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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.11.2008
Aktenzeichen: OVG 11 N 52.06
Rechtsgebiete: WaffG


Vorschriften:

WaffG § 8
WaffG § 45 Abs. 2 Satz 1
WaffG § 45 Abs. 3
WaffG § 46
WaffG § 55 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 11 N 52.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 5. November 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 22. Juni 2006 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Rechtsstufen jeweils auf 6.500,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Bescheid vom 8. Februar 2005 widerrief der Beklagte gegenüber dem Kläger dessen Waffenbesitzkarte nebst Munitionserwerbsberechtigung und forderte ihn auf, seine Schusswaffe sowie die in seinem Besitz befindliche Munition innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen. Zur Begründung des auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützten Widerrufs führte der Beklagte an, dass das waffenrechtliche Bedürfnis als wesentliche Erlaubnisvoraussetzung entfallen sei, weil der Kläger nicht mehr Mitglied in einem Schützenverein sei und den Schießsport nicht mehr ausübe. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2006 abgewiesen.

II.

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheides nicht aufgezeigt hat. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten angegriffen wird und im Ergebnis eine gegenteilige als die angegriffene Entscheidung ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163,1164). Diese Voraussetzungen sind auf der Grundlage des vom Senat zu prüfenden fristgebundenen Rechtsbehelfsvorbringens nicht erfüllt.

Gemäß § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Zu den Erteilungsvoraussetzungen zählt § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG den Nachweis eines Bedürfnisses. Dieser Nachweis ist gemäß § 8 Abs. 1 WaffG erbracht, wenn gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennende persönliche oder wirtschaftliche Interessen und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Waffen oder Munition für den beantragten Zweck glaubhaft gemacht sind. Ein Bedürfnis in diesem Sinne liegt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insbesondere vor, wenn der Antragsteller Mitglied eines schießsportlichen Vereins ist, der einem nach § 15 Abs. 1 WaffG anerkannten Schießsportverband angehört. Diese Voraussetzungen sind in dem für die rechtliche Prüfung maßgebenden Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nicht erfüllt gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Kläger unstreitig bereits seit mehreren Jahren keinem Schießsportverein mehr an und übte den Schießsport nicht mehr aus. Folglich war sein Bedürfnis, als Sportschütze eine Waffe zu besitzen, entfallen. Dass der Kläger als Bundeswehrsoldat regelmäßig mit Waffen in Kontakt gelangt und auch Schießübungen durchführt, vermag ebenfalls kein Bedürfnis für den Besitz einer privaten Waffe zu begründen. Denn es ist weder vorgetragen worden noch aufgrund sonstiger Umstände anzunehmen, dass der Kläger seine private Waffe dienstlich benutzt. Für den dienstlichen Umgang mit Waffen der Bundeswehr ist das Waffengesetz gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG ohnehin nicht anzuwenden.

Es kann auch unterstellt werden, dass der Kläger nicht zuletzt aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit im Umgang mit Waffen sorgfältig und erfahren ist. Denn Zuverlässigkeit, persönliche Eignung und Sachkunde sind nach § 4 Abs. 1 WaffG zusätzliche Erlaubnisvoraussetzungen, die das Bedürfnis nicht entbehrlich machen. Die Bedürfnisprüfung dient nämlich dem Ziel, die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (vgl. Steindorf, Waffenrecht, § 8 WaffG, Rn. 1, 2, m.w.N.).

Bei Erlass des Widerspruchsbescheides war auch nicht nur von einem vorübergehenden Wegfall des Bedürfnisses auszugehen, bei dem gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. WaffG abweichend von § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG von einem Widerruf abgesehen werden kann. Der Kläger hat erstinstanzlich selbst vorgetragen, dass er von 1991 bis 2005 mehrfach versetzt worden sei. Während dieser Zeit habe er am Schießtraining bzw. an Wettkämpfen seines Vereins aufgrund der räumlichen Entfernung nur unregelmäßig und später gar nicht mehr teilgenommen. Er habe deshalb 1999 keine andere Möglichkeit mehr gehabt, als den Verein zu verlassen. 2003 sei er nach Berlin zurückversetzt worden und habe 2004 ein eigenes Haus bezogen. Gleichwohl ist der Kläger bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides - gemäß Vermerk des Verwaltungsgerichts sogar bis zum 2. Juni 2006 - keinem Schießsportverein mehr beigetreten, obgleich er noch in seiner Widerspruchsbegründung vom 5. März 2005 angekündigt hatte, er werde seinen Sport wieder aufnehmen, sobald er einen neuen Verein gefunden habe. Da der Kläger sein Vorhaben zudem nicht näher konkretisiert, sondern sogar erwogen hatte, einen eigenen Sportschützenverein zu gründen, war nach jahrelanger Nichtausübung des Schießsports dessen Wiederaufnahme in naher Zukunft nicht zu erwarten (vgl. amtl. Begr. zu § 45 Abs. 3 WaffG, abgedruckt bei Steindorf, a.a.O., § 45 WaffG, Rn. 12) und folglich nicht lediglich von einem nur vorübergehenden Wegfall des Bedürfnisses auszugehen.

Soweit sich der Kläger auf § 45 Abs. 3 S. 1 2. Alt. WaffG beruft, wonach aus besonderen Gründen auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses von einem Widerruf abgesehen werden kann, hat er auch insoweit die gesetzlichen Voraussetzungen nicht dargetan. Zwar wird beispielsweise bei einem Jäger, Sportschützen, Waffen- oder Munitionssammler, der gewissermaßen sein Leben lang gejagt, den Schießsport oder das Sammeln ausgeübt hat, in der Regel bei altersbedingter dauernder Unmöglichkeit des aktiven Umgangs mit Waffen und Munition von einem Widerruf abzusehen sein (vgl. amtl. Begr. zu § 45 Abs. 3 WaffG, a.a.O.). Mit einer derartigen Konstellation ist der Fall des Klägers, der bei Erlass des Widerspruchsbescheides erst 35 Jahre alt war, den Schießsport aber schon mehrere Jahre nicht mehr ausgeübt hatte, nicht vergleichbar.

2. Der Zulassungsantrag zeigt auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das hätte vorausgesetzt, dass der Kläger eine konkrete Tat- oder Rechtsfrage von fallübergreifender Bedeutung aufwirft und in Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils deren obergerichtliche Klärungsbedürftigkeit darlegt. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Der Kläger hat eine solche Tat- oder Rechtsfrage nicht formuliert. Sie ist auch seinen weiteren Einwänden nicht zu entnehmen.

Das gilt zum einen für die Rüge des Klägers, das Waffengesetz sei insofern "unvollständig", als die Privilegierung in § 55 Abs. 1 S. 2 WaffG nicht auch auf ihn anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift gilt das Waffengesetz bei Polizeibediensteten und bei Bediensteten der Zollverwaltung mit Vollzugsaufgaben auch nicht für den Besitz über dienstlich zugelassene Waffen oder Munition und für das Führen dieser Waffen außerhalb des Dienstes, soweit die betreffenden Bediensteten hierzu durch Dienstvorschriften ermächtigt sind. Soweit der Kläger hierin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sieht, fehlt es schon an der Darlegung ihrer Entscheidungserheblichkeit. Denn das Begehren des Klägers, seine Waffenbesitzkarte zu behalten, stellt die grundsätzliche Anwendbarkeit des Waffengesetzes gerade nicht in Frage. Hiervon abgesehen hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der Grund der vom Kläger in Bezug genommenen Regelung darin liegt, es Polizeivollzugsbeamten und Vollzugsbeamten der Zollverwaltung zu ermöglichen, auch außerhalb des Dienstes eine Schusswaffe zu führen, damit sie im Bedarfsfall die Möglichkeit besitzen, sich erforderlichenfalls in den Dienst zu versetzen. Dass Entsprechendes auch für einen Bundeswehrangehörigen in Betracht kommen könnte, behauptet der Kläger selbst nicht.

Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung ist ferner nicht der Rüge des Klägers zu entnehmen, das Waffengesetz sei auch insoweit "unvollständig", als es den Widerruf der Waffenerlaubnis der Behörde als gebundene Entscheidung aufgebe, um auf einen Wegfall des Bedürfnisses zu reagieren. Diese Rüge lässt zudem § 45 Abs. 3 WaffG außer acht, dessen Voraussetzungen hier allerdings nicht vorliegen. Im Übrigen muss der Kläger, anders als er offenbar meint, nicht zwingend das Eigentum an seiner Waffe aufgeben, um dem angegriffenen Bescheid nachzukommen, denn die Regelungen dieses Bescheides betreffen den Besitz der Waffe und stellen es dem Kläger frei, ob er die Waffe unbrauchbar macht oder sie einem Berechtigten überlässt. Der Begriff "überlassen" umfasst nicht nur das Veräußern, sondern auch das Verwahren oder Hinterlegen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 26.März 1996, - Bf VI (VII) 48/94 -, GewA 1997, 338, sowie bei Juris, dort Rn. 34, m.w.N.).

Entscheidungserheblichen obergerichtlichen Klärungsbedarf zeigt der Kläger auch insoweit nicht auf, als er rügt, er werde durch hoheitliches Handeln gezwungen, einem Verein beizutreten und in diesem die erforderlichen Schießnachweise zu erbringen. Denn der Kläger behauptet selbst nicht, dass er als nicht vereinsgebundener Freizeitsportschütze den Schießsport regelmäßig ausübe.

Soweit der Kläger schließlich in seinem nachgereichten Schriftsatz vom 4. Oktober 2006 beanstandet, er werde gegenüber den (im Übrigen nur befristet, vgl. Art. 19 Nr. 2 WaffRNeuRG) privilegierten Erbenbesitzern gleichheitswidrig benachteiligt, handelt es sich um verspätetes und hier nicht zu berücksichtigendes neues Vorbringen, das überdies keinem der geltend gemachten Berufungszulassungsgründe zugeordnet worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat orientiert sich im Interesse der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit grundsätzlich an den Vorschlägen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327). Dieser sieht in Nr. 50.2 für die Waffenbesitzkarte den Auffangwert und in Nr. 50.3 für die Munitionserwerbsberechtigung 1.500 Euro vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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