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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.11.2005
Aktenzeichen: OVG 10 S 3.05
Rechtsgebiete: BauNVO, BauGB


Vorschriften:

BauNVO § 4
BauNVO § 4 Abs. 3
BauNVO § 4 Abs. 3 Nr. 2
BauNVO § 6
BauGB § 31 Abs. 2 Nr. 2
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 10 S 3.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Krüger, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Scheerhorn und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Bumke am 14. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. April 2005 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Nutzungsuntersagung vom 9. August 2004 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen anzuordnen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 4.500 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehung der Anordnung des Antragsgegners vom 9. August 2004, mit der ihm unter Androhung von Zwangsgeldern aufgegeben wird, die gegenwärtige und künftige Nutzung der von ihm vermieteten Räumlichkeiten auf dem Grundstück J. in Berlin als bordellartigen Betrieb zu unterbinden. Zur Begründung legte der Antragsgegner unter anderem dar, der Betrieb sei nicht genehmigungsfähig.

I.

Das Grundstück des Antragstellers ist mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut, das im Rahmen des so genannten komplexen Wohnungsbaus als Wohngebietszentrum und Dienstleistungsgebäude errichtet worden ist ("Dienstleistungswürfel"). Neben dem im 1. Obergeschoss auf einer Fläche von ca. 100 m2 betriebenen Massagesalon befinden sich - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf Grund der Augenscheinseinnahme anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2005 - in dem Gebäude ein Fitnessstudio, ein Friseursalon, ein Restaurant, ein Blumenladen und Räumlichkeiten, die als Archiv genutzt werden. Der Massagesalon verfügt zusammen mit den benachbarten Räumlichkeiten, die als Archiv genutzt werden, über einen eigenen Treppenaufgang. Ausweislich eines Internetauszugs vom 2. Mai 2005 ist der Massagesalon montags bis freitags von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr und samstags von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet, wobei aber auch nach Absprache Termine an anderen Tagen und zu anderen Zeiten angeboten werden. Nach Angaben des Antragstellers im Beschwerdeverfahren sind die Öffnungszeiten seit März 2005 ausschließlich auf montags bis freitags von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr beschränkt.

Das Grundstück des Antragstellers liegt im unbeplanten Innenbereich. In dem vom Verwaltungsgericht zur Beurteilung der näheren Umgebung gezogenen Rahmen, d.h. in dem durch die H. im Norden, den W. im Osten, die L. im Süden und die O. im Westen begrenzten Gebiet befinden sich V- bis XI-geschossige Wohngebäude sowie ein XVIII- bis XXI-geschossiges Doppelwohnhaus sowie in ca. 14 m Entfernung das Wohn- und Geschäftshaus "C.", das nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts über 7.314 m2 Gewerbe- und 17.974 m2 Wohnfläche verfügt.

Mit Beschluss vom 21. April 2005 hat das Verwaltungsgericht auf den Antrag des Antragstellers die aufschiebende Wirkung seines (fristgerechten) Widerspruchs wiederhergestellt bzw. angeordnet. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Betrieb sei bei summarischer Prüfung genehmigungsfähig. Das Grundstück befinde sich in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, in dem bordellartige Betriebe wegen ihrer regelmäßigen Unvereinbarkeit mit den dem planungsrechtlichen Begriff des Wohnens und den einem Wohngebiet zugrunde liegenden städtebaulichen Ordnungszielen grundsätzlich unzulässig seien und regelmäßig auch nicht ausnahmsweise als "sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb" i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könnten. Die Grenze der bei der Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Gewerbebetrieben gebotenen Typisierung sei jedoch erreicht, wenn das in Rede stehende Vorhaben von dem typischen Erscheinungsbild der Betriebsart abweiche und nicht zu erwarten sei, dass der Charakter des Betriebes sich künftig in Richtung auf den typischen, in der Umgebung grundsätzlich wesensfremden Betrieb hin verändern werde. Angesichts der Betriebsform und der besonderen Gegebenheiten der Örtlichkeit erscheine im vorliegenden Fall eine Störung der Wohnruhe ebenso wie eine Störung der Nachbarschaft ausgeschlossen. Die Nutzung weiche von dem typischen Erscheinungsbild eines bordellartigen Betriebes in mehrfacher Hinsicht ab. Angesichts der atypischen Fallgestaltung handele es sich bei dem Massagesalon um einen sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb, der ausnahmsweise auch im (faktischen) allgemeinen Wohngebiet genehmigungsfähig sei. Jedenfalls wäre der Betrieb im Wege einer Befreiung genehmigungsfähig.

II.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Die mangels Baugenehmigung formell illegale Nutzung der Räumlichkeiten zum Betrieb eines erotischen Massagesalons erweist sich nicht als offensichtlich genehmigungsfähig, was zusammen mit der formellen Illegalität schon die Untersagung rechtfertigen würde. Da der Antragsgegner selbst ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass der Betrieb nicht genehmigungsfähig sei, hat er die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung auch davon abhängig gemacht, ob diese Einschätzung zutrifft.

Das Vorhaben ist jedenfalls nach der in diesem Verfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bauplanungsrechtlich unzulässig. Da angesichts der vorliegenden Pläne und der übereinstimmenden Angaben der Beteiligten keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass das Verwaltungsgericht den maßgeblichen Rahmen in Verkennung der örtlichen Gegebenheiten falsch "gespannt" bzw. die tatsächliche Nutzung der prägenden Umgebungsbebauung unzutreffend beurteilt hat, bestand für den Senat kein Anlass, die Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass das Vorhaben in einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO liegt.

1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Massagesalon um einen bordellartigen Betrieb handelt. Bei der Charakterisierung eines bordellartigen Betriebs ist kein eng gefasster Begriff der Prostitution zugrunde zu legen (OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 - OVG 2 S 5.03 -, UPR 2003, 394). Angesichts des Polizeiberichts vom 27. Januar 2004 und der Internetpräsentation des Massagesalons bestehen keine Zweifel an dem sexuellen Charakter der in den Räumlichkeiten angebotenen Dienstleistungen. Auch der Antragsteller bestreitet nicht den sexuellen Charakter der Dienstleistungen, die gegen Entgelt angeboten werden. Dabei kommt es für die Qualifizierung als bordellartiger Betrieb nicht darauf an, ob - wie der Antragsteller vorträgt - 70-80 % des Angebots sich auf erotische Massagen beschränkt und die Durchführung des Geschlechtsverkehrs die Ausnahme ist, die nur im Einzelfall nach freier Entscheidung der im Massagesalon tätigen Frauen angeboten wird.

2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei dem Massagesalon nicht um einen Ausnahmefall jenseits der Grenze zulässiger Typisierung, sondern um den Normalfall eines bordellartigen Betriebs, der im allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich unzulässig ist und auch nicht ausnahmsweise als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden kann.

a) Bei der Zuordnung von Nutzungen zu den einzelnen Baugebieten ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten (BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1988 - 4 B 119.88 -, NVwZ 1989, 50). Maßstab ist dabei die Funktion eines Baugebiets im Verhältnis zu anderen Baugebieten mit Blick auf die Schutzwürdigkeit der im jeweiligen Baugebiet zulässigen Nutzungen. Die im jeweiligen Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung zulässigen Nutzungen ergeben eine gebietstypische Nutzungsstruktur, in der miteinander verträgliche Arten von Nutzungen zusammengefasst und von anderen Nutzungsarten abgegrenzt werden (BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 7 C 7.92 -, NVwZ 1993, 987). Die Zulässigkeit von Nutzungen hängt dabei nicht nur von deren Immissionsträchtigkeit oder Immissionsverträglichkeit ab, sondern wird auch von anderen Maßstäben der städtebaulichen Ordnung bestimmt (BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 64.79 -; BVerwGE 68, 207). Für § 4 BauNVO beurteilt sich die Gebietsverträglichkeit in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung: Das dem Wohngebiet immanente "Ruhebedürfnis" zielt auf die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören (BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 -, BVerwGE 116, 155).

Zu den typischen Umgebungsauswirkungen eines bordellartigen Betriebs gehören vor allem der Lärm des Zu- und Abfahrtsverkehrs (BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68,213; VGH Mannheim, Urteil vom 19. Oktober 1990 - 5 S 3103.89 -, BRS 52 Nr. 55), Belästigungen durch unzufriedene oder alkoholisierte Freier (OVG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 2004 - 8 B 11983.03 -, BauR 2004, 644) sowie gewalttätige und "milieubedingte" Begleiterscheinungen (VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2002 - 5 S 149.01-, GewArch 2003, 496; Urteil vom 13. Februar 1998 - 5 S 2570.96 -, DÖV 1998, 654, OVG Berlin, Beschlüsse vom 9. April 2003, - OVG 2 S 5.03 -, UPR 2003, 394 und OVG 2 N 5.03).

Wie die Rechtsprechung zur so genannten Wohnungsprostitution belegt, kann zwar aus der Betriebsform, die den Rahmen für die sexuelle Dienstleistung bestimmt, auf ein unterschiedliches bauplanungsrechtlich relevantes Störungspotenzial geschlossen werden (VGH Mannheim, Beschluss vom 9. August 1996 - 8 S 1987.96 -, NVwZ 1997, 601; Urteil vom 24. Juli 2002, - 5 S 149.01-, GewArch 2003, 496; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995 - 4 B 137.95 -, BauR 1996, 78). Unter der Voraussetzung, dass die gewerbliche Nutzung nach außen nur wohnähnlich in Erscheinung tritt und dem Gebäude, in dem sie stattfindet, nicht "das Gepräge gibt" (VGH München, Beschluss vom 19. Mai 1999 - 26 ZB 99.770 -, GewArch 1999, 495), wird davon ausgegangen, dass die auch bei der Wohnungsprostitution regelmäßig gegebene (BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995, - 4 B 137.95 -, BauR 1996, 78) störende Wirkung typischerweise nicht so weit gehen muss, dass das Vorhaben in einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO generell unzulässig wäre. Im allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO wird aber sogar Wohnungsprostitution als bauplanungsrechtlich unzulässig angesehen (BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995, - 4 B 137.95 -, BauR 1996, 78; vgl. aber auch OVG Bremen, Beschluss vom 7. April 1999 - 1 B 25.99 -, NordÖR 1999, 374).

b) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des hier in Rede stehenden Massagesalons lässt sich weder mit betriebsbedingten Besonderheiten, noch mit Blick auf den besonderen städtebaulichen Zuschnitt des hier relevanten Gebiets begründen.

aa) Aus der Betriebsform des Massagesalons ergeben sich keine Besonderheiten, die zu einer abweichenden Bewertung des aufgezeigten - typischerweise anzunehmenden - Störungspotenzials führen. Die Größe und der Zuschnitt der Räumlichkeiten und damit verbunden die Beschränkung des Angebots auf sexuelle Dienstleistungen durch maximal drei Frauen zur gleichen Zeit erscheint keinesfalls atypisch, sondern entspricht von der Personalausstattung her durchaus den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit eines bordellartiger Betriebs im allgemeinen Wohngebiet (VGH Mannheim, Urteil vom 19. Oktober 1990 - 5 S 3103.89 -, BRS 52 Nr. 55; BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995, - 4 B 137.95 -, BauR 1996, 78; Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 4 B 8.97 -, NVwz-RR 1998, 540; OVG Bremen, Beschluss vom 7. April 1999 - 1 B 25.99 -, NordÖR 1999, 374; OVG Berlin, Beschlüsse vom 9. April 2003, - OVG 2 S 5.03 -, UPR 2003, 394 und OVG 2 N 5.03). Die Öffnungszeiten, die den allgemein praktizierten Ladenöffnungszeiten angeglichen sind, schützen zwar vor Störungen der in einem (allgemeinen) Wohngebiet besonders sensiblen Nachtruhe. Das allein genügt jedoch nicht, um einen atypischen Fall zu begründen, zumal die Öffnungszeiten - wie einige der vom Antragsgegner mit den zum Vergleich mit Kontaktanzeigen dokumentierten Fälle aus dem Bezirk und auch der vom Oberverwaltungsgericht Berlin entschiedene Fall im Verfahren OVG 2 S 5.03 belegen - nicht die Ausnahme bilden. Ebenso wenig liegt in der schwerpunktmäßigen Beschränkung des Angebots auf erotische Massagen eine "betriebliche" Besonderheit, die den Schluss auf ein geringeres Störungspotentials im Vergleich zu von der Größe her ähnlichen bordellartigen Betrieben mit dem Angebot "Geschlechtsverkehr" rechtfertigen. In beiden Fällen werden sexuelle Dienstleistungen zur Befriedigung des Geschlechtstriebes angeboten, die sich hinsichtlich der jeweiligen Besuchsdauer nicht wesentlich unterscheiden, d.h. auch unter dem Gesichtspunkt der Kundenfluktuation durchaus vergleichbar sind. Soweit der Antragsteller behauptet, dass angesichts der "besonderen betrieblichen Eigenart" milieutypische Begleitscheidungen wie etwa gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Freiern und Zuhältern nicht zu erwarten seien, begründet er dies lediglich mit dem "Einfluss des Prostitutionsgesetzes" und dem Umstand, dass die Betreiber eines bordellartigen Betriebes nicht mehr "automatisch" einen Bezug zum kriminellen Milieu hätten. Das ändert jedoch nichts an dem - bei typisierender Betrachtungsweise - durch die Kunden ausgelösten Störungspotential. Auch kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass sich die mit dem möglichen Alkoholkonsum oder der Unzufriedenheit eines Kunden verbundenen Störungen auf die Nachtstunden beschränken. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass das Personal des Massagesalons keinen Bezug zum so genannten Rotlichtmilieu hat und der Betrieb insofern nicht mit dem besonderen "Milieu" von Bordellbetrieben vergleichbar sein mag, verträgt sich ein solches Angebot sexueller Dienstleistungen nicht mit dem einem Wohngebiet immanenten "Ruhebedürfnis", das auf die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen zielt, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören. Ähnlich wie im Fall eines Swinger-Clubs, bei dem ein Bezug zum Rotlichtmilieu (auch) nicht auf der Hand liegt, ergeben sich die gebietsunverträglichen Begleiterscheinungen bereits aus dem (generell) möglichen störenden Verhalten der Kunden bzw. Benutzer solcher Einrichtungen (vgl. auch zum Fall eines Swinger-Clubs unter Hinweis auf "atmosphärische Begleiterscheinungen" VGH München, Urteil vom 29. Dezember 2003 - 25 B 98.3582 -, NVwz-RR 2005, 15). Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat sich an der Beurteilung des Störungspotentials solcher Betriebe und ihrer generellen Gebietsunverträglichkeit im allgemeinen Wohngebiet auch durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten - Prostitutionsgesetz - vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) nichts geändert (OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 - OVG 2 S 5.03 -, UPR 2003, 394.; VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2002 - 5 S 149.01 -, GewArch 2003, 496; OVG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 2004 - 8 B 11983.03 - BauR 2004, 644).

bb) Der Massagesalon ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht mit Blick auf den besonderen städtebaulichen Zuschnitt des Gebiets ausnahmsweise in diesem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Das Gebiet weist zwar Besonderheiten auf, die aber als durchaus "typisch" für Anlagen des zu DDR-Zeiten errichteten so genannten komplexen Wohnungsbaus angesehen werden können: Prägend für das Baugebiet sind die ausschließlich der Wohnnutzung dienenden Hochhäuser mit bis zu 21 Geschossen, in denen nach Angaben des Antragsgegners ca. 6.000 Menschen wohnen. In der Mitte dieser Wohnanlage ist der zweigeschossige Dienstleistungswürfel als zentraler Versorgungsort angelegt. Lediglich das Wohn- und Geschäftshaus "Castello" verfügt über eine "gemischte" Nutzung, bei der jedoch die Wohnnutzung mit ca. 70% deutlich überwiegt.

Die (faktische) Beschränkung der Nutzung im Dienstleistungswürfel auf wohngebietstypische Nutzungen gewerblicher Art sowie der bauliche Zuschnitt des Gebäudes mit einem eigenen Treppenaufgang zum Massagesalon und Archiv führt zwar - wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar begründet hat - dazu, dass eine Störung der Wohnruhe in diesem Gebäude durch Lärm im Treppenhaus oder Klingeln an der falschen Wohnungstür ausgeschlossen werden kann. Wird der Blick jedoch nur auf den Dienstleistungswürfel beschränkt, erfährt das nach der Rahmenziehung als relevant angesehene Baugebiet eine nach der Systematik des § 34 Abs. 2 BauGB unzulässige Unterteilung, indem - bildlich gesprochen - eine nach der Nutzungsart vom allgemeinen Wohngebiet scheinbar isolierte "Gewerbeinsel" herausgeschnitten wird. In der Konsequenz dieser Betrachtungsweise liegt die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach auch eine Störung der Nachbarschaft ausgeschlossen erscheine, weil der Dienstleistungswürfel räumlich - durch Grünflächen, Parkplatz mit Bäumen und Straßenführung - von der Wohnbebauung "ausreichend" abgegrenzt sei. Damit wird der bei Entscheidung für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 BauGB vorausgesetzte Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der vorhandenen Bebauung in dem Baublock gleichsam hinweggedacht. Der Sache nach wird aus dem Vorhandensein der "Gewerbeinsel" auf ein vermindertes Schutzniveau des - zu Recht - als (faktisches) allgemeines Wohngebiet qualifizierten Gebiets geschlossen, indem die Frage der konkreten Beeinträchtigung im Einzelfall zum Maßstab erhoben wird. Die Frage der konkreten Beeinträchtigung ist jedoch nur im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen, den auch das Verwaltungsgericht gerade nicht für maßgeblich ansieht. Daraus ergibt sich zugleich, dass es im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB zur Begründung eines Ausnahmefalls jenseits der Grenze zulässiger und gebotener Typisierung grundsätzlich nur auf Besonderheiten des konkreten Betriebs selbst - mit Blick auf Erscheinungsbild, Betriebsstruktur und Organisationsform - ankommt. Das schließt nicht aus, dass beispielsweise bei der Frage, ob ein Einzelhandelsbetrieb von seiner Größe her in einem allgemeinen Wohngebiet (noch) der Versorgung des Gebiets dient (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), auf den mit einer entsprechenden Hochhausbebauung verbundenen hohen Anteil an Wohnbevölkerung abgestellt wird. Wie bereits dargelegt, bestehen aber im vorliegenden Fall keine Besonderheiten hinsichtlich des konkreten Betriebs: Es ist nicht zu erkennen, dass der Massagesalon in der Weise atypisch ist, dass er nach der Art und Weise des Betriebs als solcher von vornherein keine Störungen befürchten lässt und bereits aus diesem Grund seine Gebietsverträglichkeit - mit Blick auf die Wohnruhe im allgemeinen Wohngebiet - dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist.

3. Abgesehen davon steht die ausnahmsweise Zulassung von Vorhaben i.S.d. § 4 Abs. 3 BauNVO bzw. die vom Verwaltungsgericht angesprochene Möglichkeit der Erteilung einer Befreiung gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB im Ermessen der zuständigen Behörde. Anhaltspunkte für einen Fall der so genannten Ermessensreduzierung auf Null sind nicht erkennbar. Wie sich der Beschwerdeerwiderung entnehmen lässt, ist der Antragsgegner bemüht, die bisherige Gebietsstruktur zu erhalten und zu stärken. Die Befürchtung, dass der Betrieb des Massagesalons zu einer Verdrängung und damit zu einem sog. trading-down-effect führen kann (vgl. dazu VGH Kassel, Urteil vom 5. Februar 2004 - 4 N 360.03 - ESVGH 54, 251), stellt einen von städtebaulichen Erwägungen getragenen Ermessensgesichtspunkt dar.

4. Erweist sich nach alledem die angefochtene Nutzungsuntersagung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, überwiegt - mit Blick auf die Ordnungsfunktion des Baurechts und die Gefahr der negativen Vorbildwirkung - das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehbarkeit. Ebenso wenig begegnet die Zwangsgeldandrohung rechtlichen Bedenken; insoweit hat der Antragsteller auch keine Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auch für das Beschwerdeverfahren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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