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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: OVG 12 B 12.06
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO, GBO, BGB, VwVfGBbg, VermLiegG, GBV


Vorschriften:

BauGB § 35
VwGO § 42 Abs. 2
GBO § 2 Abs. 2
BGB § 891
BGB § 891 Abs. 1
BGB § 892
VwVfGBbg § 35
VermLiegG § 9
VermLiegG § 10 Abs. 1
GBV § 6 Abs. 3a
GBV § 6 Abs. 3a Satz 2 Nr. 4
GBV § 6 Abs. 3b Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OVG 12 B 12.06

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2007 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese und die ehrenamtlichen Richterinnen Tobschall und Böttcher für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. November 2005 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Änderung der Nutzungsart, die für sein in B_____ O_____, belegenes, _____ im Liegenschaftskataster eingetragen ist. Sie lautet seit dem 1. Dezember 1999 für eine Teilfläche des Grundstücks "Gebäude- und Freifläche - Erholung" und für die übrige Teilfläche "Landwirtschaftsfläche - Brachland". Gegen die ihm insoweit durch den Beklagten zugesandte und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Benachrichtigung vom 8. Dezember 1999 legte der Kläger Widerspruch ein, weil es sich bei seinem Grundstück um voll erschlossenes Bauland handele, das zum Teil mit Wohngebäuden bebaut sei. Das Kataster- und Vermessungsamt des Beklagten teilte dem Kläger mit Schreiben vom 31. Januar 2000 mit, dass der Veränderungsnachweis mangels Rechtswirkung keinen Verwaltungsakt darstelle. Die Rechtsmittelbelehrung sei versehentlich beigefügt worden.

Nachdem der Beklagte auch die Lagebezeichnung des Grundstücks mit Fortführungsmitteilung vom 14. März 2002 geändert und dies dem zuständigen Grundbuchamt mitgeteilt hatte, änderte das Amtsgericht _____, Grundbuchamt, die Bestandsangaben (Wirtschaftsart und Lage) in Spalte 3 des Grundbuchs und setzte den Kläger hiervon in Kenntnis. Dieser erhob Widerspruch, weil sich auf dem Grundstück zwei bewohnte Einfamilienhäuser, ein ungenutzter Bungalow sowie ein Werkstatt- und Lagergebäude und eingezäuntes Gartenland befänden. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2002 als unzulässig zurück.

Mit seiner vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage wandte sich der Kläger zunächst nur gegen den Veränderungsnachweis vom 14. März 2002 in der Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2002. Im Dezember 2002 bezog er auch den Veränderungsnachweis vom 1. Dezember 1999 in das Verfahren ein. Über den seinerzeit erhobenen Widerspruch sei noch nicht entschieden worden. Der Kläger machte im Wesentlichen erneut geltend, dass die eingetragene Nutzungsart nicht zutreffe. Das voll erschlossene Grundstück liege innerhalb der Ortsbebauung und gehöre - anders als das Liegenschaftskataster vermittle - nicht zum Außenbereich gemäß § 35 BauGB. Daher sei der Beklagte verpflichtet, als Nutzungsart "Gebäude und Freifläche - Wohnen" bzw. "Gebäude und Freifläche - ungenutzt" in das Liegenschaftskataster einzutragen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. November 2005 als unzulässig abgewiesen. Bei der Eintragung der Nutzungsart handele es sich nicht um einen mit der Verpflichtungsklage erstreitbaren Verwaltungsakt. Die Eintragung entfalte keine gestaltende oder belastende rechtliche Wirkung und habe keine rechtliche Bedeutung.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, dass sich der Beklagte durch die Form seines Verwaltungshandelns, nämlich durch die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung und den Erlass eines Widerspruchsbescheides, selbst gebunden habe. Ein formeller Verwaltungsakt sei gemäß § 42 Abs. 2 VwGO stets anfechtbar. In der Sache widerspreche die angegriffene Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Veränderungsnachweis einen Verwaltungsakt darstelle. Er gestalte als Grundlage für Eintragungen im Grundbuch die Rechtslage. Der Vorschrift des § 2 Abs. 2 GBO, die die Datenübernahme vorschreibe, lasse sich nicht entnehmen, dass die Angaben zur Nutzungsart anders zu behandeln seien als beispielsweise Angaben zur Größe des Grundstücks. Gleiches gelte in Bezug auf §§ 891, 892 BGB. Auch hier sei kein Grund ersichtlich, die Bestandsangaben zur Wirtschaftsart als rechtlich unerheblich zu behandeln. Die tatsächlichen Feststellungen des Beklagten in Bezug auf die Nutzungsart seien unzutreffend. Es handele sich bei der Bebauung des westlichen Grundstücksteils nicht um typische Wochenendhäuser, sondern um ein massives Kleinhaus, das an eine fünfköpfige Familie vermietet sei. Das Grundstück sei in einem Entwurf des Flächennutzungsplans für N_____ als Kleinsiedlungsgebiet ausgewiesen. Die östliche Teilfläche sei voll erschlossen, teilweise bebaut und eingefriedet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 8. November 2005 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung der Veränderungsnachweise vom 1. Dezember 1999 und vom 14. März 2002 zu verpflichten, als Nutzungsart für das Grundstück Gemarkung N_____ _____, im Liegenschaftskataster in Bezug auf den bebauten Grundstücksteil "Gebäude und Freifläche - Wohnen" und in Bezug auf den ungenutzten Grundstücksteil "Gebäude- und Freifläche ungenutzt" einzutragen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die gegen die dem Kläger übersandte Fortführungsmitteilung vom 8. Dezember 1999 erhobene Klage wegen Verwirkung unzulässig sei. Im Übrigen sei dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, dass die rechtlich verbindliche Feststellung hinsichtlich der Nutzungsart nicht dem Kataster- und Vermessungsamt, sondern anderen Behörden obliege. Die Aufgabe der Kataster- und Vermessungsämter bestehe lediglich darin, ein öffentliches raumbezogenes Basisinformationssystem zu schaffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das Liegenschaftskataster hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung in seinem Sinn geändert wird.

Die erhobene Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) ist unzulässig. Die Veränderungsnachweise vom 1. Dezember 1999 und vom 14. März 2002 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2002) stellen jedenfalls in Bezug auf die tatsächliche Nutzung keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfGBbg dar, weil sie insoweit nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind und den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten verletzen können. Daran ändern auch die ursprünglich erteilte Rechtsbehelfsbelehrung und der Erlass des Widerspruchsbescheides, durch den der Beklagte den Widerspruch mangels Verwaltungsaktes als unzulässig zurückgewiesen hat, nichts. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob die Klage gegen den Veränderungsnachweis vom 1. Dezember 1999 bereits wegen Verwirkung unzulässig wäre.

Rechtsgrundlage für die Eintragung der tatsächlichen Nutzungsart in das Liegenschaftskataster ist § 9 des Gesetzes über die Landesvermessung und das Liegenschaftskataster im Land Brandenburg - VermLiegG -. Danach sind alle Flurstücke und Gebäude im Liegenschaftskataster landeseinheitlich u.a. in Bezug auf Lage, Nutzungsart, Größe usw. darzustellen und zu beschreiben. Die Eintragung der tatsächlichen Nutzung für jedes Flurstück richtet sich nach dem Nutzungsartenerlass III Nr. 7/1996 des Ministers des Innern vom 22. April 1996 (ABl. S. 578). Wird das Liegenschaftskataster fortgeführt, ist hierüber ein Veränderungsnachweis bzw. eine Fortführungsmitteilung zu erteilen (vgl. § 12 Abs. 2 VermLiegG). Er dient der Darstellung bzw. Verdeutlichung der Veränderungen und Berichtigungen, die in das Liegenschaftskataster übernommen worden sind.

Gemäß § 10 Abs. 1 VermLiegG ist das Liegenschaftskataster das amtliche Verzeichnis der Grundstücke im Sinne des § 2 Abs. 2 der Grundbuchordnung (GBO). Die Bestandsangaben des Liegenschaftskatasters werden in das Bestandsverzeichnis des Grundbuches übernommen, vgl. § 6 Abs. 3a der Verordnung zur Durchführung der Grundbuchordnung - GBV - vom 24. Januar 1995 (BGBl. I S. 114), wonach die Spalte 3 des Bestandsverzeichnisses zur Bezeichnung der Grundstücke gemäß dem amtlichen Verzeichnis im Sinne von § 2 Abs. 2 GBO dient. In Unterspalte 3e bzw. 3c sind einzutragen die Wirtschaftart des Grundstücks (z.B. Acker, Wiese, Garten, Wohnhaus mit Hofraum, Wohnhaus mit Garten) und die Lage (Straße und Hausnummer), § 6 Abs. 3a Satz 2 Nr. 4, Abs. 3b Nr. 2 GBV.

Unter Berücksichtigung der angeführten Vorschriften hat die Aufnahme der tatsächlichen Nutzungsart in das Liegenschaftskataster bzw. deren Änderung mittels Veränderungsnachweises nicht den Charakter eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 35 VwVfGBbg. Es fehlt an der erforderlichen unmittelbaren Rechtswirkung nach außen, weil an die tatsächliche Nutzungsart keine Rechtsfolgen geknüpft sind. Es handelt sich vielmehr um eine informatorische Beschreibung. Entgegen der Ansicht des Klägers wird hierdurch auch die bauplanungs- und bauordnungsrechtlich zulässige Nutzung nicht verbindlich festgelegt. Die Beantwortung der Frage, ob der vorgefundene bauliche Bestand rechtmäßig ist und welche Nutzungsarten zulässig sind, richtet sich nicht nach der Eintragung in das Liegenschaftskataster, sondern u.a. nach bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Hierüber entscheiden nicht die Kataster- und Vermessungsämter (vgl. zu alledem VGH Kassel, BRS 44, Nr. 146; VGH Kassel, NuR 1993, 36; VG Dresden, Urteil vom 17. Februar 2005 - 7 K 2552/02 -, zitiert nach juris; ähnlich Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 2 Rn. 55 und 53). Auch in steuerrechtlicher Hinsicht geht von der eingetragenen tatsächlichen Nutzungsart keine Rechtswirkung aus (vgl. z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 1. September 2005 - 11 K 5169/02 -, zitiert nach juris).

Ebenso wenig hat die Eintragung der Nutzungsart in das Bestandsverzeichnis des Grundbuches Rechtswirkungen. Sie bewirkt keine gestaltende Änderung der Rechtslage. Die Richtigkeitsvermutung gemäß § 891 Abs. 1 BGB, wonach vermutet wird, dass jemandem ein Recht zusteht, wenn es für ihn im Grundbuch eingetragen ist, bezieht sich nicht auf Tatsachenangaben über Eigenschaften und Verhältnisse des Grundstücks wie z.B. die Art der Bewirtschaftung (vgl. Demharter, Grundbuchordnung, 25. Aufl., § 2 Rn. 26; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 891 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen zur Literatur und Rechtsprechung; Lorenz, in: Erman, BGB, 11. Aufl., § 891 Rn. 5). Gleiches gilt in Bezug auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches nach § 892 BGB, der sich ebenfalls nicht auf die rein tatsächlichen Angaben des Bestandsverzeichnisses erstreckt (vgl. Wacke, a.a.O., § 892 Rn. 21; Demharter, Grundbuchordnung, 25. Aufl., § 2 Rn. 26). Die Übereinstimmung zwischen Bestandsverzeichnis des Grundbuchs und amtlichem Verzeichnis soll vor allem gewährleisten, dass das Grundstück in der Örtlichkeit auffindbar ist (Eickmann, in: Kuntze/Hertel u.a., Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 2 GBO Rn. 10). Diesem Ergebnis steht auch nicht die von dem Kläger als Beleg für seine Ansicht angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG NJW 1966, 609 ff.) entgegen. Dort ging es gerade nicht um die Art der Nutzung, sondern um die Neuvermessung eines Grundstücks.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, kommt auch keine Umdeutung des Verpflichtungsbegehrens in eine allgemeine Leistungsklage in Betracht, weil dem Kläger aus den dargelegten Gründen insoweit das Rechtschutzbedürfnis fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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