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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: OVG 10 S 9.07
Rechtsgebiete: ASOG, BauO Bln 2005, BauGB


Vorschriften:

ASOG § 17 Abs. 1
BauO Bln 2005 § 7
BauO Bln 2005 § 7 Abs. 1
BauGB § 19 Abs. 2
BauGB § 31 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 10 S 9.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Krüger, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Bumke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Seiler am 25. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. April 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2006, mit dem ihr unter Androhung eines Zwangsgelds aufgegeben wird, "die grundbuchliche Abschreibung des Flurstücks 416 aus dem Bestand des Grundbuchblattes 2651 von L_____ wieder rückabzuwickeln und die Flurstücke wieder auf einem Grundbuchblatt im Bestandsverzeichnis unter einer laufenden Nummer zu vereinigen". Ihren Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (VG 13 A 11.07) hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. April 2007 abgelehnt.

Die dagegen erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe das überwiegende öffentliche Interesse damit begründet, dass durch einen Weiterverkauf der neu gebildeten Grundstücke an Dritte die Durchsetzung der bauaufsichtlichen Anordnung faktisch erschwert werde, ohne diesen Gesichtspunkt weiter zu erläutern und ohne sich mit den schriftsätzlich vorgetragenen Einwänden der Antragstellerin auseinanderzusetzen, genügt es nicht, darauf zu verweisen, dass die Folgen eines möglichen Verkaufs des neuen Grundstücks - wie es in der in Bezug genommenen Antragsschrift heißt - "im eigenen Verantwortungsbereich und Risiko" der Antragstellerin lägen und sie daher "sinnvollerweise vertragliche Regelungen mit dem Erwerber... treffen sollte" (Beschwerdeschrift S. 2). Denn es liegt auf der Hand und bedurfte daher auch keiner weiteren Erläuterung, dass im Falle des jederzeit möglichen Weiterverkaufs des neu gebildeten Grundstücks an einen Dritten seitens des Antragsgegners weitere Schritte ergriffen werden müssten, um sicher zu stellen, dass insgesamt wieder baurechtmäßige Zustände hergestellt werden. Dabei spielt unter dem Gesichtspunkt der faktischen Erschwerung auch der Zeitfaktor eine Rolle, weil es nahe liegt, dass die weiteren Verfügungen, die im Falle eines Weiterverkaufs notwendig würden, ihrerseits entsprechende Rechtsschutzverfahren nach sich ziehen dürften.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zugrunde zu legenden summarischen Prüfung an der Rechtsmäßigkeit der mit dem Widerspruchsbescheid konkretisierten Anordnung keine ernstlichen Zweifel.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht als Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung auf § 17 Abs. 1 ASOG i.V.m. § 7 Abs. 1 BauO Bln (2005) und § 19 Abs. 2 BauGB verwiesen. Aus dem Umstand, dass § 7 Abs. 1 BauO Bln 2005 - anders als die frühere Regelung - keine ausdrückliche Eingriffsbefugnis für die vorliegenden Fallkonstellation (mehr) enthält, kann nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber nunmehr auf Sanktionsmöglichkeiten verzichten und einen Rückgriff auf die allgemeinen ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse sowie die Vorschriften über die besonderen bauaufsichtlichen Maßnahmen oder auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht ausschließen wollte. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die allgemeinen Eingriffsbefugnisse ausreichen (Drs. 15/3926, S. 71). Die Neufassung des § 7 BauO Bln erklärt sich allein aus dem Anliegen des Gesetzgebers, die Konzeption der so genannten Musterbauordnung auf die Berliner Bauordnung zu übertragen und zielt nicht darauf, die Handlungsmöglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde einzuschränken. Dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Oktober 2005 - OVG 2 N 149.05 -).

Dass auf dem vorderen Grundstück baurechtswidrige Zustände bestehen, weil die GFZ auf diesem Grundstück nach der grundbuchlichen Abschreibung 0,521 beträgt und damit über der bauplanungsrechtlich zulässigen GFZ von 0,4 liegt, hat die Antragstellerin nicht in Abrede gestellt; die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten sind also gegeben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sie keinen Anspruch auf eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dürfte die Erteilung einer Befreiung städtebaulich nicht vertretbar sein.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, "(d)ie Annahme, dass in der Vergangenheit eine verdichtete Bebauung Am Springebruch nur deshalb genehmigt wurde, weil das nunmehr abgetrennte Flurstück Nr. 416 als freie Ausgleichsfläche zur Verfügung gestanden habe, ... (gehe) an den Tatsachen vorbei", und meint, das Verwaltungsgericht arbeite "hier auch eher mit Vermutungen", wird nicht beachtet, dass sich aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ein nachvollziehbares, hinreichend konkretes städtebauliches Konzept zur Frage der Verdichtung des Baugebiets ergibt. Wie sich beispielsweise aus der im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens eingeholten Stellungnahme der Stadtplanung vom Januar 2002 ergibt (VV Bd. I Bl. 114), zielt das Konzept auf eine Abstufung der Bebauung, um damit einer weiteren (zu) hohen Bebauungsdichte entgegen zu steuern. Angesichts dessen ist es nicht lediglich eine "Vermutung" des Verwaltungsgerichts, sondern - wie das Gericht zu Recht anmerkt - nachvollziehbar, "dass die dichte Bebauung am Z_____-K_____-D_____ seinerzeit zugelassen wurde, weil im hinteren Grundstücksbereich eine Freifläche gewissermaßen zum Ausgleich dieser Verdichtung vorhanden war" (UA S. 6). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner mit Vorbescheid vom 7. Dezember 2005 hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung auf dem (hinteren) Teilstück eine GFZ von 0,4 sowie eine GRZ von 0,2 als zulässig erachtet hat. Denn der Antragsgegner hat sich in dem Vorbescheid zugleich vorbehalten, die Herstellung baurechtmäßiger Zustände anzuordnen, sobald dem Grundbuchamt der Antrag vorliegt, das hintere Flurstück grundbuchlich abzuschreiben und als selbständiges Grundstück einzutragen. Dieser Vorbehalt deckt sich wiederum mit dem aufgezeigten städtebaulichen Konzept. Denn es liegt auf der Hand, dass bei einer solchen "Verselbständigung" des Grundstücks das Baugebiet in diesem Bereich in ganz erheblicher Weise verdichtet würde, weil auf dem vorderen Grundstück dadurch die GFZ um ca. 30 % auf 0,521 ansteigt bzw. angestiegen ist. Eine solche Verdichtungssituation verträgt sich nicht mit dem nachvollziehbar begründeten städtebaulichen Konzept der abgestuften Verdichtung.

Soweit die Antragstellerin meint, die vom Verwaltungsgericht angenommene Präzedenzwirkung, die das Gericht auch nicht begründet habe, greife nicht, "weil es keine unmittelbaren städtebaulichen Wechselwirkungen zwischen den (bestehenden und geplanten) Gebäuden am Ende der S_____-Straße am S_____ und der umgebenden kleinteiligeren Wohnbebauung geben würde" (Klammerzusätze im Original), verkennt sie, dass die begehrte Befreiungsentscheidung - ohne dass dies einer ausdrücklichen Begründung bedurft hätte - im Fall einer Neubebauung, die unabhängig von einer "bestehenden oder geplanten" Bebauung jedenfalls grundsätzlich möglich ist, durchaus Präzedenzwirkung entfalten könnte.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass - selbst wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung vorlägen - kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang rügt, dass "angesichts der bereits seit 9 Jahren andauernden Auseinandersetzungen der Verdacht nahe (liege), dass die Ermessensentscheidung hier in sachfremder Weise dazu missbraucht wird, um ein Neubauvorhaben ... weiter zu blockieren", verkennt sie, dass der "sachliche" Grund für die in der Vergangenheit ausgetragenen Konflikte in dem vom Antragsgegner verfolgten städtebaulichen Konzept der abgestuften Verdichtung lag bzw. liegt. Ob das von dem Antragsgegner eingeleitete, aber nicht weiter geführte Verfahren zum Bebauungsplanentwurf - wie die Antragstellerin in dem in Bezug genommenen Verfahren VG 13 A 247.02 u.a. vorträgt - auf eine "Verhinderungsplanung" zielte, kann dahin gestellt bleiben. Denn auch das würde nichts an der Tatsache ändern, dass die Antragstellerin - nunmehr, durch die grundbuchliche Abschreibung - (auf dem vorderen Grundstück) einen nicht etwa nur als geringfügig zu erachtenden bauplanungsrechtlich rechtswidrigen Zustand herbeigeführt hat. Vor diesem Hintergrund sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich die von der Antragstellerin letztlich nur behauptete Ermessensreduzierung auf Null ergeben könnten.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass kein Fall der Verwirkung vorliegt. Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass die vom Antragsgegner wahrzunehmende Befugnis zum ordnungsbehördlichen Einschreiten überhaupt der Verwirkung unterliegt. Ferner genügt es nicht, schlicht auf den zeitlichen Ablauf zu verweisen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2007 - OVG 10 N 116.05 -). Zum anderen hat der Antragsgegner im Zuge der von der Antragstellerin genannten langjährigen Auseinandersetzungen von Anfang an die Gefahr, dass bei einer Bebauung des hinteren Grundstücks baurechtswidrige Zustände eintreten, deutlich gemacht. Ein Vertrauensmoment ist auch nicht dadurch entstanden, dass der Antragsgegner darauf verzichtet hat, das Negativzeugnis vom 19. November 1998 zu widerrufen. Da es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - einer Aufhebung des Negativzeugnisses nicht bedurfte, wirkt das Zeugnis auch nicht vertrauensstiftend. Hinzu kommt, dass - wie sich aus dem Gesprächsvermerk vom 8. Juni 1998 ergibt (VV Bd. I Bl. 14) - der Antragstellerin noch vor Erteilung des Negativzeugnisses bekannt war, dass der Antragsgegner die Bebauung des hinteren Grundstücksteils und die Erteilung einer (weiteren) Befreiung auf dem vorderen Grundstücksteil mit Blick auf die Überschreitung der GFZ ablehnte. Wie das Verwaltungsgericht angemerkt hat, hat der Antragsgegner darüber hinaus bereits mit Schreiben vom 10. Januar 2000 auf eine mögliche Anordnung mit Blick auf die Veränderung der Grenzen hingewiesen (VV Bd. I Bl. 54). Insofern durfte die Antragstellerin keinesfalls darauf vertrauen, dass ihren Plänen zur künftigen Bebauung nach Grundstücksteilung und (späterer) Abschreibung keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt insoweit der erstinstanzlichen Festsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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