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Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 19.10.2009
Aktenzeichen: OVG 12 M 75.09
Rechtsgebiete: GG, BGB, EGBGB, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
BGB §§ 1360 ff.
EGBGB Art. 18 Abs. 1
VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 120 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS

OVG 12 M 75.09

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 12. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Kipp, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Riese am 19. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. August 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung monatlicher Raten hat keinen Erfolg.

1. Der Einwand der Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht allein die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Klägerin habe berücksichtigen dürfen und sie nicht auf einen Prozesskostenvorschuss gegenüber ihrem unterhaltsberechtigten Ehemann verwiesen werden könne, wenn dieser - wie von dem Verwaltungsgericht erkannt - einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung habe, greift nicht durch. Auf die ohnehin nicht unumstrittene oberlandesgerichtliche Rechtsprechung, wonach der unterhaltsberechtigte Ehegatte bei einem Anspruch des Unterhaltspflichtigen auf Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung nicht auf einen Prozesskostenvorschuss verwiesen werden darf, sondern ihm uneingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt werden muss (vgl. z.B. OLG München, Beschluss vom 12. November 1992, FamRZ 1993, 714; a.A. z.B. KG, Beschluss vom 9. August 1989, FamRZ 1990, 183) kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Prozesskostenvorschussanspruch des minderjährigen Kindes vom 4. August 2004 (NJW-RR 2004, 1662 f.) auf Unterhaltsansprüche von Ehegatten übertragbar ist.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats ein - wie die Klägerin - im Ausland lebender Ehegatte, der ein auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug gerichtetes Klageverfahren betreibt, nicht darauf verwiesen werden, von seinem bereits im Bundesgebiet lebenden Ehegatten einen Prozesskostenvorschuss nach § 1360 a Abs. 4 BGB zu fordern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 3. März 2008 - OVG 12 M 120.07 - und vom 31. März 2009 - OVG 12 M 19.09 -; für den vergleichbaren Fall des Kindernachzugs s. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2007 - OVG 12 M 29.07 -, juris). Dieser in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Anspruch (vgl. z.B. VGH München, Beschluss vom 27. März 2007 - 5 C 06.2392 -, juris; OVG Hamburg, FamRZ 2006, 1615; OVG Münster, Beschluss vom 26. November 1998 - 19 E 612/98 -, juris) richtet sich hier nicht nach §§ 1360 ff. BGB, sondern nach dem in Serbien geltenden Unterhaltsrecht (Art. 18 Abs. 1 EGBGB). Ob der Klägerin nach serbischem Recht ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss zusteht, ist hier nicht entscheidungserheblich.

Bei der Prüfung der Bedürftigkeit des nachzugswilligen Ehegatten (§§ 114,115 ZPO) ist nicht allein auf dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sondern auch auf die wirtschaftliche Situation des bereits im Bundesgebiet lebenden Ehegatten abzustellen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 3. März 2008 - OVG 12 M 120.07 - und vom 31. März 2009 - OVG 12 M 19.09 -; für den vergleichbaren Fall des Kindernachzugs s. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2007 - OVG 12 M 29.07 -, juris). Zum einen darf, worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat, ein nachzugswilliger Ehegatte in Visumsstreitigkeiten nicht besser gestellt werden als ein bereits nachgezogener Ehegatte. Zum anderen - und dies ist ausschlaggebend - steht dem bereits im Bundesgebiet lebenden Ehegatten aufgrund der Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG ebenfalls ein Anspruch auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung mit dem im Ausland lebenden Ehegatten zu (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. August 1996, BVerwGE 102, 12 ff.; Urteil vom 3. Mai 1973, BVerwGE 42, 141 ff.). Die Frage nach der Bedürftigkeit kann daher nicht davon abhängig gemacht werden, wer von den Eheleuten - zufällig oder willentlich -Klage erhebt. Es ist vielmehr gerechtfertigt, im Prozesskostenhilfeverfahren stets auch auf die wirtschaftliche Situation des bereits im Bundesgebiet lebenden Ehegatten abzustellen, die im Übrigen auch in materiellrechtlicher Hinsicht mit ausschlaggebend ist.

2. Soweit die am 1. September erhobene und nach der Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 25. September 2009 begründete Beschwerde im Wesentlichen erstmalig geltend macht, dass sich die Einkommensverhältnisse des Ehemannes der Klägerin aufgrund von Kurzarbeit verschlechtert hätten und die festgesetzten Raten daher herabgesetzt werden müssten, ist hier für ein Verfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO kein Raum. Insoweit ist zunächst das Verwaltungsgericht als "das Gericht" im Sinne von § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO zuständig (vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 67. Aufl., § 120 Rn. 8).

Unabhängig davon ist nicht mit Erfolg glaubhaft gemacht, dass das Verwaltungsgericht die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Ehemannes der Klägerin unzutreffend gewürdigt hat bzw. dass eine Aufhebung der festgesetzten Ratenzahlung wegen einer Änderung dieser Verhältnisse gerechtfertigt wäre. Das Ausmaß der behaupteten Kurzarbeit, die ohnehin von einer gewissen Dauer sein müsste, lässt sich dem vorgelegten Gehaltsnachweis für August 2009 nicht entnehmen. Auch die weiteren, von den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichenden Angaben - vor allem zum Kindesunterhalt - sind nicht glaubhaft gemacht, sondern lediglich behauptet und stehen zum Teil im Widerspruch zu früheren Angaben der Klägerin. Punktuelle Nachweise für Unterhaltszahlungen reichen nicht aus. Sollte die Klägerin an einem Abänderungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO festhalten bzw. einen derartigen Antrag bei dem zuständigen Verwaltungsgericht stellen, dürfte es geboten sein, dass ihr Ehemann eine von ihm ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegt.

Sollte das Einkommen des Ehemannes der Klägerin tatsächlich auf Dauer sinken, ist zweifelhaft, ob die Beigeladene der Klägerin im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach der Einreise und Ablauf des Visums eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung erteilen kann. Bei der Ermittlung des zur Sicherung des Lebensunterhaltes erforderlichen Einkommens (§ 2 Abs. 3 AufenthG) sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sämtliche in § 11 Abs. 2 SGB II angeführten Beträge abzuziehen. Dies gilt nicht nur für die von der Beigeladenen angesetzte Pauschale gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II, sondern auch für den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 30 SGB II (vgl. Urteil vom 26. August 2008, BVerwGE 131, 370 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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