 festgelegten maßgebenden Immissionsort. In diesen Berechnungen sei noch nicht einmal der nach Ziffer 6.5 TA-Lärm vorgesehene Zuschlag von 6 dB(A) für Schallimmissionen in der Zeit von 6.00 bis 7.00 Uhr enthalten. Würde dieser hinzugerechnet, wäre selbst der Grenzwert für Mischgebiete von 60 dB(A) überschritten.

Überdies sei durch die Auflage nicht gewährleistet, dass der zugrunde gelegte Grenzwert von 60 dB(A) auch eingehalten werde, denn es handele sich lediglich um eine Zielvorgabe, die unrealistisch sei, weil sie einen Betrieb bei geschlossenen Fenstern und Türen voraussetze. Außerdem würde das Gutachten vom 11. Dezember 2003 Lärmschutzmaßnahmen auf dem Betriebsgrundstück voraussetzen, deren Umsetzung durch die erteilte Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 nicht gesichert sei. Die Auflage mache auch deutlich, dass der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) erst in erheblicher Entfernung von dem Betriebsgelände eingehalten werden müsse und damit nicht auf diesem selbst, obwohl der in dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan festgesetzte immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel dies für das Betriebsgelände fordere.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) kommt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 23. Juli 2008 nicht in Betracht.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (auch) den vorhabenbezogenen Bebauungsplan "Ehemalige Milchviehanlage - 1. Änderung und Ergänzung" vom 17. August 2006 mit dem Normenkontrollurteil vom 10. Dezember 2008 - OVG 2 A 7.08 - für unwirksam erklärt hat, ist davon auszugehen, dass es sich sowohl bei dem Baugebiet, in dem das Grundstück der Antragsteller liegt, als auch bei dem Baugebiet, in dem das Betriebsgelände der Beigeladenen liegt, jeweils um unbeplante Gebiete handelt, deren bauplanungsrechtliche Beurteilung sich nach § 34 BauGB richtet.

1. Soweit die Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend machen, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, machen sie sinngemäß einen Gebietserhaltungsanspruch geltend. Dieser Abwehranspruch käme jedoch nur zum Tragen, wenn es sich um ein einheitliches Baugebiet handeln würde, weil ein gebietsübergreifender, von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht besteht. Dies folgt aus der Wechselbezüglichkeit des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, die voraussetzt, dass die Nachbarn bei der Ausnutzung ihrer Grundstücke jeweils den gleichen öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen sind, was bei verschiedenen Baugebieten nicht der Fall ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, NVwZ 2008, 427, 428; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - OVG 2 N 96.07 -; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. Juli 2007 - OVG 2 S 54.07 -).

Im vorliegenden Fall liegt jedoch kein einheitliches Baugebiet vor, das sowohl das Grundstück der Antragsteller als auch das Betriebsgelände der Beigeladenen umfasst, so dass ein Gebietserhaltungsanspruch in Bezug auf das Vorhaben der Beigeladenen nicht geltend gemacht werden kann. Schon das im Baugenehmigungsvorgang befindliche Luftbild vom 23. Januar 2007 verdeutlicht die Lage und verschiedenartige Ausprägung der beiden Baugebiete. Danach befindet sich die Wohnbebauung in dem durch die Einmündung der B_____ Straße in die O_____Straße gebildeten Dreieck südlich des Betriebsgeländes und erstreckt sich noch westlich über die B_____Straße hinaus. Das Grundstück der Antragsteller ist diesem Gebiet als zugehörig anzusehen, auch wenn zwischen deren Grundstück und der übrigen, südlicher gelegenen Wohnbebauung, ein sich von der B_____ Straße bis zur O_____Straße erstreckender, quer durch das Wohngebiet verlaufender unbebauter Geländestreifen erkennbar ist. Denn dieser hat in etwa die ortsübliche Breite der dortigen Grundstücke und damit eher den Charakter einer Baulücke. Die Wohnbebauung reißt erst nördlich des Grundstücks der Antragsteller endgültig ab, indem das Gelände in einen unbebauten Grünstreifen übergeht, an den sich nördlich wiederum das Betriebsgelände der Beigeladenen anschließt. Dieses zeigt eine Bebauung in der Art eines faktischen Gewerbegebiets und wird von landwirtschaftlichen Außenbereichsflächen begrenzt. Aufgrund der klar erkennbaren andersartigen Bebauung setzt sich das faktische Gewerbegebiet deutlich von dem faktischen allgemeinen Wohngebiet ab, so dass kein Zweifel bestehen kann, dass es sich um zwei verschiedene Baugebiete handelt und das Betriebsgelände der Beigeladenen nicht mehr zur näheren Umgebung des Grundstücks der Antragsteller im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zählt. Eine Übergangsform in der Art einer Vermischung der Nutzungsarten zumindest im Randbereich gibt es nicht, wie die deutliche Unterscheidbarkeit beider Bereiche und der dazwischen liegende unbebaute Grünstreifen zeigen.

2. Der Nachbarschutz für ein außerhalb der Grenzen des Plangebiets gelegenes Grundstück bestimmt sich bundesrechtlich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, NVwZ 2008, 427, 428; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - OVG 2 N 96.07 -; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. Juli 2006 - OVG 2 S 54.07 -). Richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB, weil die vorhandenen Nutzungsarten - wie im vorliegenden Fall - einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) und einem Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) entsprechen, ergibt sich die Verpflichtung zur Rücksichtnahme aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. Juli 2006, BRS 70 Nr. 165 = ZfBR 2007, 362 m. w. N.). Im Falle aneinandergrenzender Grundstücke, die jeweils verschiedenen Baugebieten angehören, haben diese jedoch ein Mehr an Immissionen hinzunehmen, als es dem eigenen Baugebiet entspricht (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - OVG 2 N 96.07 -; OVG Bln, Beschluss vom 5. Dezember 2003, BRS 66 Nr. 170).

Ob ein Bauvorhaben den Anforderungen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots genügt, hängt davon ab, welche Einwirkungen von den Nachbarn nach den Wertungen des Immissionsschutzrechts noch hinzunehmen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2000, BRS 63, 103 = ZfBR 2001, 142; OVG Bln, Beschluss vom 18. Juli 2001, NVwZ-RR 2001, 722). Für die Genehmigung von Einzelbauvorhaben gilt sowohl für immissionsschutzechtlich genehmigungsbedürftige als auch - wie hier (vgl. Stellungnahme des Amts für Immissionsschutz W_____ vom 11. Juli 2003) - nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 22 BImSchG über das gebietsübergreifend drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) die TA Lärm. Diese sieht als zulässige Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort (2.3 i.V.m. A.1.3 TA Lärm) für allgemeine Wohngebiete einen Immissionsrichtwert von tags 55 dB(A) vor (6.1 d TA Lärm) und für Gewerbegebiete einen Immissionsrichtwert von tags 65 dB(A) (6.1 b TA Lärm) vor. Sofern Gewerbegebiete und zum Wohnen dienende Gebiete aneinander grenzen (Gemengelage) kann zwar der für das zum Wohnen dienende Gebiet geltende Immissionsrichtwert auf einen geeigneten Zwischenwert erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist, der Immissionsrichtwert für Mischgebiete von tags 60 dB(A) (6.1. c TA Lärm) soll dabei aber nicht überschritten werden (6.7 Abs. 1 TA Lärm). Dieser Zwischenwert ist kein arhythmetisches Mittel zweier Immissionsrichtwerte, sondern dient vielmehr der Bestimmung der Zumutbarkeit der Immissionen, für die gemäß 6.7 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets maßgeblich ist. Anhaltspunkte hierfür sind u. a. die Prägung des Einwirkungsbereichs durch den Umfang der Wohn- oder Gewerbebebauung, die Ortsüblichkeit des Geräuschs und die Frage der zuerst verwirklichten Nutzung (vgl. OVG Bln, Beschluss vom 16. Mai 2000, LKV 2001, 372 = ZfBR 2001, 52).

a) Die Einhaltung des für allgemeine Wohngebiete maßgebenden Immissionsrichtwerts von 55 dB(A) können die Antragsteller im vorliegenden Fall nicht für sich beanspruchen. Das Schutzniveau des faktischen allgemeinen Wohngebiets bleibt - entgegen der Auffassung der Antragsteller - nicht durch den etwa 60 m breiten unbebauten Grünstreifen zwischen ihrem Grundstück und dem Betriebsgelände der Beigeladenen unangetastet. Diese Fläche hebt die Gemengelage zwischen dem faktischen allgemeinen Wohngebiet im Bereich des Grundstücks der Antragsteller und dem faktischen Gewerbegebiet im Bereich des Betriebsgrundstücks der Beigeladenen nicht auf. Denn der unbebaute Grünstreifen mit seinem Baumbestand an der Grenze zu dem Betriebsgelände ist zwar faktisch eine optische und akustische Pufferzone zwischen den konfligierenden Nutzungen, die bisher von Bebauung freigehalten worden ist. Er ist mit circa 60 m aber relativ schmal und stellt schon aufgrund seiner vergleichsweise geringen Größe kein eigenständiges Gebiet dar, sondern eher eine Art faktischer Schutzfläche, wie sie etwa gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB in beplanten Gebieten außerhalb der Betriebsfläche festgesetzt werden kann (vgl. hierzu Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Auflage 2007, § 9 RNr. 87). Hierbei kann dahinstehen, ob sie im vorliegenden Fall dem faktischen Gewerbegebiet oder dem faktischen allgemeinen Wohngebiet zuzurechnen wäre.

b) Die in der Auflage Nr. 12 zur Baugenehmigung am festgesetzten maßgebenden Immssionsort O_____geforderte Einhaltung eines Immissionsgrenzwerts von 60 dB(A) ist auch für die Beurteilung der Lärmsituation auf dem Grundstück der Antragsteller geeignet und nicht überhöht. Vielmehr ist den Antragstellern sowohl unter dem Aspekt der Ortsüblichkeit als auch der Prägung des Einwirkungsbereichs sowie der zuerst verwirklichten Nutzung eine gewerbliche Vorbelastung durch das benachbarte Baugebiet entgegenzuhalten, auch wenn die ehemalige Milchviehanlage und auch die nachfolgenden Zwischennutzungen möglicherweise keine mit der gewerblichen Holzverarbeitung vergleichbare Störintensität gehabt haben dürften. Denn es ist dabei eine typisierende Betrachtung der Variationsbreite der in einem Gewerbegebiet zulässigen Nutzungen in den Blick zu nehmen, die nicht überschritten wird, solange die Nutzungen nicht einen "erheblich belästigenden" Charakter im Sinne des § 8 Abs. 1 BauNVO haben. Für die Frage, ob dies der Fall ist, kann die immissionsschutzrechtliche Einstufung bestimmter Anlagetypen als genehmigungsbedürftig ein Anhaltspunkt sein (vgl. Koenig/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 8 RNr. 21; BayVGH, Urteil vom 11. Februar 1980, BRS 36 Nr. 6). Der holzverarbeitende Betrieb der Beigeladenen zählt jedoch nicht zu den unter § 4 Abs. 1 Satz 1 BimSchG i. V. m. § 1 4. BimSchV - Anhang Nr. 6 - aufgeführten und damit immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen (vgl. auch Stellungnahme des Amts für Immissionsschutz W_____ vom 11. Juli 2003).

c) Dass in der Auflage Nr. 12 der Baugenehmigung vom 21. Dezember das Wohngebäude O_____-Straße Nr. 18 als maßgebender Immissionsort für die Einhaltung des Immissionsrichtwerts von 60 dB(A) durch den Betrieb der Beigeladenen festgelegt worden ist, stellt keine Verschiebung zu Lasten der Antragsteller dar. Denn entgegen ihren Behauptungen im Beschwerdeverfahren liegt dieses Wohngebäude nach dem amtlichen Lageplan zur Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 etwa gleich weit von der Emissionsquelle, der Lagerhalle 3, entfernt wie das Wohnhaus der Antragsteller. Der nach der Auflage Nr. 12 zur Baugenehmigung maßgebende Immissionsort (0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fenstern des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzwürdigen Raumes des Wohngebäudes O_____-Straße Nr. 18) liegt etwa auf gleicher Höhe der entsprechenden Räumlichkeiten auf dem Grundstück der Antragsteller oder allenfalls unwesentlich weiter davon entfernt. Bei summarischer Prüfung bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass auf dem Grundstück der Antragsteller eine höhere Immissionsbelastung als 60 dB(A) erreicht werden könnte, zumal das Grundstück der Antragsteller, wie sich aus dem amtlichen Lageplan zur Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 und der Stellung der Gebäude auf dem Betriebsgrundstück der Beigeladenen entnehmen lässt - eher stärker durch die vorgelagerte Lagerhalle 1 und das parallel zu der Lagerhalle 3 gelegene Sozialgebäude in südlicher und westlicher Richtung abgeschirmt werden dürfte, als dies in nordöstlicher Richtung in Bezug auf das Grundstück O_____-Straße Nr. 18 der Fall sein dürfte.

d) Damit kommt es für einen möglichen Abwehranspruch der Antragsteller unter dem Aspekt der Verletzung des Rücksichtnahmegebots nur darauf an, ob der für Gemengelagen zwischen einem faktischen allgemeinen Wohngebiet und einem faktischen Gewerbegebiet in der Regel anzusetzende Zwischenwert von 60 dB(A) an ihrem Wohnhaus überschritten wird, denn dieser Immissionsrichtwert kennzeichnet im vorliegenden Fall die Grenze der Zumutbarkeit für die Antragsteller.

Hiervon ist jedoch nicht auszugehen. Weder nach Aktenlage noch nach den von den Beteiligten eingereichten Schallimmissionsprognosen ist eine Überschreitung des Immissionsrichtwerts von 60 dB(A) ersichtlich. Die Antragsteller haben die von ihnen behauptete Überschreitung des immssionschutzrechtlich für den Bereich ihres Wohnhauses maßgebenden Richtwerts nicht glaubhaft gemacht.

Dies zeigen die Ergebnisse der Schallimmissionsprognosen des Schallschutzbüros D_____vom 11. und 12. Dezember 2003. Danach wurde in der Tabelle 3 des Gutachtens vom 12. Dezember 2003 am exponiertesten Immissionsort 02 (Nordseite des Wohnhauses der Antragsteller) unter Zugrundelegung der "derzeitigen Situation m. LS + Erweiterung" unter "Lauf 1" - Tore geschlossen - bzw. "Lauf 2" - 3 Tore offen - ein Beurteilungspegel von 48,1 bzw. 49,8 dB(A) am Tag errechnet. Für den Immissionsort 9 (Wohnhaus O_____-Straße Nr. 18) wurde - bei gleichem Szenario - ein Beurteilungspegel von 48,9 bzw. 51,6 dB(A) am Tag errechnet und damit leicht höher. Auch die Schallimmissionsprognose vom 11. Dezember 2003, auf die die Antragsteller in der Beschwerdebegründung abstellen, weist in der Tabelle 3 - bei dem am ehesten mit den vorgenannten Berechnungen vergleichbaren Szenario "mit Lärmschutz" sowie "mit zwei geschlossenen Toren" - während der Betriebszeit unter "Lauf 2" und "Lauf 4" für den Immissionsort 2 (Wohngebäude der Antragsteller) einen Beurteilungspegel von 49,8 bzw. 50,1 dB(A) auf und für den Immssionsort 9 (O_____) Werte von 49,9 und 48,9 dB(A). Alle Werte liegen jedenfalls deutlich unter dem für Gemengelagen anzusetzenden Immissionsrichtwert von 60 dB(A). Die in der jeweiligen Tabellen 3 unter "Lauf 3" bzw. "Lauf 5" angegebenen Werte für den Immissionsort 2 (Wohngebäude der Antragsteller) von jeweils übereinstimmend 64,6 dB(A) sind jedenfalls Maximalpegel, die nur der Beurteilung kurzzeitiger Geräuschspitzen dienen (A.2.3.5 TA Lärm), um aus diesem ggf. einen Zuschlag zu berechnen (2.10, A.3.3.5, A.3.3.6 TA Lärm). Maßgebend für das Berechnungsverfahren bleibt der Beurteilungspegel (2.10 TA Lärm), der aus dem Mittelungspegel des zu beurteilenden Geräuschs und ggf. weiteren Zuschlägen für Ton- und Informationshaltigkeit, Impulshaltigkeit und für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gebildet wird und die mittlere Geräuschbelastung während der Beurteilungszeit kennzeichnet. Nur der Beurteilungspegel ist die Größe, auf die sich die Immissionsrichtwerte unter Nr. 6 TA Lärm beziehen. Es bestehen - entgegen den Behauptungen der Antragsteller - auch keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Ermittlung des Beurteilungspegels der Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit in Höhe von 6 dB(A) (6.5 TA Lärm) nicht berücksichtigt worden sein könnte. Im Übrigen könnte dieser Zuschlag ohne weiteres dem für den Immissionsort 2 (Wohngebäude der Antragsteller) errechneten Beurteilungspegel hinzugerechnet werden, ohne dass der im vorliegenden Falle maßgebende Zwischenwert von 60 dB(A) erreicht würde. Auch machen die in den jeweiligen Tabellen 3 der Gutachten vom 11. und 12. Dezember 2003 genannten verschiedenen Werte bei einem Betrieb mit geschlossenen Toren und mit zwei bzw. drei offenen Toren deutlich, dass den Schallimmissionsprognosen - entgegen den Behauptungen der Antragsteller - kein unrealistisches Szenario nur mit geschlossenen Fenstern und Türen des Betriebsgebäudes zugrunde gelegen hat.

Die in dem Normenkontrollurteil vom 10. Dezember 2008 - OVG 2 A 7.08 -beanstandete (UA S. 25) mangelnden Festlegung der Berechnungsmethode im Zusammenhang mit dem festgesetzten immissionswirksamen Schallleistungspegel in dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan sowie der mangelnden Bestimmtheit des Schallgutachtens des Schallschutzbüros U_____ vom 16. Februar 2005 in Bezug auf die gewählte Berechnungsmethode schlägt auf den vorliegenden Fall nicht durch. Zum einen war die Aufgabenstellung für dieses Gutachten, das der Schaffung einer Planungsgrundlage dienen sollte, an die Zugrundelegung der in dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan vorgesehenen immissionswirksamen Schallleistungspegel geknüpft, um damit die Schallausbreitung in dem Wohngebiet zu ermitteln und abstrakt die maximal möglichen Schallemissionen auf dem Betriebsgelände und deren Verteilung auf die zwei Flächen berechnen zu können. Zum anderen bestehen die in dem Normenkontrollurteil (UA S. 25) angesprochenen Unklarheiten hinsichtlich der den Berechnungen jeweils zugrunde gelegten Fassungen der DIN 18005 (Juli 2002 oder Mai 1987) im vorliegenden Fall nicht (vgl. Schallimmissionsprognosen vom 12. Dezember 2003, S. 7 und S. 11 sowie vom 11. Dezember 2003, S. 7).

Soweit die Antragsteller mit der Beschwerdebegründung einwenden, dass der in der Auflage Nr. 12 der Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 gewählte maßgebliche Immissionsort auf dem Grundstück O_____-Straße Nr. 18 zeige, dass der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) nicht auf dem Betriebsgelände selbst eingehalten werde, wie es der immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel unter II.8 des vorhabenbezogenen Bebauungsplans fordere, kommt es hierauf nicht an. Zum einen hat das OVG Berlin-Brandenburg in dem Normenkontrollurteil vom 10. Dezember 2008 - OVG 2 A 7.08 - den vorhabenbezogenen Bebauungsplan für unwirksam erklärt und zum anderen ist für die Frage des Nachbarschutzes nur maßgeblich, inwieweit die Antragsteller von unzumutbaren Schallimmissionen auf ihrem eigenen Grundstück betroffen sein können.

Soweit das Gutachten vom 12. Dezember 2003 bestimmte Schalldämmmaße bei der Bauweise voraussetzt, entspricht dies den Grundpflichten des Betreibers nach 3.1 b TA Lärm, wonach dieser durch die dem Stand der Technik zur Lärmminderung in entsprechenden Maßnahmen zur Immissionsbegrenzung beizutragen hat und bedarf keiner gesonderten Festlegung in der Baugenehmigung.

Dass die Auflage Nr. 12 der Baugenehmigung vom 21. Dezember 2006 zu unbestimmt und damit unzulässig sein könnte, weil sie nur auf den genannten immissionsschutzrechtlichen Richtwert von 60 dB(A) Bezug nimmt, ist nicht der Fall. Denn zur Sicherung der Nachbarrechte genügt es grundsätzlich, in einer Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert für einen bestimmten Immissionsort festzulegen, es sei denn, dass die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen schon bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - OVG 2 N 96.07 -; OVG Bbg, Beschluss vom 18. März 2004 - 3 A 241/00.Z -; BayVGH, Urteil vom 18. Juli 2002, DVBl. 2002, 1435 Ls). Hierfür bestehen jedoch nach den vorliegenden Schallimmissionsprognosen keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Hierbei entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ebenfalls den Antragstellern aufzuerlegen, weil die Beigeladene im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 11. September 2008 einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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