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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 09.09.2005
Aktenzeichen: OVG 11 S 14.05
Rechtsgebiete: BauGB, Bbg BO, VwGO, ImSchZV, VwVfG Bbg, Bbg GO, BImSchG


Vorschriften:

BauGB § 31
BauGB § 33
BauGB § 34
BauGB § 35
BauGB § 36 Abs. 1
BauGB § 36 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 36 Abs. 1 Satz 2
BauGB § 36 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 36 Abs. 2 Satz 3
Bbg BO § 70 Abs. 1
Bbg BO § 70 Abs. 1 Satz 1
Bbg BO § 70 Abs. 1 Satz 2
Bbg BO § 70 Abs. 3
Bbg BO § 70 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 7
VwGO § 80 a Abs. 3
VwGO § 80 a Abs. 3 Satz 2
VwGO § 80 a Abs. 5
VwGO § 146 Abs. 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
ImSchZV § 1 Abs. 1
VwVfG Bbg § 46
Bbg GO § 127
BImSchG § 67 Abs. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 11 S 14.05

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Laudemann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Fieting und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Apel am 9. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Dezember 2004 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladene die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin jeweils zur Hälfte sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst in voller Höhe.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Bescheid vom 4. Februar 2004 erteilte das Amt für Immissionsschutz Schwedt (Oder) der Beigeladenen die Genehmigung, am Standort Stolzenhagen im Landkreis Barnim auf dem Grundstück der Gemarkung S., Flur 2, Flurstücke 52, 55, 56, 57 und 610, eine Windfarm, bestehend aus drei Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Zugleich stellte es fest, dass mangels erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen sei, und ersetzte das durch die (später einen Ortsteil der Antragstellerin bildende) Gemeinde Stolzenhagen versagte gemeindliche Einvernehmen unter Berufung auf § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB und § 70 Abs. 1 Bbg BO. Nachdem die Antragstellerin gegen den an die Beigeladene adressierten Genehmigungsbescheid Widerspruch erhoben hatte, ordnete der Antragsgegner auf Antrag der Beigeladenen unter dem 16. Juni 2004 die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Den nachfolgenden Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Genehmigungsbescheides lehnte er unter dem 29. Juli 2004 ab. Durch Beschluss vom 17. Dezember 2004 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 4. Februar 2004 hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wieder hergestellt und hinsichtlich der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens angeordnet, sowie den weitergehenden Antrag der Antragstellerin abgelehnt, dem Antragsgegner aufzugeben, den Beginn der Bauarbeiten vorläufig zu untersagen. Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene mit dem Ziel der vollständigen Antragsablehnung Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Beide Beschwerden sind zulässig, aber nicht begründet. Das gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zu berücksichtigende Beschwerdevorbringen des Antragsgegners und der Beigeladenen rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die allein von der Beigeladenen gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin erhobenen Einwände greifen nicht durch. Für die zur Begründung der Zulässigkeit des Antrags analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis genügt die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin; diese darf nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sein.

Letzteres ist hier nicht der Fall.

Hinter dem Einvernehmenserfordernis des § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB steht der Zweck, die gemeindliche Planungshoheit zu schützen. Artikel 28 Abs. 2 GG gewährleistet den Gemeinden als Teil der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft das Recht, in eigener Verantwortung im Rahmen der Gesetze für ihr Gemeindegebiet die Bodennutzung festzulegen. Dabei kann die gemeindliche Planungshoheit auch berührt sein, wenn ein Vorhaben auf der Grundlage des § 35 BauGB zugelassen oder verwirklicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2000 - 4 C 5/99 -, NvWZ 2000, 1048). Die Gemeinde soll dort, wo sie noch nicht geplant hat, oder dann, wenn ein Bauvorhaben von ihrer Planung abweicht, im Genehmigungsverfahren an der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mitentscheidend beteiligt werden. Darüber hinaus soll sie in den Fällen, in denen ein nach §§ 31, 33 bis 35 BauGB zulässiges Vorhaben ihren planerischen Vorstellungen nicht entspricht, von ihrer planungsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen können, durch Aufstellung eines Bebauungsplanes die planungsrechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines Vorhabens zu ändern und zur Sicherung der Planung die Mittel der Veränderungssperre oder Zurückstellung von Baugesuchen zu ergreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2004 - 4 C 7/03 -, NvWZ 2005, 213, m. w. N.).

Die Antragstellerin hat sich zur Begründung der Versagung ihres Einvernehmens in ihrem Schreiben vom 6. März 2003 u.a. auf planungsrechtliche Gründe berufen. Ob sie damit die ihr durch § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB gesetzten Grenzen überschritten hat, ist in erster Linie eine Frage der Rechtswidrigkeit der Versagung ihres Einvernehmens sowie spiegelbildlich eine Frage der Rechtmäßigkeit der hier angegriffenen Ersetzung des Einvernehmens und damit letztlich der Begründetheit des Antrags.

Die von der Beigeladenen angeführten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2004 (a.a.O.) und vom 19. August 2004 (4 C 16/03, NvWZ 2005, 83) sowie der Beschluss des VGH Kassel vom 27. September 2004 (2 TG 1630/04, bei Juris - Länderrechtsprechung) rechtfertigen es ebenfalls nicht, der Antragstellerin die Antragsbefugnis abzusprechen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2004 betrifft im Wesentlichen die Obliegenheit der Gemeinde, innerhalb der zweimonatigen Einvernehmensfrist auf die Vervollständigung des Bauantrags hinzuwirken, verneint aber nicht deren Klagebefugnis. In seinem Urteil vom 19. August 2004 hat das Bundesverwaltungsgericht selbst einer mit der Baugenehmigungsbehörde identischen Gemeinde -die deshalb allerdings selbst kein fehlendes Einverständnis geltend machen kann- die Befugnis zugesprochen, sich gegenüber der Widerspruchsbehörde auf den Schutz der materiellrechtlichen Planungshoheit zu berufen, diese dann jedoch aufgrund einer materiellrechtlichen Prüfung als nicht verletzt angesehen. Schließlich hat auch der VGH Kassel in seinem Beschluss vom 27. September 2004 der Gemeinde nicht etwa die Antragsbefugnis abgesprochen, sondern aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 a Abs. 5 VwGO letztlich die Begründetheit des Antrags verneint.

2. Ohne Erfolg bleiben auch die wiederum nur von der Beigeladenen erhobenen Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass Amt für Immis-sionsschutz sei für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens sachlich unzuständig gewesen.

Dabei ist von folgenden Regelungen auszugehen: Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann die nach Landesrecht zuständige Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Bbg BO soll die Bauaufsichtsbehörde das fehlende Einvernehmen der Gemeinde ersetzen, wenn diese ihr nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Baugesetzbuchs erforderliches Einvernehmen rechtswidrig versagt hat. Wird in einem anderen Genehmigungsverfahren über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden, so tritt gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 Bbg BO die für dieses Verfahren zuständige Behörde an die Stelle der Bauaufsichtsbehörde. Da hier im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren über die Zulässigkeit des Vorhabens zu entscheiden war, richtete sich die Zuständigkeit nach der Immissionszuständigkeitsverordnung des Landes Brandenburg - ImSchZV . Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, waren gemäß § 1 Abs. 1 ImSchZV i.V.m. Nr. 1.1.1 der Anlage zu dieser Verordnung zum Zeitpunkt der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 4. Februar 2004 für Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von genehmigungsbedürftigen Anlagen hinsichtlich der in Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Anlagen die Ämter für Immissionsschutz zuständig, während die Zuständigkeit hinsichtlich der in Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Anlagen beim Landesumweltamt lag. Die 4. BImSchV erfasste in ihrer bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung unter Nr. 1.6 des Anhangs in Spalte 1 Windfarmen mit sechs oder mehr Windkraftanlagen sowie in Spalte 2 Windfarmen mit drei bis weniger als sechs Windkraftanlagen.

Hieran anknüpfend hat das Verwaltungsgericht unter Berufung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 (4 C 9/03, NvWZ 2004, 1235, 1236) angenommen, eine Windfarm sei dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windkraftanlagen bestehe, die einander räumlich so zugeordnet seien, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Es spreche viel dafür, dass die drei Windenergieanlagen, die Gegenstand der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 4. Februar 2004 seien, im räumlichen Zusammenhang mit mehr als zwei weiteren Windkraftanlagen stünden. Zwar überschreite der Abstand zu der nächstliegenden der bereits errichteten vier Windkraftanlagen, die sich östlich vom Vorhabensstandort ebenfalls innerhalb des Eignungsgebietes für Windnutzung des Regionalplanes Uckermark-Barnim in der Gemarkung Klosterfelde befinden, mit ca. 870 Meter bei einem Rotorblattdurchmesser von 77 Meter den vom Antragsgegner als Anhalt zur räumlichen Abgrenzung einer Windfarm herangezogenen zehnfachen Rotorblattdurchmesser. Jedoch stelle dieses an der optimalen energetischen Standortausnutzung orientierte Maß keine starre Grenze dar, zumal für die Betrachtung von entscheidender Bedeutung sei, ob die Anlagen soweit voneinander entfernt lägen, dass sich die nach der UVP-Richtlinie maßgebenden Auswirkungen nicht summierten. Davon sei unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der standortbezogenen Vorprüfung sowie der Gutachten zu Lärmimmissionen und Lichtreflexen nach summarischer Prüfung hier nicht auszugehen.

Es mag dahinstehen, ob der Beigeladenen in ihrem Einwand zu folgen ist, dass sich die insbesondere durch Lärm hervorgerufenen schädlichen Umwelteinwirkungen von Windkraftanlagen bei einer den zehnfachen Rotorblattdurchmesser überschreitenden Entfernung so stark vermindern, dass mit entsprechenden Summationswirkungen durch Massierung von Windkraftanlagen regelmäßig nicht mehr zu rechnen ist (so auch Feldhaus, Kommentar zum Bundesimmissionschutzrecht, B 2.4, Randziffer 7 zu Nr. 1.6 des Anhangs Nr. 1 zur 4. BImSchV, unter Hinweis auf den Unterausschuss Luft/Technik des Länderausschusses für Immissionsschutz). Denn das Verwaltungsgericht hat zusätzlich darauf abgestellt, dass sich zwischen den hier streitgegenständlichen Anlagen und den in der Gemarkung Klosterfelde bereits errichteten vier Windkraftanlagen die Standorte von zwei weiteren Windkraftanlagen befänden, die durch vollziehbare Baugenehmigung des Landkreises Barnim vom 10. Dezember 2002 nebst Nachträgen vom 6. Mai und 23. Oktober 2003 genehmigt seien. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen bzw. früher vollziehbar genehmigten Anlagen von einer Windfarm mit mindestens sechs Windkraftanlagen auszugehen sein dürfte.

Hiergegen wendet die Beigeladene lediglich ein, dass sich in räumlicher Nähe zu ihren Anlagen in westlicher (richtig: östlicher) Richtung nur die beiden genannten Windkraftanlagen befänden, während der Abstand zur dann folgenden Windkraftanlage bereits 884 Meter betrage, so dass von einem räumlichen Zusammenhang nicht mehr ausgegangen werden könne und der Schwellenwert von mehr als fünf Windkraftanlagen nicht überschritten sei. Mit dieser Argumentation verkennt die Beigeladene allerdings, dass es für den Begriff der Windfarm nur auf den räumlichen Zusammenhang der einzelnen Anlagen zueinander ankommt. Von einer Windfarm ist bereits auszugehen, wenn wenigstens drei Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004, a.a.O.). Ob dies der Fall ist, dürfte sich jeweils anhand des Abstandes der einander am nächsten liegenden Windanlagen beurteilen. Solange diese den Zusammenhang wahren, dürfte von einer einheitlichen Windfarm auszugehen sein, deren weitere rechtliche Einstufung sich bei Erlass des angefochtenen Bescheides gemäß Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV nach der Anzahl der von ihr umfassten Windkraftanlagen richtete, wobei es nach dem auch vom Beigeladenen nicht in Zweifel gestellten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 (a.a.O.) nicht darauf ankommt, ob die einzelnen Windkraftanlagen ein und demselben Betreiber zuzuordnen sind. Die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin mittlerweile in Betrieb befindlichen beiden Windkraftanlagen östlich der Anlagen der Beigeladenen weisen einen Rotorblattdurchmesser von 70 Metern auf und befinden sich, wie ebenfalls unwidersprochen durch die Antragstellerin vorgetragen worden ist, im Übrigen aber auch anhand der topographischen Übersichtskarte (Bl. 663 des Verwaltungsvorgangs) nachvollzogen werden kann, zu den nächstgelegenen Windkraftanlagen der Beigeladenen in einem Abstand von ca. 350 bzw. 500 Metern und damit jedenfalls in einer den zehnfachen Rotorblattdurchmesser unterschreitenden Entfernung. Da sich diese beiden Windkraftanlagen auf der anderen Seite zu den in der Gemarkung K. stehenden vier Windkraftanlagen gleicher Bauart ebenfalls in einer den zehnfachen Rotorblattdurchmesser deutlich unterschreitenden Entfernung befinden, schließen sie die sonst gegebene Lücke, so dass von einer einheitlichen, insgesamt neun Windkraftanlagen umfassenden Windfarm auszugehen ist.

3. Die Beschwerdebegründungen rechtfertigen auch nicht die Annahme einer Heilung des Mangels der sachlichen Zuständigkeit des Amtes für Immissionsschutz.

a) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen kann eine Heilung nicht unter dem Gesichtspunkt des nachträglichen Zuwachsens der sachlichen Verwaltungskompetenz angenommen werden.

Der Antragsgegner macht insoweit geltend, der Zuständigkeitsmangel sei geheilt, weil das Gesetz zur Neuregelung des Landesorganisationsrechts vom 24. Mai 2004 (GVBI I, S. 186) dazu geführt habe, dass die Ämter für Immissionsschutz aufgelöst worden seien und sich seit dem 1. Juni 2004 die sachliche Zuständigkeit des Landesumweltamtes zum Erlass immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen auf sämtliche Anlagen erstrecke, die in der Spalte 1 oder der Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV aufgeführt seien. Diese Argumentation verkennt indes, dass das Landesumweltamt von vornherein zuständig war, über die Genehmigung von Windfarmen mit sechs oder mehr Windkraftanlagen zu entscheiden, diese Entscheidung aber nicht getroffen hat. Die dem Landesumweltamt nachträglich zugewachsenen Zuständigkeiten der früheren Ämter für Immissionsschutz sind für das hier in Rede stehende Vorhaben nicht einschlägig. Umgekehrt sind der hier handelnden unzuständigen Behörde nicht nachträglich weitere Zuständigkeiten zugewachsen, sondern sie wurde aufgelöst. Daher unterscheidet sich der Sachverhalt grundlegend von den Konstellationen, die den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1982 (8 C 138/81 - BVerwGE 66, 179; - 8 C 48/82 -, DVBl. 1983, 137) zugrunde lagen.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen lässt sich eine andere Sicht auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass das Personal der ehemaligen Ämter für Immissionsschutz auf das Landesumweltamt übergegangen und damit auch für dessen Aufgaben zuständig geworden sei. Denn für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit ist allein auf die jeweilige Behörde und nicht auf die für sie tätigen Amtswalter abzustellen. Ebenso wenig kommt es entgegen der Auffassung des Antragsgegners darauf an, ob die den Ämtern für Immissionsschutz zugewiesenen Aufgabengebiete eine ähnliche Fachkompetenz erforderten, wie sie dem Landesumweltamt im Rahmen seiner Zuständigkeit zuzuschreiben ist. Derartige Gesichtspunkte könnten allenfalls zum Tragen kommen, wenn die übergeordnete und tendenziell mit höherer Fachkompetenz ausgestattete, aber instanziell unzuständige Behörde tätig geworden wäre (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Oktober 1991 - 5 S 3088/88 -, NvWZ RR 1992, 600), was hier aber gerade nicht geschehen ist . Soweit der Antragsgegner weiterhin geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 29. September 1982 (8 C 138/81, BVerwGE 66, 179, 182) Zweifel geäußert, ob der Erlass eines Bescheides durch eine sachlich unzuständige Behörde immer als eine besonders schwere, d.h. unerträgliche Rechtsverletzung angesehen werden müsse, ist ihm entgegen zu halten, dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang die Frage der Nichtigkeit des Verwaltungsakts erörterte, die das Verwaltungsgericht im hier angefochtenen Beschluss nicht angenommen hat.

b) Anders als der Beigeladene geltend macht, ist der sachliche Zuständigkeitsmangel auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Antragsgegner "im Widerspruchsverfahren als (auch) zuständige Genehmigungsbehörde eine neue Sachentscheidung getroffen hat." Dass der Antragsgegner bereits über den Widerspruch der Antragstellerin entschieden hätte, ist weder dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen, noch wird dies von ihm selbst behauptet. Vielmehr macht der Antragsgegner zur Begründung seiner Beschwerde lediglich geltend, er halte eine Heilung des Zuständigkeitsmangels auch dadurch für möglich, dass er jetzt über den Widerspruch der Antragstellerin zu entscheiden habe und zugleich deutlich machen könne, dass er eine eigene Entscheidung über den Antrag der Beigeladenen auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und zur Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens treffe. Damit bestünden alle Möglichkeiten, dass die nunmehr sachlich zuständige Behörde die noch erforderlichen Entscheidungen treffe. Der Antragsgegner hat auch weder mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 16. Juni 2004, in der er ausdrücklich lediglich eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die erhobenen Widersprüche vorgenommen hat, noch mit der Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung vom 29. Juli 2004 eine neue Entscheidung über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Vorhabens und die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens getroffen. Deshalb haftet dem von der Antragstellerin angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2004 der Mangel der sachlichen Zuständigkeit auch gegenwärtig noch an.

Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Bescheidung des Widerspruchs der Antragstellerin durch den Antragsgegner den Zuständigkeitsmangel heilen würde (vgl. dazu [grds. verneinend] BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1968 - I C 81.67 -, BVerwGE 30, 138, 145; Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 2001, § 45, Randziffer 156; § 46, Randziffer 46), bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Sollte der Antragsgegner den von der Antragstellerin angefochtenen Bescheid gleichsam durch eine neue eigene Entscheidung ersetzen, und damit eine Heilung des Zuständigkeitsmangels bewirken, könnte er gemäß §§ 80 Abs. 7, 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO bei dem Verwaltungsgericht beantragen, die Eilentscheidung aufgrund der dann eingetretenen Änderung der Sachlage zu ändern. Demgegenüber müsste eine nach Ablauf der Begründungsfrist der § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetretene Sachverhaltsänderung für das Beschwerdeverfahren ohnehin unberücksichtigt bleiben.

c) Dass der Mangel der sachlichen Zuständigkeit nicht nach § 46 VwVfG Bbg als unbeachtlich behandelt werden kann, stellt die Beigeladene nicht in Abrede. Sollte der Antragsgegner mit seinem Vorbringen, es lägen keine Gesichtspunkte vor, die erkennen ließen, dass eine von ihm selbst getroffene Entscheidung anders als die des Amtes für Immissionsschutz ausgefallen wäre, dies dennoch anzweifeln, wäre ihm die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts entgegen zu halten, dass aus der besonderen Erwähnung der örtlichen Zuständigkeit in § 46 VwVfG Bbg zu schließen ist, dass eine Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit nicht unter diese Vorschrift fällt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29. September 1982 - 8 C 138/81-, BVerwGE 66, 178, 183 zu § 127 AO).

4. Die Beschwerdebegründungen rechtfertigen bei summarischer Prüfung ferner nicht den Schluss, die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch eine sachlich unzuständige Behörde verletze die Antragstellerin letztlich doch nicht in ihren Rechten.

Wie eingangs ausgeführt, kann sich die Antragstellerin auf ihre durch Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz geschützte gemeindliche Planungshoheit berufen, deren Schutz das Einvernehmenserfordernis des § 36 Abs. 1 BauGB dient. Wird das verweigerte Einvernehmen durch die Genehmigungsbehörde ersetzt, so trifft diese Regelungswirkung die Gemeinde unmittelbar und nicht als Drittbetroffene. Demgemäß ist die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens gegenüber der Gemeinde ein an sie selbst gerichteter belastender Verwaltungsakt (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 25. April 1997 - 3 B 168/96 -; VGH München, Beschluss vom 27. Oktober 2000 - 1 ZS/CS 00.2727 -, NvWZ-RR 2001, 364, 365; Dürr in Brügelmann, Baugesetzbuch, § 36, Randziffer 50; Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, § 36, Randziffer 42). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Genehmigung, mit der die Zulässigkeit des Vorhabens festgestellt wird, gemäß § 70 Abs. 3 Bbg BO zugleich als Ersatzvornahme im Sinne des § 127 der Bbg GO gilt, wobei § 70 Abs. 4 Bbg BO die Ersatzvornahme nach § 127 Bbg GO mit dem bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren koppelt.

Zwar kann die Gemeinde auch als Adressatin eines sie belastenden Verwaltungsakts nur geltend machen, dieser verletze sie in den ihr als juristische Person zugewiesenen Rechten. Insofern unterscheidet sich ihre Situation zwar von der eines Bürgers, der durch einen ihn unmittelbar belastenden rechtswidrigen Verwaltungsakt jedenfalls in seiner durch Artikel 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt wird. Es erscheint aber nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Gemeinde gesetzlich vorgesehene Eingriffe in ihre Planungshoheit nur dann zu dulden braucht, wenn diese durch die hierzu befugte Behörde vorgenommen werden. Soweit die Beigeladene unter Hinweis auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 7. Oktober 2004 (- 1 ME 169/04 -, NvWZ-RR 2005, 90, 92) geltend macht, die Gemeinde könne sich nicht darauf berufen, dass anstelle eines Baugenehmigungsverfahrens ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müsse, verkennt sie, dass es hier nicht nur um die Zuständigkeit zur Erteilung der von ihr beantragen Genehmigung, sondern auch und in erster Linie um die (formelle) Befugnis zur Ersetzung des von der Antragstellerin verweigerten Einvernehmens geht. Deshalb kann der Beigeladenen auch nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, es mache aus Sicht der Gemeinde keinen Unterschied, ob die untere oder die obere Immissionsschutzbehörde ihr Einvernehmen ersetze. Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB die Ersetzung des rechtswidrig versagten Einvernehmens der Gemeinde in das Ermessen des nach Landesrecht zuständigen Behörde stellt (h. m., vgl. Dürr, in Brügelmann, BauGB, § 46 Randziffer 49 m. w. N.) und dass nach § 70 Abs. 1 Bbg BO die Ersetzung zwar erfolgen soll, die zuständige Behörde hierzu aber nicht ausnahmslos verpflichtet ist. Genehmigungen ohne das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde präjudizieren in gewissen Umfang die Planung der Gemeinde und greifen damit in ihre Planungshoheit ein (OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - 1 ME 169/04 - , NVwZ-RR 2005, 90 ff).

5. Schließlich rechtfertigen die durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1865) sowie die Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20. Juni 2005 (BGBl. I S. 1687) eingetretenen Rechtsänderungen, wonach insbesondere unter Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV der Begriff der Windfarm aufgegeben wird und statt dessen (lediglich) in Spalte 2 Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern erfasst werden, keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Das folgt zum Einen daraus, dass der Beigeladene auf die (sich bereits abzeichnenden) Rechtsänderungen erstmals nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO hingewiesen hat. Aus der Zusammenschau des § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO ergibt sich, dass die Beschwerde nur aus den fristgerecht vorgetragenen Gründen Erfolg haben kann. Späteres Vorbringen mag zwar berücksichtigt werden, soweit es den fristgerechten Vortrag lediglich vertieft oder erläutert; jedoch müssen neue Gesichtspunkte unabhängig davon außer Betracht bleiben, ob sie vor Ablauf der Begründungsfrist hätten vorgetragen werden können. Davon abgesehen hat die Beigeladene auch nicht dargelegt, warum sich aufgrund der ab 1. Juli 2005 geltenden Regelung des § 67 Abs. 9 BImSchG, wonach Baugenehmigungen für Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern, die bis zum 1. Juli 2005 erteilt worden sind, als Genehmigungen nach diesem Gesetz gelten, der dem angegriffenen Bescheid anhaftende Zuständigkeitsmangel erledigt haben sollte. Im Übrigen lässt sich den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/5443, Seite 4) entnehmen, dass die von der Beigeladenen angeführte Vorschrift lediglich Rechtsunsicherheiten hinsichtlich bestehender Anlagen, die aufgrund einer Baugenehmigung in einer Windfarm betrieben werden, beseitigen, eine darüber hinausgehende Wirkung aber nicht entfalten soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 47Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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