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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.09.2008
Aktenzeichen: OVG 12 B 39.07
Rechtsgebiete: VwVfG, AEG, BGB


Vorschriften:

VwVfG §§ 72 ff.
VwVfG § 72 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 73
VwVfG § 74
VwVfG § 75
VwVfG § 75 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 1
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 2
VwVfG § 75 Abs. 3 Satz 1
VwVfG § 75 Abs. 3 Satz 2
VwVfG § 76
VwVfG § 77
VwVfG § 78
AEG § 18 Abs. 1 Satz 1
AEG § 20 Abs. 2
BGB § 906
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

OVG 12 B 39.07

Verkündet am 11. September 2008

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2008 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese, die ehrenamtliche Richterin Böttcher und den ehrenamtlichen Richter Bork

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Beigeladene zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach der Wiedervereinigung wurden die Planfeststellungsverfahren für den Ausbau und die Elektrifizierung der Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin in den Jahren 1993 bis 1996 durchgeführt. Die Verbindung führt in Berlin von der westlichen Landesgrenze zum Bahnhof Berlin-Spandau und von dort über die Berliner Stadtbahn zum Ostbahnhof. Das Rathaus des Bezirks Spandau von Berlin liegt nördlich der dort in Dammlage verlaufenden Trasse im Bereich des Planfeststellungsabschnitts (PFA) 1 B. Der Abstand zwischen der Oberleitung des nördlichsten Fernbahngleises und der Südfassade des Rathauses beträgt ca. 30 m. Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens für den Planfeststellungsabschnitt 1 B war u.a. die Elektrifizierung der Strecke. Die Planfeststellungsunterlagen lagen im Herbst 1994 im Rathaus des Bezirksamts Spandau zur allgemeinen Einsichtnahme aus. Im Erläuterungsbericht war dabei die Aussage enthalten, dass vor Baubeginn Untersuchungen über die zu erwartenden elektromagnetischen Feldstärken durchzuführen seien, um eventuell notwendige Schutzmaßnahmen zu definieren und zu verwirklichen. In der Umweltverträglichkeitsstudie als Teil der Planfeststellungsunterlagen wurde darauf hingewiesen, dass sich durch die Elektrifizierung der Strecke mit Wechselstrom der Frequenz 16,67 Hz und einer Fahrleitungsspannung von 15 kV die Verhältnisse im Umfeld der Trasse insoweit ändern würden, dass elektrische und magnetische Wechselfelder aufträten. Diese Wechselfelder könnten u.a. auf elektrische Geräte wirken. Das Bezirksamt Spandau gab zu dem Vorhaben Stellungnahmen ab, die keine Hinweise zu der Computerausstattung des Rathauses Spandau und zu Befürchtungen in Bezug auf Auswirkungen der Elektrifizierung enthielten. Daraufhin wurde der Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahnbundesamt am 29. Februar 1996 unter Übernahme der zitierten Aussage aus dem Erläuterungsbericht erlassen.

Zwischen Mai 1997 und Ende 1998 realisierte die Beigeladene den von ihr beabsichtigten elektrifizierten Fern- und Regionalverkehr nach und nach. Entsprechend der Ankündigung im Erläuterungsbericht wurde die Magnetfeldsituation bezogen auf den Bereich Bahnhof Spandau - Telekom-Gebäude - im Zuge der Baumaßnahmen im September 1996 begutachtet. Dabei empfahl der Gutachter in Bezug auf ein 15 m südlich der Trasse gelegenes Fernmeldedienstgebäude der Telekom, die Schallschutzwand auf der Südseite der Trasse rückleitend auszubilden und an den Masten auf der Trassensüdseite drei Rückleitungsseile anzuordnen.

Seit Anfang 1998 wiesen Mitarbeiter des Bezirksamts Spandau von Berlin auf Störungen der Monitore ihrer EDV-Arbeitsplätze durch Flimmern und Wackeln des Bildes hin. Die regelmäßig in Intervallen auftretenden Störungen führten bei den Mitarbeitern zu körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Augenflimmern. Der Kläger gab daraufhin eine Begutachtung durch den TÜV Berlin-Brandenburg in Auftrag. Das Gutachten des TÜV vom 17. Juni 1999 kam zu dem Ergebnis, dass vor allem die der Bahn zugewandten Büroräume in Intervallen durch magnetische Störfelder betroffen würden. Dabei wurden zu einem ganz überwiegenden Anteil durch den TÜV Störquellen ermittelt, die nach dem Gutachten nur von den Bahnanlagen ausgesendet werden konnten. Das Gutachten des TÜV schließt mit der Feststellung, dass Maßnahmen gegen das Bildschirmflimmern für erforderlich gehalten würden. Dazu seien folgende Möglichkeiten alternativ gegeben: In Betracht komme die Abschirmung der Bildschirme durch Gehäuse aus Materialien mit speziellen magnetischen Eigenschaften, der Austausch der Bildschirme gegen störunanfällige Typen, der Austausch der Bildschirmgeräte gegen LCD-Flachbildschirme, die durch Magnetfelder nicht beeinflussbar seien.

Der Kläger, der im Jahre 1996 für die Computerarbeitsplätze im Rathaus Spandau herkömmliche Röhrenmonitore mit einer Störfestigkeit von 0,3 Mikrotesla (uT) angeschafft hatte, erwarb daraufhin zwischen dem 19. Juli und 20. Dezember 1999 276 Flachbildschirme für umgerechnet 364.199,30 €.

Den Ersatz dieser Aufwendungen verlangte der Kläger von der Beigeladenen, was diese unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Gegengutachten der Deutsche Eisenbahn-Consulting GmbH vom 7. Juli 2000 ablehnte. Das Gutachten kommt im Kern zu der Aussage, dass die Störungen der Monitore im Rathaus Spandau in erster Linie auf eine unzureichende EDV-technische Ausstattung und lediglich ergänzend auf die Elektrifizierung der Bahnstrecke zurückzuführen seien. Daraufhin erhob der Kläger Klage beim Landgericht Berlin auf Zahlung von Aufwendungsersatz in der zuvor angegebenen Höhe. Das Landgericht wies die Klage durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 15. Februar 2002 (13 O 104.01) ab und verwies zur Begründung auf den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss, der zivilrechtliche Ansprüche des Klägers ausschließe. Zugleich erhielt der Kläger den Hinweis auf die Möglichkeit, beim Eisenbahn-Bundesamt einen Antrag auf Planergänzung zu stellen.

Dieser Empfehlung kam der Kläger unter dem 15. März 2002 nach und beantragte beim Beklagten, der Beigeladenen aufzuerlegen, ihm 300.000 € für die Anschaffung der Flachbildschirme zu zahlen. Durch Beschluss vom 17. Juni 2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Aufwendungsersatz scheide aus, weil der Kläger sich durch Anschaffung der Flachbildschirme selbst geholfen habe. Der Planfeststellungsbeschluss entfalte eine Duldungswirkung, die es ausschließe, für die vor Antragstellung vorgenommenen eigenen Aufwendungen vom Vorhabenträger Ersatz zu verlangen. Im Übrigen hätte das Eisenbahnbundesamt, wenn es rechtzeitig befasst worden wäre, nicht den Austausch der Monitore, sondern den Einbau von Kompensationsrückleitern auf der Nordseite der Trasse angeordnet. Diese Maßnahme hätte zum Schutz gegen elektromagnetische Felder ausgereicht.

Daraufhin hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Berlin und - vorsorglich - Widerspruch erhoben. Der Widerspruch ist als unzulässig zurückgewiesen worden. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beeinträchtigungen der Mitarbeiter im Rathaus Spandau seien unzumutbar gewesen und hätten den Austausch der Monitore aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich gemacht. Es sei nach dem Vorliegen des TÜV-Gutachtens vom 17. Juni 1999 eine Zuspitzung der Situation eingetreten, in der der Personalrat mit Arbeitsniederlegungen gedroht habe. Zur Aufrechterhaltung der Tätigkeit des Bezirksamtes sei deshalb ein sofortiges Handeln ohne vorherigen Antrag beim Eisenbahn-Bundesamt erforderlich gewesen. Als einzige geeignete Maßnahme sei dabei der Austausch der Monitore gegen Flachbildschirme in Betracht gekommen. Insoweit hätte sich auch für das Eisenbahn-Bundesamt im Falle einer vorherigen Antragstellung eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme die Festsetzung von Aufwendungsersatz auch dann in Betracht, wenn der Betroffene die Schutzvorkehrungen bereits selbst getroffen habe.

Mit Urteil vom 6. März 2007 hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, als Anspruchsgrundlage für den Kläger komme allein § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in Betracht. Dabei könne offen bleiben, ob der Kläger die Antragsfrist von drei Jahren nach § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG gewahrt habe und ob in der Störung der Monitore eine "nicht voraussehbare Wirkung" des Vorhabens im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG liege. Die Kosten von Maßnahmen, die schon vor Beantragung der Planergänzung durch den Betroffenen getätigt worden seien, könnten nämlich nicht nachträglich dem Vorhabenträger auferlegt werden. Im Übrigen und unabhängig davon stehe der Planfeststellungsbehörde bei der Frage, in welcher Weise ein nachträglich gebotener Schutz für unvorhersehbare Wirkungen technisch am besten zu bewerkstelligen sei, ein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Eine Verdichtung dieses Spielraums dahin, dass nur ein Austausch der Röhrenmonitore gegen Flachbildschirme geeignet gewesen sei, könne hier nicht festgestellt werden.

Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene und vom Kläger fristgerecht eingelegte Berufung.

Der Kläger beruft sich weiterhin darauf, dass die seit Anfang 1998 aufgetretenen Bildschirmstörungen durch die Elektrifizierung der Bahnstrecke verursacht worden und für ihn unvorhersehbar gewesen seien. Insbesondere habe für ihn keine Verpflichtung bestanden, im Planfeststellungsverfahren entsprechende Befürchtungen einzuwenden. Auch der Vorhabenträger und das Eisenbahn-Bundesamt hätten das Problem nicht oder nur unzureichend erkannt und deshalb lediglich in Bezug auf das Telekom-Gebäude südlich der Bahntrasse Regelungen in den Planfeststellungsbeschluss aufgenommen. Folglich lägen unvorhersehbare nachteilige Wirkungen vor, die von dem Planfeststellungsvorhaben ausgingen. Die Dreijahresfrist des § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG sei eingehalten, weil positive Kenntnis von den nachteiligen Wirkungen erst nach Einholung des TÜV-Gutachtens vom Juni 1999 entstanden sei. Die Antragstellung gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt am 15. März 2002 sei mithin fristgerecht. Soweit das Planfeststellungsrecht einen vorherigen Antrag gegenüber der Planfeststellungsbehörde vorsehe, sei ein solcher angesichts der Besonderheiten der Situation im Sommer und Herbst 1999 nicht erforderlich gewesen. Infolge der Zuspitzung der Lage und der massiven Beeinträchtigung der Mitarbeiter im Rathaus habe ihm - so meint der Kläger - das Recht zugestanden, vor einer Antragstellung gegenüber der Planfeststellungsbehörde selbst Abhilfe zu schaffen. Dies gelte vor allem deshalb, weil auch das Eisenbahn-Bundesamt bei vorheriger Antragstellung nur eine einzige rechtmäßige Entscheidung habe treffen können. Dies sei der Austausch der alten Monitore gegen Flachbildschirme gewesen. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 1. September 1999 entschieden, dass Aufwendungsersatz auch dann gewährt werden könne, wenn der Betroffene die Schutzvorkehrungen vorher bereits selbst getroffen habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. März 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Eisenbahn-Bundesamtes vom 17. Juni 2004 zu verpflichten, der Beigeladenen aufzugeben, Aufwendungsersatz in Höhe von 300.000 € an den Kläger zu leisten.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen den ablehnenden Bescheid und das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Eisenbahnbundesamtes vom 17. Juni 2004 ist rechtmäßig und bewirkt keine Verletzung der Rechte des Klägers. Der Kläger kann nicht verlangen, dass der Beklagten aufgegeben wird, gegenüber der Beigeladenen nachträglich die Anordnung zu erlassen, Aufwendungsersatz an den Kläger zu leisten.

Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt allein der in § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG normierte Anspruch auf eine nachträgliche Anordnung von Schutzvorkehrungen in Betracht. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass derartige Vorkehrungen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als "physisch-reale" Maßnahmen zur Vermeidung der nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens definiert werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Schutzvorkehrungen selbst oder ein Aufwendungsersatz angeordnet werden. Der Aufwendungsersatz bezeichnet danach die - gesetzlich nicht geregelte - Modalität, in der der Anspruch auf reale Schutzvorkehrungen erfüllt wird (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 1. September 1999 - BVerwG 11 A 2.98 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 52 S. 4 oben). Erst wenn solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind, besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Entschädigung in diesem Sinne ist also der finanzielle Ausgleich für unzumutbare Beeinträchtigungen. Darum geht es dem Kläger hier nicht. Er will vielmehr reale Schutzvorkehrungen in der Form eines finanziellen Aufwendungsersatzes.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine entsprechende Anordnung sind jedoch nicht gegeben. Dass für den Ausbau der Schnellbahnverbindung Berlin-Hannover Planfeststellungsverfahren gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erforderlich waren, ergibt sich zunächst aus § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG. Für das Planfeststellungsverfahren in Bezug auf den Planfeststellungsabschnitt 1 B galten danach die §§ 73 bis 78 VwVfG.

1. Die in § 75 Abs. 3 Satz 2 VwVfG bestimmte Frist hat der Kläger eingehalten. Danach sind Anträge, mit denen Ansprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder auf angemessene Entschädigung nach Abs. 2 und 4 geltend gemacht werden, innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens oder der Anlage Kenntnis erhalten hat. Erforderlich ist dabei die positive Kenntnis von den nachteiligen Wirkungen. Kennenmüssen reicht nicht aus (Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar 7. Aufl., § 75 VwVfG Rn. 89). Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger erst nach Einholung des TÜV-Gutachtens vom 14. Juni 1999 positive Kenntnis darüber erworben hat, dass die von ihm festgestellten Störungen Auswirkungen der Elektrifizierung der Bahnstrecke waren oder jedenfalls sein konnten.

2. Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass die vom Kläger beklagten Störungen der von ihm betriebenen Röhrenmonitore nicht voraussehbare Wirkungen des planfestgestellten Vorhabens darstellten. Dafür sind folgende Gründe maßgeblich:

Rechtlich kennzeichnend für eine Planfeststellung im Sinne der §§ 72 ff. VwVfG sind - u.a. - die in § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG niedergelegte Gestaltungswirkung und die in § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG normierte Ausschlusswirkung. Beide Rechtswirkungen stehen in engem Zusammenhang zueinander. Die Ausschlusswirkung begründet für die planbetroffenen Nachbarn der Anlage eine Duldungspflicht gegenüber betriebsbedingten Immissionen, die über die gesetzliche Pflicht nach § 906 BGB hinausgeht. Die Ausschlusswirkung erfasst aber ebenso etwaige öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Schutzvorkehrungen oder Geldausgleich, die Planbetroffene gegen die Planfeststellungsbehörde richten könnten. Sinn des Ausschlusses sämtlicher Ansprüche ist der Investitionsschutz für den Träger des Vorhabens (vgl. Vallendar in Beck'scher AEG-Kommentar, 2006, § 18 Rn. 37 - 40). Die Voraussetzungen für den Eintritt der Ausschlusswirkung sind hier erfüllt, weil der Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1 B vom 29. Februar 1996 bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist. Ebenso besteht kein Zweifel daran, dass das Vorhaben entsprechend den Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses errichtet worden ist.

Infolge der eingetretenen Ausschlusswirkung des Planfeststellungsbeschlusses besteht für den Kläger als Planbetroffenen in Bezug auf alle von dem Vorhaben ausgelösten und aufgeworfenen Probleme eine Duldungspflicht, es sei denn, dass es sich um unvorhergesehene Auswirkungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG handelt. Dass elektromagnetische Wellen, wie diejenigen, die von einer elektrischen Oberleitung ausgehen, ein Problem darstellen können, ist seit langem anerkannt. Das Bundesverwaltungsgericht zitiert dazu in der bereits angegebenen Entscheidung vom 1. September 1999 das Urteil des Reichsgerichts in RGZ 133, 342, 349. Bereits daraus ergibt sich, dass die durch die Oberleitung notwendigerweise verursachte Veränderung der elektromagnetischen Situation im Planfeststellungsabschnitt notwendigerweise einen Gesichtspunkt darstellte, der zum Abwägungsmaterial in der Planfeststellung gehörte und an den deshalb zu denken war. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten zum Inhalt der Planfeststellungsunterlagen und des Planfeststellungsbeschlusses enthielten diese lediglich in Bezug auf ein Gebäude der Telekom 15 m südlich der Trasse Anordnungen. Weitere Ausführungen zur Problematik elektromagnetischer Felder wurden weder in den Planfeststellungsbeschluss noch in die beigezogenen Unterlagen und Anlagen aufgenommen.

Soweit dies das Rathaus Spandau mit seinen zahlreichen Computerarbeitsplätzen betrifft, kann daraus nicht auf einen materiellen Fehler des Planfeststellungsbeschlusses geschlossen werden. Nachdem der Kläger keine Einwendung mit der Besorgnis einer negativen Veränderung der elektromagnetischen Situation im Rathaus Spandau erhoben hatte, hängt das Vorliegen eines Fehlers im Planfeststellungsbeschluss davon ab, ob sich der Planfeststellungsbehörde aufdrängen musste, die elektrotechnische Situation der Arbeitsplätze im Rathaus von Amts wegen unter die Lupe zu nehmen. Nur wenn dies bejaht werden könnte, müsste die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials durch die Planfeststellungsbehörde nachträglich als lückenhaft und fehlerhaft bezeichnet werden. Davon ist jedoch nicht auszugehen. Zwar wird angenommen werden müssen, dass sich der Planfeststellungsbehörde in den Jahren 1994 bis Anfang 1996 der Gedanke aufdrängen musste, dass in der Verwaltungszentrale eines Bezirks von Berlin mittlerweile moderne Informationstechnik Einzug gehalten hatte; doch ergibt sich daraus nicht, dass die Planfeststellungsbehörde von vornherein ohne einen entsprechenden Hinweis oder eine entsprechende Einwendung des Klägers einzukalkulieren hatte, die verwendete Informationstechnik weise möglicherweise nicht die erforderlichen Schutzvorkehrungen gegen Störanfälligkeit auf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2001 - BVerwG 4 B 37/00 - NVwZ 2001, S. 1398/1399 a.E.). Würde der Planfeststellungsbehörde die Aufgabe auferlegt, in einem großstädtischen Planfeststellungsabschnitt wie hier allen möglichen denkbaren Problemsituationen von Amts wegen ohne Einwendung des Betroffenen nachzugehen, so würde dies die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials in nicht mehr sachgerechter Weise erschweren oder gar unmöglich machen.

Auf der anderen Seite kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er keine Veranlassung gehabt habe, eine denkbare Gefährdung seiner technischen Ausstattung im Wege der Einwendung nach § 20 Abs. 2 AEG geltend zu machen. Dass im Rathaus dabei 1994 und auch noch nach der Neubeschaffung im Jahre 1996 Röhrenmonitore verwendet wurden, die technisch zulässig waren, ist nicht entscheidend. Dem Kläger war bekannt oder es musste ihm jedenfalls bekannt sein, dass die bei ihm verwendeten Monitore eine hohe Störanfälligkeit aufwiesen. Gerade dieser Umstand hätte zur Folge haben müssen, dass für den Kläger die Obliegenheit entstand, im Planfeststellungsverfahren den genannten Umstand anzugeben und so eine vertiefte Prüfung durch die Planfeststellungsbehörde zu erreichen.

War die Planfeststellungsbehörde nicht gehalten, dem Problem der elektromagnetischen Felder im Rathaus Spandau von Amts wegen nachzugehen und hatte der Kläger es versäumt, innerhalb der Einwendungsfrist entsprechende Hinweise zu geben, so muss - bezogen auf das Rathaus Spandau - die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials zum Thema "elektromagnetische Felder" durch die Planfeststellungsbehörde als ausreichend und lückenlos angesehen werden. Dann aber spricht unabhängig davon, dass der Planfeststellungsbeschluss ohnehin unanfechtbar geworden ist, nichts dafür, dass er insoweit einen materiellen Abwägungsfehler enthält (vgl. Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs a.a.O. § 75 Rn. 50). War damit die Problematik der elektromagnetischen Auswirkungen im Planfeststellungsverfahren ein vorhersehbares Gefährdungspotenzial, dem sich die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsbeschluss in der beschriebenen Weise gewidmet hatte, so handelte es sich bei den vom Kläger beklagten, ab Anfang 1998 aufgetretenen Störungen nicht um nicht voraussehbare Wirkungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Folglich kann die Klage bereits aus diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg haben.

3. Unabhängig davon und selbstständig tragend ergibt sich die Unbegründetheit der Klage zusätzlich aus einem anderen Grund. Würde mit dem Verwaltungsgericht zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass es sich bei den beklagten Störungen der Röhrenmonitore um nicht voraussehbare Wirkungen der Elektrifizierung der Bahnstrecke gehandelt hat, so kommt eine nachträgliche Schutzvorkehrung in der Form von Aufwendungsersatz gleichwohl nicht in Betracht. Aufgabe der Planfeststellung ist in materieller Hinsicht das Problem der Planbewältigung. Die Planfeststellungsbehörde hat die zentrale Aufgabe, die sich aus dem Vorhaben des Vorhabenträgers ergebenden Problemlagen zu erfassen und sachgerecht zu lösen. Wird im Laufe des Planfeststellungsverfahrens ein bestehendes Problem durch einen Planbetroffenen selbst gelöst (indem etwa der Anlieger einer Bahnstrecke aus eigenen Mitteln einen Lärmschutzwall errichtet), so liegt im Anschluss daran kein Problem mehr vor, dass die Planfeststellungsbehörde bearbeiten und lösen müsste oder auch nur könnte. Ebenso verhält es sich - wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat - bei nachträglichen Schutzauflagen. Aus Gründen des Investitionsschutzes für den Vorhabenträger besteht für die Planfeststellungsbehörde keine rechtliche Möglichkeit und auch keine Berechtigung, dem Vorhabenträger nachträgliche Schutzauflagen aufzugeben, wenn das zu bearbeitende Problem bereits beseitigt ist. Dies gilt in jedem Fall dann, wenn die Problembeseitigung bereits vor Antragstellung gegenüber der Planfeststellungsbehörde im Sinne des § 75 Abs. 3 Satz 1 VwVfG erfolgt ist. Ob etwas anderes angenommen werden könnte, wenn die Problembewältigung durch den Planbetroffenen nach Antragstellung bei der Planfeststellungsbehörde, aber vor deren Entscheidung erfolgt, wie es das Bundesverwaltungsgericht in einer sehr speziellen Sachverhaltskonstellation in seinem Urteil vom 1. September 1999 (a.a.O. S. 4 oben) möglicherweise angenommen hat, bedarf keiner Entscheidung durch den Senat.

4. Sollten auch hier die rechtlichen Weichen anders gestellt und ein Aufwendungsersatz nach vorheriger Problembeseitigung durch den Planbetroffenen für möglich erachtet werden, so würde - wiederum selbstständig tragend - das Begehren des Klägers auch dann scheitern. Soweit der Kläger im gesamten Verfahren fortlaufend vorgetragen hat, der Austausch der Röhrenmonitore gegen Flachbildschirme sei die einzig geeignete Abwendungsmaßnahme gewesen, erscheint dies nicht haltbar. Nach den vorliegenden technischen Unterlagen und Gutachten spricht nichts dafür, dass es technisch nicht möglich gewesen wäre, die schädliche Veränderung der elektromagnetischen Felder in Bezug auf das Rathaus Spandau durch Maßnahmen an der zum Rathaus gelegenen Schallschutzwand oder durch ergänzende Maßnahmen an der Oberleitung selbst zu vermeiden. Dass der Kläger demgegenüber im Sommer 1999 von vornherein und ohne weitere technische Abklärung und Begutachtung die teuerste und für seine Beschäftigten komfortabelste Lösung wählte, ohne die Planfeststellungsbehörde oder auch den Vorhabenträger zuvor einzuschalten, war ein jedenfalls planfeststellungsrechtlich in keiner Weise gerechtfertigtes Vorgehen.

Soweit dazu von Seiten des Klägers auf Zeitnot und einen drohenden Zusammenbruch der Arbeitsfähigkeit des Bezirksamtes verwiesen wird, kann auch dem nicht gefolgt werden. Zum einen hätte bereits nach Auftreten der Störungen im Jahre 1998 Veranlassung bestanden, die Planfeststellungsbehörde und/oder den Vorhabenträger in Kenntnis zu setzen, zum anderen wäre noch im Juni 1999 nach Einholung des TÜV-Gutachtens anstelle einer mit dem Abstand von ungefähr einem Monat beginnenden "Flachbildschirmbeschaffungsmaßnahme" ein dringlicher Antrag an das Eisenbahn-Bundesamt zur Vornahme unverzüglicher nachträglicher Schutzvorkehrungen möglich und aussichtsreich gewesen. War die Maßnahme zur Beschaffung der Flachbildschirme im Rathaus Spandau bis Ende 1999 abgeschlossen, so kann mit Sicherheit erwartet werden, dass die Planfeststellungsbehörde entsprechend ihrer gesetzlichen Verantwortung zum Schutz der Mitarbeiter im Rathaus Spandau innerhalb dieses Zeitraums eine sachgerechte Entscheidung über nachträgliche Schutzvorkehrungen getroffen hätte. Dabei kann nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen keine Rede davon sein, dass die Beklagte dabei wegen einer Reduzierung ihres Spielraums auf Null nur die Möglichkeit gehabt hätte, dem Vorhabenträger die Finanzierung von Flachbildschirmen für die Beschäftigten im Rathaus Spandau aufzuerlegen.

Schließlich hätte dem Kläger bei rechtzeitiger Antragstellung gegenüber der Planfeststellungsbehörde und zögerlicher Behandlung des Verfahrens durch diese jederzeit die Möglichkeit offen gestanden, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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